XXXIX.


Die vor-erblickte Leichen.

[395] Es sollte uns Menschen billig ein Nachdencken geben / in was für einer Würde wir / vor andren Kreaturen /stehen / daß gemeinlich / ein menschlicher Sterb-Fall / durch einige Vorbildung / zuvor bedeutet wird: welches doch / wenn gleich das theurste Pferd umfällt /nicht geschicht. Denn wir haben eine unsterbliche Seele empfangen: darum wann diese soll ausziehen /und in die Ewigkeit reisen / wird entweder durch gute / oder böse Geister / ein Zeichen gegeben / als wie bey dem Aufbruch einer Fürstinn / die Zuschauende sich vorher bewegen / und einander wincken / oder zuruffen: Jetzt steigt Sie zu Wagen / und tritt von der Herberge heraus!

Und solches gestattet der Allmächtige ohne Zweiffel deßwegen / damit der Mensch / desto öfter in die Betrachtung geführt werde / daß sein Lebens-Lauff von GOtt richtig gemessen / sein Ruh-Mal vorher beschlossen / und ihm ein Ziel gesetzt sey / daß er nicht werde überschreiten.

Zu dem Ende / wird auch offt Manchem der obhandene Todes-Fall eines Andren im Gesichte zuvor gezeigt: Denn ob schon solches mehrmaln / durch ein Gespenst / geschicht: wendet doch GOtt auch die Schreck-Gesichter der bösen Feinde den Seinigen /zum Besten / und dem Verruchten zur Entsetzung /daß sie / von ihrer Ruchlosigkeit mögen ablassen.[396]

Als der hochwürdige Fürst / Conrad Wilhelm / Bischoff zu Würtzburg / und Hertzog in Francken etc. am 14 Julii 1684sten Jahrs / fürs letzte Mal / eine Spatzier-Fahrt / in seinen Lust-Garten auf Veitshochheim / zu Wasser / anstellete / und das adliche Jungfrauen-Kloster / Unterzell / vorbey fuhr; sahe dessen /am Fenster stehende Frau Schwester / als Priörinn selbiges Jungfern-Klosters / daß vor ihrem Herrn Brudern / dem Bischofe / in seinem Schiffe / darinn er fuhr / eine schwartz-bedeckte Todten-Baar stünde: welche aber Niemand / ausser Ihr allein / sehen können. Die Bedeutung hat der 8te September selbigen Jahrs eröffnet: als an welchem dieser Herr seine Sterblichkeit erfüllet hat; nachdem die Nacht vorher /sein Leib-Pferd / im Stall / umgefallen und gestorben.

Eine adliche Jungfrau / zu Copenhagen / in Dennemarck / kunnte es allezeit / wann sie erwachte vom Schlaff / zuvor sehen / so offt Jemand aus ihrer adlichen Famili / er mögte sich gleich befinden / welcher Orten er wollte / sterben würde. Imgleichen / ob es ein Manns- oder Weibs-Bild wäre. Denn so es ein Weibs-Bild seyn sollte; erschien ihr dasselbe viel anderst / als wanns einem Mann galt.

Diese Edel-Jungfrau hat solches dem berühmten Medico / D. Thomæ Bartholini / in Gegenwart deß Königlich-Dennemärckischen Cantzlers / Christiani Thomæi / eines vortrefflichen Herrn / erzehlt / mit Versicherung / daß sie hierinn niemals gefehlt. Welches ihr auch jetztbesagter Cantzler gezeugt; Der sonst ein warhaffter Mann / und[397] Feind alles Aberglaubens gewest: weil er unterschiedliche Exempel hievon gewusst / da der Ausgang würcklich also daraus erfolgt ist. Sie hat aber daneben gemeldet / daß ihr sothane Gesichte schlechte Freude brächten / sondern sie vielmehr dadurch sehr geängstigt / gequält / und im Gemüt verwirret / würde; deßwegen sie auch gewünschet / solcher natürlichen und gleichsam ihr angebornen Eigenschafft / (wie es dieser Medicus nennt) befreyet zu werden. Daher / an der Glaubhafftigkeit dieser Gesichte / kein Zweiffel hafftet: bevorab / weil sie es nicht im Traum / sondern wachend / allezeit gesehn.

Ist demnach nicht gleich / für ein Mährlein / noch Aberglauben / zu schelten / daß manche Leute / wider ihren Willen / Gespenster sehen; manche gar keine: ob gleich solches nicht dem güldnen Sonntage beyzumessen / wie man insgemein irrig vorgiebt / indem man spricht / die Leute / welche Alles sehen / was Andren nicht erscheint / müssen güldne Sonntags-Kinder seyn.1

Von einer Wäscherinn erzehlt Diemerbroekius2 daß sie den Tod der Frauen deß Dimmeri de Raet, in einem Gesicht / vorher gesehn habe: indem / über dem Tabulat / in seinem Hause / bey der Thür der vordern grossen Schlaff-Kammer / sein Geist erschienen sey / ohne Kopff / mit den besten Kleidern angelegt / und den Thür-Schlüssel in der Hand gehalten mit solchen Geberden / als wollte er die Thür auffsperren.[398]

Diß Weib hat gleichfalls dabey sich vernehmen lassen / daß ihr solche Erscheinung der Geister gewöhnlich vorkäme / aber höchst verdrießlich und zuwidern wäre. Alle diejenige aber / derer Geist ihr ohne Kopff erschien / sturben / innerhalb wenig Monaten.

Vorgedachter Bartholini gedenckt hiebey / es finden sich / in seinem Vaterlande / derer Leute viel / da sie sonst mit keinem Aberglauben verstrickt / dennoch betheuerlich versichern / daß sie derer / welche sterben sollen / Gestalt (oder Gespenst) erblicken.

Fußnoten

1 D. Thom. Bartholini Hist. Anatomic. Contur 3. Histor. 58. p. 115.


2 De Peste lib. 4. Hist. 6.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 395-399.
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