XLV.


Der böse Junckherr.

[421] Um Eger lässt sich / auf dem Felde / nahe bey selbiger Stadt / nicht selten ein Gespenst / in Gestalt eines Manns-Bildes / sehen / welches die Leute den Junckherr Ludwig nennen: weil Einer deß Namens ehedessen da gelebt / und die Grentz- oder Marck-Steine deß Feldes betrieglich verruckt haben soll: weßwegen er /bald nach seinem Tode / (oder vielmehr der böse Geist / in seiner Gestalt) angefangen / umzugehen /und die Leute / durch seine Begegnung / zu erschrecken.

Zu unsren Zeiten / hat die Gewißheit solcher gespenstischen Erscheinung eine Jungfrau erfahren / wie ich / aus beglaubter Erzehlung Eines ihrer Befreundten habe verstanden. Dieselbe geht einsmals allein /vor dem Thor / in selbiger Gegend / die dieses bösen Junckers wegen so berüchtigt ist / und wie sie ungefähr an die Stäte kommt / wo der Marck-Stein / wie man sagt / verruckt seyn soll / wandelt ihr ein solcher Mann / wie ihr vordem mehrmaln das Juncker-Ludwigs-Gespenst beschrieben worden / entgegen / geht auf sie an / und greifft ihr / mit der Faust / in den Busem. Wovon dieser gleich aller schwartz worden /das Gespenst aber verschwunden.

Sie geht hierauf / in tieffster Entsetzung / heim / zu den Ihrigen / (deren Etliche noch am Leben / und diß Alles bezeugen spricht / Sie habe ihren Theil / und findet sichs / daß ihr die Brust aller erschwartzt[422] sey. Die / so dergleichen Schrecken einnehmen / werden gemeinlich lagerhafft / und todt-kranck / sterben auch wol gar darüber hin. Das ist auch dieser Jungfrauen wiederfahren. Denn die hat / noch selbigen Tags sich zu Bette / und am dritten hernach das Leben von sich / gelegt.

In dem Orientalischen Reussen / soll vormals / wie Petrus Gregorius1 berichtet / gleichfalls ein grausames Mord-Gespenst / zur Zeit der Ernte / in der Mittags-Stunde / durchs Feld herumgewandelt seyn / in Gestalt einer Leid-tragenden Witwen / und den Schnittern Arme und Beine zerbrochen haben; daferrn sie nicht gleich / so bald sie deß Gespenstes nur ansichtig worden / nidergefallen / und es angebetet.

Es wollen Einige dafür halten / daß solche Gespenster / so um den Mittage sich blicken lassen / in der Bosheit alle andre übertreffen. Und ist solche Meynung schon ziemlich grau. Origenes will / daß die Kinder deß frommen Hiobs / in der Mittags-Stunde /von dem Hause überfallen / und erdruckt worden: und sagt / daß deßwegen die Heiligen / weil ihnen solches bekandt / allezeit zu GOtt gebetet / Er wolle sie behüten / so wol für der Seuche / die im Mittage verderbet / als die im Finstern schleichet: (aus dem 91 Ps.) Denn wie bey finsterer Nacht-Zeit / also setzten auch /unter der Mittags-Zeit / die Teufel / mit ihren Versuchungen / am hefftigsten an.2[423]

Ich gläube aber / wer sich / so wol zu Mittags / als Morgens-Abends- und Nachtzeit / mit einem gläubigen Gebet verwahrt / der sey so wol dem Mittags- als Nachts-Teufel / und allen andren gnugsam gewachsen / und könne sagen / wie David: Wann sich schon ein Heer wider mich legt / so fürchtet sich dennoch mein Hertz nicht.3 Es muß aber der Mensch auch seines ordentlichen Beruffs warten / GOtt nicht versuchen /noch vermessen seyn / und auch im Stande der Gnaden erfunden werden: Alsdann wird ihn der Teufel wol gehen lassen / und sich so wenig an ihm / als wie an einem Engel / vergreiffen.

Fußnoten

1 De Republ. lib. 12. c. 20.


2 Autor Commentar. in Jobum, qui Origeni tribuitur.


3 Ps. 27.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 421-424.
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