Zweite Abentheure.

[59] Brynhildis Burg auf dem Berge Hindarfiall.


Brynhildis, geharnischt, das Schwerdt an der Seite, schläft.


DIE DREI NORNEN um sie her wandelnd und singend.

Nornen, Schicksals ordnende Mächte,

Nennen uns drei die Menschenkinder.

Heimlich aus unserm Hauchen keimt's, –

Die Saat zum Frieden, zum Fechten sprießt,

Zu dem Fest der Braut, zum Mahl der Trauer,

Zum Streit der Rache, zum Tanzreihn drauf.

Trüb' auch hier über die Träumrin hin,

Treibt unser Willen Gebilde viel,

Und lagert so Lust als Klagen rings.

Wir schenken dir Macht und Verschmachten bald,

Schön Fürstenkind voll hohen Sinns,

Wir spielen ein vielfach ernstes Spiel.[60]

Wurdur hat das Gewordne gelenkt

Werdandi lenkt das Werdende jetzt,

Und Skuld hat Kunde, was kommen soll.

Zu sichten aller Zeit Geschichten

Ziemt uns den drei'n im stäten Vereine

Bis Zeit entgleitend ausglimmt, wir mit.

WURDUR.

Der alte Held, König Hialmgunnar,

Heiklopfender Brust, rief opfernd auf:

Sieg mir, dem greisenden Krieger Sieg!

Odin, steh mit in des Dieners Streit,

Stolz hebt Agnar der Held sich auf,

Heischt Land und Leute zum Pfand des Siegs.


Dem Diener Sieg verhieß Odin.

Dem Gegner da half Brynhildis Hand,

Der schönen Königstochter Kraft.

Dem Tag gleich, tröstlicher Gaben reich,

Trat sie hellstrahlend und schnell herauf,

Leicht lenkend die Schlacht nach eigner Macht.


Lenkte sie stolz, Hialmgunnar's Heer schmolz,

Hochherrschend und herrlich stand Agnar,

Und Odins Woll'n zerstob in Wolken,

Zu keckes Licht, zu gewicht'ge Kraft,

Dir zürnte Odin schwer. Zu Boden

Warf hin dich strafender Zauberschlaf.[61]

WERDANDI.

So liegt sie träumend von Siegen nur,

Sieht nicht zum Kampfesgericht mehr auf,

Und draussen lodert die Lohe wild;

Lodert im Rund allstund um's Schloß her

Verschließt mit wallendem Schein den Eingang,

Die glüh'nde Bahn kommt keiner heran.

SKULD.

Doch wagen wird's Einer. Heran die Bahn,

Wird reiten ein Degen frei und frank

Durch drohend fläkkernde Flammen her.

Rasch treibt er zum Trab den Roßhuf an,

Tritt prachtvoll ein, Brynhildis wacht,

Denkt günstiger Hochzeit süßem Geschenk.

WERDANDI.

Schon vor des leuchtenden Schlosses Thor,

Schnell durch des Feuers Wirbel zur Burg

Kommt er der Kecke. Was frommt ihm jezt?

Kühnlicher Reitkunst schneller Preis.

Er steigt der Treppe Stein herauf,

Stark hallt sein Harnisch durch das Gebäu'.

ALLE DREI.

Dreht um uns, Schwestern, des Nebels Dunst;

Dicht einhüllend den ernsten Nordschein,

Hauch', Ahnung! bang um der Nornen Bahn!

Rauschen uns hören, ergrau'n darob,[62]

Rann dir, o blindes Erdkind zum Loos,

Lichthell Schau'n ziemt richtenden Göttern.


Sie verschwinden.


SIGURD auftretend.

Das ist mir eine wunderliche Burg!

Ringsum kein Zugang, als durch Rauch und Flammen,

Und die noch so gewaltig wilder Art,

Daß jedes mindre Schlachtroß als mein Grane

Nicht durchgekommen wär'! Die Funken leuchten

Mir hell auf Helm und Harnisch. Fast durchglüht

Ist all' das Eisenwerk. – Hier in den Sälen,

Gemächern, Höfen regt kein Leben sich;

Doch zeigt, was zu des Lebens Lust gehört,

Als da Weinbecher, Tafeln, Decken sind,

In rechter Fürstenpracht sich aufgereiht.

Erscheint der Herr nicht bald, so nehm' ich mir

Die Burg sammt aller Herrlichkeit zu eigen.

Er kann nachher drum fechten, wenn er Herz hat,

Und auf die Waffen sich gleich mir versteht. –

Doch sieh, was liegt da für ein Jünglingsbild,

Geharnischt, tief im Schlaf? – Mein Knab', du bist

Ein träger Hüter diesem edlen Bau,

Drum werd' ich dich des Waffenschmuck's entlasten,

Der Thät'gern ziemt, und dich im Schlaf nur drückt.


Sich Brynhilden nähernd.
[63]

O mir! Es ist kein Knab'! Ein Jungfräulein,

Das Abbild aller Huld und Lieb'sgewalt!

BRYNHILDIS erwachend.

Wer tritt auf Hindarfiall? – Traum! eitler Traum

Mich trügt der Zauberschlaf mit falschem Gaukeln

SIGURD.

Ich weiß nicht, giebt es solche Zauber hier?

Dann laß' uns drein verharr'n für alle Zeit,

Sei's Schlaf, sei's Wachen. Froher war ich nie,

Als seit mir dieses Licht den Sinn durchblitzt.

BRYNHILDIS.

Es ist doch Wachen –

SIGURD.

Sink', o sinke nicht

In deine tiefe Ruh' zurück. Zwar da auch

Warst du so schön, so stillen Reizes voll,

Leisathmend aus den lieblich blüh'nden Lippen;

Doch thät'st du jetzt der Augen Lichter zu,

Einmal gezeigt, – nie würd' ich wieder froh.

BRYNHILDIS auf ihn zutretend.

Du bist der Recke, der nie Furcht gekannt.

Sonst wär'st du hier nicht, hätt'st mich nicht erweckt,

Und dein gehören dieser Schönheit Blumen.

Ich wach', ich lebe nun fortan für dich.[64]

SIGURD.

Wie täuscht mich süß des eiteln Herzens Wunsch

Wovon im Innern meine Sehnsucht spricht,

Das, glaubt' ich eben, sprächen deine Lippen.

BRYNHILDIS.

Ich sprach es, Held. Dein Wünschen täuscht dich nicht.

SIGURD.

So wiederhohle mir den holden Gruß.

BRYNHILDIS.

Dein bin ich, von den Göttern dir ertheilt.

SIGURD.

Mir? – doch was staun' ich! Herrlich ist mein Stamm,

Kraft wohnt und heitre Siegeslust in mir.

Kann dich ein Mann verdienen, so kann ich's.

BRYNHILDIS.

Ein Gott, erzürnt ob meines ungebeugten,

Schlachtfert'gen Muth's, warf diesen Schlaf auf mich.

Du schlummre, so erklang sein donnernd Wort

Betäubend über mir, du schlummre fest,

Bis dich ein Held, des Zagens frei, erweckt. –

Da lag' ich zwischen mannigfachen Träumen,

Ich Atle's, des gewalt'gen Königs, Schwester,

Der Helden Wunsch, bei Kampf und Mahl ihr Licht,

Lag kraftlos unter Zauberschlafes Fittig,

Bis du erschienst. – Sei still. Auf deinen Lippen[65]

Schwebt dir der eig'ne Nam' und deines Stamms.

Ich brauche nicht Belehrung, kenn' dich wohl,

Dich Sigurd, Siegmunds Sohn und Wolsungs Enkel,

Des Faffners Tödter, des gewalt'gen Wurms,

Dich Herrn von Gnitnaheide's reichem Hort,

Dich Helden, der den König Lingo schlug,

Ich kenn' dich, ritterlicher Bräutigam

SIGURD.

Durch welchen Nebel, der mir selbst den Blick

Verschlossen hielt, traf mich dein holdes Auge?

Denn hätt'st du mir auch dich zu schau'n vergönnt,

Lebt' ich schon lang' im Liebessonnenschein.

BRYNHILDIS.

Ich seh' zum erstenmal dich, wie du mich.

SIGURD.

Und wie erriethst du Namen, Eltern, Thaten?

BRYNHILDIS.

Ei Sigurd, du Hiordisens Sohn, erstaunst?

Du wüßtest nicht, daß die erhabne Kunst

Der Weissagung, und sonst die Heimlichkeit

In Erd' und Himmel sie die stille Blüthe

Der ganzen Welt, den schönsten Wohnort sich

Auf dieser ganzen Welt zu suchen pflegt?

Ich meine, schöner Frauen klaren Geist.

Mögt ihr mit andrer Klugheit euch befassen,[66]

Uns krönt der heil'gen Ahnung blüh'ndster Kranz.

Merk' auf, mein junger Held, was deine Braut

Für reicht Wissen hegt. Viel Runen kenn' ich,

Und brauche sie nach meinem Willen frei,

Und nach dem Willen dessen, der mir lieb ist.

Siegrunen erst, zum günst'gen Lauf der Schlacht,

Aulrunen dann, das Gift aus Tränken meidend,

Brimrunen, Schiffern hülfereich im Sturm,

Limrunen, Rind' und Blättern eingegraben,

Herstellend schwindender Gesundheit Kraft;

Malrunen, Sprüch' eingebend vor Gericht,

Zuletzt Hugrunen, um der Manschen Sinne

Huldreich zu lenken sich zu stäter Gunst.

SIGURD.

Wer bist du denn, du wundervolle Herrin?

Du nanntest König Atle's Schwester dich,

Jedoch mit welchem Namen gönnst du mir,

Dem Bräut'gam, zu begrüßen seine Braut?

BRYNHILDIS.

Sie nennen mich mit andern Lauten wohl,

Du aber nenne mich (damit der Sieg

In deinem wie in meinem Namen töne,

Und unser Bund auch so verkündigt sei,)

Du, schöner Bräut'gam, nenn' mich Sigurdrifa.

Jetzt aber heb' ich dir vom reichen Sims[67]

Des weingefüllten Bechers Glanz herab,

Und grüß' dich mit geziemend weih'nden Spruch.


Den Becher fassend.


Gruß dem Tage,

Gruß den Tagesstunden,

Gruß der Tagesdämm'rung!

Günstigen Auges

Beschaut uns ihr Alle,

Spendet uns Schmausenden Sieg!


Gruß den Asen,

Gruß den Asinnen,

Gruß der vielnutzenden Erde!

Beredsamkeit, Weisheit,

Spendet uns Beiden,

Heilkräft'ge Händ' auf Lebenslang!


Ihm den Becher reichend.


Den Trunk biet' ich dir dar,

O du fruchttragender Baum

Auf Waffenfeldern!

An Kraft und Muth den reichen Trunk

Mit Reimen, günstigen Zeichen,

Wohlwollendem Zauber geweiht.

SIGURD nachdem er getrunken.

Dies war mein Hochzeittrank, o süße Braut,

Mit ihm gelobt' ich stäte Treue dir.

Nun bist du mein, in heil'ger Ehe Bund.[68]

BRYNHILDIS.

Ich muß nun was du willst, und schöner Jüngling

Nicht ungern dein wird Brynhild's edler Reiz.

SIGURD.

Ist uns das Brautgemach geschmückt?

BRYNHILDIS.

Es ist.

Doch hör' mich an. Von meinem Lager fort

Wird in die Welt hinaus dein kühner Sinn

Dich treiben, neuen Abentheuern nach –

SIGURD.

Gebeut, so bleib' ich.

BRYNHILDIS.

Das Geschick gebeut,

Wir Erdbewohner haben keine Stimme

Für solchen Rath, nur höchstens späh'nden Blick;

Drum hör' auf die Sinnsprüche, so mein Mund

Dir austheilt, reichen Hort für deine Fahrt. –

Zum ersten: die Blut'sfreunde ehre stets,

Rück's ihnen auch nicht auf, wo sie dich kränken.

Dann: flieh' den Meineid, Rach' ist sein Gefährt.

Zum dritten:. streit' nicht öffentlich mit Thoren.

Das schafft dir sichre Schmach des Augenblicks,

Vielleicht sogar, wenn deine Rache weilt,

Die schlimmre Schmach der Feigheit oder Schuld,

Die spät'stens andern Tag's des Schmähers Tod[69]

Auslöschen muß, willst du bei Ehren sein.

Zum vierten: der Giftmischerin Bewirthung

Vermeide, hemmt auch Nacht die Reise dir.

Zum fünften: mistrau' wo ein Weib dir schmeichelt,

Bewahr' dich vor der Lockung der Gestalt.

Zam sechsten: meide mit Berauschten Streit,

Denn Wahnsinn tost aus ihrem glüh'nden Mund.

Zum siebenten: dem so im Haus die Feind'

Umstell'n, wie schwach er sei', taugt Ausfall besser,

Als drinn den Brand abwarten über'm Dach.

Zum achten: Leichen, die des Meeres Wuth,

Des Schiffbruchs Schmettern, Krankheit auch entseelt hat,

Begrabe sittig, frommem Brauch gemäß.

Zum neunten: schlugst du einen Gegner todt,

Triff seinen Bruder oder Sohn auch mit,

Weil oft ein Wolf im zarten Kinde wohnt.

Zum zehnten: wahr' dich, jugendlicher Held,

Wahr' gut dich vor der Freunde Hinterlist.

Zwar seh' ich nicht dein ganz Geschick vorher,

Doch droht dir, fürcht' ich, der Blutsfreunde Haß –

Und überhaupt, was ich so eben sprach,

Ich weiß nicht, gilt's dir Allen, gilt's auch Andern;

Vielleicht den Nächsten nur, die bei dir steh'n,

Denn finster noch schwebt deiner Zukunft Bildung,

Verworren, täuschend, vor den Augen mir.[70]

SIGURD.

Was auch geschehn mir mag. Ich bleibe dein.

Nimm deß zum steten Zeugniß diesen Ring.

Man nennt ihn Andwars Ring,

BRYNHILDIS.

Hörst du die Nornen?

SIGURD.

Was meinst du?

BRYNHILDIS.

Eben rauscht' ihr Tritt vorbei.

Laß sie nur wandeln. Unsern freud'gen Bund

Schirmt ja Werdandi, heitre Gegenwart. –

Die Schwester Skuld, der Zukunft Herrin, droht. –

Doch hör', mein Sigurd, wenn du von mir zieh'st

So suche meinen Schwager, König Heimer,

Vielleicht blüht dort ein heit'rer Augenblick.

Versprichst du mir's?

SIGURD.

Was du nur immer willst.

BRYNHILDIS.

O, werde niemals anders!

SIGURD.

Sterne leuchten

Am Himmel schon. Folg' mir, du schönes Weib!


Gehn ab.

[71] Garten bei König Giukes Burg.

Nacht.

Grimhildis und eine Zofe.


GRIMHILDIS.

Was zitterst du?

ZOFE.

Herrin, die tiefe Nacht

Und deine Rede, wie Gesang oft murmelnd –

GRIMHILDIS.

Sei still, und fürchte nichts. Halt fest den Korb,

Daß ja von meinen Kräntern kein's herausfällt,

Und sprich nur wenn ich frage.


Kräuter pflückend.


Thau der Nacht

Auf den Blüthen,

Leucht' im Kelch

Lang' noch weiter.

Schimm're scharf

Ob schon gepflückt wird

Dir dein Haus

Von dunkelnden Blättern.


Bleibst in Nacht!

Nur bleicher Dochte

Zauberbrand

Brenn' im Gemach' ich[72]

Sicher sei

Vor der Sonne,

Frei und frank

Vor wärmenden Lüften.


Die, Thau, dich pflückt,

Ist selbst ein Nachtkind,

Still und stumm

Ihre starken Thaten.

Plötzlich prangt's,

Prasselt, bricht nieder,

Wie sie's will,

Weis' im Verborgnen.


Man hört ein Waffengeklirr.


Wer stört mir in geweih'ter Mitternacht

Den Gang durch meines würz'gen Gartens Beete?

Schau', was es sei. Doch laß' den Korb hier stehn.

Der Kräuter Wächt'rin will ich selber sein.


Die Zofe geht nach der Pforte.


GRIMHILDIS.

Wenn's nicht von meinen Kindern Jemand ist,

Vom edlen Stamm der herrlichen Niflungen,

Büßt mir der Störenfried die Unruh' schwer.

Vor diesem wilden Lärm der Menschenwelt,

Verdunstet scheu des Thau's geheimste Kraft.[73]

ZOFE zurückkommend.

O Herrin, schnell hemm' deiner Söhne Thun,

Wenn du den treuen Burgvogt retten willst!

Sie kamen heim, sie riefen an dem Thor,

Er, sie nicht kennend, sprach ein keckes Wort. –

Da ging ihr Lauf, ein Blitz, den Wall hinan,

Und Helm und Schild bricht ihm vor ihren Klingen.

GRIMHILDIS gegen die Pforte.

Ihr ungestüme Knaben, lasset ab!

Hierher zu mir! – Was trat er jungen Wölfen

Auch unvorsichtig in den Weg?


Gunnar und Högne treten auf.


GUNNAR.

Hier sind wir schon, du weise, kräft'ge Mutter.

HÖGNE.

Dein furchtbarlicher Ruf brach unsern Grimm.

GRIMHILDIS.

Ihr seid zu zweien nur. Wo ließt ihr Guttorm?

GUNNAR.

Der ist noch fern. Wirst ihn auch lang' nicht sehn.

GRIMHILDIS.

Doch lebt er, oder Lug ist beim Gestirn.

GUNNAR.

Er lebt, eilt weiter fort nach Abentheuern.

Dem jungen, freud'gen Zögling raschen Kriegs[74]

Ist allzulieb sein erster Flug hinaus,

Um alsobald zur heim'schen Burg zu kehren.

HÖGNE.

Noch Jahre meint er durch die Welt zu zieh'n.

Wir treffen dann bei unsern Kämpfen wohl

Gelegentlich ihn wieder an.

GRIMHILDIS.

Recht gut

Und war diesmal mit euch des Schicksals Huld?

HÖGNE.

Wie immer, Mutter. 'S liegt in unserm Arm.

GUNNAR.

Wir bringen Zins aus vielen reichen Landen.

GRIMHILDIS.

Was sonst ist Neues in der Welt geschehn.

GUNNAR.

Der große Drachenwurm auf Gnitnaheide

Liegt todt vor eines jungen Helden Faust,

Der all' den prächt'gen Hort für sich gewann.

HÖGNE.

Und ausserdem den weiten Siegesruf

So kecker That. Wohin jetzt Einer kommt,

Spricht man vom Sigurd, spricht vom Schlangentödter.

GUNNAR.

O wär' doch uns auch, dem Niflungenstamm

Ein gleicher Preis verlieh'n.[75]

GRIMHILDIS.

Den gab's nur Einmal. –

HÖGNE.

Was senkt dich, Mutter, in so tiefes Sinnen?

GRIMHILDIS.

Laßt mich allein. Die Kräuter duften zaub'risch,

Und mehr, als je darf's ihrer jetzt. – Ja, Sigurd! –

Nun misch' ich, mische – bald –

GUNNAR.

Doch höre, Mutter;

Reich war an Beut' und Ehren unser Zug.

Du schenkst uns Morgen doch ein Siegesmahl?

GRIMHILDIS.

Gern. Ordnet's selber an.

GUNNAR.

Und laß dabei

Gudrunen, unser schönes Schwesterlein

Zum erstenmal aus ihren Kammern treten,

In Heldenaugen strahlend süßes Licht.

GRIMHILDIS den Finger auf den Mund.

Still. Dazu darf es eines höhern Gastes.

Hinein zur Burg. Mein Weg geht noch weit aus.

Am Moosgrund blüh'n sie, blüh'n die heimlichen,

Die wunderlichen – folg' mir schweigend, schweigend.


Geht mit der Zofe durch's Gebüsch, Gunnar und Högne zur Burg.

[76] Waldung in der Nähe von König Heimers Burg.

Im Hintergrunde ein prächtiger Thurm.


SIGURD kommt mit vielen Waidleuten von der Jagd zurück.

Ihr lieben Herrn, geht immer nun voraus.

Ich dank' Euch für die Lust der heut'gen Jagd,

Wobei Ihr freundlich mir zu Handen war't,

Auch werd' ich's Eurem Herr'n zu rühmen wissen.

Doch seh't, an jenes Thurmes Fenstern sitzt

Mein Falke, schaut neugier'gen Aug's hinein,

Und weil er mir nur ganz allein gehorcht.

Verstört ihn eure fremde Gegenwart,

Daß er sich meinem Rufen noch nicht fügt.

Vielleicht verlör' ich gar den edlen Vogel,

Drum bitt' ich nochmals, laßt mich jetzt allein.


Die Waidleute gehn ab.


Komm, Falke! Ho! Komm, lieber Falke heim!

Des Falken Herr, Sigurd, der Wolsung, ruft!


Der Falke fliegt vom Thurm her auf seine Hand.


Was sah'st denn oben mit den klugen Augen?

Gewiß, was herrlich schönes muß es sein,

An Gold und vielen heitern Farben reich.

Lieh'st du mir deine Schwingen, flög' ich auch

Zum Fenster auf, das in dem Abendschein

So gar erfreulich blitzt. – Doch wozu Schwingen?

Des Sigurds Heldenkraft leiht bessern Flug.[77]

Nicht unersteiglich mir ist das Gemäu'r.

Von dorten aufgeklimmt, – zwei kühne Sprünge, –

So steht man vor dem Fensterlein. – Hinan!


Geht ab.


ALSWIN mit Pfeilen in der Hand auftretend.

Gewiß, ein Jäger ist er sonder Gleich,

Der Schlangentödter Sigurd. – Dennoch viel

Mag an den Pfeilen liegen. Diese hier

Will ich mir glätten, mühsam, kunstgeübt.


Er schnitzt an den Pfeilen.


SIGURD oben am Thurm.

Wie schaut erquicklich man von hier hinaus

Weit durch den frischen, abendduft'gen Wald.

ALSWIN.

Rauscht's oben? – Sind wohl Adler. –

SIGURD in's Fenster blickend.

All' Ihr Götter!

Sie ist es! Ist mein wundersüßes Lieb!

ALSWIN.

Es spricht herunter. Wird ein Elfe sein,

Der um des Thurm's Gesimse neckend spielt.

Ein Menschenfuß drang nie so hoch empor.

SIGURD in's Fenster blickend.

Und immer Sigurds Bild, und Sigurd's Thaten?

Und immer in des schönen Mägdleins Sinn

Der Schlangentödter?[78]

ALSWIN aufschauend.

Schlangentödter? Wer da? –

Ha! Sigurd, wie verstiegst du dich dahin?

Halt Einen, Einen Augenblick dich noch,

Bevor der Schwindel dich herunter reißt.

Ich hole Leitern.

SIGURD.

Muß doch Thüren haben,

Der Thurm –

ALSWIN.

Er hört im Taumel mich nicht mehr.

Er ist verloren! –

SIGURD.

Ei, des Baues Fuß

Kann ich ja leicht umwandeln; geht's nicht auf,

So klettr' ich durch die Fenster zu ihr ein.

ALSWIN.

Was ist denn das? Er klimmt abwärts. Er springt. –


Die Augen zuhaltend.


Fahr wohl! Bist hin!

SIGURD auftretend.

Wer wohnt in jenem Thurm?

ALSWIN.

Was denn? Lebst du?[79]

SIGURD.

Nun ja.

ALSWIN.

Kommst von dort oben?

SIGURD.

Ja. Hör' nur jetzt, und frag' ein andermal,

Und dann verwund're dich so viel du willst. –

Dort oben in das Fenster schaut' ich, sah'

Der Schönheit Preis in reicher Kammer Mitten,

Ein Mägdlein auf's Gewebe still gebeugt,

Und aus den hellen Fäden blüh'ten ihr

All meine Thaten auf, kunstreich gewirkt:

So Faffner's Tod, als König Lingo's Fall,

Und was ich sonsten Löbliches vollbracht,

Ja, selbst das Knabenstücklein mit dem Ambos.

Nun, art'ger Jüngling, thu mir das zu lieb,

Und künde mir, so wahr dir Odin helfe,

Wer ist die schöne Frau im Thurme dort?

ALSWIN.

'S ist meiner Mutter und des König's Atle

Huldreiche Schwester, Wunder aller Frau'n.

Man heißt Brynhildis sie, weil Helm und Brünne

Zusammt des Schildes Wucht und andrer Wehr,

Ihr liebster Schmuck seit ihrer Wiegen ist.

Meist wohnt sie auf der Burg zu Hindarfiall

In Mitten eines heissen Flammenzaun's;[80]

Ich weiß nicht, was ihr jetzt den Sinn verändert,

Daß sie im weiblich schmiegsamen Gewand

Dort oben weilt, und still die Nadel führt.

SIGURD.

Kam sie vorlängst an deines Vaters Hof?

ALSWIN.

Nur wenig Tage früher, als du selbst.

SIGURD.

Fürwahr, das ist dieselbe, die jüngsthin

Vor Allen, so die weite Erde trägt,

Am besten meinem Sinn gefallen hat.

ALSWIN.

Ei kecker Degen, billig traust du zwar

Dem eignen Muth in hoher Kraft Geleit,

Und magst der besten Freuden viel gewinnen.

Doch hier rath' ich dir Gutes; steh' nur ab.

Niemanden läßt Brynhildis zu sich ein,

Niemanden reicht sie gastlich den Pokal.

SIGURD.

Woll'n's doch einmal versuchen. Zeig' mir nur

Die Thür' zu ihren Kammern.

ALSWIN.

Wie du meinst.

Laß' erst die Pfeile mich zusammenpacken,

Zum Wurfe, wie zum Schuß ein tauglich Werk –[81]

SIGURD.

Nimm meinen Falken auch. Setz' ihm die Kapp' auf,

So bleibt er bei dir. Komm.

ALSWIN.

Wart'. Erst mein Messer.

SIGURD.

Ja, ja, nimm's mit, und schnitzle vor der Thür,

Derweil Brynhildis Grüßen mich empfängt.


Gehn ab.

Prächtiges Gemach im Innern des Thurms.


BRYNHILDIS am Gewebe.

Fördre, du fleißige Hand,

Bunter Farben Gespinnst,

Die tapfern Thaten des Freund's.

Gnitnaheides Graun,

Des blanken Goldhorts

Herrlich prangendes Licht.

Und aus Lingos Busen das Blut.

Weberin, webe fort,

Web' in des Teppichs Prunk

Alle dein Lieb' und Leid:

Gleissende Gluth um die Burg,

Glänzender Reiter durchhin,

Träumende Magd sein harr'nd,

Weberin, webe fort,

Web' in des Teppichs Prunk[82]

Alle dein Lieb' und Leid:

Ward Zauberschlummer verscheucht,

Die Schäferin süß entflammt,

Glänzenden Kriegers Braut!

Weberin, webe fort.

Nornen auch weben fort,

Dein Leben zu Lieb' und Leid,

Führen unreißbare Fäden,

Fingen früh' an ihr Gespinnst

Eh' flog dein Weberschifflein.

SIGURD auftretend.

Ich grüße dich, o Herrin mein. Wie geht's?

BRYNHILDIS.

Wir blüh'n, ich und mein Haus. Doch zweifelhaft,

In eitlem Unbestande wankt das Glück;

Nie mag sich's wer zur Dauer fest verbünden.

SIGURD.

Drum halt' ich's statt des Glückes mit der Treu',

Stets wiedersuchend erster Liebe Wunsch.


Er setzt sich zu ihr.


BRYNHILDIS.

Du wählst dir einen Sitz, auf dem bis Heut

Nur Budle saß, mein königlicher Vater.

SIGURD.

Und siehst mich ungern drauf?[83]

BRYNHILDIS.

Das sagt' ich nicht.

SIGURD.

Durch die Vergunst geschieht mir reiches Glück,

Und so erfüllst du dessen einen Theil,

Was mir auf Hindarfiall dein Mund verhieß.

BRYNHILDIS sich erhebend.

Ihr Zofen, kommt, den Preis der Heldenkinder,

Den Recken sonder Furcht, im Feierzug

Zu grüßen, wie es ihm und mir geziemt.


Vier Zofen treten auf, einen großen, goldnen Becher tragend. Sie singen.


Heldentrank,

Hellstarker

Würziger, wonniger Wein!

Im Gemach ist ein Mann,

Zu netzen deß Mund

Du freudig sprudelnd aufspringen wirst.

Vor feiger

In Furcht erstummter

Lippe fleucht weg dein Licht.

Klanghellem,

Kriegsrufendem

Königsmund glüh'st in vermehrter Kraft!

BRYNHILDIS den Becher nehmend.

Trink' aus Brynhildis Hand.[84]

SIGURD ihr Hand und Becher zugleich fassend, und sie neben sich setzend, indem er sie küßt.

Von ihren Lippen! –

Ziemt Wein dem Heldenkind, so ziemt dein Kuß

Dem Götterkind, und ich bin Odins Enkel.

BRYNHILDIS.

Deß rühmen viele Fürsten sich mit Recht,

Doch unter allen Fürsten darfst nur du

Dich rühmen, daß Brynhildis, Atle's Schwester,

Mit holdem Gruße liebend dich empfängt. –

Ihr Jungfrau'n schenkt des edlen Weines mehr,

Bringt auserles'ner Speise viel herbei.


Die vier Zofen warten auf.


SIGURD.

In deinen Bechern funkelt lautrer Trank,

Und auch der Speise kräft'ger Wohlgeschmack

Wär' sonst mir fleiß'gem Jägersmann willkommen;

Nicht Heut' also! Ich wollt', auf Hindarfiall

Umzög' uns noch der heisse Flammenzaun,

Die zierliche Bedienung weit hinweg!

Was meinem Sinn das allerliebste bleibt,

Ist dich zu halten, dich nur ganz allein.

Wie du so schön bist! Wie der Augen Licht,

Hervorstrahlt aus der dunkeln Brauen Thor![85]

Auf Wang' und Stirn rothweisses Blumenbeet. –

Die Welt hat nichts, das schönen Frauen gleich kommt.

BRYNHILDIS.

Schlecht acht'st du meiner weisen Sprüche, Freund.

Ich warnte dich vor dem bethör'nden Reiz!

Denn unvorsichtig traust den Weibern du,

Dem an gebrochnem Wort, verletztem Bund

Sich freuenden Geschlecht; doch nach wie vor,

Umkreist dein Blick fahrvoller Schönheit Blüthen.

SIGURD.

Wie bist du denn so strenge Heut und fremd?

Auf Hindarfiall kamst du dem nie Geseh'nen

Vertraut entgegen, hießst mein eigen dich,

Wollt'st meine Kön'ginn sein. – O sage doch,

Wann steigt des Tages heitres Licht herauf,

An dem du mein vor aller Welt dich nennst?

Schwer drückt die Zög'rung meinen kranken Sinn,

Wohl schwerer, als den Leib ein Stachelharnisch.

BRYNHILDIS.

Von allen Tagen aller künft'gen Zeit,

Kommt nie ein solcher, der uns zwei vereint.

SIGURD.

Weh' mir! So ist mein kurzes Leben ja,

Um viel zu lang, so würf' ich's lieber fort.

BRYNHILDIS.

Stahl bleib' und Eisen meines Weg's Gefährt,[86]

Mein Thun sei, Kön'gen helfen, Burgen brechen.

Du, vom Geschick für das Niflungen Kind,

Gudruna aufbewahrt, laß ab von mir.

SIGURD.

Ich will sie nicht, ich schleud're sie von mir,

Ich sah sie nimmer, mag sie nimmer sehn.

Wer unterstand sich's, gab von solchen Dingen

Dir lügnerische Kunde?

BRYNHILDIS in die Höhe deutend.

Das Gestirn.

Mein holder Freund, du zwingst jedweden Gegner,

Skuld, die gewalt'ge Norne, zwingst du nicht.

SIGURD.

Ich weiß doch was ich will und wer ich bin.

BRYNHILDIS.

Nicht was du sein wirst.

SIGURD.

Stets ein Degen, treu

Der Sitt' und Ehr' und seiner einz'gen Minne.

BRYNHILDIS.

Zwei schöner Frauen Liebe leuchtet dir,

Du weißst es, auf der kurzen Lebensbahn.

SIGURD aufspringend.

Was? Diese kurze Lebensbahn so schmäh'n

Mir frechem Wankelmuth? Niicht 'mal für wen'ge,

Schnellausgeleerte Stunden das bewahren,[87]

Was ich ist, wie der ganze Sigurd selbst?

Ich ruf' Euch an, Ihr heil'gen Götter all',

Zeugt mir, daß nie Gudrunens eitler Reiz

Mich wenden soll von dieser, dieser hier,

Die mein ward in der Hindarfiall'schen Gluth.

Dich führ' ich heim, Brynhildis, oder Keine!

BRYNHILDIS sich langsam erhebend.

Du bindest dich, du bindest mich zugleich,

Sei's an den Tod, doch bin ich dessen froh.

So bleibe denn, Andenken deiner Treue,

Der Andwars Ring an meiner Linken fest. –

Zu ew'ger Liebesflammen Brand verlobt

Das Weib aus Hindarfiall sich dir, du Held!

SIGURD sie küssend.

O freudig heisse Gluth, in zweien Eins.

BRYNHILDIS.

Es liegt vor uns sehr dunkel. Dunkel bleib' es.

Die Runen knüpf ich nun hinfürder nicht,

Denn unsre Eide sind der Lipp' entrauscht,

Gehören den Gewalten ausser uns,

Deshalb kein Lenken hilft, kein Früherwissen. –

Du geh' an meines Schwagers Hof zurück,

Dann weiter durch die Welt auf Heldenart,

So bleibt uns zwei'n das Beste doch, der Ruhm.

SIGURD.

Es mag nicht Alles stehn, so wie es soll,[88]

Doch mit mir nehm' ich mein getreues Herz

Und deinen Liebeschwur. Das hält mich froh.

Leb' wohl.

BRYNHILDIS.

Halt! Stell' dich nochmal vor mich hin. –

So siehst du aus, – so! – Schau' du auch mich an,

Recht fest drück' dir mein ganzes Bildniß ein;

Wer weiß, wie seltsam wir uns wiedersehn –

Nun geh'! – Nichts bleibt ja, was den Menschen freut.


Gehn von verschiedenen Seiten ab.


Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Ausgewählte Dramen und Epen. Hildesheim 1996, S. 59-89.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Nachkommenschaften

Nachkommenschaften

Stifters späte Erzählung ist stark autobiografisch geprägt. Anhand der Geschichte des jungen Malers Roderer, der in seiner fanatischen Arbeitswut sich vom Leben abwendet und erst durch die Liebe zu Susanna zu einem befriedigenden Dasein findet, parodiert Stifter seinen eigenen Umgang mit dem problematischen Verhältnis von Kunst und bürgerlicher Existenz. Ein heiterer, gelassener Text eines altersweisen Erzählers.

52 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon