Fünfte Abentheure.

[150] Am Rheinufer.

Gudruna und Brynhildis.


GUDRUNA.

Der Abend ist behaglich kühl, die Fluth

Vor seinem lichten Scheine klares Gold,

Und rauscht im frischen Tanz an unsern Fuß,

Als lüde sie uns ein, auch unsrer Locken

Hellfunkelnd Gold in sie zu tauchen.

BRYNHILDIS.

Gern.

Doch sind die Wasser trügrisch oft gesinnt,

Versprechen sichern Boden, senken dann

Den feuchten Triebsand grundlos tief hinab.

GUDRUNA.

Nicht solche Tücken hegt der edle Rhein,

In dieser schatt'gen Bucht wusch ich oftmals

Mein gelbes Haar.

BRYNHILDIS.

Hier, meinst du?

GUDRUNA.

Ja.[151]

BRYNHILDIS.

Schon gut

Doch warte nun, laß mich zuerst hinein,


Tritt in's Gewässer.


GUDRUNA.

Warum?

BRYNHILDIS.

Weil sich's nicht ziemt, mein fürstlich Haupt

Zu netzen mit dem Wasser, das vorher

Durch deine Locken rann.

GUDRUNA.

Wohin gedenkst du?

Ich bin ein Königskind, was bist du mehr?

BRYNHILDIS.

Ich, eines viel gewalt'gern Königs Kind,

Bin einem viel erhab'nern Mann vermählt.

GUDRUNA.

Wenn's das nur gilt – Sigurd ist nicht geringer,

Ja, seines Gleichen hegt die Welt nicht mehr, –


In's Gewässer tretend.


Und so stell' ich mit Recht mich über dich,

Daß du des Rheines silberfarb'ne Welle

Geehrt empfängst aus meiner Locken Gold.

BRYNHILDIS an's Ufer gehend.

Ich meide solch ein Bad. Ist Dein Gemahl

Ja König Hialpreck's dienstverbundner Mann.[152]

GUDRUNA ihr nach.

Mit nichten; frei, ein königlicher Held,

Befehligt er das ganze Niederland.

Hält'st du's für Weisheit, solchen Mann zu schmähn?

Den Faffner und den Reigen traf sein Schwerdt,

Ihr wunderreiches Erb' gewann er sich.

BRYNHILDIS.

Prahl' nicht mit seinem düstern Heidezug;

Denn höher war, ich schwör's bei allen Göttern!

Viel höher war des kühnen Gunnar That,

Als er durch Wafurloga zu mir ritt,

Man sagt, dein Sigurd war mit im Gefolg';

Was kam denn er nicht? – Lachst du? – Warum lachst du?

GUDRUNA.

Glaubst du denn, Gunnar ritt durch Wafurloga?

So glaub' ich, daß mit dir das Bett bestieg.

Der diesen Ring mir schenkte, Andwars Ring.

Zur Hochzeitgift von deiner Hand ihn nahm,

Als Runenkunst mit Gunnar die Gestalt

Ihm wechselte. – Schau nur den seltnen Ring,

Sein köstlich Leuchten bleicht die Wange dir,

Versiegelt dir den freveln Mund.


Brynhildis geht schweigend ab.


Wie wird ihr denn so plötzlich? Hab' ich auch

Vielleicht zu viel gesagt? – Hör' mich! Brynhildis![153]

Brynhildis! Auf ein Wort! – Sie achtet's nicht –

O Schwäg'rin, hör' doch! Mich gereut mein Trotz! –

Umsonst. Mit langsam großen Schritten fort

Geht sie zur Burg, bleich, wie ein zürnendes,

Nicht athmendes, blutleeres Nachtgespenst.

Ich will ihr nach, will sie besänft'gen – zwar

Ein inn'rer Graus treibt mich von ihr zurück –

Doch weh' uns! Schlimm ist wohl, was sie im Sinn hat.

O, ich muß eilen –


Im Abgehn trifft sie auf Sigurd und bleibt erschrocken stehn.


SIGURD.

Eilen? Und so bleich?

Verstörten Ansehns, flüchtig scheuen Tritt's?

Gudruna, dir geschah ein großes Unheil.

GUDRUNA.

Keins, mein geliebter Mann, fürwahr kein Unheil:

Nur, wie du plötzlich aus dem Buschgeheg'

Hintratst vor mich, erschrak ich. Welch ein Gang

Führt dich so spät hinaus?

SIGURD.

Befragt, vermeidest

Du fragend, Antwort. Zog ich nicht schon oft

Mit Abendsdunkeln zu der Jagd hinaus?

Zudem antwortet meine Tracht dir selbst,

Du siehst mich in dem grünen Pirschgewand,[154]

Zur Hand den Bogen, meine grauen Brakken,

Die spurgeübten Hunde neben mir, –

Und du vor mir zusammenschrecken?

GUDRUNA.

Freilich!

Ich war auch wie bethört.

SIGURD.

Doch so allein,

So furchtbewegt in später Abendlust

Die Königstochter, eines Königs Weib,

Das ist ein seltner Anblick.

GUDRUNA.

Ich bekenn' dir's;

Brynhildis hat mich wunderlich erschreckt,

Sie ist seit ein'ger Zeit so misgelaunt,

So heftig, herrisch – dann wehmüthig; – heut' auch

Verließ sie mich im aufgeregten Muth.

Weiß'st du, warum sie schweigt, warum sie zürnt?

SIGURD.

Wir wissen's nicht, doch werden's bald erfahren.

GUDRUNA.

Was kann denn sie betrüben, deren Ruf

Zum Himmel reicht, die eines ruhmbegabten,

Erwünschten Eh'gemahls sich freuen darf?

SIGURD.

Hat sie dir je gesagt, ihr sei der Mann

Zu Theil geworden, den sie sich gewünscht?[155]

GUDRUNA.

Nicht eben das. Doch will ich sie befragen,

Ob sie Jemanden höher hält als ihn;

Sehr unrecht thäte sie, wenn's also wär',

Und wahrlich, immer müßt' es sie gereu'n.

SIGURD.

Ja wohl. – Gut' Nacht.

GUDRUNA.

Und geh'st du noch hinaus?

O bleib' daheim.

SIGURD.

Gönn' mir das Spiel der Jagd.

Gezählt sind meine Tage; will mich noch

An ihrem Leuchten laben.

GUDRUNA.

Laben? Nein.

Du siehst nicht freudig aus, nicht keck wie sonst.

SIGURD.

Ein andres Ansehn hat der Morgenstrahl,

Ein andres, der am thau'gen Abend funkelt.

Schlaf' wohl. Geh' nach der Burg.

GUDRUNA.

Bist du mir bös?

SIGURD.

Nicht, mein geliebtes, vielgetreues Weib.

Hast mir ja nichts gethan.[156]

GUDRUNA.

Ach glaub' mir, nimmer

Begann ich was, um dich zu kränken. Sieh',

Man thut oft absichtlos ein thöricht Werk;

Da gilt doch Buß' und Reu', es auszulöschen?

SIGURD.

Versteht sich.


Küßt sie.


Gute Nacht. Sieh' nach dem Kind.


Geht ab.


GUDRUNA.

Er ist so gut, ist so gar herzensgut,

Der starke Held ein Lämmlein gegen mich,

Und ich verging mich wider sein Gebot,

Sprach zu Brynhilden, was er liebevoll

Mir einst vertraut in einer seel'gen Nacht,

Mit Kuß und Wort versiegelnd meine Lippen.

Wär' sie doch erst versöhnt! – Sie wird's wohl nie,

Und Fried' und Huld bleibt unserm Hause fern,

O weh' mir. Schlimmes hab' ich angerichtet!


Geht ab.

Brynhildens Vorgemach.

Gunnar und Högne begegnen sich.


HÖGNE.

Du kommst von ihr?[157]

GUNNAR.

Ja. Festen, starre Schlaf's

Liegt sie noch immer fort. Ich weiß nicht Hülfe,

Nicht Ausweg mehr.

HÖGNE.

So laß' sie doch in Ruh.

Ihr Wachen brächt' uns größ'res Unheil noch.

GUNNAR.

Du weiß'st nicht, Bruder, wie es Einem ist,

Der so von ganzem Herzen seine Frau liebt;

Ich kann ohn' sie nicht leben.

HÖGNE.

Tollmannswerk!

Erst, als sie tobte, schrie, selbst wider dich

Die Mörderhand erhob, – wie war dir da?

GUNNAR.

Besser als jetzt. Sie lebte. Nun wie tod

Liegt vor mir das geliebte Bildniß. – Tod,

Ein Weib, wie die! So viel hier in der Burg

Noch athmen, wiegen solch ein Weib nicht auf.

HÖGNE.

An tollem Zorne freilich nicht.

GUNNAR.

Was that's?

Sie sprach ihr ganzes Leid vom Herzen fort, –

Jetzt weiß kein Menschenkind, was sie bedrängt.[158]

HÖGNE.

Nicht? Hat dir's ja gesagt, und so gesagt,

Daß, sollt' ich meinen, 's wohl einschneiden mußte.

GUNNAR.

O, solch ein Plaudrer, wie der Sigurd ist!

Das seinem Weibe zu vertrau'n!

HÖGNE.

Schilt den nicht,

Viel mehr taugt er doch immer, als wir zwei,

Denn was wir zwei nicht konnten, führt' er aus,

Und thatenreicher Sinn wägt selten Worte.


Grimhildis tritt auf.


GUNNAR.

Laß' uns hinaus. Da kommt die Unheilstift'rin.

GRIMHILDIS.

So? das mein Dank?

GUNNAR.

Pflückst deiner Bäume Frucht,

Und wir, wir müssen's auch, so wenig uns

Der Schuld gehört.

GRIMHILDIS.

Unehrerbiet'ger Sohn.

GUNNAR.

Ich leid' ein schmerzlich Uebel, und durch dich;

Da mußt du Reden nehmen, wie sie fall'n.

Laß' mich hinaus, das taugt uns Beiden.[159]

GRIMHILDIS.

Nein.

Ich will erst wissen, was Brynhildis treibt,

Und wag' mich nicht in ihre grimme Nähe.

GUNNAR.

Sie schläft, schläft, schläft – dreifache Angst für mich,

Endlose – laß' mich!

GRIMHILDIS.

Wagte sie's vorher,

Zu schmäh'n auf mich?

GUNNAR.

Ein feig' furchtsames Weib

Nannte sie dich, ein gothisches, trugvolles. –

GRIMHILDIS.

Wie? Thut sie das? Ich tauge mehr als sie,

Denn nie hab' ich den Ehgemahl verhöhnt,

Nie ihm gedroht, nie in der Männer Schlachten

Mit Blut die Hand befleckt –

GUNNAR.

Was Aehnliches

Hab' ich ihr auch eriwiedert. Aber sie

Sprach von Giftmischerei, von Zaubertränken –

GRIMHILDIS.

Schweig'!

GUNNAR.

Nun so frag' mich nicht.[160]

GRIMHILDIS.

O böslicher,

O ungerathner Jüngling, sprichst also

Zu der, die lang für dich gewacht, gelebt,

Für deinen und des Stammes Ruhm –

HÖGNE.

Hör', Mutter,

Ich glaube wohl, du hast es gut gemeint,

Mit uns zum mindesten recht gut gemeint,

Doch unser Elend sprießt aus deinem Sinn.

GUDRUNA auftretend.

Ihr Brüder, hadert nicht; schilt du nicht, Mutter.

Wir stehn bereits in argen Wetters Droh'n,

Was bleibt uns, wenn die Eintracht uns verläßt?

GRIMHILDIS.

Du hast gut sprechen; deiner Zunge Blitz

Trifft unser Haus mit des Verderbens Schlag.

GUDRUNA.

Ach, all' ihr Himmel! Mir ist schon so Angst.

Ach, scheltet mich nicht mehr.

HÖGNE.

Sie jammert mich;

Und, Mutter, schilt sie nicht, das Fräulein zart,

Sie zittert schon so sehr, zu hartes Wort

Träf' leichtlich sie mit ew'ger Ohnmacht Graus,

Und wir bei Sigurd müßten's doch entgelten.[161]

GRIMHILDIS.

Ich will, will sprechen, will von mir die Schuld

Abwälzen –

HÖGNE.

Mutter, kannst es nicht.

GRIMHILDIS.

Führt mich

Nach meinen Kammern; Giuke hatte Recht,

Ich bin verschollen. Will nun auch nichts mehr

Von eurem Treiben sehn, nichts mehr vernehmen.

HÖGNE.

Gunnar, thu' wie sie sagt, und führ' sie fort.

Des Uebels wird sonst stündlich immer mehr.


Gunnar und Högne führen Grimhildis ab.


GUDRUNA.

Nun lassen sie mich alle ganz allein,

Und thun auch Recht daran. Mein Thorenwerk

Bricht diese Burg, bricht mein und aller Lust.

Ich wollt' ich wär' vor langer Zeit gestorben,

Zum spät'sten damals, da sich Sigurds Sohn,

Mein holdes Kind, von meinem Schooße rang;

So lebte Gatt' und Knab' in Freuden fort,

Ich auch erführ' von keinem Jammer –


Sigurd tritt auf.[162]


GUDRUNA.

Kommst du?

Kommst du nun auch? Und weiß'st du was geschah?

SIGURD.

Wie sollt ich nicht! Brynhildens Raserei

Schrie Alles aus. Die Burg erschallt davon.

GUDRUNA.

Gieb mir den Tod nur gleich. Hab' ihn verdient.

SIGURD.

Nicht also, du geliebtes banges Weib, –

Wie du noch schön in deinem Zittern bist!

Nicht also! denn der Fehl ruht nur auf mir.

Wer Frauen was vertraut, vertraut's den Lüften,

Ob deren Flug Niemand gewaltig ist.

Brynhildis selbst hat eh'mals mich gewarnt

Vor meiner Lust an süßem Frauenreiz.

Nun bricht mir das mein Leben – Klage nicht.

Schilt nur den Sigurd, wenn du schelten willst. –

Was macht Brynhildis?

GUDRUNA.

Ach, sie leidet viel.

SIGURD.

Mir sagt es mein Gemüth, und was die Vögel

Hell aus den Lüften sangen in mein Ohr:

Bald ihres Lebens Band zerbricht der Schmerz.[163]

GUDRUNA.

Seit dreien Tagen liegt sie stumm und starr

Im Todesschlaf.

SIGURD.

Glaub's nicht. Es ist kein Schlaf.

Sie sinnt nur, wie sie mich verderben will.

GUDRUNA

So meid' es doch, o lieber Sigurd, meid' es.

SIGURD.

Kann nicht. Es läuft der Ringeltanz zu End',

Gegeben schon das Zeichen, so beschließt.

GUDRUNA.

Geh' zu ihr hin, versöhn' dich ihr, versuch's doch,

Dein Knabe fleht, dein abgeängstigt Weib;

Schling' dich aus dieser Schlange Banden los.

SIGURD.

Was Recht ist, steht nicht mehr in meiner Macht,

Denn Unrecht liegt auf dem, auf jenem Weg.

Laß' mich erwarten drum, was kommen will.

GUDRUNA.

Hör' mich doch bitten!

SIGURD.

Ach, ich hör' es wohl,

Und fühl' es tief verletzend durch die Brust,

Die kühn sich sonst darbeut der eignen Schickung.[164]

GUDRUNA.

Geh' doch zu ihr hinein.

SIGURD.

Du willst, es sei;

Jedoch vielleicht zu deinem Vortheil nicht.

GUDRUNA.

Wohl! Treff' es mich! Die Schuld'ge bin nur ich!

Thu' was du meinst, nur ende dies Verzagen,

Das mir die Seele siebenfach durchfährt.

Dort ihre Kammer! Geh'! Mit dir das Glück!


Geht ab.

Sigurd öffnet eine Thür im Grunde. Man sieht Brynhildis geharnischt und starr auf dem Bette liegen.


SIGURD.

Erwach', Brynhildis! Wirf den Schlaf von dir

Nun scheint der Morgen in die Hallen schon.

Laß' von der Trauer, sei vergnügten Sinn's.

BRYNHILDIS sich emporrichtend.

Welch' kecker Muth treibt dich, hierher zu gehn?

Niemand hat schlimm're Ränke mir bereitet,

Als du, Wolsungen Kind! bleib fern von mir.


Legt sich auf's Bett zurück.


SIGURD.

Du irrst Brynhildis, wenn du mein Gemüth

Von der ehmal'gen Lieb' entfremdet glaubst;

Noch schlimmer irrst du, glaubst du's wider dich[165]

Mit heimlichem Verrath und Trug erfüllt, –

Du hast den Mann, den du dir wähltest.

BRYNHILDIS wieder aufgerichtet.

Nein.

Gunnar hat nicht zu mir den heissen Gang

Durch feur'ge Scheiterhaufen sich gebahnt,

Auch nicht die ernst verheißne Hochzeitgift,

Erschlagne Leichen meiner kecken Freier,

Hat er gespendet mir. Es trat ein Mann

In meine Burg, ich sah' ihn achtsam an,

Und meint' ihn zu erkennen mit den Augen;

Doch finster wob mein feindliches Geschick

Verhüllung um ihn her, auf daß ich sein,

Des Trügenden, nicht inne würde; – Laß' mich.

SIGURD.

Bedenk' dich. Gunnar gilt so viel als ich,

Er ist ein mächt'ger Herrscherm, und sein Schwerdt

Traf einen Dänenkönig, dann noch Einen,

Den Budles Bruder –

BRYNHILDIS.

Still! Erwecke nicht

Der längstentschlafnen Schmerzen quälend Heer.

Niemals gefiel mir Gunnar; doch ich schwieg.

SIGURD.

Das ist kein feines Lob für dich, Brynhildis,

Solch edlen Königs überdrüssig sein.[166]

Was kränkt dich denn an ihm? Wiß', seine Liebe

Ist herrlicher, als viel geläutert Gold.

BRYNHILDIS.

Mich kränkt am mehrsten, daß ich noch nicht weiß,

Wie ich's anstell', um ein geschliffnes Schwerdt

Von deinem Herzensblut gefärbt zu sehn.

SIGURD.

Beruh'ge dich, das Stündlein kommt herbei,

Wo du dein feindliches Gelübd' erfüllst,

Und ein geschliff'nes Schwerdt mein Herz durchbohrt.

Doch wünschest du nicht Schlimm'res mir als dir,

Denn du, Brynhildis, wirst es nicht ertragen,

Mich lang zu überleben. Für uns Zwei

Giebt's wenig Tage nur von heute an. –

Hör' mich noch jetzt, Brynhildis. Diese Worte

Brechen mir vor aus meinem tiefsten Sinn, –

O wahrlich, solch ein zaubrisches Vergessen

Hielt mich befangen, daß ich nicht des Bund's

Gedachte, nicht was sonst geschehen war,

Bis du als Gunnars Hausfrau vor mich trat'st.

Da erst – doch unvollkommen, stückweis nur, –

Kam die Vergangenheit in mein Gemüth;

Nun fing die Angst in meiner Seelen an,

Und Überdruß all' meines Thun's und Sein's.

Ich schwieg doch vor den Kön'gen, meinen Schwähern,

Von deinem Anblick innerlich gestärkt,[167]

Von deinem süßen Anblick; – ja, Brynhildis,

Nun berg' ich dir's nicht länger – naher Tod

Entbindet mir die Zunge – lieber viel,

Als mein selbsteignes Leben bist du mir.

Grimhildens Trug, ihr böser Zaubertrank

Hat uns geschieden wider Lieb' und Recht.

Könnt' es mir noch gelingen, dich, mein Lieb',

Mein erstes, schönes, wundervolles Lieb'

Zu halten dich vom grimmen Tod zurück,

Mit allem Faffnersgold, das mein gehört,

Kauft' ich es freudig, sonder Zögern ab.

Ja, wenn du's forderst, will ich – furchtbarlich

Erbebt's in mir bei diesem strengen Wort –

Will ich verstoßen mein liebreitzend Weib,

Nicht achten ihrer Schönheit, nicht des Sohn's,

Den sie geboren mir, der meines Vaters,

Des hohen Königs Siegmund Namen trägt –

Ich will's; – heimführen dich! –

Was klirren dir

Die Panzerringe schaurig an einander?

BRYNHILDIS.

Glaubst du, man hört dergleichen Wort' und bleibt

Ein steinern kaltes Bild auf alten Gräbern?

Mir regt dein Reden all' mein Wesen auf,

Schlägt mich mit Fiebergluth, doch bleib' ich streng. –

Nicht in derselben Pfalz zu ehlichen[168]

Zwei Kön'ge, ziemt mir. Gunnar hat mein Treuwort.

Ich halt's. Doch auch besteht der früh're Eid.

Nun klar der Trug mir ward, nur dessen Eh'frau

Zu bleiben, der durch Wafurloga tritt.

Das that Sigurd, nicht Gunnar; Sigurds Weib

Kann ich doch nimmer werden, eben auch

Nicht andern Mannes Weib. So büß' ich denn

Schuldlosen Irrthum mit freiwill'gem Tod.


Sinkt zurück.


SIGURD.

Von der Zukunft

Furchtbar'n Dingen

Läß'st du wahrhaften Laut erschall'n,

Weckst zum wilden

Wort auch mich auf

Zum weissagenden Zauberspruch!

Hell verheissen

Hat's mein Oheim:

Kurz mein Leben, kühn meine Lust!

Rasch meine Rache,

Rauh der Ausgang,

Fließend Blut im Niflungenstamm!

Erschlagt mich, schlachtet mich,

Schlinge, du Boden,

Ein des Erbleichenden Blut!

Dem Opfer schlüpfen,[169]

Tröpfeln Drohworte

Ungeheissen vom Herzen dahin.


Geht vor und schließt die Thür.


GUNNAR auftretend.

Lebt sie? Hat sie zu dir gesprochen?

SIGURD.

Ja.

Der Todesschlaf ließ ab von ihren Sinnen;

Nun geh' nur hin, mein Schwäher, sprich zu ihr.

GUNNAR.

Ist auch gemildert ihr der starre Sinn?

SIGURD.

Nein. Wir sind allesammt verloren. Später

Der Eine, und der Andre früher. Thu'

Was dir, was ihr behagt. Von Rettung ist

Für Keinen mehr die Rede. Lebe wohl.


Geht ab.


GUNNAR die Thür öffnend.

Nun wirfst du doch den schwarzen Gram von dir?

Wirst wieder froh in meinen Hallen sein?

BRYNHILDIS.

Froh sein – Nicht leben! – Sigurd hinterging

So mich als dich; mit ihm theilst du mein Bett.

Zwei Eh'gemahle mir in Einer Burg –

Abscheu erfaßt mich. –


Aufspringend und vortretend.
[170]

Einer von uns Drei'n

Muß sterben: du, ich, oder Sigurd! – Was?

Was? Hat er unsre Heimlichkeiten nicht

Gudrunen offenbart, der Weiberknecht?

Hat die mich nicht geschmäht? – Geschmäht! Ihr Himmel!

Und noch bin ich Brynhildis! –

Auf! Auf die Pforten!

Mehr! Reißt die Pfosten um,

Daß weit weg schallen muß

Wuthzorn und Klage mein!

Schmählicher Fälscher der Lust!

Schändlicher Gunnar, hör' zu

Hör' wie feige du floh'st.

Vor Wafurlogas Flammen!

GUNNAR.

Schweig'! Du verderbst uns!

BRYNHILDIS.

Höre, wer hören mich will!

Mein Hofstaat höre mich an!

Leuchtend aus edlen Landen

Lenktet ihr her mit mir!

Höre wer hören mich will!

Mein Hofstaat höre mich an![171]

Wir wandeln in schmachvoller Wehmuth

Wieder in's Land zurück.


Die Pforten gehn auf. Brynhildis Diener und Dienerinnen zeigen sich.


GUNNAR.

Laß dich besänft'gen. Die neugier'ge Menge

Drängt sich heran, vernimmt den zorn'gen Ruf.

BRYNHILDIS.

Sollen's vernehmen, sollen's,

Soll'n mich heimführen bald.

Rächen mit reissender Faust

Soll mein rüstiger Vater mich –

Weibesbaar, würdigkeitsbaar

Will ich dich schau'n Weichling,

Oder du tötest den Schlangen-

Tödter, tödtest sein Kind.

Ha! Das hab' ich dem Sigurd selbst eh'mals

Auf Hindarfiall gesagt: tödt'st du den Vater,

So triff' mit ihm sein zartes Kind zugleich,

Weil oft ein Wolf im zarten Kinde wohnt.

Sieh' nun! Ihm selber nun

Send' ich den feindlichen Spruch!

Nicht schone! Die zwei zugleich

Haue zusammen!

HÖGNE auftretend.

Ich bitt' euch, Ruhe diesem tollen Sturm.[172]

GUNNAR.

Kann' ich's?

HÖGNE.

Du weibisch thör'ger Mann.

BRYNHILDIS.

Haue sie! Triff'.

HÖGNE.

Nur jetzt

Ein wenig Ruh', der Bruder Guttorm kommt.

GUNNAR.

Hörst du, Brynhildis?

BRYNHILDIS.

Rauschen hör' ich die schaurigen,

Traurigen Nornen –


Man hört lustigen Trompetenklang.


HÖGNE.

Schweig'! Er ist ganz nah'!

BRYNHILDIS.

Hör' mich

Liedesklang, Siegesklang! Horcht!

Kling' nur! Klingst uns hinab!

GUTTORM mit prächtigem Gefolge auftretend.

Was ist denn das? Nach meiner Siege Lust

Komm' ich zur unglücksvollen Stunde heim,

Verstört ist Aller Angesicht und bleich!

Ein tolles Frau'nbild in der Halle Mitten?[173]

BRYNHILDIS auf ihn zu.

Triff mir den Sigurd gut,

Guttorm! Triff mir ihn fest!

GUTTORM.

Wer ist das?

GUNNAR.

Meine Gattin. Sie ist krank.

GUTTORM.

Hast Eine der Unheilsgewalt'gen Mächte,

Der Dysen Eine mit dir heimgeführt?

BRYNHILDIS.

Hat es! Hält sie nun stets,

Hält auch sie nun ihn stets.

GUTTORM.

Weh mir! Ich tret' in ein unseel'ges Haus,

Bin wohl ergriffen schon von seinem Fluch;

Vielleicht noch zu entgeh'n der Ansteckung,

Will ich alsbald es meiden. Zäumt die Rosse!


Geht mit seinem Gefolge ab.


BRYNHILDIS zu Gunnar und Högne.

Trefft mir den Sigurd gut!

Guttorm trifft ihn nicht fest!

HÖGNE.

Ich geh' zum Bruder.[174]

GUNNAR.

Und verlaßt mich gar?

Seht fernher zu, wie euer Haus zerfällt!

BRYNHILDIS.

Habt mich! Haltet mich stets!

Euch auch halt' ich nun stets!

HÖGNE.

Sie spricht doch wahr in ihrem tollen Sinn;

Befangen sind wir schon vom argen Netz,

Und Flucht kann hier nicht retten, kann nur schmäh'n.

Sag' Bruder an, was meinst du, soll'n wir thun?

BRYNHILDIS.

Berathet euch nun ihr Beiden,

Bringt's zum furchtbaren Schluß;

Neben euch steh' ich, laure still,

Starkdunkle Wolk' am Himmel,

GUNNAR.

Den Sigurds Tod will ich. Hilf mir dazu,

So wahr du Högne bist, mein treuer Bruder.

HÖGNE.

So hülf' ich dir und mir in Helas Reich.

Schäm' dich, red' nicht so fluchbelad'nes Wort,

Davor das Herz im Busen mir erbebt.

GUNNAR.

Hat er doch meiner Frauen Ehr' verletzt.[175]

HÖGNE.

Ach, wie so treu war er in mancher Schlacht!

Wie freudig liebvoll immerdar bereit

Zu deinem Dienst! – Weiß'st du, wie er die Rosse

Hinauszog zu der Fahrt nach Hindarfiall? –

Sein heitres Antlitz, seine muntern Augen,

Hell schien es und vertraulich durch die Nacht –

O, vielgetreuer Degen! Frommer Freund!

Das nun dein Lohn!

GUNNAR.

Du triffst mich an das Herz

Mit solchen Worten. Ja, von Listen frei,

Arglos, beständig war sein froh Gemüth. –

BRYNHILDIS.

Lenk' dich zu ihm dann,

Laß' mich – wahr' Sigurd? –

Aber zornbrennend

Blitz' ich fernher auf dich! –

GUNNAR.

Ich bin zu böser Kür gestellt. – Wohlan!

So bleib' mir dennoch ihrer Schönheit Lust. –

Fort muß er! Sterben!

HÖGNE.

Noch bedenk' dich wohl.

Eh' büßt man's ab, was Göttern man verbrach,

Als was dem Blutsfreund,[176]

GUNNAR.

Nun so sterb' ich selbst.

Hast zwischen Sigurd oder mir die Wahl.

HÖGNE.

Wer löst uns von dem ernsten Bundeseid?

Du weiß'st, wir schwuren, Sigurd nie zu schäd'gen.

GUNNAR.

Guttorm schwur nicht. Vollbring' denn er die That.

Dafür verheissen wir ihm Faffners Hort.


Aus dem Thor rufend.


Auf! Meinen jüngsten Bruder holt herbei!

Sagt ihm, gemeinsam ruf' des Blutes Band

Ihn her zu uns, des Stammes Ruhm, sein Vortheil.

HÖGNE.

Mit welchem Vorwand ihr den Mord begeht

Meuchlings an einem solchen Mann und Freund,

Der grausen Rache mögt ihr nie entfliehn.

GUNNAR.

Du giebst nicht deinen Will'n?

HÖGNE.

Was kann ich sonst?

Es gilt des Bruders Leben. Fall' der Fremde,

Mit ihm die Hoffnung einst'ger Blüthen uns!

GUNNAR.

Sei froh Brynhildis! Schmücke dich, dein Wunsch[177]

Hebt sich zu der Erfüllung Gipfel auf,

Lächle mich an aus diesen schönen Augen.

BRYNHILDIS.

Warum nicht? – Ziemt dem Mörder – nein verzeih', –

Dem Helden wollt ich sagen, ziemt sein Lohn;

'S ist lächerlich, mein Gunnar, unbegreiflich,

Wie oft auf unsrer Zung' und Lippe sich

Das Wort zu seinem Gegentheil verstellt,

Und weiß der Geist so wenig doch davon! –

Mörder und Held! – Warum nicht Dieb? – So lacht doch

Des droll'gen Misverstand's – das Faffners Gold

Ist keine üble Beute.

GUNNAR.

Wild umher

Rollt noch dein feur'ger Blick, die Zunge stammelt.

BRYNHILDIS.

Laß' dich's nicht irren. Faßt ein Fieberlein,

Schwach, leicht vertrieben, doch den Leib so an,

Daß spät noch hohles Aug' und bleiche Wange

Den Tag' lang fernen Gast verkünden. – Nicht? –

Und sieh', mein Übel war ernsthafter viel,

Auch bitter schmeckt vielleicht die Arzenei; –

Hu, bitter! – dennoch ist die Heilung nah'.[178]

GUTTORM auftretend.

Ich wollt' ich wär' viel Meilen weit von hier,

Solch seltsamlicher Graus wohnt in der Burg,

Eist mich mit kalten Todeschauern ein.

Doch schicktest du mir mächt'ge Worte nach,

O Bruder, von des alten Stammes Ehre,

Des Blutes Band, von eignem Vortheil auch –

Ich komme nochmals her. Was giebt's? – Da steht

Die Tolle wieder. Laßt sie nicht zu mir.

Ich könnt' in meinem seltsamen Entsetzen

Sie wieder Will'n beschäd'gen. That mir's doch

Von jeher wohl, Gefährlich's anzuschau'n,

Die aber, fürcht' ich, reißt mir das Gemüth

Im Wahnsinn fort, kommt sie mir wieder nah'.

GUNNAR.

Sie ist mein Weib, ist König Budles Tochter,

Und Atles Schwester

GUTTORM.

Wär' sie Heimdalls Weib,

Und Odins Tochter auch, und Balders Schwester,

Ich spräche: fern von mir, du grauses Bild!

GUNNAR.

Von aller Lieblichkeit war sie die Krone,

Wird's wieder sein, Frühling nach Wintersnacht,

Sieht sie an einem Frevler sich gerächt,

Der ihrer Ehre klaren Schein getrübt.[179]

GUTTORM.

Was? Solchen giebt's? Und sie ist deine Frau?

Und er, er athmet noch?

GUNNAR.

Ein theurer Schwur

Knüpft Högne, knüpft auch mich, ihn nie zu schäd'gen.

GUTTORM.

So kam ich ja zur rechten Stunde heim.

Wer ist er denn?

GUNNAR.

Sigurd.

GUTTORM.

Der Schlangentödter?

GUNNAR.

Recht; eben der.

GUTTORM.

Das ändert das Geschäft.

Vor vielen Feinden stand ich kühn und stark,

Mit dem sich messen ist ein Werk für Thoren,

Dieweil noch Niemand seiner Kling' entrann.

GUNNAR.

Man stirbt nur Einmal.

GUTTORM.

Ja. Doch nicht sobald,

Und jeder Tag bringt heitre Lebenslust.

Ich bin noch jung, hab' deren viel zu hoffen.[180]

GUNNAR.

Sein Tod bescheert dir Faffners reiches Gold.

GUTTORM.

Gold leuchtet weit; nicht bis in Grabeskluft.

GUNNAR.

Du sollst ihn auch nicht Mann an Mann bestehn –

Wenn er entwaffnet in des Weibes Armen

Des Schlummers pflegt, dann tritt hinzu, dann triff.

GUTTORM.

Das dünkt mich nicht ein königliches Werk.

GUNNAR.

Traf er doch Faffnern auch mit schlauer List;

Es scheint, nur solche That gewinn' den Hort.

GUTTORM.

Den Hort! Den Goldeshort! Reich wär' der Lohn,

Und reich, wie es auch käm', doch stets der Ruf:

Den Schlangentödter schlug der Guttorm todt!

BRYNHILDIS.

Kommt mit mir in mein schweigendstes Gemach,

Die That mehr zu besprechen. – Scheu' dich nicht,

Du junger Held, vor mir. – Du hörtest ja

Wohl eh' von den Walküren?

GUTTORM.

Ja. Sie ziehn

Den Wahlplatz erst hindurch, zu küren sich,

Wer im ruhmvollen Streite fallen soll.[181]

Und wen sie küren, der erblickt alsbald

Ihr leuchtend Antlitz; freud'gen Schreckens voll

Bricht er durch Todesnacht in Wallhall's Säle.

BRYNHILDIS.

Sieh' was dich schreckt in meinem Angesicht

Als der Walküre freud'ges Schrecken an.

Wer frühe fällt, lebt viele Noth nicht mit.

GUTTORM.

Auf keinen Wahlplatz schickst du mich hinaus,

Vielmehr an eines Unbewehrten Bett.

BRYNHILDIS.

Folg' nur. Du bist noch wegematt. Es steht

Ein wundersam Gericht in meinen Kammern.

Auf goldner Schüssel, kecker Stärkung voll.

Folg' und geneuß. Dann tritt in unsern Rath.


Gehn. Alle ab.


Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Ausgewählte Dramen und Epen. Hildesheim 1996, S. 150-182.
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