Sechste Abentheure.

[182] Sigurds Gemach.

Gudruna auf einem Ruhebett sitzend. Sigurd schläft, den Kopf in ihrem Schooß.


GUDRUNA singt.

Linder, leisathmender,

Glieder lösender Schlaf,

Komm' mit der kühlen Nacht,

Kühl' mir dies Heldenhaupt,

Das vor dem grimmen Graus

Gewalt'gen Zorn's und Neid's,

Weichtauchend in deine Wogen,

Will suchen Wiege bei dir. –

Ja, Wiege! Denn als wie ein schuldlos Kind

Hat er sein freud'ges Leben durchgespielt,

Und darf drum eingewiegt wie Kinder schlafen.[183]

O du gar frommer, freundlich milder Held!

Reich hast du Vielen Guts erzeigt, ja All'n,

Die mit uns dieser Veste Giebel birgt.

Und wie sie nun dein Leben dir verwirr'n!

Das ist der Welt Dank! – Still! Er regt sich, –


Singt.


Schlaf' du! Im Schlummer vergiß

Schmerzlichen Truges Gram.

Schlaf'! Wiege dich, wieg' ein,

Was dem Gemüth weh' thut.

Die hier, die über dir

Anstimmt das leise Lied

Hat ja nur Theil am Jammer,

Doch Theil ja nicht am Trug.

Ich hab', ich Arme, mir die Augen schon

Fast wund geweint. – Sehr schön ist mein Gemahl,

Sehr mild, sehr ritterlich, ein Ebenbild

Der Götter selbst in ihren lichten Hallen,

Und meines Herzens ganz allein'ges Lieb –

Doch so ihn haben, war ein schlimmes Spiel

Für mich, für ihn. Ihm nahm es fort sein Lieb,

Mir meines Lebens Heil, auch fürderhin

Des Lebens Würdigkeit. – O weh' uns Zwei'n! –

Wir können's nicht genugsamlich beweinen. –

Die Thränen woll'n in meinem glüh'nden Aug'

Versiegen. – Daß kein neuer Donnerschlag[184]

Nur neue Regenfluthen mir erweckt! –

Waa sprach ich? – Ach, ich sprach wohl nur im Schlaf.

Denn wahrlich, schwer bedrückt mich sein Gefieder. –

Man singt die Kinder ein. Ihr Menschen habt

Mich eingeweint mit meinen eignen Thränen.

Bitt' euch, gönnt mir die schwer erworb'ne Ruh'.


Entschläft.


GUTTORM auftretend.

Wolfsfleisch und Otternbalg! – Seltsame Speise! –

Zumal zum Abendbrod, wenn gleich darnach

Der Mond aufgeht roth über'n Bergwald her,

Und Nachtgespenster auf Gewitterwolken

Durchreiten das schweflichte Himmelszelt. –

Ja seltsamliches Essen war's gewiß,

Doch tischt' es mir die Schwäg'rin trefflich auf,

Und hat mir recht den Sinn damit erfrischt.

Mir ist 'was wild zu Muth. – Hei nun, was schadet's? –

Es wird gewittern diese Nacht.


Weiter vorgehend.


Ho, ho!

Bin wohl schon in des Schlangentödters Zimmern? –

Da schläft ein Mann, hat in des Weibes Schooß

Sein Haupt gelegt. – Das Weib ist meine Schwester. –

Ganz Recht; soll Sigurd doch mein Schwager sein;

Ich hab's in fernen Landen schon gehört.

Doch schirmt's ihn heute nicht. Ich mach' ihn tod[185]

Und bring' sein Haupt der Schwäg'rin zum Geschenk.

Und lohn' mich selbst mit seinem Goldeshort.

Blutig und güldin scheint der Mond! Gut Zeichen

Für mich!


Naht sich den Schlafenden mit gezücktem Schwerdt.


Das bist du nun, du Schlangentödter!

Noch bist du's. Bald sagt man, er ist's gewesen,

Und Niemand schaut ihn lebend fürderhin,

Als noch vielleicht das Weib, wenn sie vom Schlag

Der Kling' und seinem letzten Stöhnen auffährt. –

So will ich mir ihn doch vorerst beschau'n. –

Viel edles Antlitz, viel gewalt'ger Leib

Gesell' euch dacht' ich in die Schlacht zu ziehn –

Nun seh' ich euch zum erst' und letztenmal,

Und solcher Weise seh' ich euch! – 'S ist seltsam.

GUDRUNA im Schlaf redend.

Hör' an, mein Sigurd – will dir was erzählen.

GUTTORM.

Was will das Weib? Ich bin nun auf dem Weg

Zum Faffners Schatz, – den muß ich haben, Weib,

Und wärst du zehnfach meine Schwester.

GUDRUNA träumend.

Sigurd!

Hör' doch mein Mährchen, starr' nicht vor dich hin.

GUTTORM.

Weck' ihn mir nicht. Es wär' eu'r Beider Tod.[186]

GUDRUNA noch immer im Schlaf.

Denn als der Mörder zu dem Helden trat,

Bleich in der abgebrannten Kerze Licht –

GUTTORM.

Seh' ich so bleich?

GUDRUNA.

Wir wollen schlummern, Liebling.

GUTTORM.

Thust gut dran. – Ha! Er regt sich, zieht die Brau'n –

Und wären's Odins Brau'n und würfen sie

Mir lauten Donnerschlag herab auf's Haupt –

Stirb! Eh' des Auges grasser Blitz erwacht!

Stirb!


Er trifft ihn mit dem Schwerdt. Ein Blutstrahl steigt aus der Wunde.


GUTTORM.

Böser Springquell! wie das sprudelt!

SIGURD sich aufrichtend.

Gramur!

Mein liebes Schwerdt!

GUTTORM umherschleichend.

Still! Wo die Thür? Will fort!

SIGURD.

Sie haben dir den Herrn erschlagen, Gramur.

Da liegst du, blanke Klinge. Letzten Dienst

Erzeig' mir.[187]

GUTTORM.

Wär' ich fort?

SIGURD.

Da schleicht der Mörder!


Guttorm flieht; Sigurd schleudert das Schwerdt nach ihm und trifft ihn. Guttorm stürzt vor die Thür.


SIGURD.

Unthier, heimtück'sches Unthier, bist nun tod,

Thust keinem Schlafenden hinfort wie mir –

O weh', mir hat gar Schlimmes er gethan –


Sinkt wieder in Gudrunens Schooß zurück.


GUDRUNA erwachend.

Mir hat von einem kühlen Bad geträumt –

Es fluthet, quillt auch um mich her – was ist das?

Die Wellen roth –

SIGURD.

Ist deines Mannes Herzblut.

GUDRUNA.

Weh'! Weh'

SIGURD.

Bleib' still, mein zartes Weib. Es ruht

Sich lindernd hier in deinem weichen Schooß.

Gönn' mir die süße Lagerstatt zum Letzten. –

Ein dunkles, kaltes Bette wartet mein.

GUDRUNA.

In meinem Arm getroffen mir mein Lieb,

Mein holdes Leben todt in meinem Arm![188]

SIGURD.

O weine nicht so sehr. Mit deinen Thränen

Triffst du mich mehr, als Jener mit dem Schwerdt.

Beruh'ge dich, du Sigurds schöne Wittib.

Du bleibst nicht hülflos in der Brüder Schirm,

Denn was auch ihren Sinn zu solcher That –

– (Heiß brennt mir's in der Brust!) – hat aufgereizt, –

Des eignen Bluts vergißt man nimmermehr,

Und deren nicht, die an den gleichen Brüsten

Mit uns gesogen. –

Nur zu beklagen ist, daß unser Sohn

Noch nicht im Alter steht, wo man vor Feinden

Zu hüten weiß den Pfad. – Nein, weine nicht.

GUDRUNA.

Brennen dir meine Thränen in die Wunde?

SIGURD.

Nein, in die Seele. – Man hat schlimm gethan,

Daß man erschlug den eig'nen Blutesfreund,

Den Schuldlosen, Hülfreichen, stets Getreuen.

Nicht klug beriethen deine Brüder sich,

Und leid ist's mir um euren ganzen Stamm.

GUDRUNA.

Sei nun zufrieden mit mir armem Weib,

Was du gewollt, geschieht. Ich weine nicht mehr.

Gleich trocknen Perlen starren mir die Thränen

Im Aug'. Wie wir beisammen in der Nacht[189]

Besprechen unser rettungsloses Leid,

Schau' dich dein bleiches Antlitz, deiner Brust

Blutstrom, und meine Wangen strömen nicht.

Vielleicht wenn du auf mich den letzten Blick

Gerichtet hast, geschlossen nun auf immer

Die Wimper, und das Heldenangesicht

In regungslosem Starren, – dann vielleicht

Bricht's los. –

SIGURD.

Des Übels Schuld und meines Falls

Steht bei Brynhildis; thör'ger Liebe voll,

Sieht sie mich lieber tod, als dir vereint. –

Nur halb hab' ich der Weissagung geglaubt,

Nur halb der Vögel warnendem Gesang –

Heut schreitet die Erfüllung zu uns ein,

Grau'nvoller Gast, viel künft'ger Schrecken Mutter; –

Denn diesem Anfang reißt sich Folg' und Folge

Hinrollend nach – lang' geht's noch also fort –

Nicht mehr für mich – für mich ist Dunkel. –


Stirbt.


GUDRUNA.

Tod!

Will dich bekränzen, lieber Bräutigam! –

EINE ZOFE herzueilend.

Auf! Auf! Mein königlicher Herr! zur Rache![190]

GUDRUNA.

Dein königlicher Herr steht nicht mehr auf.

Er schlief zum langen Schlummer eben ein

In meinem Schooß.

ZOFE.

Blut? Mord? Auch hier? – O Götter

Welch ein Gespenst durchrast die alte Burg!

GUDRUNA.

Was sonst von Blut? Von Rache?

ZOFE.

O, dich trifft's,

Herrin, mit Todesschlag –

GUDRUNA.

Willkommen mir!

Sag' an.

ZOFE.

Erschlagen dein und Sigurds Sohn.

GUDRUNA.

Fahr' hin, mein holder Knab'! Grüß mir den Vater.

ZOFE.

In seinem Bettchen schlief er neben mir. –

Da hör' ich's rauschen durch die Kammer plötzlich

Vom Auge mir der Schlaf – das Knäblein stöhnt. –

Liegt blutig, kalt, – doch immer lächelnd noch. –[191]

GUDRUNA.

Das macht, der Vater hält ihn auf den Knie'n

In Walhall's Burg, – schenkt ihm des süßen Meth's,

Zeigt ihm die alten Helden seines Stamm's

Und Kindlein greift nach ihren goldnen Kronen,

Nach ihren blanken Waffen, – stammelt Gruß –

ZOFE.

O Herrin, wein' dich aus, – o weine doch –

Der Jammer greift dir tödtend an das Herz, –

Dir stockt das Blut – ergeuß durch deine Augen

Die lindernde, heißquill'nde Fluth!

GUDRUNA.

Wird schon –

Wird sich ergiessen schon – ein mächt'ger Quell,

Ertränkend meines süßen Freundes Mörder. –

Fluchladend auf ihr Haupt. – Doch jetzt sei still;

Faß diesen Todten an, trag' ihn mit fort –

ZOFE.

Wohin?

GUDRUNA.

Fragst du? zu seinem lieben Kind'.

Die Beiden, die in Wallhall's Sälen spielen,

Soll'n auch beisammen hier auf diesem Grund'

In blut'gen Trümmern liegen. – Ach, wie hold

Im Tode noch. – Faß' ihn auch sanft an – hörst's?


Sie tragen den Leichnam fort.

[192] Brynhildens Gemach.

Brynhildis prächtig geschmückt. Gunnar.


GUNNAR.

Du leuchtest herrlich durch die dunkle Nacht,

Juweel, an Fassung reich und eigner Schönheit.

BRYNHILDIS.

Man muß sich schmücken, so am letzten Tag' –

Sagt' ich des Lebens? – Nein, das meint' ich nicht –

Am letzten Tag der rachelosen Schmach. –

Geht Morgen nun das neue Sonnenlicht

Herauf, – ich denk', es soll mich nicht mehr kennen.

GUNNAR.

Und käm' nie mehr ein Sonnenlicht herauf,

Und lägst du tief im Erdschooß, – freudig hell

Schien' doch dein Glanz empor.

BRYNHILDIS.

'S kommt auf die Prob' an.

GUNNAR.

Nur einen Kuß von diesen holden Lippen!

Nur ein Umfangen dieser weissen Arme!

Theu'r hab' ich es erkauft.

BRYNHILDIS.

Erkauft? Noch nicht.

Noch athmet Sigurd.[193]

GUNNAR.

Nein, ich glaub' es ist

Die That bereits geschehn, denn Nacht durchlief

Schon ihre Bahn weit über'n Mittelpunkt

Hinaus.

BRYNHILDIS.

Was? Er schon tod? Kommt ja kein Bote.

GUNNAR.

Wer weiß! Im Sterben trifft des Ures Zorn

Den allzukecken Jäger tödlich oft;

Vielleicht, daß Guttorm nie mehr Bothschaft bringt.

BRYNHILDIS.

Ach, 's ist um dieses taube Werkzeug nicht;

Doch ein verfall'nder Stern trüg' schlimmen Graus

Weithin durch's Weltrund, – und wir sollten's nicht

Erfahren, läg' im Haus hier Sigurd tod? –

Horch! – Horch! –

GUNNAR.

Es ist der Sturm.

BRYNHILDIS.

Nein. Horch? Es schreit!

GUNNAR.

Das ist die Weh'klag' aus dem Norderthurm.

BRYNHILDIS.

Weh'klage, Freilich.


Man hört Geschrei.


Kommt uns immer näher.[194]

GUDRUNENS STIMME.

Unheil! Unheil! Heilloses!

BRYNHILDIS.

Hörst nun? Die grause Todtenfei'r beginnt.

GUNNAR hinausrufend.

Wachten! Was lermt so?

STIMMEN von aussen.

Woll'ns nicht sagen – nicht

Mit solcher gift'gen Kund' entweih'n die Zunge. –

Hör' deine Schwester, König. – Alle Säle

Der weiten Burg erfüllt ihr Jammerruf.

Darfst du ihn rächen – thu's. Schlimm ist die That.

GUNNAR.

Hörst du, Brynhildis?

BRYNHILDIS.

Ja, ich hör' recht gut.

GUNNAR.

Nun liegt erschlagen zweifelsohn' dein Feind.

BRYNHILDIS.

Horch' Lieb! Wie unsre helle Nacht'gall singt!

Es rieselt her die purpurfarbne Welle.

GUDRUNENS STIMME näher.

Habt ihr's gefangen?

Haschtet ihr's Wild ein?

Blutige Jäger,

Blinde Jäger ihr![195]

In eurer Hüfte

Haftet der Speerschaft!

Traft euch recht trefflich,

Tratet in's Netz nun selbst.


Brynhildis erhebt ein wildes Gelächter.


GUNNAR.

Was lachst du? – Lache nicht! – Bitt' dich, halt' ein;

Von draussen jener unheilschwangre Laut,

Und hier im Zimmer dein verzerrtes Antlitz!

Denn Freude nicht, auch Sieg nicht lacht aus dir,

Nichts weiß von deiner tollen Lustigkeit

Das Herz in deinem Busen – Todtenbleich

Wird deine Farbe. – Bist dem Tode nah'.

BRYNHILDIS.

Das wird sich noch ausweisen. Hör' nur erst

Noch diese an, die durch die finstern Hallen

Der Burg herschreitet, zu verfluchen uns. –

Fluch' keck, Niflungenkind, Gudruna, fluche!

Ich leih' dir Zunge gern, leih' dir Gehirn!


Högne tritt auf, vor Gudrunen flüchtend.


HÖGNE.

Laß' ab von mir, du schlimme Weissag'rin!

Ich schlug ihn nicht.


Verbirgt sich hinter Gunnar.


GUDRUNA.

Nein! Hinter'm Stellnetz

Standest du zitternd,[196]

Als fürstlich umschau'nd,

Sich Feind dir nahte;

Er, Feind nur euch, – Freund

Freudiger Götter,

Freund milder Menschen,

Mir all' mein Leben.

Oh! Oh! Ihr habt unbrüderlich gehandelt!

Ihr steht, starrt an mich,

Verstockt, ohne Thränen.

War't ihr Verwandte?

Und wendet euch klaglos weg?

Grane, sein gutes Pferd,

Gebückt steht's, grämt sich,

Legt sein Haupt in's Gras –

Lieb hatt' ihn Alles – nur ihr nicht.

BRYNHILDIS.

Fluch' grimm'ger! Du bist zahm noch wie ein Lamm! –

Hätt' mir den Sigurd wer geraubt, und so! –

Hinab schon bräch' in unterird'schen Graus

Vor meinen Worten dieser Veste Grund.

Fluch', sag' ich!

GUDRUNA.

Treugst dich, grimme Feindin! Wie?

Mit euch noch irgend was – und sei's um Rache –

Zu schaffen haben? – Noch mit dieser Burg?

Nest aller bösen Geister, drin wir wandeln;[197]

Fall', steh', wie's der feindseel'gen Macht gefällt!

Ich weiß viel bessern Weg, viel rein're Luft!

Draussen im Dunkel

Duftiger Haine,

Weit durch den Bergwald

Will ich mich ergehn.

Hochflüchtige Hindin,

Daheim in der Wildniß,

Lagr' ich am Bach' mich,

Lullt mich mein Wehlaut ein.

Hinaus! Hinaus! Wo's keine Brüder giebt!

Und laßt mir den guldigen Hort,

Glänzend von Faffners Erb',

Laßt mir ihn ruhn – hört?

Fluch lagr' ich darauf – hört? –

Mag nicht den Schlimmen,

Doch ihr, ihr Schlimmen,

Sollt's auch nicht haben,

Sehn nicht die Glanzpracht! –

HÖGNE zu Gunnar.

Die Mordthat ist geschehn. Nun kehr' dich auch

Nicht an der Schwester faselndes Gebot.

Guttorm ist hin. Wir theilen Faffners Gold.

GUNNAR.

Versteht sich.[198]

GUDRUNA.

Leis' flüstert ihr zwar,

Doch leise auch hör' ich;

Wollt reiche Herrn werden,

Wägend das Gold euch zu. –

Ich warnte, – wirkt ihr! –

Wenig lockt mich Gold –

Viel draussen die Thaunacht,

Thau meiner Thränen viel!

GUNNAR.

Zieh' nicht so einsam fort. Es brächt' uns Schmach.

GUDRUNA.

Seid ihr klug, so laßt ihr mich,

Seid ihr thöricht, haltet mich,

Seid ihr toll, so sucht mich auf –

Ach, so wird's kommen; ach, ich merk' es wohl.

Doch ich beschwör' euch, laßt mich in der Waldnacht.

Ein luft'ges Elfenkind

Leb' ich im tönenden Leid,

Im Lied, wo Bach drein braus't und Baum,

Suche mir Fäden bunt,

Fädle die Nadel ein,

Wohne webend in wüsten Mauern.

Fahrt wohl! ihr Freunde sonst,

Fährliche, blutige Feinde nun!

Bleib' Alles zurück, blaß' Alles aus![199]

Einsiedlerin, trauernd süß,

Senk' ich den trüben Blick, –

Mein Weinen mir Weide, Thräne mein Trank!

Gut' Nacht, ihr allzumal. Ihr wohnt hier prächtig,

Doch draussen wohnt sich's besser. Luft! Luft! Luft!


Eilt ab.

Brynhildis lacht.


GUNNAR.

Was? Bricht das grause, höhnische Getön

Durch deine bleichen Lippen wieder vor? –

Ha, du verdientest, deinen Bruder Atle

Gefällt zu sehn vor dir in seinem Blut,

Zu sorgen jetzt um seine Grabesfei'r,

Wie wir um unsern Blutsfreund, unsern Bruder

Nun jammern müssen, und auf dein Gebot! –

BRYNHILDIS.

Ich klag' auch nicht, daß meinen Willen ihr

Nachlässig ausgeführt. – Ihr war't recht schnell. –

Was Atle, meinen Bruder anbetrifft,

Der achtet euer Drohen gleich dem Leuchten

Hellblanker Schüsseln, überlebt euch all',

Wird mächt'ger sein, als ihr. Denn eu'r Geschlecht,

Niflungen, wirft in's Unheil diese Schmachthat;

Lasten auf euch wird Meineid's Buße schwer,

Die ihr den Helden, stets an Hülfe reich,

Den Frommen, der kein Böses euch gethan,

Den Bessern viel als ihr, des Reiches Säule,[200]

Den Treuen gegen Gunnar, der sein Bett

Geehrt mit scheidendem zweischneid'gem Schwerdt, –

Die ihr so viele Männlichkeit und Frommheit

Gestürzt mit Einem Schlag, der meuchlings traf.

GUNNAR.

O still! Du reiß'st mein ganzes Herz entzwei.

BRYNHILDIS.

Hast mein's zerrissen mir durch argen Trug;

Sigurd hat meine Treu' – will sie ihm wahren.

Denn was Niflungenlisten uns gestört,

Mein holdes Lieb, vollende nun der Tod.

GUNNAR.

Nicht solche Worte!

BRYNHILDIS.

Sigurds Todesbraut

Steht zürnend vor dir, ehrvergeßner Mann.

GUNNAR.

Nicht also. Mildre dieser Augen Blitz,

Laß' wieder leuchten sie in Lebenslust,

Gönn' meinen Armen –


Will sie umfassen.


BRYNHILDIS zurückspringend.

Fort! Bin Leiche schon.

HÖGNE.

Laß' ab, du thör'ger Bruder. Zieht sie's hin

In's dunkle Lager unter'n Runenstein,

So laß' sie machen, lebend bringt sie noch

Verderben über unsern ganzen Stamm.[201]

BRYNHILDIS.

Erräthst es, Schwägerlein. Ihr seid verloren;

Doch ob ich leb' ob sterb' – ihr bleibt es doch.

HÖGNE.

Für's Schlimmste bürgt mir dieses gute Schwerdt,

Das Gramur hieß in Sigurds Kämpfen hell.

BRYNHILDIS.

Was? Solch ein Werkzeug wär' in deiner Hand?

HÖGNE.

Schau's hier. Von Guttorms Leiche nahm ich's fort;

Den traf's, und ward nun Sühngeld mir und Beute.

BRYNHILDIS.

Das Gramur! Ja! Ja, ich erkenn' es wohl, –

Ach, lieber Gramur, vielgeehrte Waffe! –

Dank, Högne, daß du mir den Freund gezeigt. –

Gold her! Mein Gold all'! Meine Dienerschaft!

GUNNAR.

Was hast im Sinn?

BRYNHILDIS.

Du weiß'st es ja, brauchst nichst

Zu eifern ob des Bräut'gams blasser Nähe.

Der nach mir ausstreckt seine kalte Hand.


Zofen und Diener Brynhildens treten auf, Gold herbeitragend.


BRYNHILDIS.

Streut's aus! Die Schätze auf den Estrich aus![202]

Goldlager will ich! Streut mehr Gold! Noch mehr!


Es geschieht.


BRYNHILDIS.

Auf Gold schlief Faffner; nennt man doch seitdem

Das Gold nur Faffners Lager. – Ach, du rufst

Mich an aus tausend Stimmen, edler Held! –

Mehr Gold! – So! Habt ihr alles ausgestreut? –

Recht wohl. Ein blanker Teppich liegt umher,

Nun nehmt davon, was eure Seele freu't,

Ihr, Zofen, Diener, nehmt. Ich schenk' es Euch.

Was zögert ihr? 'S ist meine letzte Gabe. –

Wie? Oder wollt ihr mir die Lagerstatt

Nicht erst zerwühlen? – Das ist freilich recht;

Doch wenn ich fort bin, bitt' euch, nehmt es all'.

Bis dahin – Ha, was zögr' ich?


Indem sie Högne das Schwerdt entreißt und sich damit verwundet.


Gramur hilf'!


Sie sinkt. Ihre Zofen halten sie.


GUNNAR.

Weh' mir! Was bleib' ich nun?

BRYNHILDIS.

Ein Todtenbild,

In dessen knöchernem, kalten Gebäu

Noch die Gebein' etwas zusammenklappern, –

Tod ist dein Losungswort, du selbst bist hin.


Zu ihren Zofen.
[203]

Laßt mich nur sinken auf die goldnen Münzen,

Reichfunkelnden Kleinode hin, – laßt mich –

Denn Blut auf Gold erschafft gar kecken Schein.

Blut ist ja lebend Gold, und Gold – Ihr Kinder –

Ist ja hellglänzend, schöngeläutert Blut.

Es leuchtet aufwärts – aus der Wunden auch

Leuchtet herab der Strom –

GUNNAR.

Ich geh' verloren.

Sie war mir theu'r und lieb vor aller Welt –

Hin sie! – Fortan die ganze Welt mir feind.

HÖGNE.

Mein Gunnar! Bleib' gesetzt.

GUNNAR.

So sprecht ihr, Thoren.

Doch keiner weiß, wie mir zu Sinn' nun ist.

Sigurd liegt tod, mein alter Schlachtgesell,

Brynhildens Wunde strömt von Herzensblut,

Ich bin durchaus im Elend.

BRYNHILDIS.

Thust mir leid,

Du armer Gunnar, mit den bleichen Wangen.

GUNNAR.

Das ist Heut viel zu spät, blutgier'ges Weib;

Verlobt verehlicht dich hast du nur mir,

Und gehst geleitlos nun den schlimmsten Gang.[204]

O hätt' ich das gewußt! Nur deiner Schönheit

Hellstrahlend Licht hielt zu der That mich wach.

BRYNHILDIS.

Trug gegen Trug. Niflungen, nehmt vorlieb!

HÖGNE.

Nun, Gunnar, hör' mich an –

BRYNHILDIS.

Nachher dein Trösten;

Jetzt erst mein Bitten dem Gemahl. – Hörst du?

Hörst, Gunnar, meinen Will'n?

GUNNAR.

Mit Leib und Seele.

BRYNHILDIS.

Laß' einen Scheiterhaufen hoch erbau'n

Auf nächt'ger Ebne, mein und Sigurds Bett,

Umher der Teppiche viel reiche Zier,

Gefärbt von frisch vergoßnem Menschenblut.

Zu meiner Seiten lagert ihn, den Herrn

Von Niederland, zu seiner Seiten die,

So mit ihm fielen; sein dreijähr'ges Kind,

Das zarte Knäblein Siegmund, dem zunächst

Guttorm, den Mörder; – dann zu seinem Haupt

Zwei meiner Dienerschaft, zwei zu den Füßen –

Noch außerdem der besten Falken zwei –

O lieber Held, mit deinem Falkenaug'!

O, holder Jäger, ziehst nicht mehr zur Jagd! –[205]

Auch Gramur lieg' zweischneidig zwischen uns,

Wie, als auf Hindarfiall gemeinschaftlich

Das Brautbett uns vereinigt und getrennt. –

Wenn arme Leut' aus Fürstenthüren gehn,

Schlägt hinter ihrem Tritt die Thüre zu,

Denn kein Gefolg geht nach – das treff' uns nicht. –

Nur klein ist unsrer Todtenhochzeit Pracht,

Wenn acht der Zofen, acht der Diener auch,

Die mir, der Braut, mein Vater einst geschenkt

Mit brennen in des Scheiterhaufens Gluth,

Zusammt den Andern, die mit Sigurd fielen. –

Thust du, warum ich bat, o Gunnar?

GUNNAR.

Schon

Erhebt den Scheiterhaufen mein Gebot,

Senkt mich zugleich abwärts von aller Lust.

HÖGNE.

Ach, träum' nicht.

BRYNHILDIS.

Gramur, du geehrtes Schwerdt,

Du schiedest uns vordem, wirst nun Brautführer,

Bahnst die Brautstraße mir mit rothem Blut.

HÖGNE.

Wein' doch nicht so unmäßig, Bruder mein;

Für eine Frau giebt's Tausend in der Welt,[206]

Und wem der Faffners Hort zu Diensten steht,

Dem ist auch alle Liebeslust bereit.

BRYNHILDIS.

Meinst du's? Meinst du's? – Mit deinem Faffnershort! –

Du siehst vor all' der Goldesblendung nicht

Den schwarzen Fluch, der grau'nvoll drüber hin

Die nächt'gen Flügel dehnt. – Es reißt euch abwärts

In thöriger Betäubung.

HÖGNE.

Gold bleibt Gold.

Und ihm das best' in aller Welt zu Kauf.

BRYNHILDIS.

Du armer Thor! Noch um den blut'gen Schatz

Werden in Todeskrämpfen dir die Glieder

Zusammenzucken. – Gunnar folgt dir nach,

Sobald er erst dein zuckend Herz gesehn.

HÖGNE.

Das schlägt in einer wohl bewehrten Brust.

BRYNHILDIS.

Nicht Panzer schirmt, nicht siebenfaches Erz,

Wohin Geschick zielt und Vergeltung.

HÖGNE.

Droh' nur.

Du bist halbtod, wir beide leben noch.[207]

BRYNHILDIS.

In deinem Leben lebt mein drohend Wort,

Ob du's mit kecker Zung' auch überschreist. –

Hohl braust der Rhein durch dieser Nacht Ergrau'n,

Schleuß auf den Wasserwall, du tiefer Rhein,

Denn theure Gabe wird dir bald zu eigen:

Das Faffners Gold, versenkt durch diese Zwei,

Vorsichtig tief auf deinen Grund versenkt,

Doch ihnen nie Genuß, und nie der Nachwelt,

Die, blöd' erstaunend, nicht einmal vom Hort,

Der wundervollen Mähr' vertrauen wird. –

Fleuß, Herzensblut, doch fleuß nicht allzuschnell! –

Ich muß noch erst den Scheiterhaufen sehn,

Drauf suchen meinen Liebling. – Brennt's noch nicht

Das hochzeitliche Feu'r? – Du stummer Gunnar,

In deines Kleides Falten trüb' verhüllt,

Dich frag' ich – ist mein Wille nicht geschehn?


Gunnar winkt. Ein großer Vorhang im Grunde rollt auf. Man sieht auf der nächtlichen Ebene den Scheiterhaufen brennend. Sigurds Leichnam darauf. Alles nach Brynhildens Worten geordnet.


BRYNHILDIS.

Willkommen! – Auf der bleichen Lippe bebt

Mir noch für euch, ihr Menschen, manch' ein Wort –

Die Wunde, strömend heiß, strömt es mit weg,

Läßt mir die Seel' heraus vom dunkeln Wohnort, –[208]

Und was auch zögern, wo mein Liebeslicht

Hell lieblich funkelt durch die finstre Nacht?


Sich aus den Armen ihrer Frauen aufrichtend, und nach dem Scheiterhaufen zugehend.


Laßt nur, ich wanke nicht. Die Flamme leuchtet

Mir zu dem letzten Pfade klar genug.

Glühte nicht lockend deinem edlen Muth,

O lieber Sigurd, Wafurlogas Flamme?

Das ist der Brautgang, für uns zwei bestimmt:

Durch droh'nde Gluth zur süßen Liebesgluth.

Du kamst zu mir erst, nun komm' ich zu dir –

Lächelst, mein holder Bräut'gam? Wie lichtherrlich

Die Funken fliegen, kränzend dir das Haupt!

Hinein! dem glüh'nden Herzen thut's nicht weh!


Stürzt sich in die Flamme. Gunnar lehnt sich in Högne's Arme, die Andern sinken erschreckt in die Knie. Aus den Rauchwolken des Scheiterhaufens gestalten sich die drei Nornen. Sie singen.


ALLE DREI.

Aus dem Holze heiß hoch wirbelt's,

Herzen klopfen, Kniee schlottern,

Haare flattern, blutbaar sind Wangen –

Keiner kennt uns, – was wir meinen

Klingt doch im Sinn durchdringend wieder –

Keiner hört es, verstört hat's Alle.

WURDUR.

Ich, schon gewordne Schwester, um Mord[209]

Schrei' nun, o gewaltige Gegenwart,

Werdandi dich, nach Rache dich an.

Es lag der Held erschlagen – lenk' du's,

Lenk' nun du die Schmach zur Rache –

Was ich nicht zahlte, das zahl' nun du.

WERDANDI.

Nicht reif zu greifen das Richterschwerdt

Rausch' ich machtlos durch die Nacht hin,

Wende mich weg von blut'ger Spendung,

Dein Klagen, es klingt mich an, es nagt,

Entkleidend der Lust mich, an meiner Brust –

Doch ich beuge still mich, Beute der Trau'r.

SKULD.

Schweigt ihr im Gram? Greis't namenlos?

Grimm steigt Unheil, ich heilig auf,

Tröst' euch, ihr zwei, die Trug entweiht hat.

Wahrheit wächst still, Wahrheit wächst klar,

Wird richtend wandeln, leuchtet durch mich,

Leuchtet her, ferne Feuersäule.

Trug über die Trüger, Trug und Lug,

Tröpfelnd Blut derer die Blut geschöpft,

Wehschrei den Weheverbreitenden!

Liederpreis in lichten Kreisen,

Lange Zeit hinaus dem Helden,

Dem Frommen, frei von entweihender Schuld.[210]

WURDUR UND WERDANDI.

Komm', rächende Kön'gin, wir lechzen nach dir,

Künd' uns der Rach' und Schuld Verbündung!

SKULD.

Ich eile nicht, ich weile nicht.

Wir gehn Alle den stäten Gang, wir sehn

Gericht erhoben und auch geschlichtet, –

Lauf', Menschenkind, entlaufst uns nie![211]

Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Ausgewählte Dramen und Epen. Hildesheim 1996.
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