XX.


Die verstöhrten Löffler.

[145] Niemand ist den unreinen Lüsten geneigter / als derselben Urheber und Quellbrunn / der böse Geist /welcher / in dem Hertzen deß allerersten Weibs-Bildes / eine unzeitige Obst-Lust entzündet hat: damit Sie dadurch / an stat einer Kron / oder Göttlichen Reichs-Apffels / einen Todtenkopff bekommen mögte. Weil dieser weiß / daß die Räder menschlicher Begierden nicht leichter / noch lieber / in die Todes-Grube lauffen / als so sie / mit geyler Lust / geschmiert werden: reitzt er bald[145] unmittelbar durch sich Selbsten / bald durch die Eitekeiten dieser Welt / die Leute / zu allerley schnöden Belüstigung und Ergetzlichkeit. Er verführt ihre Leiber und Gemüter / unter die flüchtige und verwelckliche Rosen; auf daß ihr Gewissen / und Geist / mit tödtlichen Dornstacheln /verwundet werde.

Insonderheit dienet die Buhler-Liebe ihm / zur Erweiterung seines Reichs / gewaltiglich: Denn Buhlerey und Hurerey stifften gar leicht mit einander Gesippschafft: und die solches thun / werden das Reich Gottes / daferrn sie ihr Hertz / durch wahre Busse /nicht reinigen / noch in dem reinem Blut Christi waschen / nicht erben / noch Gottes Angesicht schauen. Diesem nach setzt sich der unsaubre Geist den Wollüstern und Buhlern ins Hertz / wie der Kefer in die Purpur-Rose; fretzet allda die inwendige Gedancken und Begierden so lange / biß alle Zier der Zucht und Keuschheit dahin fällt.

Ob nun gleich der Satan die Kohlen unzüchtiger Brunst lieber insgemein auff bläset / als ausgiesst: fügt und schickt es doch GOtt bißweilen so wunderlich / daß dieser Unzucht-Brand-Schürer dieselbe auch wol / wider seinen Wunsch und Willen / selbst wieder leschet / durch Erschreckung der Buhler. Wie solches / bey dem Philemander / und der Zeteandra / (denn diese Namen will ich ihnen / an stat der rechten / allhie zuschreiben) eingetroffen.

Jener hatte zwar / auf hohen Schulen / und in allerley Ritter-Ubungen / allbereit keine nidrige Stuffe erreicht: allein da er an einen fürnehmen[146] Hof kam; machte er sich der Fehler eines und andren Höflings bald theilhafft / und so wol im starcken Trincken / als prangen / courtesiren / und galanasiren / schier unüberwindlich; wann solche Ritter-Stücke nicht vielmehr für eine Niderlage / als für eine Uberwindung /zu achten. Es ging ihm daselbst / nach dem Spruch Ambrosii: Pascitur libido conviviis, nutritur delitiis, vino accenditur, ebrietate flammatur. Böse Brunst wird / durch Gastereyen / geweidet / durch Delicatessen genährt / durch Wein entzündet / durch Völlerey und Trunckenheit liechter Lohe beflammt;1

Er geriet gantz in Unordnung: wie dann / aus dem Becher- und Glas-Streit / anders nichts / als ein unordentlich und rohes Wesen erfolgen kann / und derjenige / so dem Bachus opffert / gemeinlich auch gern der Venus räuchert / nemlich einen solchen Geruch / der sich zuletzt leichtlich in einen Gestanck verwandelt. Denn wann er etliche Tage / bey lustiger Gesellschafft / sich mit dem Trauben-Safft / wol genetzt; machte er eine Abwechslung / und sich zum Frauenzimmer hin; da er die meiste Speise / mit Löffeln / zu sich nahm /und bald dieser / bald jener Hof-Docken auffwartete; gleich einer herum schwebenden Bienen / welche bald auff dieser / bald auff jener Blumen ihren Sitz nimt /und doch bey keiner beharrt / sondern Ihrer bald müde / und einer frischen begierig wird.

Es mangelte ihm auch nicht / an Gegen-Huld. Denn seine höfliche Freundlichkeit / oder vielmehr Schmeicheley / machten ihn gar annehmlich. Vor[147] Andren aber / war der Zeteandra / einer adelichen Kammer-Jungfrauen / mit seiner Auffwartung / sehr gedient. Denn weil sie / von ihren Eltern / zwar einen fürnehmen Adel / und ziemliche Gestalt / aber geringe Verlassenschafft / hatte ererbt: gedachte sie / deß Philemanders Geschicklichkeit würde ihn / mit der Zeit /noch wol hoch genug heben / und also ihr Glück seyn / wann sie dieses unstete Wild / durch ihre Liebsreitzungen / könnte zum Stande / oder ins Garn bringen /und ihm den Fuß bestricken. Darum stifftete Sie / mit ihm / grosse Vertraulichkeit: in Hoffnung / es sollten unfehlbar Trau und Treu daraus entspriessen. Sie vergünstigte ihm nicht allein ihre Rosen-Lippen / zu unzehlbarer Beküssung; sondern versuchte auch bißweilen / bey gantz geheimer und verstohlener Conversation / durch gleichsam unfürsichtige oder zufällige Blössung solcher Schneeballen / welche den Augen unbehutsamer Jugend leichtlich zu Feuerkugeln werden / in Leibeigenschafft zu ziehen. Dahingegen er /mit solchen Aepffeln / zwar vorlieb nahm / aber an den Baum / daran selbige gewachsen / sich nicht wollte binden lassen.

Unterdessen entbrannte ihr Hertz / gegen ihm / je länger / je hefftiger / also gar / daß zuletzt darüber alle Bedachtsamkeit bey ihr gleichsam zur Aschen ward / und sie / wann ihre Fürstinn / von andren Neben-Hof-Jungfrauen / bedient werden musste / sich entblödete / entweder ihn / in ihre Schlaff-Kammer /auf ein geheimes Gespräch / oder sich / bey ihm / in die seinige / mit Umwechselung / einzuladen. Welches nicht unfüglich / unter der Decke nächtlicher Finsterniß / geschehen kunnte: Weil ihre Wohn-Zimmer[148] nicht übrig weit voneinander / und also Eines zum Andren / unter der Gunst deß Schattens / ja so bequemlich / als unvermerckt / hinüber schlich.

Ihm gefiel diese Vertraulichkeit auch nicht übel: doch hütete er sich / für den letzten / innersten / und allzu tieffen Geheimnissen: damit daraus keine winselnde Offenbarungen / oder auch Eh-nöthigungen mögten entspringen; ohnangesehn / sie ihn inbrünstig liebte. Denn weil sie / mit keinen sonderlichen Mitteln / versehn war: daugte sie ihm / für seinen Ancker / kein guter Grund zu seyn; und / daß sie ihn mehr nider drucken / als erheben / könnte. Darüber sie offt ungedultig ward / und ihm ihren Zweck deutlich zu mercken gab; doch gleichwol ihn allezeit / in Geberden / gar einfältig und unmercksam fand.

Deßwegen gedachte Sie endlich / durch eine sonderbare und genauere Verbindlichkeit / diesen flüchtigen Mercur fest zu stellen / und ein solches Feuerwerck zu zurichten / wodurch er wol / in völligen Brand / gerathen würde. Sie wollte ihm / sage ich /die Fackel sohart an die Brust legen / daß er / von Hitze übernommen / ihr müsste ehelich zu Theil werden.

Hiezu fand sie Gelegenheit / in seiner Bettlägerigkeit. Denn er bekam das Fieber: weßwegen sie /gleichsam aus Mitleiden / bey Nacht / in Begleitung einer vertrauten Magd / ihn offt besuchte / zuletzt aber / nachdem das Fieber ihn verlassen / und Sie vernommen / er würde / mit ehestem / eine ferne Reise thun / gantz allein in einer Nachtschauben zu ihm kam / gäntzlicher Entschliessung /[149] aus der Ungewißheit ein Mal Gewißheit zu machen / und so hart / mit Liebkosungen / an ihn zu setzen / daß er ihrer Liebeley und Freundlichkeit eine eheliche Treu würde verpfänden müssen.

Sie setzte sich / nachdem das Licht / in seiner Kammer / gelescht / zu ihm auffs Bette; und erbot sich endlich / wann er es ihr nicht zu einer hürischen Leichtfertigkeit / sondern allein zur inbrünstigen Liebe und hertzinniglichen Vertraulichkeit / rechnete; massen sie / wider alles unzüchtige Angesinnen / ausdrücklich und feyerlichst wollte protestirt / und eine unfehlbare Verschonung ihrer Ehren / voraus bedungen haben; sich neben ihm an seine Seite (doch in ihren Nachtkleidern) auff- und nicht unter das Deck-Bette zu legen: auff daß / noch vor seiner Abreise / sie ihm eine unveränderliche Hertzens-Treu / durch solche Näherung ihres Hertzens / mögte bezeugen: Welches dann / ihrer gäntzlichen Einbildung / und unüberwindlichen Entschliessung nach / gar wol ohne Gefährung oder Versehrung ihrer jungfräulichen Bluhm würde geschehen können: weil er / ihres sicheren Wissens / allem unehrlichen Verfahren abgeneigt /und eines redlichen Gemüts / dazu auch vermutlich annoch / von der ausgestandenen Leibs-Schwachheit /nicht so vollkömmlich wieder erstarcket wäre / daß er / wann er ihr gleich einigen Gewalt anlegen wollte /welches doch ohne Uberwältigung und Zerbrechung seiner rühmlichen Natur-Art / nicht geschehn würde /solches dennoch nicht thun könnte: Solche seine und ihre ehrliche Neigung sollte ihr zum doppelten Harnisch / wider alle ungebührliche Anfechtung / dienen.[150]

Diese ihre gar zu freundliche Annäherung war ihm nicht allerdings lieb: ihre Zuverlässigkeit daugte ihm eine Anlässigkeit zu seyn: als welcher besorgte seine Freyheit dörffte anjetzo ihre Arme zum Netze bekommen / welches ihn in ein eheliches Versprechen wickelte. Denn wiewol er glaubte / sie wäre nicht deß Fürsatzes zu ihm gekommen / daß sie in Schanden wieder von ihm gehen wollte; er auch selbst ihr zu nehmen / was er ihr nicht wieder geben könnte / nicht begehrte: betrachtete er doch die Gefahr / darein sie sich beyde wagten / indem Feuer und Schwefel einander so nahe kämen / und daß vielleicht / bey solcher ertzmündlichen Unterredung / ihrer beyder Will und Sinn / durch allzufeurige Entbrennung der Begierden /plötzlich verwandelt / ja die Vernunfft / bey so inbrünstiger Zusammenrückung / eingeäschert werden /folgends alsdann ihre Zucht erleschen dörffte: zumal weil keines unter ihnen von kaltem unempfindlichem Marmel / sondern sie so wol / wie er / Fleisch und Blut / überdas seiner erneuerten Kräffte Vermögen allbereit grösser / als ihre Fürsichtigkeit / und unbehusame Einbildung / wäre.

Nichts destoweniger wollte er ihr auch nicht gern einen Argwohn erwecken / als ob ihre Zunahung bey ihm den Verdacht eines leichtfertigen Verlangens gewonnen: und sorgte / sie dörffte die Verschmähung solcher ihrer verliebten Leutseligkeit ihm zur grossen Grobheit rechnen; (da es doch vielmehr eine ihm wolanständige Klugheit wäre gewest / wann er ihr freundlich eingeredt / und zu Gemüt geführt hette / wie nahe sie an den Rand einer Gruben treten wollte / darein ihre Ehre leichtlich[151] könnte verfallen / und verscharrt werden) derhalben willigte er / in ihren Vortrag / und ließ sie dergestallt zu sich / an seine Seite / kommen /daß / ihrem Begehren nach / die Oberdecke deß Bettes / nebenst ihren Nacht-Kleidern / gleichwol zwischen ihnen noch einen Unterscheid machten; hingegen Arme und Lippen sich vereinigten.

Philemander merckte aber / seines Theils / gar bald / der Stahl seiner vorgefasten Entschliessung / dörffte / bey solchem brennendem Schwefel / endlich wol schmeltzen und zerfliessen: Er fühlte / daß seine junge Brust so weich / wie ein Wachs an der Sonnen /würde; und daß gleichfalls Zeteandra / von Furcht-und Schaam-gemischter Liebe / gleichsam zu zittern begunnte. Denn damit sie nicht / ihrem Vorhaben nach / einen Discurs von ehlicher Versprechung anheben mögte: stellte er sich / als ob er / vor heisser Lie bes-Empfindung / weder hörte / noch merckte / was sie ihm zu sagen zwar unterschiedliche Mal anhub /aber / vor seiner ungestümen Mund-Pressur / niemals vollenden kunnte.

Aber was geschicht? Indem diese Beyde also ihrer finstren Löffeley pflegen / erhebt sich / zu Mitternacht / in dem Vorgemach / gähling ein erschröckliches Getös und Gepolter: wovon Zeteandra / vor Schrecken / ineinander schoß / und auch Philemander eine grosse Bestürtzung empfand. Denn sie hörten Beyde /und zwar desto lauter / weil Zeteandra / bey ihrem Eintritt / die Kammer-Thür / mit Fleiß / hatte weit offen gelassen / daß gleichsam ein paar Personen / mit Stiefeln und Sporen / die Stegen / so zu besagtem Vorgemach führten / herauff kämen / und denselben alsobald[152] andre mehr nachfolgten / jedoch gar langsam herauf träten. Weßwegen Sie zu ihm sagte: Ach weh! wir seynd verrahten! Was wird man gedencken /von mir / so ich allhie angetroffen werde?

Gerne wäre sie geflohen; wuste aber keine Ausflucht: richtete sich doch eilig empor / und gedachte von dem Lager aufzuspringen; in Hoffnung / weil man sie gleichwol nicht bloß / sondern in ihren Kleidern / fünde / daß alsdann der Verdacht um ein Gutes dadurch gelindert und gemindert würde.

Er war aber andrer Meynung / wollte durchaus sie nun nicht von sich lassen; sondern fand rahtsamer /sie sollte zu ihm / unter die Decke / sich verkriechen: und nachdem sie solches gethan / sprang er heraus /erwischte seinen / allernechst an der Wand hangenden / Degen / blösste denselben / und legte sich damit wieder zu ihr ins Bette / gäntzlich entschlossen / denjenigen / der sich unterstehn würde / ihm die Bettdecke wegzureissen / und den Inhalt derselben zu entdecken dergestalt zu zeichnen / daß ihm die Lust solcher Untersuchung bald vergehn sollte.

Indessen wird draussen / auf einer langen Gallerie /und in dem Vor-Gemach / das Getümmel immer stärcker. Bald that es / als ob drey oder vier Kerls / mit starckem Tritt / in ein / gegen seinem Schlaff-Gemach über / befindliches grosses Zimmer gingen; bald / als ob viel Hof-Mägde einen Hauffen Bettwercks die Stegen herauf schleppten / und mit den Bund-Schlüsseln ein Geklinge machten;[153] bald / als lieffen viel Jagt-Hunde mit einander herauff.

Hernach wurden unterschiedliche / in dem Vorgemach stehende / grosse Gehalter / und unter andren deß Philemanders Truhe / mit grossem Gerassel /auffgesperrt / auch gleich / mit gantzer Gewalt und starckem Knartzen / wieder zugeschmissen / daß mans wie weit hette hören mögen.

Zeteandra / solches hörend / sagte / zum Philemander: Aue! mein Engel! das seynd Diebe! die werden alles auffbrechen / und auch seine Truhen ausleeren. Hat er nicht gehört / wie sie gebrochen / und gesperrt?

Er / der weit anders urtheilte / sprach: Schwerlich! Ein Dieb macht mir kein solches Gepolter / und lauten Lärmen / Geklapper und Getümmel.

Warum nicht? versetzte Sie. Vielleicht haben sie ein Diebs-Liecht angezündt / in Meynung / daß alles Volck im rieffen Schlaffe lige. Wovon auch diejenige / welche würcklich schlaffen / so hart vom Schlaff gebunden ligen / daß / wie man sagt /sie nicht erwachen können / bevor das Diebslicht ausgebrannt. Und darauff mögen sich diese Diebe wol verlassen / daß sie ungescheut ein solches Getöß machen.

Seine Gegen-Antwort war: Wäre ein solches Licht vorhanden / würde es doch wol in etwas / ob gleich nur tunckel / scheinen / und die Finsterniß ein wenig brechen. Alsdann wollte ich bald / mit der Fuchtel / hinaus / und ihnen die Stegen weisen. Denn Diebe seynd[154] doch verzagt; ob ihrer gleich viele beyeinander. Aber diß sind keine Diebe; auffs wenigst keine natürliche.

Mein! so sage et nur doch (fing sie wieder an) was es sey? Er sprach: Ich versichte sie / doch mit Bitte / daß Sie ja nicht zu hart erschrecke / und hernach drüber erkrancke / es seynd keine Geld-oder Säckel-Diebe / sondern Seelen-Diebe. Es ist anders nichts / als ein Gespenst.

Da sie das vernahm / kam sie Grausen / Furcht /und Zittern / an; sagte: O Herr! was fangen wir an? Was Rahts? Ich vergehe / vor Angst und Schrecken!

Er hieß sie gutes Muts seyn / tröstete sie / und sprach hernach weiter: Ich weiß / für uns Beyde /keinen besseren Raht / als / daß wir uns zuforderst / aus der Gefahr / darinn wir schweben / in mehrere Sicherheit stellen Meinem / in der nechsten Kammer / Stein-fest schlaffenden Diener zu ruffen / scheinet nicht dienlich: er dörffte schwätzen / und hernach ihre Ehre im Dispüt kommen. Allein! was macht man? Sie ist jetzo / meines erachtens / benöthigt / sich aus dem Bette zu erheben / und auff einen Stuhl niderzusetzen.

Gleich damit sprang er auff / ruckte denjenigen /der / seines Wissens / zu den Füssen deß Bettes stund / herauff / und stellete ihn nahe zu seinem Kopff-Küssen; daß sie drauff sitzen mögte: wozu sie / vor tieffer Entsetzung und Bangigkeit / sich kaum bereden ließ. Aber er sprach ihr zu / sie sollte ein Hertz fassen /und sich an seine Hand / welche er ihr[155] aus dem Bette zureichte / mit der ihrigen nur fest halten / doch noch fester / mit ihrem Vertrauen / an GOtt; jedoch denselben / in ihrem Hertzen / auch um Verzeihung bitten /daß sie Ihn versucht / und ihre Ehr in solche Gefahr gesetzt: Denn ob dieselbe gleich unverletzt geblieben / und sie / Unzucht halben / nicht zu ihm gekommen; hette sie doch leicht / ohne Zucht und Ehre / können wieder von ihm kommen: Weil Liebe / Nacht / und Einsamkeit / die Zucht zuvertheuren gewohnt / und der Mensch Seiner selten lange mächtig bliebe / wann er den Begierden die Gelegenheit / als derselben Kupplerinn / zum Vortheil einräumte.

Ihre Antwort war / Sie könnte es wol wie hoch betheuren / daß sie gar kein leichtfertiges Verlangen mit sich daher getragen. Er gab zur Wieder-Antwort: Ihr ehrliches Gemüt stünde bey ihm / in ungezweisseltem Credit: Nichts destoweniger / ob gleich ihre Leiber annoch / in der Vollkommenheit beharreten / könnten doch die Gemüter gar leicht geschwächt und brünstig worden seyn: der menschliche Sinn sey wandelbar /und springe / nach Bewandniß der Sachen / so leicht um / wie der Wind.

Indem er also / aus einem Buhler / oder Löffler / ihr Lehrer worden / und ihr predigte; arbeitete der Polter-Geist draussen / im Vorgemach / immer erschrecklich fort / stellete sich auch etliche Mal / als ob er gerad auff die Thür seines Schlaf-Gemachs / mit einem starcken Tritt / zuginge / und in die Kammer kommen wollte: Tratt auch endlich etliche Mal würcklich auf die Schwelle der weit-offen-stehenden Thür. Darüber entsetzte Sie sich[156] so hefftig / daß er sorgte / sie dörffte das Freischlein bekommen. Denn sie wusste / vor Angst / weder aus noch ein / und bebte so ungewöhnlich hart / daß / (wie / nach der Zeit / Philemander /gegen einem vertrauten Freunde / geredt) kein armer Sünder jemals / vor dem Gerichts-Schwert / so hart gezittert / noch das Fieber ihn selbsten / den Philemander so geschüttelt hette / als wie Zeteandra /von Furcht / und Bangigkeit / beklopffet und gerüttelt worden. Daher wol zu glauben / daß / wann sie je vorhin einen Gifft böser Gedancken soltte bey sich empfunden haben / solches in diesem Angst-Bade Sie ohn zweiffel Alles wieder ausgeschwitzet / und zwar viel starcker als ob man ihr den stärcksten Theriac eingegeben hette.

Darum schloß er ihren rechten Arm / in seinen lincken; um ihre Furcht hiedurch in etwas zu mässigen; sprach ihr auch tapffer zu: Sie sollte sich doch so sehr nicht fürchten; denn je mehr sie zitterte / je mehr würde sich der Teufel draussen daran ergetzen / und deß Schreckens nur desto mehr machen: derselbe könnte ihr / ohn Gottes Willen / kein Härlein krümmen; Welcher ihm über sie keine Macht gegeben hette; sintemal er sonst schon längst zur Kammer herein gebrochen wäre: Sie sollte nur GOtt vertrauen /und sich versichern / das Gespenst würde nicht über die Schwelle / noch herein kommen: Und ob es gleich herein käme / könnte es ihr doch nichts thun / wann sie nur betete.

Nachdem sie nun / durch das grauerische Gepolter und Gerassel / schier eine gute halbe Stunde / im Schweiß gehalten / und ziemlich mortificirt worden; lieff endlich das Gespenst / als wie ein[157] gantzer Trupp / eine Stiegen hinauff / die zu dem öbern Bodem ging / und zeschete abermal weiß nicht was für ein Geschlepp / als wie Betten / Säcke / und dergleichen /mit grossem abscheulichem Geräusch / hintennach. Es fing aber hingegen an / auff dem Ober-Bodem / gerad über ihren Häuptern / zu rumoren / zu trampeln / stossen / unn werffen. Und wann es also eine Zeitlang sich daselbst droben getummelt / fiel es alsdann / wie ein schwerer Getreyd-Sack / auf den Boden nider /daß die Kammer-Fenster zitterten und klingten.

Nach sothanem Fall / erhub sich dann voriges Getümmel von Neuem / biß wiederum ein schwerer Fall geschahe. Und so wechselte der Tumult wol mehr /als zwantzig Mal / mit dem Fall um. Unterweilen aber that es / als ob zwantzig oder dreyssig Kerls / ihnen über dem Kopff / droben mit den Füssen stampfften /trampelten / und sprüngen. Solches währte droben /ungefähr eine gantze Stunde.

Hiernechst fuhr es hoher hinauff / zu dem dritten Bodem / oder Gaden; und tumultuirte daselbst gleichfalls eine gute Stunde lang: wiewol das Gekrach und Gerassel / nach Proportion der Erhöhung / und Entfernung / um ein Gutes schwächer ward. Folgends erhub sich das Getümmel / und zwar gar mercklich (denn sie kunntens allemal gantz eigendlich hören / wann es eine höhere Stiegen hinauf lieff) nach dem vierdten /und zu allerletzt / nach dem es dort abermal eine gute Weil abgelebt / und gerumpelt / nach dem fünfften /als den alleröberstem Gaden / hinauff. Woselbst man nur / der Höhe halben / einen schwachen Hall mehr vernahm.[158]

Also musste dieses Löffel-Paar / in die 4 Stunden lang / solchem Gerümpel und Tumult. Gehör geben /und durch diesen Angst-Schweiß die vorige Liebes-Hitze verschwitzen.

Nach sothaner vier-stündigen Pœnitentz / hatte Zeteandra noch so viel Muts nicht / daß sie wieder hinaus gegangen / und über den Schloß-Platz ihrer Wohnung zugeschlichen wäre; ob sich gleich Philemander erbot / sie zu begleiten: sondern blieb auff ihrem Stuhl / in der Gebets-Andacht / sitzen / biß eine halbe Stunde gegen Tag. Da er mit ihr ging / und sie /an der Hand / nach ihrem Zimmer führte.

Nach der Zeit / kehrte sie nicht wieder bey ihm ein: die Lust war ihr vergangen: Und / über kurtze Zeit /reisete er / von selbigem Hofe / hinweg; ließ aber /(wie er selber / als Er noch lebte / bey Erzehlung dieses Handels / gedacht hat / gegen einem vertrautem Freunde / aus welches gar glaubwürdigem Munde /ich / für eine Gewißheit / diese Abentheuer auffgezeichnet habe) die Erinnerung dieser Löffeley-Vermyrrhung / so bald nicht aus seinem Sinn verreisen.

Sie hat / etliche Jahre hernach / eine andre / und vielleicht bessere / Parthey / weder sie / an diesem Maul- und Löffel-Liebsten / verspührt / getroffen /und einem ansehnlich-reichen Mann sich zur Ehe ergeben: weil sie der Auffwartung bey Hofe müde gewest.

Philemander fasste einen guten Schluß / der Löffeley / und deß Courtesirens / nach diesem müssig zu gehen / und seine Zeit in rühmlichern Handlungen zu verzehren. Er hielt auff Reisen /[159] seine Blicke im Zaum / ließ sie / an keiner schönen Gestalt sich verweilen; sondern entmüssigte sie / an allerley schau und merckwürdigen Sachen / womit ein tugendhaffter Weltmann so wol für sich selbst / als für sein Vaterland / guten Nutzen schaffen kann.

Es fehlte aber nicht viel / daß er endlich nicht wiederum / mit voriger Gemüts-Kranckheit / noch schwerer befallen wäre. Denn als er aus Franckreich / da er sich gleichwol ziemlich in Acht genommen / zurück in Niderland gelangte; suchte ein Obrister-Leutenant /seine / als eines politen und resolvirten Menschens /Kundschafft / führte ihn mit sich in die Wirths-Häuser / zum Trunck / und zur Würffel: wodurch die bisherige Eingezogenheit und Sittsamkeit allgemach / bey ihm / verschwand / und die vormalige Lust zur Besuchung deß freundlichen Frauenzimmers / aus der Aschen wieder hervor glimmte. Denn eine Unordnung zeugt bald andre / und schnöde Eitelkeiten reihen sich gern aneinander. Es stiessen sich aber seine Begierden / in ihrem Lauff / an die Begebenheit / so wir am Ende dieser Erzehlung / vernehmen werden.

Sein guter Glas- und Spiel-Genoß / führte ihn / zu mancher Gesellschafft / und recommendirte ihm endlich eine Officirers Witwe / welche / so er / der Philemander / ihr würde höflich auffwarten / und sie wol bedienen / ihn als einen wol-gebildeten Aufwarter /nicht allein mit ungemeiner Gunst / sondern auch weil ihr verblichener Mann ihr ein grosses Geld hinterlassen / mit ansehnlichen Presenten / beschencken würde: wiewol Mancher billig (seines Bedunckens) drauff spendiren / und sichs was kosten[160] lassen sollte /daß er das Glück / ein so schönes Weib zu caressiren / erlangen mögte.

Philemander spitzte die Ohren / und weil die Neigung zu günstigen Schönheiten / bey ihm / allbereit wiederum eingeschlichen / ließ er sich gern mit dahin führen: auf daß er die / ihm nun so offt gepriesene /Gestalt und Vortrefflichkeit solcher martialischen Venus einmal ins Auge fassen / und mit derselben bekandt werden mögte.

Sie nahm seine Besuchung / nachdem er höflich um Erlaubniß angesucht / und den Ruhm ihrer wunderwürdigen Natur-Gaben / wider ihren Unwillen / zum Schilde vorgeworffen / (will sagen / den schallenden Preis ihrer Schönheit und Tugend zur Entschüldigung seiner Einkehr / vorgewandt /) mit leutseliger Bewillkommung auf / erwies auch so wol seinem Gefährten /als ihm / die Ehre einer zierlichen Collation. Dagegen er ihr / mit vielen Lob-Sprüchen / hofirte / und gar bald merckte / daß sie ihm freundlichere Blicke / als jenem / gab; angemerckt / sie eine ziemlich frische Witwe war / die schöner / als erbarer / und viel leichter ihres Liebsten / als der Liebe / vergessen hatte. Wann sie so viel Zier im Hertzen / als in ihren Wangen oder liebreitzenden Augen / gehabt hette / wäre sie auch gewißlich ja so würdig einer ehrlich-treuen Liebe / als Lobes / gewest.

Für dißmal / nahm er / nebst seinem Führer / von ihr Urlaub; nachdem er / ihr weiter aufzuwarten / Vergunst gesucht / und auch erhalten. Worauf er ihr also /aus den Augen / wich / und im Hertzen sitzen blieb; auch hingegen selbst / aus ihren glatten Reden / und Angesichts-Rosen / einen Stachel /[161] in seinen Begierden / mit sich heimtrug. Denn wer einer buhlerischen Schönheit nachgehet / dem spaltet sie gar leicht die Leber.

Nachdem er sich nun / mit verwundtem Hertzen /ins Bette geworffen; fing er an / zu speculiren / auf fügliche Weise und Gelegenheit / wie er / ohne Verdacht der Nachbarschafft / ehestens wieder bey ihr einkehren mögte. Wie er dann auch / über vier Tage hernach / unter weiß nicht was für einem Fürwand /wieder zu ihr / wiewol allein / kam / und an der Glut ihrer funcklenden Aug-Sternen sich noch mehr entzündete.

Er verrichtete zuforderst seine verliebte Abgötterey / that ihr ein Lob-Opffer / nach dem andren. Demnechst spielten sie miteinander in Karten / und zwar erstlich um geringes Geld; hernach / um eine Discretion. Welche er gewann / und / als sie / in seine höfliche Wahl stellete / was für eine Discretion sie ihm schuldig wäre / keine andre / als einen Kuß / begehrte. Den schlug sie ihm zwar ab; doch nicht eben mit den Händen; sondern mit Worten; ließ ihn also rauben /was sie nicht ungern verlohr; ob sie es gleich nicht ausdrucklich verwilligte. Endlich nöthigte ihn die herandringende Nacht / Abscheid zu nehmen: wobey er abermal ihrem Munde / und sie seinem Hertzen /einen dergleichen Raub entführte.

Er gedachte / mit allerersten / sie wieder zu bedienen / seine verbuhlte Augen noch mehr / an diesem Feuer / zu verbrennen: und schlieff / nach einem kurtzem / übers Knie abgebrochenem / Abend-Segen / in solchen löfflenden Gedancken / ein.[162]

Allein / nach Mitternacht / traumte ihm / als ob er /mit ihr / spatzieren fahrend / durch Jemanden / meuchelmördrisch würde erschossen. Uber welchen Traum-Schuß / er plötzlich erwachte / und / vor Schrecken / gleichsam ineinander fuhr / auch / vor starcker Einbildung / anders nicht meynend / denn er wäre würcklich getroffen / stracks mit der Hand /nach der vermeynten Wunde / an die Brust griff; weil ihm dieselbe sehr schmertzte. Bald aber / da er sich recht völlig besann; fiel er / auf die Gedancken / der Obrist-Leutenant dörffte vielleicht darum / daß er der Frau-Oberstinn besser befohlen / als er / und diese ihm / dem Obristen Leutenant / unlängst / als Philemander ihr aufgewartet / sich hette verleugnen lassen / einen Groll wider ihn gefasst haben / selbigen auch vielleicht / durch eine tückische Kugel / auszuführen /gedencken: also nahm er den Fürsatz / diese neue Liebs-Kundschafft nicht weiter fortzusetzen / sondern absterben zu lassen / auch der Conversation deß Obristen Leutenants sich allgemählich zu entziehen.

Allein dieser gute Schluß war kaum geboren / als er / nach fünff oder sechs Tagen / wieder dahin fiel. Denn der Martigenis wollte die Weile zu lang werden / daß sie ihn / der ihr Hertz schon gantz eingenommen / in so langer Zeit (angemerckt / in der Buhler ihrem Calender / ein Tag / für ein gantzes Jahr /gerechnet wird) nicht gesprochen: weßwegen sie / besorgend / er mögte in der Liebe gegen ihr wieder er kühlen / ihn / durch ihren Lackeyen / besuchen / und /nach seiner Gesundheit / fragen ließ / auch zugleich /in Frantzösischer[163] Sprache / ein kurtzes Hand-Brieflein schickte / Inhalts / daß sie sich ihrer Schuld /wegen jüngst verspielter Discretion / durch beykommende (an einer köstlichen Hut-Schnur von Perlen hafftende) Feder / (welche / in einem weissem Atlasch / vernehet / von dem Lackeyen überliefert ward) hiemit freundlich entbinden wollte.

Er entsetzte sich anfangs in etwas darob / und bekam schwere Gedancken; besorgend / es dörffte seine Freyheit / die er noch zur Zeit an keinen ehelichen Zaum wollte verbinden lassen / mit dieser Feder sich davon- der Martigenis in die Arme / schwingen: setzte sich doch gleichwol bald / und schrieb etliche höfliche Danck-Zeilen / mit Versprechung / ehester Tagen seine Danck-Pflicht mündlich abzulegen. Dem Lackeyen verehrte er / zum Trinck-Gelde / und darunter verstandenem Lohn der Verschwiegenheit / einen Reichsthaler.

Als derselbe hinweg / fingen / in seiner Betrachtung / Vernunfft und Liebe einen schweren Krieg miteinander an: wobey aber jene endlich den Kürtzern zoch / und den Platz verlohr. Denn die Perlene Hut-Schnur ward seinem Hertzen zu einer Schlingen / und er / mit Hindansetzung aller Gegen-Rede der Vernunfft / seiner Meynung nach / höchlich verbunden /sie nicht allein wiederum zu besuchen / und sich gegen ihr zu bedancken / sondern auch zu allen ersinnlichen Liebs-Diensten zu verpflichten.[164]

Jedoch nahm er das Bette / in seinem Vorsatz / aus / und beschloß dieser seiner neuen Buhlschafft so behutsam abzuwarten / daß er / mit keiner Eh-Verbindlichkeit / von ihr verstrickt würde. Denn davon hielt ihn unterschiedliches Bedencken ab: als / Erstlich /daß Martigenis / in einer Liljen-weissen Brust / kein Liljen-reines Hertz trüge: sintemal das Gerücht nicht das Beste von ihr redete. Denn es ging ein Gemürmel / als ob sie / noch bey Lebzeiten ihres verstorbenen /an einer langen Schwindsucht ausgedorrten / Eh-Herrn / mit einem und andren jungen Cavallieren /und zuletzt auch mit obbesagtem Obristen Leutenant /genauere Kundschafft gepflogen / weder einer verehlichten Damen wolanständig. Weßwegen Philemander besorgte / sie dörffte ihn auch dermaleins / an stat gegenwärtiger Hut-Schnur / von Perlen / und anhafftender Feder / mit einer Kron / so ihm nicht angenehm / beschencken / auch seiner Reputation nachtheilig seyn / daß er eine so verdächtige zur Ehe genommen. Zudem wünschte er noch zuvor / etliche fürnehme Höfe zu besuchen / und allda seines Glücks zu erwarten / bevor er / ausser Condition / zur Heiraht schritte. Mit einem Wort; er hoffte sie / mit blosser Mund-Collation / zu vergnügen / wie er / vor einigen Jahren /die Zeteandra damit abgespeiset hatte.

Unterdessen stund er nichts destoweniger / ohnangesehn ihm die Vernunfft einen Verweis über den andren gab / in vollem Feuer der Liebe: die ihn auch bald / deß andren Tags / zu der Martigenis / ins Losament trieb. Mit welcher er daselbst / unter mancher Liebeley / Schwester- und[165] Brüderschafft stifftete. Es ward aber damals ihre Löffeley bald unterbrochen: weil Martigenis / von einigem Frauenzimmer / eine Besuchung bekam / und / Ehren halben / dasselbe freundlich empfangen musste. Weßwegen Philemander bemüssigt worden / sich / unter dem Versprechen ehester Wiederkunfft / von ihr zu beurlauben.

Er ging / samt seinem Diener / heim / mit einem solchem Mut / der sich so veränderlich / als wie der Aprill-Monat / verstellete. Bald ergetzte ihn die Erinnerung einer so süssen Buhlschafft / und die so brünstige Huld einer so schönen Damen / wie gleichsam ein lieblicher Sonnen-Blick: bald betrübte ihn die Befahrung eines Eh-Netzes / von Einer / die er zwar /ihrer Schönheit und Höflichkeit halben / zur Liebes-aber nicht zur Lebens-Gefährtinn / wünschete: Welche Beysorge aber / wie ein untermengtes Wölcklein /allemal bald vorüber ging / und dem wiederhervorbrechenden Sonnen-Strahl seiner Brunst den Platz räumte.

Weil aber Martigenis jüngstens seiner nicht froh genug worden / noch an seiner beliebten Gegenwart sich recht ersättigen können; indem die Einkehr andrer Personen / wie erst gedacht worden / ihr das Gewirck ihrer damaligen Anschläge zerrissen / also / daß sie deß Philemanders / ihrem Verlangen nach / nicht geniessen / noch denselben ihr / wie sie gäntzlich beschlossen / zueignen können; doch gleichwol sich gnugsam versichert hielt / daß er Feuer gefangen hette / und durch sie entzündet wäre: ließ sie ihn gleich /nach dreyen Tagen / wieder zu sich erbitten.[166]

Dessen freuete und scheuete er sich zugleich. Sie zu sehen / und zu hertzen / war er begierig; ihre Begierden aber völlig zu erfüllen / ungeneigt und furchtsam: denn er merckte ihr letztes Ziel sehr wol; nemlich daß sie ihn nicht / wie etwan vormals Andre / zuletzt wieder aufgeben / sondern mit Heiraht fesseln wollte; und daß nicht weniger ihr Hertz von Liebe /als wie ihr schönes Angesicht von Purpur / glimmete; Sie zudem auch in der Zumutung küner und behertzter seyn würde / als vormals die Zeteandra / welche ihr Anligen / mit vielen Complimenten / umwickelt / und gleich so deutlich heraus zu sagen / sich erblödet hette. War also sein Mut ein Schilff-Rohr / das bald die Sorge / gegen den Aufgang; bald die Begier /gegen Nidergang / beugete. Dennoch gab er ihr / die er weder zu besitzen / noch zu verlieren / wünschte /die verlangte Besuchung unverzüglich.

Seine Vermutung fehlte nicht. Mitten unter seinen Liebes-Bezeugungen / erklährte sie sich / für überwunden / und daß sie / von ihm / nimmer geschieden /sondern in einer Bündniß / biß an den Tod / ihm vereinigt bleiben mögte. Worauf er zwar sich glückselig preisete / doch nur mit unklaren zweydeutigen Worten / antwortete.

Sie aber setzte den Discurs fort / lenckte denselben je länger / je näher / auf ihren Zweck; nemlich ihm ein ehrliches Versprechen abzugewinnen. Und weil solches / ihrer Einbildung nach / nicht gewisser / als bey einer Lieb-brünstigen Handlung / ihr von Statten gehn könnte: beschloß sie / seine Gefährtschafft / auf eine zwey-tägige Reise / zu erbitten: damit sie unterwegens / am sichersten[167] und nachdrucklichsten / Beyde hiev on handlen mögten.

Nachdem er ihr solches eingewilligt / und versprochen; ward der zehende Tag dazu bestimmt: an welchem sie / auf ihrer Reise-Kalesch / etliche Stunden voraus fahren / er aber / zu Pferde / nachfolgen sollte /biß sie / in einem verabredtem Dorff / einander anträffen. Und solche Abrede ward / mit einem brennendein Abscheid-Kuß / versiegelt.

Philemander / welcher / aus den flammenden Wincken / Worten / und Wangen der Martigenis /nunmehr greifflich spührte / daß sie doch nicht ruhen würde / als biß ihr brennendes Hertz / unter einer gefüllten Brust / und in der Ehe / sässe; führte daheim /mit sich selbsten / einen schweren Streit / über der Frage / ob er genommener Abrede nach- oder zuwidern / leben sollte. Sintemal er nichts Gewissers glaubte / als / daß die erste Nacht / welche ihn unterwegens / bey der Martigenis / anträffe / die letzte seiner Freyheit seyn würde: da er doch sie nur zu lieben /und nicht zu beleben / weniger noch zu ehelichen /wünschte.

Endlich wählte er doch den schlimmsten Theil; nemlich daß er sein gegebenes Wort halten wollte; es mögte im übrigen gehen / wie es könnte: er wolle ihr zwar nichts / wider ihre Ehr / zumuten; daferrn sie aber selbst ihn würde reitzen / und gleichsam dazu verbinden / daß er den fünfften Grad der Buhlschafft mit ihr beträte / so mögte es drum seyn / und sie es ihr haben / (wie dort der erbare Judas / von der Thamar /redete) er bliebe dennoch[168] (seines leichtfertigen Bedunckens) ein ehrlicher Kerl / der den Hut aufsetzen /und davon / in seine Heimath / ziehen könnte: Denn gewißlich mit einer solchen / die mit Andren vorhin schon gelöffelt / könnte er / wann sie gleich gar eine Generalinn / oder Fürstinn / wäre / nicht in ehelichem Bundeleben: buhlen aber wolle er wol mit ihr; darinn er ihr auch ja nicht der Erste seyn werde.

Eine seltsame Sache / daß solche Zucht-vergessene Gesellen sich schämen / eine Verbuhlte zu nehmen /und doch selbst dasjenige / wodurch sie / von Heirathung einer Solchen / abgeschreckt werden / mit ihr zu vollbringen / weder Schaam / noch Scheu tragen! da diß Letzte doch viel grössere Schande / als das Erste.

So ergab sich nun Philemander gäntzlich dem Schluß / daß er wollte amicus amicæ usque ad aram, ein Freund vor- wo nicht gar in dem Bette / und nicht vor dem Altar / seyn: Ließ derhalben auch / zum Ritt /ein Pferd bestellen / und / gegen den angesetzten Tag / alle Anstalt zur Reise machen / auch die Martigenis etliche Mal versichern / daß es bey der Abrede bliebe.

Er belustigte sich mittler Weile / in seinem bethörtem Mut / mit allerley eitlen Betrachtungen / was für einen schönen Spaß es / auf dieser Reise / setzen /was für delicate Zeitkürtzung ihn alsdann erquicken würde.

Nachdem er aber / etliche Nächte nacheinander / in solcher Thorheit / eingeschlaffen / und gleichfalls / in der dritten / sein / in so leichtfertiger Liebe nunmehr wallendes / Hertz / an lauter buhlerischen[169] Gedancken sich ergetzte; erschreckte ihn endlich nicht wenig dieser Traum / wie seine Frau Mutter vor ihm stünde /mit erblasstem Angesicht / und über sein Vorhaben tieff erseuffzend / die Hände zusammen schlüge.

Diesem Traum folgte gleich ein andrer: als ob er seinen Hut / samt der ihm geschenckten schönen Feder / und Perlenen Hut-Schnur / verlohren; hingegen einen kalen Lumpen-Hut dafür aufgesetzt hette. Doch beharrete er noch / auf seinem Reise-Schluß.

Aber / in der frühen Morgen-Stunde / bekam er den dritten Traum / über welchen er sich viel hefftiger entsetzte. Denn er sahe etliche böse Geister zu seiner Kammer hinein treten / die mit lachen die Köpffe zusammen stiessen / und einander gleichsam allerley Neues erzehlten; biß zuletzt Einer unter ihnen / mit Fingern / auf sein Bette zeigend / fragte: Wer hat diesen wieder erwischet? Worauf ein Andrer antwortete: Ich! Folgends plauderte und plerrte er viel Dinges daher / wovon man nichts verstehen kunnte /ohn allein dieses / daß er ihm / durch einen Lockvogel / gepfiffen / und durch denselben ihn wieder ins Garn gebracht hette. Worauf sie alle sämtlich / mit ihren hönisch-gespitzten und abentheurlich gekrümmten Schnautzen / ein grosses Satyrisches Gelächter machten.

Er wachte hierüber auf / mit harter Entsetzung: und indem er diesem häßlichen Traum nachdachte / ließ sich / in der Kammer / darinn es auch sonst nicht rein noch richtig war / ein schrecklichs[170] Gepolter hören. Welches aber / als er anhub zu beten / gleich aufhörte.

Hernach erinnerte er sich auch deß vormaligen Traums / von dem empfangenem Schuß / wie auch der beyden vorigen / so er / in dieser Nacht gehabt: und veränderte seinen Schluß / in diesen festen Vorsatz /nicht allein die Reise / sondern auch die Buhlschafft /ja so gar alle Kundschafft / mit der Martigenis / einzustellen / und dem Raht Socratis zu folgen / welcher dahin geht / daß man den Gifft / der aus einem paar schöner Augen gesogen worden / besser nicht kuriren könne / als durch Veränderung der Lufft / nemlich durch eine ziemlich-weite Reise.

Diesem nach entschüldigte er sich / gleich deß andren Tages / bey der Martigenis / durch ein höfliches Brieflein / daß er ihr / auf der Reise / das Geleit / für diß Mal / nicht geben könnte; weil er / um hoher Angelegenheit willen / durch ein Schreiben / in seine Heimath gefordert wäre: Wann er wiederkäme / wollte er ihr schon wissen aufzuwarten; unterdessen aber sie freundlichst ersucht haben / die schöne Feder samt der Perlenen Hut-Schnur / so er hiebey in einer grossen versiegelten Schachtel / zu getreuer Verwahrung / ihr anvertraute / fleissig inzwischen aufzuheben.

Uber zween Tage hernach / zahlte er seinen / auf gewisse Zeit angenommenen / Diener / aus / samt dem Hauswirth / und reisete davon / nach einer weitentlegenen fürnehmen Hof-Stat. Wie es der Martigenis hernach weiter ergangen / davon gab mir sein gewester vertrauter Freund / von[171] dem ich diß Alles / für die Gewißheit / wie oben gedacht / verstanden / keinen weiteren Bericht.

Wir mercken unterdessen / aus dieser Geschicht /was für saubre Geister den Löfflern / Buhlern / und Gallanen / auff den Dienst warten; und daß die Buhler keine andre Patronen haben / als den Satan und seine Engel; imgleichen / daß junge Leute hoch-benöthigt werden / GOTT / um seinen guten / auff ebener Bahn führenden / Geist / zu bitten: damit Sie / für unzüchtigem Hertzen / bewahrt werden / und an keinem schnöden Blick einen Strick gewinnen / noch aus ihrer eigenen Gestalt und Zier / es sey in Wangen /oder Worten und Geberden / Andren Stricke und Netze bereiten mögen; sondern GOTT vor Augen /und die Betrachtung im Hertzen haben / daß der Buhlerey Ausgang / wie Salomon bezeugt / in deß Todes Kammer hinunter gehe / und der Buhlerinn Füsse zum Tode lauffen.

Fußnoten

1 Ambros. lib. 1. c. 14. de Pœnitent. Tom. 1.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 145-172.
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