XIV.


Die Jungfrau zu Perenstein.

[92] Nicht allein GOttes / sondern auch des Menschen / als deß Göttlichen Ebenbilds / Affen spielt der hellische Gauckler / und acherontische Comediant: wiewol nicht / aus Beliebung / sondern zur Verspottung und Verleitung der Menschen. In den Bergwercken / und manchen unheimlichen Häusern / affet er der menschlichen Handlung; in manchen so wol bewohnten / als unbewohnten Gebäuen / aber auch der menschlichen Gestalt nach / und bildet bald diese / bald jene Person für; am meisten aber solche / die durch Tod-Sünden /oder durch Selbst-Mord / das Bild GOttes / in ihrer Seelen / gäntzlich ausgelescht. Denn wie diese deß Satans Bild / in ihrem[92] Leben / getragen: also trägt er wiederum ihr Bild / nach ihrem Tode: und triumphirt damit / als wie ein Türck / der seines erlegten Feindes Harnisch anzeucht / oder den Kopff desselben / auff die Schau am Spieß herum führt. Hievon können wir /in folgender Geschicht / ein Muster sehn.

Nachdem der Jesuit / Pater Johannes Drachovius, im Jahr 1626 / als / in Böhmen / die Reformation schier vollzogen worden / sich daselbst auch bemühet hatte / viel Leute zur Römisch-Catholischen Religion zu bringen; wie er dann würcklich auch Viele derselben dazu überredet hat: setzte er seine Reise / in das angräntzende Mähren: auff daß er allda gleichfalls der starck fort-gehenden Refomation seine Zunge leihen /und das / wozu man ihn gesand / ausrichten möchte. Da er dann zuforderst / in dem berühmten Schloß Perenstein (wovon wir auch anderswo allbereit Meldung gethan) anlangte / und die Keyser- und Königliche Befehl-Schreiben vorzeigte. Worauff man ihn auch alsofort aufgenommen / und im Schloß mit einem Losament versehn hat.

Er gewann Lust / als ein Mann / so der Curiositet nicht feind / bey dieser Gelegenheit / und guten Weile / die Gelegenheit deß Schloß-Gebäues zu besichtigen: sing derhalben an / gleich in den ersten Tagen seiner Ankunfft / um / und durch das Schloß zu spatziren; bestieg die Thürne / durchblickte die offenstehende Gemächer und Zimmer / besahe auch von der Höhe herab / die gantze Umligenheit / oder Nachbarschafft.

Indem er nun so gar emsig war / Alles zu mercken /was merckens und besehens werth; begegnete[93] gegnete ihm endlich eine andre Merckwürdigkeit. Denn es ging eine zierlich-auffgeschmückte Jungfrau / aus einem Gemach / hervor / mit einem Bund-Schlüssel. Er / der sie / für eine Hof-Dame / oder Kammer-Jungfrau / ansahe / grüsste / und redete sie freundlich an. Sie stund still / um sein Gewerbe anzuhören. Er sagte / Er sey allhie angekommen / als ein Gast / die Unterthanen / in der catholischen Religion / zu unterrichten; wolle derhalben auch Ihr seine geistliche Auffwartung hiemit angeboten haben / und an seiner Diensthafftigkeit nichts ermangeln lassen.

Sie / die Schöne / lächelte ihm hierauff überaus lieblich zu / mit einem gar züchtigem Blick / und /gleich als ob die Schamhafftigkeit ihr keine Gegenrede zuliesse / neigte sie / an stat der Antwort / sich gegen Ihm / wie das Frauen-Zimmer pflegt / gar höflich und ehrerbietig; und ging damit alsofort von dannen.

Nach Vergehung einiger Tage / wollte dieser Pater eine Predigt thun; suchte derwegen / damit er seinen geschriebenē Auffsatz desto unverhinderter der Gedächtnis einpflantzen könnte / und ihn niemand in seiner Meditation verstöhrte / die Einsamkeit. Da erblickte er dieselbe Jungfrau abermal / und zwar in einer Sommerlauben / (oder auf einem Gange) mit auffgelöseten / und ums Gesicht herum hangenden / Haar-Locken: welche sie / mit sonderbarem Fleiß /kämmete; aber / nach gleichsam unversehener Ersehung deß Paters / alsofort hinterwerts / auff den Rücken / zurück warff / und sich zu erkennen gab.

Er / der gar ernsthaffter Natur / und allezeit[94] für einen eifrigen Mann geachtet worden / gab ihr einen Verweis / mit diesen Straff-Worten: Ey! Es schickt sich nicht / daß man am Sonntage / gar zu viel /auff das schmücken und putzen / dencke: Besser /man bereite die Seel / zur Anhörung Göttliches Worts / durch ein andächtiges Gebet! Sie that / als begehrte sie ihm zu gehorchen; verbarg stracks den Kamm / legte die Hand auff den Mund / neigte das Haupt gantz ehrerbietiglich / und ging damit hinweg.

Er stieg hernach hinunter / und begab sich / aus dem Schloß / nach der Kirchen / welche gantz von weissem Marmel erbaut ist; verrichtete daselbst den Gottesdienft / und legte die Predigt ab. Es gefiel ihm aber nicht / daß / ob er gleich / überall in der Kirchen / die Augen herum gehn ließ / ihm doch besagte edle Jungfrau nirgends zu Gesicht kommen wollte: gedachte / sie mögte etwan / zur Römischen Religion /keine Lust tragen / oder sonst / die Kirchen offt zu besuchen / nicht gewohnt seyn. Darum / als er wiederum auffs Schloß kam / klagte er darüber / bey dem Schloß-Hauptmann / daß die Haus- und Hof-Genossen / welche Andren billig / mit gutem Exempel /leuchten sollten / selbst davon blieben. Der Hauptmann (oder Commendant) fragte / was das für eine Jungfrau dann wäre / die er so verklagte? was sie für Gestalt und Kleidung / und wo er sie vorhin gesehn hette?

Da kams heraus / daß das jungfräuliche Gespenst /welches / von undencklicher Zeit hero / im Schloß /herum geht / sich diesem Pater zu Gesicht gestellet /und denselben betrogen. Also muste er[95] seinen Unwillen fahren lassen / und deß Handels lachen.1

Diese seltsame Begegnung hat er / in seinem Alter /dem vor-benamten Pater Balbino, selber erzehlt: aus dem ich sie allhie dem geneigten Leser mitgetheilt. Und diß ist dieselbige Jungfrau von Perenstein / welche vormals einen frechen und versoffenen Soldaten /der mit ihr löffeln wollen / todt gedruckt: wie / am andren Ort / von mir / in diesem Werck / berichtet wird.2

Fußnoten

1 Referente supra laudato Authore p. 192. lib. 3.


2 Unter dem Titel der einbüssenden Vermessenheit.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 92-96.
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