I.


Der geschreckte Duellant.

Keine Wage ist schier so falsch und ungleich / als die / welche Ehr-Sucht gebraucht / wann sie / an Jemanden / durch ein Zwey-Gefecht / will zum Ritter werden / oder ihre / empfangene Beleidigung rachgierig vergelten. Denn sie legt / an stat deß Gewigts / in die eine Wag-Schüssel / einen zweiffelhafften Obsieg /oder ungewisse Sieg-Hoffnung; und in die andre / die Gefahr Leibs und der Seelen / zeitlichen und ewigen Todes. Damit aber jene vorschlage; thut sie dazu den eitlen Wahn / als ob die besondre Eigen-Rache eine besondre Ehr / und von solcher Wigtigkeit sey / dafür Seel und Seligkeit viel zu leicht wäre.

Wie hoch-mißfällig GOtt solche Balgereyen empfinde / hat Franckreich / an dem wunderlichen Todes-Fall Königs Heinrichs / deß Zweyten / erkannt: sintemal / als derselbe im Stechen / und Thurnier-Spiel /sein Leben verlohr / verständige[1] und nachsinnige Leute dieses / für eine besondre Schickung und Straffe GOttes / geachtet / daß er eben / im spielenden Zwey-Kampffe / das Leben lassen müssen; weil er den ernstlichen / so doch von der christlichen Religion verboten wird / gleich zu Anfange seiner Regierung / hatte gut gesprochen / und erlaubt.1

Allein ob gleich tausend Königliche Bedrohungen das Zwey-Gefechte verböten: treibt doch Manchen die Begier für einen resolvirten Kerl angesehn zu seyn /den Respect deß Verbots / samt der Furcht / aus dem Sinn. Reputation gilt Vielen höher / als GOttes / und ihres Fürstens Gebot / und würcket solcher Wahn /bey Vielen / so kräfftig / daß wann ihnen gleich eine Warnung gegeben wird / sie sich doch / an ihrem Vorhaben / dadurch nicht hindern lassen. Denn die Ehr-Sucht erhöhet sich selbst über alle Vernunfft und Ordnung / verschmäht Gesetze / achtet sich für eine Göttin / und fordert ein Schlacht-Opffer: Gestaltsam sie dergleichen / bey diesem Cavallier gethan / welchen nachgefügte Erzehlung betrifft.

Als die jetzige Römisch-Keyserliche Majestät / vor 25 Jahren / mit dem Türckischen Suldan / Mahomet dem Vierdten / Krieg führte / und einige Truppen /vom Rhein herauf / wider den Erb-Feind marschirten; kam ein junger Graff / mit einer Compagnie / bey welcher er Rittmeister war / vor die Stadt Andernach am Rhein / darüber der Churfürst den Grafen de Witt zum Commendanten verordnet hatte; und that Ansuchung / man[2] mögte ihn lassen durch die Stadt marschiren: weil man daselbst / ohn grosse Unbequemlichkeit / nicht leicht / neben der Stadt / hinziehen kann.

Der Commendant mogte vielleicht billige Ursachen und Bedencken haben / solchen Durchmarsch abzuschlagen: hette aber solches / mit glimpflichern Worten / thun können. Allein weil der Rittmeister noch ein gar junger Cavallier / und sein Stand Jenem auch etwan annoch unbekandt; wies Er denselben / mit rauhen / und gar verdrießlichen Worten ab. Er ließ es dabey noch nicht einmal bewenden; sondern ereiferte sich / über das Angesinnen deß Rittmeisters / dermassen / und nahms so hoch auf / daß er / durch ein nachgeschicktes Kartell / ihn / auff einen Kugel-Wechsel /fordern ließ.

Der junge Cavallier verwundert sich / über solche Zunöthigung; und antwortet / es sey zwar der Mühe ja nicht werth / noch der Commendant / von ihm / im geringsten / beleidigt; sondern er vielmehr / von demselben / beursacht / sich über ihn zu beschweren /wegen der unfreundlichen und fast schimpflichen Begegnung: doch weil er / mit Gewalt / so gern an ihn /und nicht ruhen wollte; sollte er seinen Mann finden /und den Ort deß Duells nur benennen. Welchen Jener auch alsofort ihm lässt andeuten; ungeachtet / unterschiedliche Personen zum Frieden rahten.

Da nun der Tag herbey nahete; erwachte der Ausforderer / Nachts zuvor / und erblickte / bey ofsenen munteren Augen / ein weisses Gespenst / in seiner Kammer: welches auff ihn zutratt / die Bett-Decke auffhub / und mit der Faust ihm / in die Weichen[3] an der lincken Seiten deß Leibs / nemlich unter den kurtzen Rieben / einen empfindlichen Schlag gab. Womit es / gleich hernach / verschwand.

Er entsetzt sich hierüber gewaltiglich / wird sehr bestürtzt / und besorgt / es dörffte ein Vorzeichen unglücklichen Gefechts seyn; verschweigt auch solches deß Morgens denen nicht / welche ihn besuchten: Massen sie eine ungewöhnliche Gemüths-Verwirrung bey ihm vermerckten / und deßwegen / nach der Ursach fragten. Wie er ihnen hierauff seine nächtliche Begegniß entdeckte; bemühete sich ein Jedweder / mit beweglicher Abmahnung den Zwey-Kampff zu hintertreiben / ihm zu Gemüth führend / es wäre der Handel bey weitem so wigtig nicht / noch so weit allbereit gekommen / daß man deßwegen nothwendig sich schlagen müsste; man könnte dennoch beyderseits wol bey Ehren bleiben / wann schon das Gefecht würde eingestellt.

Aber eine einige böse Rathgeberinn überstimmte alle die andre Wolmeynende! nemlich die Reputation-Sorge: welche / wie erschrocken und trauriger auch war / ihn dennoch fort trieb / und überredete / es könnte ihm kein grössers Unglück begegnen / als dieses / daß man ihm / heut oder morgen / vorwürffe / er hette mehr Hertzens gehabt / zu fordern / als zu kommen / und eine frischere Feder / als Pistole / geführt. Wie denn gemeiniglich dergleichen höchst-gefährliche Gedancken / bey fürnehmen Cavallieren / den Vorzug erringen / wenn die Ehr- und Seel-Sorge vorher mit einander duelliren.

Also ritt er hin / seinem Gegner / durchs Feuer / zu weisen / daß er Feuer im Hertzen hätte / und keine Kugel scheuete. Sein Verhängniß aber war ihm[4] so ungünstig / daß er einen Schuß bekam / und zwar eben an dem Ort / da ihn das Gespenst geschlagen.

Man führte ihn / tödtlich verwundt / wieder heim: und / am dritten Tage hernach / war er deß Todes: Allermassen solches eine Person / so ihm am nechsten verwandt gewest / einem fürnehmen Ehren-Mann /hiesiges Orts / von dem ichs gehört / für gewiß erzehlt hat.

Ob nun die weisse Gestalt / so ihm vorher erschienen / von einem guten / oder bösen Engel vorgestellet worden / lasse ich in der Ungewißheit. Wiewol ich vermute / ob es gleich scheinet / es habe dieselbe ihn warnen wollen / (dafür er es auch billig hette annehmen / und deß unnöthigen Schlagens sich enthalten sollen /) es sey dennoch kein guter Geist gewest; sondern ein solcher / der ihn nur erschrecken / und doch unvermerckt in seinem Vorsatze vielmehr verstocken /weder wolmeyntlich / von dem Gefechte / damit abrahten wollen. Manche / zumal Römisch-Catholische / dörfften glauben / es sey sein Schutz-Engel / gewest / welcher den Schlag in die Seiten Ihm zur Warnung gegeben: daß Er die Forderung bereuen / und / durch gute Freunde / retractiren sollte. Ich halte aber dafür /daß / gleich wie ein guter Engel / ohne GOttes sonderbare Schickung und Befehl / Niemanden erscheint / also dasselbe auch schwerlich / oder je wunderselten / von Ihm geschehe / wann Er zuvor sihet / daß Er /durch solche Warnung / bey dem Gewarneten / nichts werde erhalten. Doch gestehe ich / daß auch dieses bißweilen seine Absätze haben könne.

Fußnoten

1 Wie Thuanus / am Ende deß zwey und zwantzigsten Buchs gedenckt.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 1-5.
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