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Das übel-gesegnete Character-Mittel.

[452] Wer mit einer Kranckheit behafftet ist / der wird nicht hingehen / zu einem grimmigen Leuen / oder Tiger /und ihm / von ihren Klauen / den Puls fühlen lassen /noch ihrer Kur verlangen: weil er weiß / daß es reissende und grausame Bestien seynd / die ihn erwürgen / und verschlingen würden. Was ist denn verblendters und unbesonneners / als / daß ein Mensch /zu dem erschrecklichen höllischen Raub-Thier / dem leidigen Satan / dem heillosen und boshafften Ertz-Feinde menschliches Geschlechts / der wie ein brüllender Leu / mit einem unersättlichen Hunger / herumgeht / und sucht welchen er verschlinge / hingeht / um bey demselben Raht und Hülffe zu suchen? Gewißlich einem Leuen / der auf den Raub ausgegangen / verlangt Niemand zu begegnen: und diesem blut-dürstigem Würg-Engel / der alle Leuen und Bären / an Grimmigkeit / weit übertrifft / und dem gantzen menschlichen Geschlecht seine erste paradisische Glückseligkeit zerbrochen / trauen / und seines Rahts pflegen? will man Artzeney von demjenigen bitten /der lauter Gifft zu mischen gewohnt? und Lebens-Erhaltung suchen / bey dem / der den Tod in die Welt gebracht hat? Es ist eine Anzeigung / daß die / so solches thun / keine Kinder deß Liechts / sondern von der Nacht sind: sonst würden sie ihr Vertrauen von dem / der deß[453] Menschen Heil und Licht ist / nicht wegwerffen / zu dem Fürsten der Finsterniß / der deß Menschen Verderber und Verblender ist.

Gleichwie aber die / so ihr Gesicht verlohren / oder im Finstern wandeln / gar leicht den Kopff sehr übel zerstossen / oder zerfallen: also werden gemeinlich auch die / so den Satan / der im Schatten deß Todes herrschet / zum Doctor annehmen / an stat gehoffter Heilung / mit Verwundung / abgefertigt / und macht er ihnen / aus übel / viel ein ärgers. Wie man denn kein Exempel trifft / daß Jemanden seine Hülffe / ob gleich nicht alsofort / doch endlich mit der Zeit / nicht mehr geschadet / als genützet hette.

Gar offt erzeigt sich die böse Würckung auch wol gleich zur Stunde: wie ich / mit sehr vielen Fällen /solches beweisen könnte. Unter andren / erinnere ich mich / daß Leute sich / bey den Unholdinnen / um Heilung der Kopff-Schmertzung / oder der Haupts-Blödigkeit / beworben / und drüber gantz rasend worden.

Doctor Adamus von Lebenwald schreibt / in seiner Observation: Er sey einsmals / zu einem kranck-ligendem Abbt / beruffen; unterwegens aber / auf der Reise / ein Bauren-Jung vor ihn geführt worden / der fünffzehen Jahre alt / und sehr guter Leibs-Beschaf fenheit / aber seines Gesichts gäntzlich beraubt war. Man spührte gleichwol keinen Fluß; so empfand er auch keinen Schmertzen / und ereignete sich keine Macul oder Flecken; ausbenommen / daß die Augäpffel grösser und schwärtzer schienen.

Als nun ruhm-erwehnter Medicus, nach der[454] Ursach solcher entstandenen Blindheit / forschete; antwortete man ihm / es hette niemals dem Knaben was / an den Augen / oder am Haupt gefehlt / auch seine Eltern nichts dergleichen an sich gehabt; aber / vorm halben Jahr / wäre er / von einem Tertian-Fieber angegriffen: Dessen sich zu entledigen / er (Zweifelsohn auf der Eltern Geheiß) zu einem Jäger gegangen / der sich deß Kurirens dann und wann zu unterstehn pflegen. Wie dann viel solcher Leute / mit aberglaubischen Sachen / den Raht ordentlicher Aertzte zu übertreffen vermeynen / und bey gemeinen einfältigen Pöfel-Leuten weitlich aufzuschneiden gewohnt / wie glücklich und augenblicklich der und der / durch das leichte und geringe Mittel / so sie ihm gereicht / wiederum genesen sey.

Der Jäger hat dem Jungen (wie die Leute ferrner berichten) einen kleinen Zettel gegeben / mit gewissen Characteren bezeichnet / (womit er / viel Andre gleichfalls zu curiren / gewohnt) daß er denselben einschlucken sollte. Daraus dann unschwer abzunehmen / bey wem dieser saubre Jäger solche Medicin studirt habe; nemlich / daß er / mit abergläubischen Teufels-Künstlein / nach mancher Jäger Weise / sich beholffen / und deß Theophrasti schönem Raht gefolgt: welcher sich nicht entfärbt hat zu schreiben / wenn man den Teufel commandiren und zwingen könne /daß er / zur Artzeney / gewisse Characteren gebe; so soll mans / an stat eines Krauts / nehmen / und eben so kräfftig achten.

Es mag seyn / daß der Satan Einem und Andren /dem dieser Kerl dergleichen Characteren / wie Pillen /einzuschlingen / gerahten / dadurch geholffen /[455] hingegen das Ubel wiederum / seiner Weise nach / auf einen Andren / mit doppelter Verschlimmerung / geworffen: so ist es doch diesem armen Jungen häßlich mißlungen. Denn nachdem er kaum den Zettel hinab geschluckt; hat sich / in seinem Kopff / ein solches Getöß / und zugleich ein so starcker Klang / Sumsen und Gethön / erhebt / als ob alle Glocken der gantzen Welt / wie er sagte / ihm / vor seinen Ohren / geläutet würden. Und auf diese Verändrung ist / gleich alsofort / der gäntzliche Verlust seines Gesichts erfolgt. Ehren-gedachter Doctor von Lebenwald verordnete ihm solche Mittel / wodurch die Seh-Nerven / von der zugefallenen Feuchtigkeit mögten entladen / das Haupt aber / und die Augen / gestärckt werden mögten; aber vergeblich / und gantz umsonst. Hin war hin!1

Wann GOtt / der das Auge gemacht / einen Menschen / mit der Entäugung oder Blindheit / straffet /wird demselben keine natürliche Artzeney die Augen wieder aufthun; bevor sich der Göttliche Zorn / durch beharrliche Busse / in Gnade verwandelt. Welches geschicht / wann das innerliche Auge deß Gemüts seine Schau-Fehler redlich beweint: woferrn nicht / zur Straffe solcher begangenen Tod-Sünde / eine leibliche Blindheit / biß an den Tod / droben verhengt und beschlossen ist / damit der Geist sehend / und selig werde / auch denen Verführern / die ein solches armes Kind / zu einer so verdammten Kur / verleitet haben /der Verweis ihres schändlichen und verfluchten Rahts immerdar vor Augen stehe.

Fußnoten

1 Vid. Observat. CVI. Dec. 2. Anni 2. Ephemerid. Physico-Medicar. Germ. p.m. 261.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 452-456.
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