V.


Die angelobte und erfüllte Anzeigung deß Zustandes nach dem Tode.

[17] Diese folgende Geschicht ist zwar / von gleicher Art /wie die beyde vorige; aber / wegen sonderbarer Umständen / noch denckwürdiger: und kann den ersten beyden zu mehrer Beglaubung gereichen; weil sie noch neuer / und auch selbst / durch viel ansehnliche Zeugen / beglaubt wird.

Zwo Personen von Condition lebten miteinander /zu Paris / in vertrauter Freundschafft / und waren gleichsam beyde ein Hertz; nemlich der Marquis, oder Marchgraf von Rambouillet, ältester Bruder der Hertzoginn von Montausier; und der Marchgraf von Preci, der älteste deß Hauses von Nantouillet, in welchem sich / unter andren ein Reichs-Cantzler befunden / der / unter der Regierung deß Königs seiner Zeit / bey Selbigem in so hohen Gnaden gewest / daß derselbe durch seinen Kopff / alle Befehle ließ ergehn /und ihm / mit einer unbeschnittenen Gewalt / das Regiment zu führen / erlaubte / auch endlich einen Kardinal-Hut ihm erlangte.[17]

Diese beyde Marchgrafen gingen in den Krieg: wie / in Franckreich gemeinlich Alles / was fürnehm / aus dieser blutfarbnen Ruhm-Quellen / Glück und Reputation zu schöpffen / bemühet ist. Wie nun der Krieg eine tägliche Schule und Lehrer der Sterblichkeit ist; ob gleich die wenigste / unter seinen Discipeln /drauff mercken: also veranlasste er auch einsmals diese beyde Hertzens-Freunde / zu einem Gespräch von den Sachen der andren Welt. Und nachdem sie davon mancherley Discurse geführt / daraus gnugsam erhellete / daß ihnen nicht Alles eingehen wollte / was man davon sagt; thaten sie einander die Versprechung / daß welcher unter ihnen am ersten stürbe / derselbige dem Andren / seinem guten Gesellen und Freunde /alsdann von dannen Zeitung bringen sollte: gaben auch einander darauff einen Handstreich / zum Pfandzeichen / daß sie ihr Wort halten / und solches Versprechens eingedenck seyn wollten. Hernach liessen sie diese Materie fahren / und fiengen an / von andren / gleichfalls ernstlichen / Sachen / zu reden.

Hiernechst verflossen zween oder wol drey Monaten / ohn daß sie weiter daran gedacht hetten / was sie einander dißfalls zugesagt. Unterdessen kam die Zeit /daß man ins Feld und zur Armee geht / herbey; und verreisete deßwegen der Marchgraf von Rambouillet, in Flandern: der Marchgraf von Preci aber musste zu Paris bleiben / bey einem Bader / Namens Dupin, in der S. Antonius-Gassen: allda ihn ein boßhafftes Fieber verarrestirte / und von dem Feldzuge abhielt. Wobey zu mercken dient / daß / bey solchen Badern /[18] mancher fürnehmer Cavallier losirt: wegen der guten /daselbst befindlichen / Gelegenheit und Bequemlichkeit.

Uber einen Monat / oder fünff Wochen / hernach /ward / früh Morgens um sechs Uhr / als der Marchgraf von Preci sich noch im Bette befand / gähling der Vorhang deß Bettes weggerissen: weßwegen sich der Herr von Preci herum warff / zu sehen / wer es doch wol seyn mögte / der den Vorhang weggezogen. Und sihe! da erblickte er den Marchgrafen von Rambouillet, der in Stiefeln und Sporen vor ihm stund. Er wollte demselben um den Hals fallen / und damit eine Freude über seine Wiederkunfft bezeugen: Jener aber wiech ein paar Schritte zurück / und sagte zu ihm / es wäre nicht mehr um die Zeit / daß man einander mit dergleichen Freundlichkeiten begegnete: Er käme jetzo nur allein deßwegen / daß er sich seines Versprechens / so er ihm gethan / mögte entbinden: Er wäre gestern Abends / in einem Scharmützel geblieben: Es sey nichts gewissers / noch warhafftigers / als dasjenige / was man hier / in dieser / von der andren Welt / sagte: darum sollte er bedacht seyn / sein Leben anders zu führen / weder er anjetzo noch thäte /und solches ja nicht auffschieben; sintemal dasselbe /bey dem ersten Treffen / drauff gehn würde.

Wie seltsam und fremd diese Rede dem von Preci vorgekommen / kann man leicht gedencken. Unterdessen kunnte er doch dasjenige / was er hörte / noch nicht gläuben: sondern bildete sich ein / sein guter Freund rede solches in Schertz / und aus Vexiererey: schwang sich derhalben zum Bette heraus /[19] um denselben zu umarmen; umfing aber anders nichts / als einē Wind. Und der von Rambouillet, da er sahe / daß er ihm nicht wollte gläuben / zeigte ihm den Ort deß Leibes / wo der Schuß hinein gegangen / nemlich in die Lenden / allda man noch das Blut sahe herab fliessen. Hernach verschwand er / und hinterließ den von Preci in solchem Schrecken / der nicht zu beschreiben. Dieser rieff nicht allein seinem Kammerdiener /der auff einem Kleiderkasten sein Lager hatte; sondern weckte auch / mit seinem Geschrey / das gantze Haus auff.

Der Author / welcher dieses / neben andren Sachen / erzehlet / als nemlich L.C.D.R. stund deßwegen auff / so wol / als die andre Haus-Genossen; um zu sehen /was es setzte: und gieng / nebst dem Hauswirth / Dupin, hinauf in seine Kammer. Da sagte er ihnen /was ihm wäre zu Gesichte gekommen. Sie schrieben solches Gesicht der Hitze seines Fiebers zu / welches noch immerzu anhielt: baten ihn er sollte sich wieder zur Ruhe legen / und sagten / es müsste ihm nur im Traum seyn also vorgekommen. Aber er vermeynte schier rasend drüber zu werden / daß sie ihn / für einen Träumer und Phantasien / ansahen: gestaltsam er / ihnen solchen Wahn zu benehmen / hierauf alle die Umstände erzehlte / welche wir vorhin gemeldet Das hörten sie so an / und liessen ihn reden / was ihm beliebte; blieben doch unterdessen / auff ihrer Meynung / so lange biß die Post aus Flandern anlangte. Als aber dieselbe den Tod deß Marchgrafen von Rambouillet, mitbrachte / und solche Umstände dabey auch verlauteten / dergleichen der Marchgraf von Preci ihnen hatte erzehlt; da begunnten sie / einander[20] anzusehn / und zu gläuben / es dörffte wol dem von Preci das / was er ihnen gesagt / würcklich erschienen seyn.

Diese neue und seltsame Begebenheit breitete sich /in der Stadt Paris / bald aus: Man hielt es aber für ein Mährlein / das man zur Lust ersonnen. Weil aber ein Jeglicher den Grund davon verlangte / ob etwas dran /oder nicht: empfing dieser Author mehr / als hundert Zetteln / und eben so viel Besuchungen von seinen Freunden / welche wussten / daß er / in selbigem Hause zur Herberge läge / und deßwegen hofften / er würde ihnen gewisse Nachricht davon mittheilen können. Ob er ihnen nun gleich solches auffs Beste kunnte versichern: blieb ihnen doch noch einiges Mißtrauen übrig / welches die Zeit allein ihnen kunnte benehmen. Denn man wollte noch sehen / was dem von Preci würde begegnen: in Betrachtung / daß demselben gedrauet war / er sollte / in dem allerersten Treffen / ums Leben kommen. Also gab ein Jedweder drauff Achtung / was es mit ihm / für einen Ausgang gewinnen / und ob solche Vorverkündigung wurcklich eintreffen würde.

Aber die Erfüllung bestetigte solches Alles / was man davon redete / nur allzu richtig. Weil sich unterdessen der einheimische Krieg / (wegen deß Kardinals Mazarini) erhub: entschloß sich der Marchgraf de Preci, dem Treffen bey S. Anton beyzuwohnen: ohnangesehn sein Vater und Mutter / welchen die Weissagung immerzu im Sinne lag / ihn / mit schier fußfälliger Bitte und Warnung / davon abzuwenden / sich bemüheten. Wie nun das Unglück insgemein Niemanden näher[21] zu seyn pflegt / als dem / welcher sich nicht dafür warnen lassen will / und seiner Eltern getreue Ermahnung verschmähet / auch der / so Gefahr liebt /leichtlich darinn umkommt; also ist auch diesem jungen Marchgrafen von Preci solches widerfahren: angemerckt / er / in selbigem Streit / sein junges frisches Leben eingebüsst / zu grossem Leidwesen seiner gantzen Familie: welche ihn / für einen güldnen Pfeiler achtete / der die Ehre ihres Hauses könnte unterstützen / und zwar viel besser / als der Andre / welcher nechst ihm folgte: denn derselbe hatte eine solche geheirahtet / die fast eben so schlecht von gutem Namen und Gerücht / als von Geburt und Vermögen / war.1

Meines Theils / schätze ich diese Erzehlung / für kein Mährlein: zumal weil der fürnehme Author / welcher sie schrifftlich aufgesetzt / ein schon gar hoch-alter Herr gewest / als er diese Abentheuer beschrieben / dazu auch auf viel ansehnliche Personen sich berufft / denen diese Geschicht bewusst / und dabey auch gedenckt / daß der Wirth / in dessen Hause solchs vorgegangen / damals / als er es / nebst andren Merckwürdigkeiten / zu Papier gesetzt / noch am Leben gewest. Allein was / von dem / in deß Marchgrafens von Rambouillet Gestalt erschienenem / Geist / zu halten sey / lässt man dem Urtheil deß christlich-klugen Lesers empfohlen seyn.

Fußnoten

1 Memoires de Mr. L.C.D.R. p. 417.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 17-22.
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