XXVIII.


Der schmätzende Todte.

[252] Daß / um die Gräber / und Bein-Häuser / manches Mal / ein ungewöhnliches Gepolter / Gekrach / oder andres Getöß / oder seltsamer Schall / vernommen werde / ist nichts Neues / noch Unerhörtes. Man lieset /1 daß die Teufel den Leichnam deß Ertz-Ketzers Valentini, von dem geheiligtem Ort der Grab-Stäte / bey Nachte / mit grossem Geräusch / heraus gerissen: imgleichen / daß Papst Sylvesters / deß Zweyten / Gebeine / im Sarck / gerauschet.2 Und daß solches nicht eben allemal / in den Gräbern der Unselig- sondern auch wol bißweilen der Selig-Verblichenen / geschehe / vermeynen Etliche / zu beweisen / mit den Gräbern der heiligen Märtyrer / und andrer berühmter Heiligen. Wozu auch der Licentiat Garmannus, in seinem gelehrtem Tractätlein de Miraculis mortuorum, mit einstimmet; indem er das Gezeugniß S. Hieronymi anziehet / welcher schreibt / daß die Teufel / bey den Begräbnissen Elisœ / Johannis deß Täuffers / und deß Abdiæ / (oder Obadiæ) zu brüllen pflegen.3

Nun begehre ich zwar nicht zu widersprechen / daß auch wol / bey den Ruhbetten heiliger Leute / jemaln /zu Nachtzeiten / einiges Geräusch /[253] mancher Orten /vernommen werde: aber / der angezogene Ort Hieronymi dienet daher / zum Beweis / gar nicht: sintemal derselbe / auf die bösen Geister / zielet / welche / aus den Besessenen / brülleten und schrien / wenn man dieselbe / zu dem Ruhstäten der heiligen Märtyrer /führte: wobey man / in der ersten Kirchen / sich / zum Gebet / und andrem Gottesdienste / zu versammlen pflag. Welcher Meynung auch der Author deß Buchs De duplici Martyrio, so Roterodamus dem heiligen Cypriano (wiewol besorglich unfüglich) zurechnet /schreibt: Verùm ubi jam ad monumenta Martyrum pelluntur morbi, rugiunt dæmones, terrentur Monarchæ, coruscant miracula, concidunt idola, tum apparet, quàm sit efficax ac potens Martyrum sanguis.4 Also giebt demnach dieses Gebrüll der Teufel kein Gezeugniß / noch Beweis / daß die bösen Geister bißweilen / auch bey den Gräbern der Heiligen / ein Getöß machen.

Insonderheit sollen diese verdammte Mord-Geister / bey- oder kurtz- vor obhandener / Pest / mehrmalen unterschiedliche Vorzeichen / in- oder bey den Grab-Stäten / geben; laut gemeiner Aussage. Warum sie solches thun / steht leicht zu begreiffen. Sie sind überaus ehrsüchtige Geister / die / in allen Sachen / einen Schein Göttlicher Vollkommenheit / zumal der Allwissenheit / suchen / und solchen / durch dergleichen Vordeutungen obhandener Niderlagen / oder grosser Sterb-Seuchen / bey gemeinen Leuten / zu finden /[254] oder aufs wenigste sich damit groß und hochverwunderlich zu machen / hoffen: Immassen dem Satan kaum etwas so schmertzlich thut / als die Verachtung bey den Menschen.

Nicht unfüglich fügen Andre auch diese Beweg-Ursach hinzu. Die bösen Geister mercken / daß GOtt erzörnt / und die Zeit seiner Straffe kommen sey: Weil ihnen nun solches eine hertzliche Lust / Freude / und sonderbare Ergetzung ist: als geben sie solche ihre Frolockung / durch allerley schreckhaffte Vorzeichen /zu vernehmen.

Ich halte aber / es geschehe nicht / aus jetztbemeldten Ursachen / so man sonst insgemein vorbringet /allein; sondern noch aus drey- oder viererley andren. Denn es will / drittens / der leidige Böswigt / der Menschen auch damit spotten / sintemal er der allerherbste Spott-Vogel ist. Und / (fürs vierdte) will er ihnen gern damit Furcht und Schrecken einjagen; zumal denen / die es selbst hören: auf daß sie kleinmütig werden / oder wol gar darüber erkrancken / und / so es GOtt verhengt / durch gählingen Schrecken /desto leichter die Pest an den Hals bekommen mögen.

Fünfftens / trachtet er / den Leuten dadurch abergläubische Gedancken und Einbildungen einzudrucken / als ob entweder nothwendig nun dieser oder Jener sterben müssen; oder / ob werde ein solches Geräusch / Getös / und Gepolter / von den Seelen der Abgestorbenen / erregt.

Heutigs Tags aber / da man / GOtt Lob! wol weiß /daß der Teufel keine Göttliche Allwissenheit habe /und dennoch nicht leugnet / daß er sehr viel Dinges /durch gewisse Merckzeichen / zuvor[255] wisse / ist (sechstens) meines Vermutens / sein fürnehmstes Absehen und Hoffen dieses: daß er die Hertzen / welche nicht fest an GOtt hangen / hiedurch neige / und lüstern mache / zur Wahrsagerey: damit sie zu den Hexen und Warsagern gehen mögen / wenn ihnen etwas gestohlen / oder eine unheilsame Kranckheit zugestanden / oder sonst eine Lust ankommt / den Ausgang dieses oder jenen Handels vorher zu erfahren; was für einen Bräutigam sie zu gewarten haben; wie lang ihr alter Mann / oder altes Weib noch Brod fressen / und ihrem Verlangen nach einer neuen Speise im Wege stehen werde? oder was ihnen sonst für Glück / und Unglück / in ihrem Leben / bevor stehe? Wie denn der gottlosen Leute keine geringe Anzahl ist / die / aus solchen Ursachen / entweder die Hexen / oder Hexen-Meister / oder die selten-bessere Zigeiner (welchem Geschmeiß billig keine christliche Obrigkeit / einen einigen Tritt / auf dero Grund und Bodem / gestatten sollte) zu Raht ziehen / und / auf dergleichen fürwitzige Fragen / gewissen Bericht von ihnen verhoffen. Denn mit solchem Angel gelüstender Vorwissenschafft / fähet der Teufel viel tausend Seelen / und reisst die / so GOtt nicht recht vertrauen / viel tieffer damit in GOttes Ungnade und Zorn.

Auf solches Ziel / nemlich auf vorgedachtes unterschiedliches Absehn / streichet es Alles zu / was man / in den Gräbern / und auf den Kirchhöfen / oder auch vor den Wohn-Häusern derer / daraus mit nechstem eine Leiche getragen werden soll / Düsterliches und Schauerisches / sihet oder höret. Da stimmet er gleichsam (das ist / bewegt) bald den[256] Nachtvogel /zum schreyen; bald den Hund / zum abscheulichem und ungewöhnlichem heulen. Bald läutet er eine Glocken / in den Häusern: Bald rumort / oder klopfft er / in den Leich-Truhen / oder Gräbern.

Massen man / unter andren / im Jahr 1665 / zu Lützen / in eines Schusters Grabe / ein starckes Klopffen gehört.5 So bezeuget der Licentiat / Christianus Fridericus Garmannus, in seiner curiösen Schrifft / von den wunderbaren Sachen der Todten / daß er / nebenst Andren / einsmals / zu Merseburg / selber auch dergleichen gehört / indem man daselbst einen Mann / so der Römisch-Catholischen Religion war / zur Erden bestetigt hat.6

Vor Allen / ist dieses insonderheit abentheuerlich /und einer Betrachtung wol würdig / daß / wann gifftige Sterb-Seuchen grassiren / bißweilen die Todten /bevorab die / so weibliches Geschlechtes sind / ihre Grab-Tücher Todten-Hemder / und andres Leich-Ge räth belecken / ja / mit einem lauten Schall / nicht anders dran saugen / als ob man eine Sau schmätzen hörte; und so weit sie / mit dem Maul / um sich her /reichen können / Alles aufffressen.7

Von solchen / in und ausser dem Grabe unruhigen Todten (oder vielmehr Teufeln) werden unterschiedliche Exempel gefunden. Denen sonderlich diese zwey denckwürdige / in der Böhmischen[257] Chronic deß Hagecs / zu lesen. Im Jahr 1357 hat man / im Dorff Blow, eine Meile von der Stadt Cadan / in Böhmen /einen Vieh-Hirten begraben: Welcher aber / nach seinem Tode / alle Nächte / aufgestanden / durch die Dörffer gegangen / und die Leute erschreckt / auch mit ihnen nicht anders geredet / als ob er noch am Leben wäre. Wobey es aber nicht geblieben: sintemal er auch etliche derselben erwürget hat: und wer / von ihm / bey Namen / genennet worden / der ist / acht Tage hernach / gestorben. Solches Ubel zu dämpffen; haben die Nachbarn ihm einen Pfahl durch den Leib schlagen lassen: dessen er aber nur gelacht (oder vielmehr sein Gespenst; denn ihm selbsten wird / in der Hellen / nicht viel Lachens zu Mute mehr gewesen seyn) und gesprochen: Ihr meynt / ihr habt mir einen gewaltigen Possen gerissen / indem ihr mir einen Stecken gegeben / womit ich mich desto besser der Hunde erwehren kann.

Folgends haben ihn zween Hencker verbrannt: da er dann die Füsse an sich gezogen / und bald / wie ein Ochs / gebrüllt / bald / wie ein Esel / geschrien. Als der Hencker ihm auch einen Stich in die Seiten gab /floß viel Bluts heraus. Hiemit nahm das Ubel ein Ende.

In dem Böhmischen Städtlein Levin / starb / Anno 1345 / eines Töpffers (oder Hafners) Weib / so man für eine grosse Hexe hielt / plötzlichen Todes / ehe dann man ihr gerichtlich lohnen könnte: und glaubte man / der Satan hette sie gewürgt: weßwegen sie / auf einem Scheidwege / begraben worden. Worauf sie hernach vielen[258] Leuten / in mancherley / und unter andren in Viehes Gestalt / erschienen / auch etliche derselben ums Leben gebracht. Hierauf hat man sie ausgegraben / und erblickt / daß sie ihren Schleyer /unter der Zeit / halb gefressen: welchen man ihr blutig / aus dem Halse / gezogen. Man schlug ihr einen eychenen Pfahl durch die Brust: darauf kam das Blut häuffig heraus geflossen. Nachdem sie aber wieder verscharret worden; riß sie den Pfahl heraus / und ermordete mehr Leute als zuvor. Weßwegen man endlich den teuflischen Schelmen-Balg / mit samt dem Pfahl / verbrannte / und die Asche / samt dem Erdreich / ins Grab streuete. An der Stäte / wo der Körper verbrannt war / hat man / etliche Tage über / einen Würbel-Wind; aber sonst hernach weiter / von ihr /Nichts gesehn / noch einige Ungelegenheit mehr erlitten.8

Es gedenckt auch Zeilerus, in seinen Trauer-Geschichten: Er habe / zu Eywanschitz in Mähren / im Jahr 1617 und 18 / zu unterschiedlichen Malen / von glaubwürdigen Bürgern deß Orts / erzehlen hören /daß daselbst / vor etlichen Jahren / (nemlich von selbiger Zeit zuruckzurechnen) ein / dem Ansehn nach ehrlicher / Bürger / auf dem Kirchhofe selbiger Stadt beerdigt worden; aber stets / bey der Nacht / aufgestanden sey / und Leute umgebracht habe. Dieser ließ allezeit seinen Sterb-Kittel / bey dem Grabe / ligen: und wann er sich wiederum niderlegte; zoch er denselben wieder an. Es wurden aber einsmals die Wächter /auf dem Kirch-Thurn / gewahr / als er vom Grabe wegging; eilten derhalben hinab / und trugen[259] ihm den Sterb-Kittel hinweg. Da er nun / wieder zum Grabe kommend / seinen Kittel nicht antraff; rieff er ihnen zu / sie sollten ihm den Kittel wiedergeben / oder er wollte ihnen Allen die Hälse brechen. Welches sie auch / in grossem Schrecken / gethan.

Aber nachmals musste der Hencker ihn ausgraben /und zu Stücken zerhauen. Worauf man weiter nichts gespührt. Der Scharffrichter zoch ihm einen langen grossen Schleyer / aus dem Maul / hervor / welchen er seinem Weibe vom Kopff hinweg gefressen hatte. Diesen zeigte der Nachrichter dem umherstehenden Volck / und rieff: Schauet! wie der Schelm so geit zig gewesen! Nachdem er aus dem Grabe genommen war / sagte er; Sie hetten es jetzo wol recht getroffen; sonst / weil sein Weib auch gestorben / und zu ihm gelegt wäre / wollten sie Beyde die halbe Stadt umgebracht haben.9

Kormannus schreibt / es bezeuge die Erfahrung /daß etliche Todten / in den Begräbnissen / ihre Kleider aufgefressen; und sage man / daß hierauf bald ihre nechste Verwandten sterben. Conradus Schlüsselburg erzehlet dessen10 unterschiedliche Begebenheiten. Und Hondorff gedenckt / es habe / an Lutherum M. Georgius Rörer geschrieben / daß / in einem Dorff /ein begrabenes Weib / im Grabe / sich selbsten angefangen zu fressen: thut auch hinzu / was Lutherus darauf[260] geantwortet.11 Massen auch / in den Tisch-Reden Lutheri / dieser Abentheuer gedacht wird.12

Rollenhagen bringt gleichfalls ein Exempel vor /nebst Bericht / daß man deßwegen dem Verschiedenen / bevor ihm der Mund geschlossen worden / einen Stein / und Pfenning / ins Maul zu stecken pflegen: damit / wann es / im Grabe / anfinge / zu beissen / er einen Stein / und Pfenning vor sich finden / und deß Fressens sich enthalten mögte. Solches soll auch / wie er hinzu thut / vieler Orten (zu seiner Zeit) in Sachsen / geschehen seyn.13

Um Freyburg herum / hat sich / laut der Freyburgischen Chronic / im Jahr 1552 / auf unterschiedenen Dörffern / dergleichen zugetragen; als / zu Hermsdorff / Dittersbach / und Clausnitz;14 und / Anno 1553 / in der Schlesien / bey regierender Pestilentz; imgleichen / zu Sangershausen / im Jahr 1565; wie / in dem Anhange der Leich-Predigten M. Heinrich Rots / gefunden wird.15 Zu Mersburg soll nicht weniger ein Gleiches seyn verspührt worden: massen D. Adamus Röter16 in seinen Pest-Predigten beglaubt.

Wann nun solches Ungeheuer / nemlich der Schmätzende Todte / vermercket wird; nimt es[261] der gemeine Hauffe / als eine Vorbedeutung / auf / der Sterb werde nicht allein lange anhalten; sondern auch die Leute härter quälen / als sonst: und prophezeyen /der Todte werde die nechsten Anverwandten nachholen.

Damit nun nichts Ubels / wie sie zwar besorgen /weiter daraus entstehe: bemühen sie sich demselben /auf folgende Weise / vorzukommen / und dasselbe /aus dem vermeynten Grunde / zu heben. Sie öffnen das Grab / reissen dem Todten die / von ihm gefressene / Tücher / und Kittel / mit Gewalt / aus dem Maul /stossen hernach dem Schlucker / mit dem Grabscheit /den Kopff ab: der Einbildung / es werde / nachdem solchem Saugen / Schmätzen / Fressen / und Benagen so wol deß Fleisches / als deß Kittels / gesteurt worden / auch der Sterb-Seuche damit gesteurt / und ein Ziel gesteckt seyn.

Was aber solches Schmätzens / Saugens / und Fressens im Grabe eigendliche Ursach wol seyn mögte / und ob solche Verfahrung / mit dem Leichnam / wie allererst erzehlt worden / zu billigen / oder nicht; das gilt Betrachtens.

In der blossen Natur / wird man schwerlich allhie einen Grund finden. Denn daß vielleicht das Thier Hiæna (oder Vielfraß) welches sonst gern die Gräber visitirt / und die todten Körper frisst / solches Getöß /und Schmätzen / im Grabe anrichten sollte; wird keine Vernunfft gläuben. Wahr ist es / daß selbiger Vielfraß die Begräbnissen aufgrabe / die todte Leichnam hervor ziehe / und nach seiner Hölen trage: bey welcher man gemeinlich einen grossen Hauffen von Menschen-[262] Beinen / und Aas-Knochen / findet. Weßwegen die Türcken / wie Busbequius schreibt /17 ihre Begräbnissen / mit schweren Steinen / bedecken: damit ihre Verstorbene / für diesen Thieren / wie auch für Hunden / und Wölffen / desto sicherer ligen mögen. Aber der Vielfraß frisst die Körper / oder Todten-Gerippe / und nicht die Kleider oder Grab-Tücher der Todten. So wird auch nur ein gewisser Theil deß Leibs bißweilen befressen; da hingegen der Vielfraß den gantzen Körper verzehrt. Das Grab bleibt /bey dieser Begebenheit / zugescharrt / und unaufgegraben: der Vielfraß aber muß es erst aufgraben / so er den Todten erreichen will. Und / welches das allermeiste / so geschicht diß seltsame Todten-Schmätzen / in solchen Ländern / darinn gar kein Vielfraß ist.

Eben so schlechten Schein hat es / daß es / Fragens oder Besinnens werth wäre / ob etwan die Nachtvögel Striges, so man sonst Uhu nennet / (wiewol jemaln auch die Hexen dadurch verstanden werden) hieran schuldig seyn sollten. Denn gemeldte Nachtvögel seynd / auch schon bey den Alten / sonst im Geschrey / daß sie so wol den Säuglingen / als den Säug-Ammen selbsten / bey Nacht / die Brüste saugen / imgleichen auch / mit ihren Schnäbeln / die Ziegen melcken / und grossen Appetit zu Menschen-Blut haben. Massen / neben Andren / der alte Poet / Ovidius, dessen / in diesen seinen Versen / Meldung thut:
[263]

Sunt avidæ volucres, non quæ Phinëia mensis

Guttura fraudabant; sed genus inde trahunt.

Grande caput, stantes oculi, nostra apta rapinæ,

Canities pennis, unguibus hamus inest.

Nocte volant, puerosque petunt nutricis egentes,

Et vitiant cunis corpora rapta suis.

Carpere dicuntur lactentia viscera matris,

Et plenum poto sanguine guttur habent.

Est illis Strigibus nomen: sed nominis hujus

Causa, quod horrendâ stridere nocte solent18


Er will sagen: Es seyen fraß-gierige Vögel; und nicht zwar die Harpyen; sondern ein Geschlecht / so davon herkommt. Der Kopff ist groß: die Augen stehen ihnen weit und starren gleichsam. Der Schnabel ist ihnen / zum Raube / gewachsen. Sie haben graue Federn / und krumme Klauen / mit langen Nägeln. Fliegen / zu Nachts / herum / greiffen die Säuglinge an /raffen sie mit sich fort aus der Wiegen / und verderben sie / indem sie ihnen das Blut auszapffen etc.

Daß es nun dergleichen Vögel / so viel die Gestalt betrifft / gebe; steht nicht zu zweiffeln. Denn es seynd keine andre / als die Nacht-Eulen: aber / daß sie den Ziegen die Milch / und den Unmündlingen das Blut /aussaugen sollten / ist falsch. Welches auch Plinius /bekennet / wenn er schreibt: Er halte für ein Mährlein / daß Striges, oder[264] Nachtvogel / den Kindern die Brüste sollten aussaugen; so wisse man auch nicht / was es für ein Vogel sey.19

Es mögte leicht / wie Garmannus vermeynt / Jemand einwenden / daß gleichwol bisweilen den Kindern würcklich das Blut also ausgesogen werde. Massen / der berühmte Bartholinus solches / mit diesem Exempel vergewissert. Drey kleine Kinder eines Pristers zu Lykisholm in Fünen welche / in ihrem gewöhnlichen Gemach / beysammen schlieffen; weineten / und schrien ungewöhnlich / und erzeigten sich überaus unruhig: Weil sie fühlten / daß sie / von Jemanden / wurden gleichsam gemelckt / oder ausgesogen. Und als die Eltern solchen kleinen Knaben ihre Brust-Wärtzen (oder Zitzen) besahen / welche / wie einer säugenden Frauen / weit heraus gezogen waren /fand sichs daß der Kinder Argwohn nicht vergeblich wäre. Darum bestrich man ihnen die Brüste / mit bittren Säfften. Hierauf ward ihnen der Nabel so hart ausgesogen / oder hervorgezogen / daß er nicht allein augenscheinlich heraus stund / sondern auch das eingedruckte Merckmal zeigte / dabey man die Grösse deß Mauls / so daran gesogen hatte / gar kenntlich abnehmen kunnte.20

Die Gewißheit dieser Geschicht lässt man gar gern zu: allein daß solches eine Arbeit bemeldter Nacht-Vögel sey / muß erst erwiesen werden. Wie sollten dieselbe / zu einem versperrtem Zimmer hinein kommen? Man würde ihrer ja ansichtig[265] werden. Darum ist es Hexenwerck gewest / um durch deß hellischen Nacht-Vogels Mitwürckung geschehn.

Man spühret jemaln / daß den Kindern / durch Hülffe des Satans / von den Unholdinnen / die Adern geöffnet seyen / mit der Nadel / oder mit den Nagel /oder auff andre Weise: angesehn / solches / an denen hinterbliebenen kleinen Narben / und Bluts-Tropffen /welche bey den schreyenden Kindern gefunden worden / nach dem die sichtbarlich ihnen erschienene Katzen wieder davon geloffen / und verschwunden /leicht zu erkennen.21 Also kann gleichfalls auch dieses Aussagen der Kinder / durch die Hexen / geschehn. Wiewol bißweilen auch eine natürliche Ursach dabey Platz findet. Denn Garmannus schreibt /es habe Schwenckfeld solches vorlängst allbereit gemerckt / daß / an den Brust-Wärtzlein der Kleinen /jemaln sich ein weisses Eyter / eräugne / so einer Milch ähnlich sihet / und von den gantz kleinen Blätterlein der Wartzen (oder Zitzen) ausgedruckt wird. Er bestetigt solches auch / mit seinem eignem Anblick: sintemal er Selber in acht genommen / daß auff den Wärtzlein neugeborner Kinder etliche weislechte Tröpfflein gelegen: welche / von den Ammen / nur denen Mägdlein / aber / weiß nicht aus was für Aberglauben / keines Wegs den Knaben / ausgedruckt werden. Wann nun solcher unausgedruckten Feuchtigkeit allzuviel wird; entstehet davon eine Entzündung und solcher Geschwulst / daß man offt nicht anders meynen sollte / als es hette Jemand an der Brust[266] gesogen / und sie gar starck angezogen. Worauff alsdenn den Kindern der Schlaff benommen wird / u. sie jämmerlich weinen. Daher bißweilen der Wund-Artzt dazu kommen / und ein solches Knäblein / von wegen der aberglaubischen Thorheit seiner Ammen / viel leiden muß. Was den Nabel betrifft; kann derselbe /durch Blähungen / und vieles Weinen / hervor getrieben werden. Aber doch thut nicht selten auch der Teufel / durch seine Schuppen / die Truden / den armen Kindern solche Quaal an.

Es ist sonst auch ein fast gemeiner Wahn / unter gemeinen Leuten / daß ein Nacht-Gespenst (welches man / in Sachsen / die Jüdgen nennt /) den Leuten bißweilen das Haar sauge / und mit seinem Speichel ihnen dasselbe / als wie mit einem Leim / zusammen kleistere. Daraus alsdenn / ihrer Meynung nach / die Mahrlocken / oder Mahrenflechten / oder (wie sie andrer Orten benamst werden) die Schrötlings-Zöpffe / entstehen.22 Wovon der Author einen merckwürdigen Verlauff / so in seiner Nachbarschafft / vor wenig Jahren / vorgegangen / erzehlt. Daselbst kam eine Magd in Verdacht / als ob sie schwangres Leibs wäre: Und nachdem ungefähr ein erträncktes Kind angetroffen worden / ging das Gerücht / sie hette ihre Leibs-Bürde heimlich abgelegt / und erstickt /oder ertränckt. Als solches dem Richter zuschallet /wird sie gefänglich eingezogen / und wegen beharrlicher Ableugnung / von den Ammen besichtigt. Welche nach Uberlegung der Sachen / einhällig dahin stimmen / sie habe heimlich geboren; zumal weil ihre Brüste Milch gaben. Jedermann[267] hielt sie nun für gnugsam überwiesen / und für eine Kinds-Verthunerinn: allein sie fand / bey einer so verzweifelten Sache / doch eine Ausflucht; vorwendend / sie hette die Jüdgen / welche / durch nächtliches Brüste-sau gen / die Milch zu wege brächten; zeigte auch zugleich einen Mahr-Locken / an ihrem Kopffe. Man brachte sie dennoch an die Folter: aber / weil sie / auff ihrem Vorwand / steiff und fest bestund / ward sie endlich loßgesprochen.

Wie bey solchen Mahrlocken / und Verstopffung der weiblichen Monat-Rosen / gar wol sich / in den Brüsten / eine Milch-ähnliche Feuchtigkeit sammlen möge / ist den Medicis / vor Alters / schon bekannt gewest; aber damit / im wenigsten / dem Wahn / als ob das saugen und schmätzen der Todten / entweder mit den Mahrflechten / oder mit dem saugen oberwehnter Nacht-Vögel / einige Gemeinschafft hette /nicht geholffen.

Ich halte dafür / die Einbildung von den Strigibus, oder Milch-aussaugenden Nacht-Vögeln / sey den Alten daraus entstanden / daß die Hexen bißweilen den Kindern also zugesetzt / und zwar villeicht in Gestalt gewisser Raub-Vögel: oder weil / vorerzehlter natürlicher Weise / auff den Wärtzlein der Kinder sich ein solches überflüssiges Milch-weisses Naß gefunden. Und kann seyn / daß / indem die Kinder hievon Schmertzen erlitten / etwan bißweilen eine Uhu /oder Nacht-Eule / zu Nachts hinbey geflogen: angemerckt / diese Nachtvögel gern / um deß Unschlitts willen / dem Licht / und andren Sachen / so ihnen zur Speise dienlich / nachtrachten. Daraus sie vermutlich[268] geschlossen / es müsste keine Nacht-Eule / (weil sie von dieser solches nicht vermuten) sondern ein sonderbares Geschlecht andrer Nachtvögel seyn.

Gesetzt aber / es wäre diß alte Mährlein eine Warheit; so würden solche Nachtvögel doch nur leise saugen / und mit keinem schmätzen / wie das saugen deß Todten / in den Gräbern / geschicht. Sie würden auch nur die Zitzen / und keine Todten-Kleider / noch das nechste Fleisch um den Hals herum / absaugen / noch etwas abnagen / herab beissen / oder das Fleisch deß Leichnams abfressen: Sie würden die Lebendigen /und nicht die Todten; die so / über der Erden / und nicht diejenige / so unter der Erden seynd / verletzen.

Was die Herren Ebræer / von der Schlangen Azazel / fabuliren / daß dieselbe den Menschen-Körper / in der Erden / nage / und verzehre; imgleichen von einer gewissen Maus / welche den Leib / so bald derselbe nur der Erden einverleibt worden / alsofort anhebe /so grausamlich zu beissen / daß er drüber laut schreyen müsse; lassen wir ihnen / für einen bekandten Jüden-Schnitt / unaufgehalten passiren / und die Feder / mit mehrer Erörterung solches Geschwätzes / unbemüht. Keines bessern Werths ist fast das Mährlein deß gemeinen Pöfels: welches den Todtengräbern hierinn die Schuld zueignet / mit dem Vorgeben /wann dieselbe den Todten auffs Angesicht / das ist /mit dem Antlitz unter sich legen / oder ihm Haare in den Mund thun / und keinen Erdkloß unters Kinn legen / so werde ein solches Spiel draus.[269]

Pausanias / wiewol ein Heide / zielet doch viel besser und etwas näher; wenn er schreibt man habe / von den Priestern zu Delphis / die Nachricht empfangen /ein sonderbarer Teufel / der lange und ausstehende Zähne / einen schwärtzlich blassen und Todtfarbnen /abscheulichen Körper habe / und mit einem Fuchs-Balge umkleidet sey / fresse und verzehre den Todten dermassen das Fleisch von Leibe / daß ihnen kaum /die blosse Gebeine übrig bleiben. Hie hat der Satan /von sich selbsten / einige Warheit / doch mit Lügen vermengte / gesagt.

Beym Saxone Grammatico / lieset man eine abentheuerliche Erzehlung / dieses Inhalts. Assuit / und Asmund / zween vertrauteste aber heidnische Freunde / verschwuren sich gegen einander / welcher von ihnen Beyden den Andern überlebte / der sollte sich mit dem Andren / lebendig begraben lassen. Nachdem hernach Assuit / an einer Kranckheit / gestorben; hat den Asmund seine Freundschafft / und eydliche Verbindung / (die er aber nicht schuldig gewest wäre / zu halten / als einen Selbst-Mord) bewogen / sich / in eine grosse Höle / oder weite Grube / darein man den Leichnam seines verblichnen Freunds / mit einem Hunde und Pferde / gebracht hatte / versperren zu lassen. Wiewol er ziemlichviel Speise zuvor mit sich hinein genommen; auff daß er / eine lange Zeit /davon zu leben hette. Endlich marschirt daselbst einsmals König Erich / mit dem Kriegsheer / vorbey / und / weil er vermutet / es lige allda ein Schatz vergraben / lässt er die Grab-Höle deß Assuits öffnen / den Asmund heraus / und wieder ans Tages-Licht führen. Welcher / im[270] Angesicht gar wühst und häßlich / sahe / mit Eyter und Blut überflossen. Denn Assuit war /bey Nachtzeiten / wieder lebendig worden / hatte / mit dem Asmund / gerungen / und ihm das lincke Ohr herab gerissen. Gestaltsam dieser / als der König ihn gefragt / woher er die Wunde bekommen? dieses /was / in folgenden lateinischen Zeilen enthalten / in alt-Gothischer Sprache / zur Antwort gegeben:


Quid stupetis, qui relictum me colore cernitis?

Obsolescit nempe vivus omnis inter mortuos.

Nescio, quo Stygii numinis ausu

Missus ab inferis spiritus Assuiti

Sævis alipedem dentibus edit,

Infandoque canem præbuit ori.

Nec contentus equi vel canis esu,

Mox in me rapidos transtulit ungues,

Discissaque genâ sustulit aurem.

Hinc laceri vultus horret imago,

Emicat inque fero vulnere sanguis.

Haud impunè tamen monstrifer egit:

Nam ferro secui mox caput ejus,

Perfodique nocens stipite corpus.


Welches ich / dem Teutschen Leser zu Gefallen / in teutsche Reimen hiemit versetze:


Was steht ihr so entsetzt / daß ich so mißgefärbet /

Vor euren Augen / bin: Wer seinen Auffenthalt

[271] Lebendig hat bey dem / den die Verwesung kerbet;

Der wird so greulich wühst / so blaß und ungestalt.

Assuitens Geist ist aus dem Schatten-Schlund' erlassen;

Was für ein Höllen-Götz' es auch verschaffet hat:

Er kam herauff! Sein Maul / und grimme Zähne frassen

Das Roß / und auch den Hund. Wo doch damit nicht satt:

Er warff / gleich einem Wolf' / auch mir die scharffe Klauen

Ins Angesicht. Er riß die Backen mir entzwey /

Und nahm mir auch das Ohr: davon ist hier zu schauen

Mein Antlitz so zerritzt / und eurer Augen Scheu /

So wundt / so voller Blut! Doch ging diß ungenossen

Dem Ungeheur nicht hin: Ich griff darauff zum Schwert /

Und spaltet' ihm den Kopff: den Leib hab' ich durchstossen /

Mit einen Pfahl; den Leib / der meinen hat versehrt.


Diese Abentheuer / so Kornmannus / aus dem Saxone Grammatico erzehlt / ich auch selbst / vor diesem / bey selbigem Historico / gelesen / scheinet zwar etlichen Umständen nach / einer Fabel[272] gleich; und doch gleichwol vielleicht / in etlichen Stücken / etwas daran zu seyn; nemlich so viel / daß man deß Asmunds / oder eines andren Verstorbnen todten Körper / bald nach dessen Beysetzung und noch vor der Verwesung / wieder gefunden / von einem unterirdischem Grab-Gespenste / auf obbeschriebene Art / übel zugerichtet. Wozu man hernach etwas Mehrers getichtet. Es dörffte aber auch wol würcklich geschehen seyn /daß Asmund / zu dem Assuit / sich lebendig versperrt habe: Denn die alte Nord-Völcker haben / theils aus Ruhmsucht / theils aus vermeynter Treu / und Pflicht /viel seltsames Dinges unternommen; und daß man einige Zeit hernach / da er unterdessen von den bey sich habenden Speisen gelebt / auch vielleicht durch verborgene Ritzen etwas Luffts genossen / ihn / aus Vermutung eines Schatzes / wieder hervor gebracht; oder daß er / gar bald wieder heraus genommen / inzwischen aber / unter der Erden / vom Gespenste / auf vernommene Weise / tractirt sey (denn der Geist deß Unglaubens ist mächtig / über die Kinder deß Unglaubens) oder auch / daß / nachdem er vorlängst erstickt war / der Teufel / in seiner Gestalt / nemlich mit dem todten Leichnam deß Asmunds umgeben / dem König Erich / also erschienen wäre.

Wiewol nun dieses lauter Ungewißheit ist / und keinen rechten Grund hat / folgends auch keines rechten Schlusses fähig: spühret man doch so viel daraus /daß schon damals / der schmätzende Tod wo nicht dem Namen / doch der Würckung nach / unter den Heiden / bekandt und ruchbar gewesen: anderst würden sie / im fall dieses Vorgeben / von[273] dem Assuit und Asmund / gleich ein pur lauteres Mährlein wäre /solchen Umstand nicht leicht dazu getichtet haben /nemlich daß dem Asmund das Ohr / im Grabe / abgefressen worden / und er deßwegen dem Leichnam deß Fressers einen Pfahl / durch den Leib / getrieben haben. Denn daraus geht die starcke Mutmassung / es sey dieses Mittel / das schmätzen und fressen deß Todten zu stillen / bey den alten Heiden schon üblich gewest.

Unterdessen hat man im geringsten nicht zu zweifeln / daß solches saugen / schmätzen / und fressen deß Todten / anders nichts als deß Teufels Gauckeley / oder / wie es Lutherus nennet / deß Teufels Gespenst / Betriegerey / und Boßheit: welcher / unter deß Begrabenen Person / ein solches Schmätzen / lecken / und beissen / im Grabe / verübt.

Gleichwie nun dieser boßhaffte Geist / fürnehmlich / bey Pest-Läufften / da er GOttes Scharffrichter ist /grosse Gewalt hat: also kann er / auf Gottes Verhengniß / nicht allein eine Pestilentz / so über den gantzen Erdboden sich ausbreitet / erregen; sondern ist auch als ein rechter Verderber / und Würg-Engel / bemüht /durch mancherley Schreck-Possen / zum Untergange menschliches Geschlechts / solches Verderben zu erweitern / und fortzusetzen.

Besagter Garmannus vermutet auch nicht ohne Vernunfft / daß solches Spiel eben so wol bißweilen /von den Zauberern und Hexen / angerichtet werden könne. Denn man findet / in den Geschichten / daß sie sehr / nach dem Fleisch der Abgestorbenen / trachten /solches für ihre delicateste Speise halten; und um sothaner Lecker-Bißlein[274] desto unverhinderter zu geniessen / sich gern in Hunde / oder Wölffe / (dem äusserlichen Ansehn / und ihrer Einbildung nach /) verwandeln; deßwegen auch zu Nachts / um die Gräber herum streichen / und so gar derer / am Hoch-Gericht henckenden Körper nicht schonen. Das Blut der zarten Kinder schmeckt ihnen / für den besten Wein; und das Fleisch derselben / für die köstlichste Torten /oder Pasteten. Wiewol sie / nicht alle Mal / um Essens / oder Trinckens / willen / sondern auch / zu ihrem zaubrischen Mord-Gifft / und andrem Hexen-Werck / desselbigen begehren. Gestaltsam sie deßwegen / ihrer Hexen-Salbe / offt das Fett von einem Knaben / und so viel Menschen-Bluts / als sie bekommen können / einmischen.

Mit Verwundrung habe ich gelesen / daß ein / sonst gar gelehrter / Mann dieses hat einer Synpathiæ / zwischen den Lebendigen und Todten / zugeschrieben. Und soll / seines Berichts / das fressen und schmätzen deß Todten sich alsdenn veranlassen / wann dem Verstorbenen der Daum nicht aus der Hand gethan / noch das Maul ihm allerdings frey und unverdeckt gelassen worden (gestaltsam solches nothwendig geschehen /und der Todten-Gräber allezeit schweren musse / daß er solches wolle in acht nehmen: denn sonst stecke der Verstorbene die noch lebende Blutsverwandten / und das gantze Geschlecht / an: Dessen sey dieses ein Zeichen / daß / wenn man den Todten ein leinen Tuch ums Maul gelegt / er dasselbe hernach zu käuen / und fressen pflege: massen solches die Vorüber-gehenden / wie bekandt / nicht ohn Auffsteigung der Haare /bisweilen hören. Er erzehlet dabey / es[275] habe vor nicht vielen Jahren / eine alte Vettel / an einem Leichnam solches zu thun / sich vorgenommen (nemlich demselben den Mund zu verdecken / oder das Tuch ihm ins Maul zu stecken: aber / auff Gottes Eingebung / sey es geschehen / daß man den todten Körper / vor der Begräbniß / noch einmal vorher besichtigt / und in dem Munde das Tuch erblickt hat; worüber das lose Weib / weil ihr Vorhaben drüber ans Licht gebrochen / zu gerichtlicher Straffe gezogen worden.

Vorerwehnter Author vermeynt / es stecke eine natürliche Ursach darunter / die auf einer Synpathia gegründet sey; so viel dieses nemlich betrifft / daß Andre dadurch angesteckt werden: und zwischen dem Leichnam und dem Tuch / setze es eine Antipathie; daher der Verstorbene nicht leide / daß ihm das Maul / mit Kleidern / oder Tüchern / verstopffet werde. Wem dieses ungereimt vorkommt / spricht er / der solle was bessers vorbringen: Denn Fridericus Garmannus habe es / in seiner Schrifft de Miraculis Mortuorum, noch nicht gethan.

Aber Garmannus hat freylich eine weit bessere Antwort drauf gegeben; indem er / nebst vielen fürnehmen Theologis, es der Gauckeley deß Satans /oder einer Hexerey / zugeschrieben. Denn solches lässt sich viel gewisser vermuten / als dieses / daß /zwischen dem Tuch und dem Leichnam / eine Synpathia sey. Warum sollte die Synpathia nur eben alsdenn sich regen / wenn das Tuch im Maul steckt / und nicht eben so wol wenn es sonst nur dem Todten um den Hals ligt? Und wie wird[276] der Author23 beweisen / daß allen solchen Leichen / die / nach ihrer Einscharrung /geschmätzt / vorhero / ehe sie zu Grabe gebracht worden / das Tuch im Maul gesteckt? Wie wird er doch immermehr einen Vernünfftigen überreden / daß einige Synpathia / einem Todten solche starcke Bewegung mache / die ihm die Zähne zum beissen / das Maul und den Rachen / zum nagen / fressen / und verschlingen eines Tuchs errege? ja die ein solches starckes und lautes Schmätzen erwecke / welches auch /über der Erden / von den Lebendigen gehört werde? Was man / solches zu bescheinigen / von dem Bluten der Erschlagenen bey Gegenstellung deß Mörders /vorbringet / ist viel ein anders / und hiemit unvergleichlich / dazu auch nicht beweißlich / daß solches aus einer Antipathia / herkomme: wie ich anderswo mit mehrerm / dargethan.

Hie dörffte Mancher anstehn / ob den Zauberern auch wol möglichfallen sollte / ohne merckliche Versehrung der Brgräbnissen / solches ins Werck zu ziehen? Aber es ist / ohne Zweiffel / daß sie nicht nur /im Grabe / ohne äusserliche Versehrung desselben /ein Getöß zu wege bringen / sondern auch garwol ein Stücklein Fleisches / ob schon das Grab nicht mercklich eröffnet wird / durch ihre Teufels-Kunst / von dannen heraus practiciren können. Wem dieses unnatürlich / und derhalben unmöglich scheint / der betrachte / daß sie einen unnatürlichen Meister und Helffer bey sich haben / der sie ja so leicht / in ein verschlossenes und zugescharrtes Grab / als wie in einen versperrten Weinkeller / und wieder[277] der heraus bringen kann. Denn daß Viele meynen / der Satan bilde ihnens nur / im Traum / oder in einer Entzuckung / so ein / als ob sie da / und dort / in einen Weinkeller führen / ist keine durchgehende Gewißheit: weil man unbetriegliche Merckzeichen hat / daß sie nicht allezeit nur in der Einbildung / sondern vielmals auch in der That / hinein fahren: ob sie gleich dennoch mehrmals / vom Satan / dabey geblendet werden / als ob sie würcklich daselbst / frässen und söffen; da er ihnen doch unterdessen entweder gar nichts / oder nur Aas / Kot / Kröten / Frösche / und dergleichen Ungeziefer / verschafft / welches sie für niedliche Speisen ansehn: nemlich wann keine Göttliche Zulassung da ist / dem Wirth deß Weinkellers würcklich etwas auszusauffen. Denn wann der Teufel keine Macht findet / ihnen ein rechtes Getränck / und natürliche Speise / zu verschaffen; giebt er / als ein stoltzer Geist / der nicht gern für einen so ohnmächtigen Teufel angesehn seyn mag / welcher über eines Christen Haab' und Gut / ohne Göttliche Verstattung /keine Macht habe / und demselben keinen Kreutzer /keinen Tropffen / kein Brösamlein / entwenden dörffte / sich doch ungern so bloß / daß seine Kreaturen mercken / wie genau ihm seine Gewalt / von dem Allgewaltigen / beschnitten / wie wenig Vermögens er habe / ohn dessen Erlaubniß den Seinigen das geringste Bißlein zu zuwenden / und kurtz zu sagen / was für ein armer Teufel er sey. Solches sein Unvermögen nun zu bedecken und zu verlarven / und eines Theils auch / aus teufflisch-feindseliger Lust / die betrogene Menschen möglichst zu äffen / setzt er ihnen allerley Greuel in die Stelle / würtzet dieselbe mit Verblendung /[278] falscher Einbildung / blauen Dünsten / und Bethörung so wol der Augen / als deß Geschmacks: Oder speiset und träncket sie / mit blossem Betruge /und krieglichem Beduncken: also / daß sie sich bey ihrer Heimkehr / viel hungriger und durstiger befinden / als zuvor. Doch hat man die Gewißheit / daß diß Geschmeiß bißweilen gleichwol auch würcklich die Wein- und Bier-Fässer bediebe / würcklich den Kühen die Milch raube.

Wann sie dann also warhafftiglich bißweilen / in versperrte Gemächer fahren (die ihnen aber der Satan / als ein Tausend-Künstler / der keines Schlössers /noch Zimmermanns / bedarff / unvermerckter und unsichtbarer Weise / behänd auff- und zusperret) warum nicht eben so leicht / in die / ihnen von ihm wunder-schnell und ungemerckt auffgethane Gräber?

Doch ist mir nicht entgegen / so Jemand spricht / er bilde ihnen vielmals auch dieses nur also ein / daß sie hinab in die Begräbnissen fahren / verrichte indessen das Fressen und saugen an ihrer Stat: denn dadurch wird ihre jemals-persönliche Hinabkunfft zu dem todten Körper nicht umgestossen / noch zu einem eitlen Wahn gemacht.

Was verüben sie nicht offt / an den Lebendigen? Kommen sie nicht offt / zu den Sechswöchnerinnen unvermerckt / und bemühen sich / ihnen das Kind zu stehlen? Bringen sie nicht bißweilen / nur mit äusserlicher Anrührung / die Kinder in Mutterleibe um? Condronchius bewehrt diß letzte / mit dem Exempel an einer Edelfrauen / welcher eine Trude den Leib nur angerührt / und damit die[279] Frucht / in ihrem Leibe / getödtet hat / also daß dieselbe hernach Stückweise ihr abgegangen.24

Zu mehrer Bestetigung dieses / zeucht offt-angezogner Author auch / das wunderliche Hertzfressen der Persisch- und Arabischen Hexen an / aus dem de la Valle: welches / weil mir solche Erzehlung dieses berühmten und weitgereisten Italiäners bekandt / wir von demselben selbsten / allhie völlig vernehmen wollen. Er schreibt davon also / wie folget.

Es ward eine alte Araberinn / Namens Meluk, gefänglich (zu Combru) eingezogen / welche der Hexerey beschüldiget worden / und daß sie einen Jüngling / von Ormus gebürtig / welcher für diesem ein Christ gewest / zu Combru aber erst neulich ein Mahometaner worden / bezaubert / oder wie sie es insgemein nennen / sein Hertz gefressen habe. Welches sie / aus Rachgier gethan: weil dieser Jüngling / mit ihrer Töchter einer / ein Zeitlang in Unzucht gelebt / dieselbe aber hernach /aus weiß nicht was für Ursachen / verlassen. Gestalt dann dieser Jüngling / welcher sich in einem jämmerlichen Zustande / und in Gefahr seines Lebens befand / selbst einer von den Anklägern gewesen.

Diese Gattung der Zauberey / welche / von den Indianern / das Hertz der Menschen fressen / genennet wird / und sonder Zweifel nichts anders ist / als was wir bezaubern nennen / welches / durch der Hexen böses und[280] schädliches Anschauen / geschicht / daß offtmals der Tod drauf erfolget / ist nichts neues / noch anderswo unerhörtes; dieweil vor Alters / beydes in Sclavonien / als in dem Lande der Triballier / dergleichen Leute viel zu finden gewest / wie bey Abrahamo Ortelio zu lesen / welcher es / seiner eigenen Bekenntniß nach /aus dem Plinio genommen; der / aus deß Isigoni Bericht / erzehlet / daß diese Art der Zauberey so wol bey diesen / als vielen andern Völckern / üblich gestraft sey. Wie dann dieselbige noch / biß auf den heutigen Tag / in diesen Ländern / insonderheit aber bey den Arabern / welche an diesem Persischem Meerbusem / an dessen Westlichem Ufer / wohnen / sehr gemein ist.

Was die Art derselben betrifft / so geschicht sie / durch die Augen / und den Mund: indem die Zauberinnen denjenigen / dessen Hertz sie fressen wollen / eine gute Weile / mir unverwendeten Augen / ansehen / und etliche gewisse teuflische Worte heimlich bey sich brummeln: Womit sie /Krafft solcher Bezauberung / und deß bösen Geistes Mitwürckung / so viel zuwege bringen / daß dieselbe Person / ob sie schon frisch und gesund ist / in einem Augenblick / in eine unbekandte /und unheilsame Kranckheit fällt / wodurch sie /wie ein Schwindsüchtiger in kurtzer Zeit dergestalt wird auszehrt / daß sie endlich davon sterben muß. Und diese ihre Würckung thun sie bißweilen dermassen[281] geschwinde / daß ein Mensch /wann sie sein Hertz / wie sie zu reden pflegen /gantz aufgefressen / (dann sie können es / nach ihrer Kunst / entweder gantz / oder nur zum Theil verzehren / und machen / daß ein Mensch gantz und gar / oder nur halb / und entweder bald / oder nach und nach / ausdorret) zum offtern / in wenig Tagen / seinen Geist aufgeben muß.

Die Einwohner nennen aber darum diese Art der Zauberey / das Hertz fressen; weil sie in der Meynung seynd / der Teufel verblende der Hexen Augen dergestalt / daß sie vermeynen / deß Bezauberten Hertz und Eingeweide gehe / in Krafft ihrer Zauberey-Worte unsichtbarer Weise / von seinem Leibe / heraus / und sie esse dasselbe; woran sie dann / wie sie vorgeben / einen über alle Massen angenehmen Geschmack empfinden / so gar / daß sie offtmals / ohne allen vorhergehenden Haß und Feindschafft / unschuldige Personen / ja ihre nechste Blutsfreunde / auf solche Weise / tödten. Wie man dann / von dieser gefangenen Hexen / ausgeben / daß sie / vor etlichen Jahren / ihre eigene Tochter / auf solche Art / hingerichtet habe.

Dieses alles geschicht / wie sie sagen / weil sie ihre Lust hierzu antreibt / daß sie das Hertz einer Person / als eine / ihnen sehr angenehme / Speise /ohne Ansehung einiger Freund- oder Verwandtschafft / fressen[282] müssen / und sich dessen nicht enthalten können.

Solchen verfluchten Leuten nun / gibt der Teufel solche Personen in den Sinn / über welche er /wegen ihrer schweren begangenen Sünden / grosse Macht bekommen hat. Und daß dem also sey /daß der Teufel / in dergleichen Fall / diesen Unholden den Lust / zu einer solchen Speise / einge be; nimt della Valle, von einer gleichmässigen Geschicht / ab; welche / von einem Augustiner-München aus Portugall / und glaubwürdigen frommen Mann / so / zu seiner Zeit / Prior ihres Convents /in Hispahan, gewest / erzehlet worden ist. Dieser sagte ihm / daß einsmals / an einem / den Portugisen zuständigem / Ort / an den Grentzen deß fruchtbaren Arabiens / ein Araber / um dergleichen Verbrechen willen / gefangen worden / den der Capitain / oder Stathalter dieses Orts / ehe er ihn hinrichten lassen / um sich der Warheit dieses Zauber-Wercks / welches / in diesem Lande / für so gewiß gehalten wird / zu erkündigen / als er vor ihn gebracht worden / gefragt / Ob er das Inwendige aus einer Cucummern / ohne Oeffnung derselben / herausnehmen könnte: Welches der Zauberer / mit Ja / beantwortet hat. Als er nun einen Cucummern bringen lassen / und der Zauberer / in deß Capitains Gegenwart / denselben /eine Zeitlang / steiff angesehen / und seine Zauber-Worte heimlich gesprochen / hat er endlich gesagt / er habe ihn[283] gantz und gar verzehrt: Nachdem man nun die Cucummer aufgeschnitten / wäre dieselbe, inwendig gang leer gewest.

Dieses ist nichts unmögliches: weil der Satan /dessen Hülffe sich die Zauberer bedienen / aus GOttes Verhengniß / grosse Macht über die unsre Geschöpffe hat / solches und noch ein Mehrers /ausser allem Zweifel / thun kann: So sey auch kein Wunder / daß er an den Menschen / welche vernünfftige / und von Natur so edle Geschöpffe seynd / dergleichen Wirkungen zuwege bringen könne / alldieweil es gar leicht geschehen könne /daß / wo nicht die Seele / wegen ihrer Vortrefflichkeit / jedoch zum wenigsten der Leib / als der unedlere Theil / dergleichen Wirckungen deß Satans unterwürffig werde. Welches della Valle nicht allein von den Unglaubigen / die / in gewisser Masse / schon sein sind; sondern auch / von den Christen / verstehet / wann sie / in offendlichen Sünden / leben; dahero der Teufel Macht über sie bekommt; oder aber / wann es ihm GOtt / aus verborgenen Ursachen / über fromme und gottsfürchtige Leute verhenget.

Hierbey erzehlte dem Author dieser Pater ferner / daß / als ein solcher Zauberer (ob es eben dieser / oder ein andrer gewest / den man / um dergleichen Verbrechen willen / eingezogen / weiß der Author nicht) gefragt worden / Ob er das Hertz deß Portugisischen Capiteins essen könne: Er geantwortet /[284] Nein; und darbey gesagt / daß die Francken (worunter er alle Europœische Christen verstund; weil dieser Nam denselben /ohne Unterschied / in Orient gegeben wird) etwas in der Brust hetten / welches sie wie ein starcker Harnisch beschützte / und dermassen hart sey /daß die Zauberey keines wegs durchdringen könne. Dieses kann / (wie der Author gar recht urtheilet) ausser allem Zweifel / nichts anders seyn / als die Krafft der heiligen Tauffe / welche die Rüstung deß Glaubens / und die Freyheit der Kinder der Kirchen ist / wider welche die Pforten der Hellen nichts vermögen.

Die zu Combru gefänglich-eingezogene Zauberinn hat anfänglich gantz nichts bekennen wollen: als man ihr aber mit dem Tode gedrauet / und sie zu dem Ende auf den Platz / allwo della Valle sie gesehen / samt dem bezauberten Jünglinge / führete / gestund sie zwar die That nicht: jedoch sagte / daß sie ihm / wann man ihr zulassen würde / allein bey ihm in seinem Hause zu seyn /vielleicht wieder zu seiner Gesundheit helffen könnte. Womit sie dann bekannte / daß sie eine Hexe wäre.

Man hält es aber / in diesen Ländern / für gewiß / daß diesen Leuten / wann es mit ihnen nicht aufs äusserste kommen / wieder könne geholffen werden. Unter denen vielfältigen Weisen aber / sie wieder gesund zu machen / ist dieses eine / daß die Zauberinn[285] etwas kleines / wie ein Körnlein von einem Granat-Apffel ausspeyet. Welches dann der bezauberten Person Hertz seyn soll. Wann nun der Krancke diees Ausgespeyete /als ein Stück seines Eingeweids / begierig in sich schlucket: so kommt / auf solche Art / das Hertz /ihrem Wahn nach / wieder in seinen Leib / und wird derselbe nach und nach wieder gesund.

Man sagte dem della Valle noch weiter / daß die Zauberinnen / wann sie bißweilen das Hertz gantz und gar aufgezehrt / (welches vielleicht der natürliche Lebens-Safft ist) oder derselbe gekocht aufgefressen / den Bezauberten nicht wieder gesund machen könnten. Weil aber della Valle dieses selbst nicht gesehen / und weil es unnatürlich zugehet / so ist er der Meynung / daß es nicht würcklich / sondern durch deß Teufels Verblendung / geschehe: und wann es wahr ist / daß diese Krancken wieder gesund werden / so geschicht solches darum / weil der Teufel aufhöret diese Leute zu peinigen / und ihre Leiber zu verzehren.

Nachdem nun die Zauberinn Hoffnung gegeben / diesem Jünglinge wieder zu helffen / haben die Mahometische Amtleute ihr versprochen / wann sie solches thun würde / daß ihr kein Leid widerfahren solle. Worauf sie dieselbe / ihrem Begehren nach / in ihre Häuser / so nicht weit voneinander gewest / haben gehen / jedoch die Hexe /durch einen[286] Stadt-Diener / damit sie nicht entflie hen mögte / verwahren lassen.25

Ich muß aber bekennen / daß diese Beweisthümer /so von der Anrührung schwangerer Weiber / und von dem so genanntem Hertz-fressen / genommen worden / uns hiebey weiter nicht nutzen können / als nur theils zur Befestigung dessen / was oben gesagt ist /nemlich von der Zauberer / und Unholden Begierlichkeit nach Menschen-Blut und Fleisch. (Denn ob gleich die Arabische Unholden dem Menschen das Hertz nicht würcklich fressen; kommet ihnen doch solche Einbildung so süß vor / als ob sie es mündlich genössen.) Theils aber / zur Bestetigung dessen / daß / weil sie / durch blosses auswendiges Anrühren mütterlichen Leibes / die inwendige Frucht desselben zerstücken können / auch nicht unglaublich scheine / daß sie ebenfalls / durch Würckung deß bösen Feinds / zu den Todten hinab kommen / ohne sichtbare Eröffnung deß Grabes / und daselbst / von dem Leichnam / ein Stück Fleisches rauben können.

Viel-erwehnter Garmannus vermeynt / daß / was solche Hertz-Auszehrung belangt / solches bißweilen auch wol natürliche Ursachen thun könnten; als / zum Exempel / der subtil-durchdringende Wetter-Strahl: welcher denen / so damit betroffen werden / alles Eingeweide verzehrt / und sie alsofort tödtet. Allein / wie dieses Exempel sich beweislich dazu füge / kann ich nicht wol fassen: Denn der Blitz-Strahl verzehrt dem Menschen kein[287] Eingeweide / er fahre ihm denn würcklich in den Leib / oder auch wol gar durch hin: Welches aber der Arabischen Unholdinn ihr Aug-Strahl / und steifer Anblick / nimmermehr thun kann. Gleichwie auch ihre blosse Anrührung / durch keinen schwangeren Leib / zur Frucht hinein / dringen kann; woferrn es nicht etwan / durch eine Antipathiam, geschähe) Sondern der Satan verpflantzet die schädliche Würckung unnatürlich selbst hinein / in das Inwendige deß Menschens; und erfordert die anrührende Hand / oder Anblicke der Hexen / nur darum dazu / daß er ihr einbilde / sie thue es selbst / in Krafft der grossen Kunst / und Gaben / so er ihr verliehen; auf daß sie /an dergleichen Mord-Stücken / desto grössere Ergetzung habe / auch um so vielmehr darauf erhitzet werde. Wiewol auch diese Ursach dabey ist / daß er /für sich allein / ohne Einwilligung und Geheiß eines so bösen Menschens / keinen Menschen also umbringen darff; auch deßwegen gern einige Zuthuung / oder äusserliches Zeichen solcher Verrichtung / von den Unholden / erfordert / daß sie deß Mords ja so vollkömmlich sich schuldig machen mögen / als ob sie denselben / mit eigenen Fäusten / vollenbracht / und ihn gar nicht / zum Executorn / gebraucht hetten: damit sie nemlich desto tieffer / und fester in seinen Stricken / bleiben / und am jüngsten Gericht desto härter verdammt werden. Denn sonst brauchte er Ihrer dazu gar nicht.

Diesem nach kann die Befress- und Abzehrung der begrabenen Todten gar wol auch bißweilen mittel-und unmittelbar / von den Hexen / und Zauberern /geschehen; wie dick-besagter Garmannus[288] nicht unfüglich erachtet. Doch aber thut es vermutlich der Satan / am öfftersten / selber / und zwar unmittelbar; bevorab was das Gefräß der Kleider betrifft. Denn eine Hexe mag zwar wol das Fleisch eines todten Leichnams; aber nicht die Leich-Kleider desselben /fressen.

Hie mögte man billig sich verwundern / warum ein so verschmitzter Geist solche alberne Gauckel-Possen treibe / und nicht vielmehr unterdessen / auf andre Rencke / sinne / womit er die Menschen überlisten und fahen könnte?

Aber man muß betrachten / daß dieser schädliche Menschen-Verderber seine allerschlauheste List offt /mit dem allereinfältigstem Schein / von aussen verlarve / und keine / unter allen seinen Bübereyen / so lächerlich sey / oder so albern und tölpisch scheine /darunter er nicht unsre Threnen suche / und einen betrübten Hinterhalt verdecke.

Die Schrifft-Verständige sagen / sein Zweck bestehe / in diesen Stücken: Erstlich / daß er die Leute / so zum Argwohn und Aberglauben geneigt / würcklich dazu bewege / diejenige aber / welche vorhin im Aberglauben stecken / darinn desto fester und tieffer wurtzeln mache.26 Und daher vermuten Etliche / der Teufel erwecke solchen Schall nicht in den Gräbern der Todten; sondern / in den Ohren der Abergläubigen.27 Welches aber keine Gewißheit: sintemal offtermeldter Garmannus, zu Mersburg / im Grabe eines Schusters / selbst auch ein starckes Klopffen gehört /und doch nicht[289] abergläubisch ist. Wie denn auch sonst viel Leute / die gar nicht abergläubig sind /noch darum abergläubig werden / dergleichen hören. Ich selbst habe mehr / denn einmal / ein Gespenst rumoren / oder klingen / gehört / und nebst mir andre Personen mehr; ohnangesehn / Keiner von uns abergläubig war / noch / GOtt Lob! drüber worden ist. Und wann der Satan würcklich die Kleider der Todten zerfrisst (oder hinweg parthirt) warum sollte er nicht auch würcklich / im Grabe / klopffen / oder schmätzen?

Unterdessen bleibt dennoch / an seiner Seiten / dieses der Zweck / daß er versucht / ob er damit die Leute / zum Aberglauben / verleiten / und in solche Sicherheit verführen konnte / daß sie / von dem Vertrauen auf die Göttliche Fürsehung abweichen / und /zu den Gräbern der Todten / verleitet werden mögten: damit sie nemlich in den Wahn gerahten / als ob nicht der / durch ihre Sünden gereitzte / Zorn GOttes; sondern die / also fressende und schmätzende / Todten eine Ursach deß so häuffigen und starcken Sterbens wäre. Massen also die Tübingische Theologi28 hievon gar recht urtheilen. Wiewol dieses gleichfalls nicht allemal die rechte Ursach seyn kann: weil die Wenigsten / so es hören / solches für eine Ursach /sondern die Meisten es / für eine Vorbedeutung deß starcken Sterbs / halten; etliche gar alberne und abergläubige Leute ausgenommen; auf welche der Satan /in diesem Stück / sein Absehn wol richten dörffte. Und weil der Teufel ein Ertz-Verleumder[290] ist / so sucht er / fürs dritte / hiedurch auch den guten Leumut deß Verstorbenen zu kräncken / und ihn / noch unter der Erden / anrüchtig zu machen. Woraus er (vierdtens) zwischen den Verwandten / und andren Leuten / so davon reden / oder auch drauf dringen / daß man ein solches Grab öffnen / und den Begrabenen köpffen solle / Haß und Feindschafft spinnet.

Insonderheit spielet er diese Gauckel-Possen gern /unter der Gestalt der Weibsbilder: um das weibliche Geschlecht desto übler zu berüchtigen: weil / von demselben / der Heiland geboren ist: Und dann auch darum / weil er die Weiber desto leichter / mit Aberglauben / zu bethören / und eine so viel grössere Ernte deß Aberglaubens / von dem Unkraut dieser seiner Gauckeley / verhofft.

Daneben trachtet er gleichfalls / die Menschen hiedurch / vermittelst deß Schreckens / an Leib und Leben zu gefähren. Denn er / der die Natur perfect versteht / weiß / daß / aus Schrecken / Mancher gar leicht die Pest an den Hals bekomme: sintemal sehr offt (wie Helmontius, und die Erfahrung / beglauben) auf einen blossen Schrecken für der Pest / die Pest entstanden: ob gleich keine materialische Ursach vorhanden gewest / woraus man sie hette erlangen können. Auf was Weise solches zugehe / gedencke ich /an diesem Ort / um Unordnung zu verhüten / nicht weitläuffig zu erörtern. Man schlage nach den Tractat Helmontii und Kircheri, von der Pest. Welcher letzter gleichwol dem ersten hierinn widerspricht / daß die Pest / durch blossen Schrecken / und erschrockene Einbildung / ohn einigen vorher-[291] obhandenen Saamen solcher Seuche / sollte bey Jemanden entstehen können: weil der Schreck keine Pest auszuwircken vermöge / es sey denn die Lufft / womit der Erschreckende umgeben / vergifftet / auch einiger Zunder deß Giffts schon bey ihm vorher verborgen: Worauf alsdenn der zustossende Schreck den völligen Ausbruch der Pest leicht befordern könne: Denn ein solcher Schreck / so aus einer starcken Einbildung entsprossen / ziehe einen Schwermut / und Traurigkeit deß Hertzens gleich nach sich; worüber die zum Hertzen sich sammlende Spiritus vergröbt werden / und endlich der Lebens-Geist den äusserlichen Gifft annehme.

Aber es scheinet / daß / wie Helmontius der Einbildung / und dem Schrecken / allzuviel / also hingegen Kircherus ihnen allzuwenig zueigne.

Wann dieser / durch die umgebende Lufft / eine solche versteht / womit der Erschreckende allernechst umfangen ist; oder auch nur eine solche / die ungefähr auf anderthalb hundert Schritte nur von ihm ist; so wäre es gefehlt. Denn mir seynd unterschiedliche Exempel bekandt / daß / in Pest-Zeiten / etliche Personen / die nicht allein in gantzen reinen Häusern / sondern auch wol sechs oder siebenhundert Schritte / ja biß auf achthundert / weit / von angesteckten Häusern entferrnt gelebt / auch vorher im geringsten sich nicht übel besunden / durch blosse Einbild- und Erschreckung die Pest bekommen haben. Daher auch zu schliessen / daß nicht alle Mal / noch bey Jedwedem /dem der Schreck die Pest an den Hals jagt / allbereit vorher[292] ein Zunder / oder bequeme Materi zur Pestilentz / verborgen stecke.

Solches können diese folgende / mir selbsten wolbekandte / und bey meiner Anwesenheit selbiges Orts / geschehene / Fälle erweisen. Eine / mir nahverwandte / Person verfügte sich / etwas spät / ins Bad / so im Hause war / mehr aus Gewonheit / als Nothwendigkeit: sintemal ihr gantz wol war / so wol an Mut / als Blut. So befand sich auch / um ihre Wohnung / kein angestecktes Haus: Die nechste Gassen / von vorn und hinten zu / wussten von keiner Unreinigkeit. Nachdem aber die Dienerinn / mit dem Licht / ein wenig von ihr hinaus / in das Vor-Gemach / wo man sich ab- und ankleidet / getreten / laufft der helle Mond ohngefähr über ein kleines Wölcklein / und bildet / in dem Bad-Stüblein / gleichsam einen weissen Menschen-Schatten aus. Darüber erschrickt sie (die sonst / vor der Pest / sich wenig zu fürchten pflag) gähling; in Meynung / es sey ein Gespenst; befindt sich darauf gleich übel / und bekommt die Pest. Wiewol sie nicht daran gestorben.

Ich erinnere mich ebenfalls noch dieses nachgesetzten gantz vollkömmlich. Da ich ungefähr das zehende Jahr überkommen / geschahe es / daß unsre Köchinn /ein starckes / gesundes Mensch / als sie früh Morgens die Fenster-Laden aufthat / einen Sarg vorüber tragen sahe: worüber sie / als welche ihr einbildete / er gehöre für eine Pest-Leiche / da doch eine andre drein gebettet werden sollte / die ziemlich weit von unsrem Hause war / erschrack / und alsofort einen Schauer empfand. Gleich darauf ist ihr eine grosse Beulen /oder Geschwür /[293] aufgefahren: mit welchem sie noch wol fünff / wo nicht sechs Tage / ohne Offenbarung ihres Zustandes / herumging / und / mit ihrer Neben-Magd / aß und tranck; aber unleidlich stanck. Ungefähr aber am sechsten Tage / als die Meinigen / welche / auf eine Hochzeit / ausserhalb / doch nahe bey /der Stadt / unterdessen verreist und etliche Tage ausgeblieben waren / wieder heimkamen / nahm die Schwachheit bey ihr so sehr zu / daß sie / auf dringende Befragung / ihre Beschaffenheit gestund / und deßwegen hinaus / in einen Garten vor der Stadt / gethan ward: woselbst sie / nach einem harten vierwochendlichen Lager / doch wieder aufgestanden / und gesund worden.

Versteht aber Kircherus, durch die umstreichende oder umfangende Lufft / die gantze Lufft einer solchen Gegend / da es stirbt; so gestehe ich nicht ungern / daß dieselbe gemeinlich / durch die Ausdunstung der Sterbenden / und der Leichen / bey solcher Zeit / dem Erschreckenden einen Gifft behände einhauche / und ohn dieselbe schwerlich der blosse Schreck eine Pest verursachen möge. Denn ohne Furcht / Schrecken /und Anklebung / wird solche allgemeine Lufft nicht bald einem gesunden und behertzten Menschen (woferrn er anders auch sonst nur sauber Haus hält / und nicht etwan allererst / aus einer reinen / in die unreine Lufft kommt) die Pest zuschantzen: es wäre dann /daß die subtile gifftige Würmlein / so bey Pestilentz-Zeit / in der Lufft / bey gantzem Schwarm / herumfliegen / auf ihn angeflogen kämen. Welche / auch ohne Schrecken (sintemal man ihrer / ausser einem Vergröbungs-Glase / nicht ansichtig wird) bald diesem /[294] bald Jenem / ob er gleich / bey keiner Pest-Leichen / nahe wohnet / die Pestilentz zuführen können.

Hingegen verweiset Kircherus dem Helmontio gar recht / daß derselbe das Wesen der Pest einig und allein der Einbildung und dem Bilde deß erschrockenen Archæi (oder Werckmeisters der Lebens-Geister) zuschreibt / und nicht zugeben will / daß sie sonst auch /ausser solcher erschrockenen Einbildung / Jemanden anstecken / oder an ihm hafften könne:29 denn solches streitet wider die Erfahrung. Gleichwie nicht weniger Helmontius darinn irret / daß er leugnet / die Pest könne auch wol / aus einem Einfluß deß Gestirns / entspringen. Welches abgeschmackten Irrthums dieser / sonst scharffsinnige / Mann / heutiges Tags / unterschiedliche / und zwar in der Stern-Kunst wolerfahrne / aber dabey ihrem eignem Geduncken allzusehr ergebene / Köpffe zu Gefährten hat.

Aber / daß wir wiederum in unser voriges Gleiß treten; so weiß der arglistige Mörder von Anfang / der Satan / gar wol / und besser / als Helmontius, daß ein Mensch / auch ohne schreckhaffte und furchtsame Einbildung / mit der Pest-Seuche vergifftet werde; und zwar / unter andren / durch den gifftigen Dunst /welcher / aus den geöffneten Gräbern / hervor steigt; zumal / bey Pest-Zeiten. Weßwegen Böckelius, in der Hamburgischen Pest-Ordnung / erinnert man solle /bey solchen Sterb-Läufften / die Gräber fein tieff machen / und alsdann keine fürnehme Leichen / in[295] den Kirchen / bestatten; sondern so wol / als wie die gemeinen / ausserhalb der Stadt / beerdigen / lassen.30 Ja! Andre rahten / man solle die Pest-Leichen nicht verwesen lassen; sondern / in grosse Gruben werffen /und mit aufgestreutem lebendigem Kalch verzehren. Welches aber Herlicius verworffen / als eine unchristliche Verfahrung.31

Belangend nun die Frage / ob es billig und recht /daß man solche schmätzende Todten aufgrabe / ihnen die Leich-Tücher oder Sterb-Hemder / aus dem Maul reisse / und den Kopff abstosse? so wollen solches /weder die Natur- und Artzney-Verständige / noch die Politici, noch die Rechtsgelehrte / noch die Theologi, allerdings billigen.

Der Natur- und Artzeney-Kündiger widerräht es /um der bösen schädlichen Dämpffe willen / so aus dem Grabe herauf dunsten / und eine Pest erwecken könnten: Derhalben / nach seinem Raht / das Grab ungeöffnet bleiben sollte. Ob man gleich vorgiebt /diß Abentheuer sey entweder eine Ursache / oder ein Zeichen der Pestilentz: gewinnen solche Leute doch damit keinen Fug / also zu verfahren. Denn eine Ursach kann es gar nicht seyn: weil / ehe sich der schmätzende Todte hören lässt / die Pest allbereit ihrer Viel gemeinlich hat aufgerieben; auch sonst kein Beweis zu geben steht / daß hiedurch der Sterb ins Zunehmen gerahten sollte. Gesetzt aber / es sey ein Zeichen: was[296] hilfft es denn / daß man das Zeichen wegräumt / so man die Ursach nicht auf heben kann? Wann gleich das Vorzeichen wird weggeschafft; ist damit die Erfolgung noch nicht gleich verhindert /oder abgeschnitten. Wann gleich (schreibt Garmannus) der Komet verschwunden; seynd darum Pestilentz / Hunger / und Krieg / noch nicht verschwunden.

Der Politicus, und Rechts-Gelehrte / werdens auch nicht loben; sondern sagen / daß die Gräber / bey allen netten und höflichen Völckern der unverstörlichen Ruhe gewidmet / unversehrlich / Gewalt-frey /und gleichsam heilig geachtet worden: dannenhero auch / in Rechten / gedacht wird / daß die Vorfahren es für ein Sacrilegium, oder grobe Ubelthat / und als wie einen Kirchen-Bruch / gehalten / so man die Steine von den Gräbern wegnähme / den Rasen daselbst ausrauffte / und das Erdreich aufgrübe. Ja es ward die Gewalt-That an den Gräbern / und Verstreuũg der Aschen / für das ärgste Schelmstück / gerechnet.32 Deßwegen hat man auch nicht leicht / über einen todten Körper / die Hand der Justitz ausgestreckt / oder einige gerichtliche Straffe ergehen lassen; woferrn der Thäter nicht die Gött- und weltliche Majestet beleidigt / oder verfluchte Hexen-Thaten begangen. Massen die Beraubung oder Ab-Erkenntniß der Begrabung / von den Rechts-Erfahrnen / jederzeit / unter die grösseste und härteste Gerichts-Straffen / gezehlet worden. Daraus denn leicht zu ersehen / wie übel und unverantwortlich dem Begrabenen geschicht / wenn man ihn /[297] um bedeuteten Wahns willen / wieder aufgräbt / und köpffet.

Der Theologus wird sprechen / es lauffe / wider die heilige Schrifft; welche / die Todten zu fragen / verbeut; nun sey aber dieses gleichsam eine Befragung der Todten / wenn man / von ihnen / ein Vorzeichen der Pestilentz nimt: Es werde dadurch der Aberglaube fortgepflantzt: Könnte der todte Körper eine Pest erwecken; so wären GOttes Allmacht / und Providentz /nichts: Wann es aber je würcklich also geschähe; so käme es anders nicht / als aus Göttlicher Zulassung /her: und würde demnach solches abergläubische Mittel den Göttlichen Willen nicht ändern; sondern vielmehr seinen Zorn / zur Rache / wetzen.33 Gestaltsam etliche Theologi dafür gehalten / die Pest risse / um solches Aberglaubens willen / noch ärger ein.

Wie wann aber die Verstorbene eine Trude gewest / welche einen Sterb erregt hette / und solcher / nach ihrer Beerdigung / eher nicht nachliesse / biß man ihr / im Grabe / den Kopff abgehauen? Es erfordert diß aber zuforderst einen klaren gerichtlichen Beweis /und Uberführung / daß es eine Hexe gewest: und alsdenn wird die Obrigkeit wissen / was ihr Amt erheischet. Privat-Leuten steht nicht zu / derselben vorzugreiffen / oder sich einer Eröffnung deß Grabes eigen-willkürlich anzumassen. Demnechst gilt es noch Fragens / ob[298] die verstorbene und begrabene Hexen auch eine Pest erregen können / oder jemals erregt haben? Und ob man darum ihnen / im Tode / den Hals abstossen solle?

Einmal kann man nicht leugnen / daß die Zauberinnen / wann sie noch am Leben / auf Göttliche Verhengniß / in vielerley Weise / die Brunnen und Wasser vergifften / oder sonst den Leuten allerhand gifftige und zaubrische Sachen / an die Fenster / Bäncke /Haus-Thüren / bißweilen auch wol an die Kirch-Thüren / streichen / oder streuen / (welches Seneca34 pestem manu factam, eine mit der Hand gewürckte Pestilentz nennet) und ihnen / auf solche Art / die Pest zubringen können. Wie denn auch nicht zu leugnen / daß ebenfalls / nach dem Tode solcher verfluchten Bestien / eine Pest erfolgen könne. Daß aber solche Pest den verstorbenen Hexen alsdenn zuzuschreiben sey / wird daraus nicht folgen.

Die Städte und Republiken (schreibt Garmannus) mögen ihnen selbsten vielmehr dessen Schuld geben / weil sie dem göttlichen Donner-Wort wider die Unholden (die Zauberer sollt du nicht leben lassen) nicht gnug gethan. Darum /weil solche Teufels-Sclaven der Hellen / oder deß Scheiterhauffens / würdiger / als einer ehrlichen Begräbniß; hat alsdann Zweifels ohn die Göttliche Gerechtigkeit / mit so seltsamer Begebenheit /und harten Straffe / die Obrigkeit gleichsam anspornen wollen / dergleichen[299] Unmenschen / nach dem Tode / noch einer Straffe und Schmach zu unterwerffen. Massen / es nicht mangelt / an Exempeln / durch welche GOTT zu erkennen gegeben / daß die verfluchte Leiber dieser Gottlosen nicht werth von der Erden / die seiner Füsse Schämel ist / bedeckt zu werden / etc.

Was will nun hieraus anders geschlossen werden /als daß / wann unbetriegliche Anzeigungen / Beweißthümer und Zeugnissen vorhanden / die Verreckte sey eine Hexe gewest / doch aber ehrlich begraben worden / alsdann sie billig / auff obrigkeitlichen Befehl /wieder heraus geworffen / und (gestalten Sachen nach) entweder noch verbrannt / oder an einen unehrlichen Ort eingescharrt werde? Wie man dessen unterschiedliche Beyspiele vorstellen könnte; wenn es die Weitläufftigkeit nicht hinderte.

Fußnoten

1 Apud. Anton. Daurulcium, part. 3. Flor. Exempl. c. 7. tit. 16. §. 5. p. 45.


2 Teste Simonettâ l. 5. c. 50.


3 Vid. Hieronym. ad Eustach. de vita Paulæ.


4 Liber de Duplici Martyrio, S. Cypriano vulgò adscriptus p.m. 515.


5 Stockmann. Hodoget. pestilent. q. 14. p. 125.


6 Garmannus de Miracul. Mortuorum lib. 1. Tit. 3. p 26.


7 Vide Stockmannum p. 122.


8 Hagec. in der Böhmischen Chronic.


9 Zeiler. im 1 Theil der Trauer-Geschichte p. 25. seqq.


10 Memorante d. Kormanno, parte 7. de Mirac. Mortuor. c. 64.


11 Vid. Hondorsii Theatrum Historic. in præcept. 2. p. 147.


12 Tisch-Reden L. Tit. 24. p. 211. seq.


13 Rollenhagius l. 4. Mirabil. peregrin. c. 20. n. 5.


14 S. Mölleri Freyburgische Chronic pag. 254.


15 Martin. Bohem. de Pest. conc. 2. apud Garmannum.


16 In concion. pestil.


17 Epist. Turc. 1. p. 93.


18 Ovid. l. 6. Fastor.


19 Plin. 11. c. 29.


20 V. Th. Bartholini Cent. 1. Histor. anatom. 9. pag. 20.


21 Ur Spinæus, & ex illo Jordanus refert, Tr. de Eo, quod est in morbis divinum c. 40. p. 149.


22 V. Schenck. l. 1. Obs. med. p. 6.


23 Schwimmerus in Curiositatibus Dissertat. 4. De Singularibus circa hominem p. 67. seq.


24 Condronchius l. 2. de Morb. venef. c. 3.


25 de la Valle, im dritten Theil seiner Reis-beschreibenden Send-Briefe / am 218 Bl.


26 D. Geyer Tr. de Superstit. c. 2. §. 2.


27 D. Roberus Serm. de Temp. 35. p. 690.


28 Apud Duntenium in Cas. Conscient. c. 22. S. 1. q. 19. p. 4.


29 Vid. Kircherum de Peste, p.m. 65.


30 Hamburgische Pest-Ordnung Bökkelii c. 9. S. 3.


31 Herlicius part. 1. Pest-Ordn. c. 8. p. 209.


32 Teste Turnebo l. 14. c. 21.


33 Has rationes M. Wolfgangus Græfius, Superintendens Sangerhusanus dedit, allegante Rothio, & Garmanno.


34 l. 1. de Ira c. 6.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 252-300.
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