XXXIII.


Der gelehrte Teufel.

[329] Gleichwie / unter den Menschen / Einer dem Andern /in der Wissenschafft und Gelehrtheit / weit vorgeht: also auch / unter den bösen Geistern. Denn ob gleich diese viel geschwinder / scharffsinniger / und vollkommener / die tieffste Natur-Geheimnissen / und andre Wissenschafften / begreiffen / als der allerglückseligste Verstand eines Menschen: seynd sie doch / unter sich selbsten / darinn gar sehr unterschieden / und Einer dem Andren weit überlegen. Alle Teufel verstehen ohne Zweifel alle die fürnehmste Sprachen der Welt; doch nicht alle / in gleicher Vollkommenheit / alle Wissenschafften der Welt. Zudem können auch nicht Alle / das / was sie verstehen / dem Menschen so lautbar und vernehmlich machen / daß es derselbe auch verstehen könnte. Da hingegen Andre / sonderlich die Spiritus familiares (oder Geheim-Geister) dem / der sie unterhält / und mit ihnen in verdammlicher Vertraulichkeit steht / Alles / was menschliche Vernunfft fassen kann / eingeben / und gleichsam eingiessen können / aber / indem sie ihm einen irdischen Witz mittheilen / hingegen die wahre Weisheit in ihm ausleschen / und seinen Verstand gäntzlich verfinstern / unterdessen / daß er sich einbildet / er werde von ihnen sehr hoch erleuchtet.

Solche Unvermöglichkeit manches Geistes aber sich dem Menschen gnugsam auszudrucken /[330] oder verständlich zu machen / steckt nicht so eben darinn /daß der Geist selber nicht sollte seine Gedancken deutlich genug zu beschreiben wissen; als vielmehr hierinn / daß er bißweilen solche Geschicklichkeit und Geschwindigkeit nicht hat / wie andre Geister /dasjenige Mittel / wodurch er eine verständliche Rede zuwegen bringen muß / so fertig / hurtig / und meisterlich zu disponiren / oder zu regieren.

Daher kommts / daß manche Geister / ob sie gleich Alles / in allerley Sprachen / verstehen / dennoch nicht allerley Sprachen / aus dem Besessenen / gleich reden: weil nemlich Einer / vor dem Andren / solche Sprachen entweder fertiger redet / oder die Zunge deß besessenen Menschen besser zu regieren weiß.

Camerarius schreibt / daß ein Geist deß Besessenen / als er Griechisch reden wollen / von anwesenden Gelehrten / ausgelacht worden; der Geist aber alsofort sich entschuldigt habe / sagend / er wisse wol / daß er / in dem Accent / einen Fehler begangen / die Schuld sey aber nicht sein; sondern deß gar zu tölpischen Weibs / deren Zunge ich so übel / zu derselben Sprache / bequemen lasse / daß er kaum damit etwas Fremdes reden könne.

Es hat auch / zu unsrer Zeit / vor nicht vielen Jahren / ein Geistlicher mir erzehlt / daß / als er den bösen Geist / der aus einem besessenem Mägdlein redete / Griechisch / Hebrœisch / und bißweilen Lateinisch / angeredt / derselbe ihm allzeit / in Teutscher Sprache / richtig darauf geantwortet: Und als besagter Geistlicher ihn deßwegen beschämen[331] wollen; weil er sonst so klugwitzig und vorwissenhafft gesehn seyn wollte / und doch ihm nun nicht / mit einiger Antwort / in ausländischer / oder fremder Sprache / begegnen könnte; der Geist diese Worte darauf versetzt habe: Narr! die Geister verstehn alle Sprachen; aber alle reden sie dieselbe nicht. Welches sich auch so befunden. Denn wann er bißweilen / mit andren anwesenden Gelehrten / etwas Lateinisch gediscurrirt; hat der Geist alles verstanden / und was ihn betroffen / zu Teutsch / beantwortet.

Unterdessen giebt es doch gleichwol viel Geister /die / aus dem Besessenem / fremde Sprachen reden. Und ein solcher hat / im Jahr 1673 / zu Buxtehude /im Stifft Bremen / wie D. Th. Bartholini, aus einem Schreiben deß Stadt-Physici deß Orts / Doctoris Joh. Ludovici Hannemanni, bezeugt / sich hören lassen /aus einem / in Besitz genommenem / jungen Soldaten von achtzehen Jahren. Welcher / zwey Jahre zuvor /sich / dem Satan / mit eignem Blut / verschrieben /und / auf vier Jahre / zugeeignet hatte. Dieser redete schier kein vernehmliches / articulirtes / oder recht- begliedertes Wort / das man verstehen könnte: wann er aber bißweilen etwas recht ausdruckte / und verständlich aussprach / so antwortete er Jedwedem / in solcher Sprache / darinn man ihn anredete; es mögte gleich Frantzösisch / oder Lateinisch / oder eine andre Sprache seyn.

Wann dieser junger Mensch anfing / zu toben; kunnten ihn kaum vier der allerstärcksten Männer halten. Weßwegen ein Corporal den Raht gegeben / man sollte ihm Hände und Füsse /[332] mit Linden-Bast / das ist / mit der Rinden deß Linden-Baums / binden: Wie solches geschehen / hat er zwar die Hände und Füsse still gehalten; aber hiernechst den Kopff an die Erde geschlagen: Und als dasselbe gleichfalls / mit derselbigen Rinden / umgeben / ist er endlich gantz ruhig worden.

Belobter Bartholini gedenckt / er erinnere sich nicht / etwas gelesen / oder gehört zu haben / von solcher Krafft der Linden / daß man damit die Geister sollte stillen können; wenn nicht etwan der Patient /mit der schweren Noth / behafftet / und deßwegen für besessen angesehn wird; welches offt geschicht: daß aber solchen / mit der Fall-Sucht geplagten / Menschen die Linden-Blühe dienlich sey / ist den Medicis unverborgen.1

Ich achte aber / daß / wann die Besessene so wüten / der Satan alsdann eben so wol eine solche Zerrüttung deß Geblüts und der Sinn-Geister / zugleich dabey anrichte / als wie die Epilepsia (das Hinfallen /oder die böse Sache) zu thun pflegt; daher dann bißweilen auch wol / die Wüte deß Besessenen in etwas zu stillen / von der Linden-Rinde einige Hülffe entstehen möge.

Im Jahr 1605 quälte dieser grausame Menschen-Feind ein junges zwölff-jähriges Mägdlein / zu Leuenberg in Schlesien / erbärmlichst. Bald stellte er sie auf die Zehe / stürtzte sie alsdenn plötzlich überrucks auf den Kopff / und aufs Angesicht / also daß der Rucken eine hole Bogen-Krümme[333] formirte. Bald legte er sie auf den Rucken / streckte ihr Arme und Beine weit empor / also daß dieselbe / wie zusamm-geflochtene Weiden / offt eine gantze Stunde in der Höhe stunden / und durch keinen Menschen voneinander gerissen werden kunnten. Bald trieb er ihr die Augen /aus dem Kopffe / hervor / so groß / wie ein paar Hüner-Eyer. Bald druckte und wickelte er sie zusammen / wie eine Kugel / beugte ihr das Haupt zu den Knien / und warff sie / seltsamer Weise / in der Höhe herum / wie einen Ballen. Bißweilen lieff sie / mit dem Kopffe / wider die Stuben-Thür / und wollte sich umbringen; biß und riß / mit den Zähnen / grosse Stücke / aus der Wand. Sonst schlug er ihr auch den Kopff offt hin und wieder; streckte ihr die Zunge /welche alsdenn Kohl-schwartz war / einer Spannen lang zum Munde hervor; tantzte ihr auch / in Gestalt /bald eines Mäus-bald eines Fröschleins / bey einer Viertheilstunden lang / auf der Zungen / herum / und kam offt biß an die Lippen; sprang aber endlich wieder hinab / in den Leib: Wie solches viel erbare Leute mit angesehn.

Gleich hernach sperrete er ihr den Mund weit auf /und schrie / sonder einige Rühr- oder Bewegung der Zungen / hell und überlaut heraus / Judas / Pilatus /Herodes der lincke Schächer / Faustus / und Scotus /wären seine beste Freunde / und nechste Rähte; rühmte sich auch der Wissenschafft aller Sprachen / und plauderte / in einer / die der Anwesenden Keiner verstund / er aber für Indianisch ausgab / ein langes Geschwätz daher. Offt murrete / oder brummete er / aus ihr / wie eine Kuhe.[334]

Wann dann das Mägdlein ein wenig Ruhe / für dem Bösewigt / hatte; wusste sie / von Allem / was mit ihr vorgegangen / nichts: sagte doch gleichwol / es käme ihr vor / als ob etliche schwartze Hencker da stünden /welche sie auf hencken wollten; aber / wenn man betete / weichen müsten. Und hat solche teuflische Plage dieses besessenen Mägdleins ein gantzes Viertheil Jahr angehalten.2

Fußnoten

1 D. Th. Bartholini in Actis Medicis, Vol. 2. Observ. VIII. p. 11. seq.


2 Wovon M. Tobiæ Seilers Dæmonomania, so im Jahr 1605 gedruckt / vor etlichen Jahren aber / durch Jemanden anders / wieder von neuem herausgegeben ist / mehrern und umständigern Bericht giebt.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 329-335.
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