LII.


Die einbüssende Vermessenheit.

[459] Welcher Mensch / ohne GOttesfurcht / mit dem geschwornem Menschen-Feinde / dem Teufel / auffnimt / der begeht die allergröbste Unbesonnenheit / und ruchloseste Vermessenheit / und wird / mit der blossen Faust in eine Hechel / oder spitziges Messer /schlagen. Die es thun / seynd gemeinlich verwigt /und epicurisches Gemüts und erschrecken wenig für der Höllen: darum sie auch nicht glauben / daß der Teufel / als der höllische Geist / ein so erschrecklicher Leu sey / wie ihn der H. Geist beschreibt. Und solcher Unglaube verleitet Manchen / zu so verwogenem Frevel / daß er / ohn gläubige Anruffung GOttes / mit Gespenstern zu kämpffen / und zwar mit fleischlichen / oder irdischen Waffen / oder auch wol mit dem Teufel / zu kurtz weilen / und einen Schertz zu treiben /sich erkühnt.

Es gelingt aber solchen epicurischen Frevlern / und Versuchern GOttes / offt sehr übel. Viele derselben seynd / nachdem sie / ruchloser Weise / den Gespenstern auf die Haut (also zu reden) gegangen / mit grausamen Schrecken gähling geschlagen / und mit der hinfallenden Seuche oder andren Kranckheiten /oder auch wol gar / mit einem gähen Tode / betroffen worden.

Scherertzius schreibt / es sey bey seiner Lebzeit /auf einem gar festen Schlos / in Böhmen /[460] gar offt ein Gespenst erschienen / in Gestalt einer fürnehmen Frauens-Person / welche daselbst zuvor gelebt: und selbigem Gespenst sey / um der offtermaligen Erscheinung Willen / von den Hofleuten / ein besondrer Nam zugeeignet worden.

Es befand sich aber / unter den Schildwächtern /ein gottloser und versoffener Kerl; welcher / wann sich das Gespenst bey Nacht / sehen ließ / vielmals allerhand liederliche und eitle Reden führte. Weßwegen man ihn / zu unterschiedlichen Malen / warnete /er sollte solche unterwegen lassen / damit ihm nicht etwan ein Mal ein Unglück begegnete. Aber er verachtets: der Wein den er stets im Kopffe trug / gab ihm ein verwogenes Hertz / also / daß er / in seiner Toll-Künheit / verharrete / und bey Erblickung der gespenstischen Gestalt gar schlimme Worte zum Maul heraus warff.

Als nun die Gestalt / etliche Mal nacheinander /sich ihm ins Gesicht gegeben / und er seine vorige Flüche wiederholte; ermahnte ihn sein Kammerad /gleich wie vorhin / zur Gottesfurcht / Mässigkeit /und christlicher Bescheidenheit. Welche löbliche Erinnerungen aber dem nassen und verruchtem Tropffen ja so viel galten / als der Sauen eine Hand voll Rosen / oder Perlen. Ja er gab so wenig drauff / daß er vielmehr dem Gespenste gerad entgegen ging / und sich verlauten ließ / er wollte dasselbe in die Arme nehmen / und umfahen. Indem der Andre ihn zu halten sich bemühete / aber nicht gnug halten kunnte; stund das Gespenst still / vor ihren Augen. Da tratt er nahe hinzu / und umfing es / mit beyden Armen; empfing aber / zu[461] danckbarlicher Erkenntniß / eine so holdselige Gegen-Umfahung / daß er todt zu Bodem fiel.1

Wohin seine ruchlose Seele verfallen sey / steht leider gnugsam zu vermuten. Schwerlich hat sie ein andrer / uls eben dieser böse Geist / welchen er so freventlich in die Arme genommen / zu sich genommen /und eine betrübte Straffe geführt.

Was dieses für ein Schloß sey / sind man in den Miscellaneis historicis Regni Bohemiæ: darinn der Author / P. Bohuslaus Balbinus, vermeldet / es erscheine auff dem Schloß Perenstein / (oder Pernstein) in Mähren / ein jungfräuliches Gespenst: welches der Missionarius, Pater Johannes Drachovius, für eine rechte Jungfrau angesehn / und zur catholischen Religion bekehren wollen (massen wir solches /an seinem Ort / ausführlicher erzehlen.) Von eben dieser gespenstischen Jungfrauen / sey ihm dem P. Balbino, als er einsmals in selbigem Schloß ein Gast gewest / eine Geschicht erzehlt worden / die er aber von keinem so ansehnlichem (oder glaubwürdigem) Mann / als wie die erst-erwehnte / so dem Missionario begegnet ist / sondern nur von dem Thorwärter deß Schlosses / vernommen; nemlich es habe sich / im Anfange heutigen Sæculi oder Jahrhunderts / unter den Knechten Einer gefunden / welcher / nachdem er von Andren gehört / daß eine Jungfrau treflich-schöner Gestalt / bißweilen sich sehn liesse / geschworen /er wolle selbiger Jungfrauen / so bald sie ihm nur begegnete / einen steiffen Schmatzer recht aufs Maul geben / es möchte ihr gleich lieb oder leid seyn: Wie sehr ihm nun gleich die Andren solches widerrathen /[462] und / was für Gefahr drauff stünde / treulich zu Gemüth geführt; habe er sich doch nichts dran gekehrt /sondern seinen vermessenen Fürsatz / mit wiederholtem Eyd-Schwur / bekräfftigt: Nach wenig Tagen /sey ihm die Jungfrau / als er eben seine Haut tapffer voll gesoffen / bekommen / er auch gleich auf sie an-in ihre Arme gefallen / um ihr einen Kuß zu geben: Welches sie auch / dem Ansehn nach / nicht ausgeschlagen; aber ihr nicht jungfräulich / sondern gar gröblich und so hart und genau umfasset habe / daß sie durch solche Umfahung diesem unzeitigem und unglückseligem Buhler die Seele aus der Brust gepresst.2

Diesem nach hat der Schloß-Pförtner dem Pater Balbino keine zweifel-sondern glaubwürdige Begebenheit hieran erzehlt: sintemal / wie zuvor erwehnt worden / mit Scherertzii Bericht / als zu dessen Leb-Zeiten sie sich zugetragen / dieselbe bezeugt und besteifft wird. Denn ob gleich Scherertzius das Schloß in Böhmen versetzt / welches Pater Balbinus in Mähren stellet; bleibt es doch einerley Ort und Geschicht. Denn weil Mähren und Böhmen miteinander grentzen / und zwar sonderlich das Schloß Pernstein sich zu Böhmen nahet; hat es Scherertzius / zu Böhmen / gerechnet. Dem es vielleicht vor Scherertzii Zeit / auch wol / durch einen gewissen Vergleich / mag einverleibt / und nach seiner Zeit / durch eine Verändrung /wiedrum an Mähren gekommen seyn. Daß aber Beyde einerley Schloß bezielen / erhellet gnugsam / aus den Umständen. Denn Scherertzius[463] spricht / es habe einer fürnehmen und wolgebornen Jungfrauen Gestalt sich sehen lassen: Und Balbinus schreibt / Sie sey dem Pater Drachovio, in zierlichem Jungfrauen-Schmuck / erschienen. Scherertzius sagt / es sey ein gar festes Schloß (Est in Bohemia nostra arx munitissima, giebt er es / zu Latein:) Und Balbinus nennet es arcem celeberrimam cum amplissima ditione ein gar berühmtes Schloß / dazu ein grosses Stück Landes gehört. Aus dieser Nachricht / erfolgt eben so wol / daß Perenstein müsse ein festes Schloß seyn /wie / es beym Scherertzio gerühmt wird: Denn die Schlösser / denen eine weitläufftige Herrschafft (oder Länderey) anhängig ist / werden gemeinlich / mit festen Wercken versichert.

Hernach / so bescheinigts auch der Nam deß Schlosses Pernstein (denn also muß es / und nicht Bären-Stein / geschrieben werden) daß es ehedessen müsse zu Böhmen gerechnet worden seyn: angemerckt / das Wort Persten (oder Prsten) Böhmisch ist / und einen Ring bedeutet: Denn / vor Alters / hat das Geschlecht derer von Bersten / einen Aur-Ochsen /mit einem Ringe / in der Nasen / im Schilde geführt. Vor etlich hundert Jahren aber ist die Aussprache ihres Geschlecht-Nams endlich verübelt (oder verderbt) und für Persten oder Prsten Perenstein gesprochen worden.

Hiezu kommt auch dieses noch / daß Scherertzius /zu der Zeit / da er diese Geschicht / seinem Tractätleen von Gespenstern eingezeichnet / ein Pastor oder Prediger zu Tachau in Böhmen gewest: daher die Vermutung erstarckt / er müsse[464] von diesem Handel /guten Grund gehabt haben / dieses Schloß damals noch Böhmisch gewesen / oder darum / weil es an Böhmen stosst / insgemein zu Böhmen mit gerechnet seyn.

Also hat man nun nicht allein eines schlechten Schloß-Pförtners zu Pernstein / sondern auch eines gelehrten Manns / Gezeugniß / daß dieses kein Geticht / sondern warhaffter Verlauff sey. Der uns zum Beyspiel dienet / wie betrieglich der Satan die Häßlichkeit und Abscheuligkeit seines Zustandes und Zwecks wisse zu zieren.

Doctor Johannes Niderius / weiland ein Münch Prediger Ordens / welcher ums Jahr 1430 / geflorirt /gedenckt / in seinem Formicario, er habe / zu Nürnberg / Gegenwarts vieler Bischöfe aus Teutschlande /von Bischof Petern von Augsburg / erzehlen gehört /man habe um die Zeit / als der Hussiten-Krieg in Böhmen schier angehen wollen / gegen einem gewissen Thal / an den Böhmischen Grentzen / bey Nachtzeit / nicht allein ein Geschrey vieler / widereinander fechtenden / Reuter gehört; sondern auch offt die Reuter selbst / in Kleidern von allerley Farben / gesehn: Worüber einsmals in dem nechst dabey gelegenem Schloß / zween kühnē reisigen Knechten / die Lust angekommen / solchem Lärmen persönlich zuzuschauen / und sich also der rechten Gewißheit zu versichern. Gestaltsam sie sich deßwegen / bey Nachte /zu Pferde gesetzt / und dahin geritten: Bevor sie aber näher hinzu gelangt / hette sich der Eine gescheut /weiter hinbey zu reiten / und zu seinem Gefährten gesprochen: Wir wollen uns dran begnügen lassen /daß wir dieses gesehen. Ich mag diesen[465] Abentheuren nicht näher kommen. Die Alten haben zu sagen pflegen / man müsste / mit dergleichen /nicht viel schertzen: Der Andre aber habe seiner gespottet / und ihn / als einen verzagten feigen Men schen / verlacht; gleich damit sein Pferd angestochen /und sey den erblickten Nacht-Reutereyen / die er für eitel Schatten-Werck / und Spiegel-fechten geachtet /gar keck und unerschrocken entgegen geritten; Alsobald aber sey / aus dem vordersten Truppen / ein Reuter hervor gekommen / der ihm den Kopff weg gehauen / und darauff die Ruckkehr / zu seinem Truppen /genommen: Wie solches der Andre / welcher aus Furcht / ein wenig zurück geblieben war / gesehn /habe er sich auf die Flucht begeben / und / wie es seinem Kameraden ergangen / im Schloß angezeigt: folgenden Morgens wäre der entköpffte Rumpff / an der Stäte / da die Enthauptung geschehn; der Kopff auch /unweit davon / in demselbigen Thal gefunden / wo man bißhero die Reuter gesehn; doch aber keines Menschens Fußtapff / noch einiger Hufschlag / verspührt worden; sondern / an theils morastigen / und kotichten Oertern / nur einige Spuhr-Zeichen von Vögel-Klauen.3

Daß man / vor bedeutetem Hussiten-Kriege / solche falsche Reuter gesehen / ist allerdings glaublich. Was aber die gespenstische Enthauptung deß Reuters betrifft; will ich eben nicht versichern / daß nicht etwan das gemeine und nicht selten zu viel schwätzende Gerücht / mit der Zungen / dem Kerl einen so starcken Hieb gegeben / davon ihm der Kopff / in dem Sinn der Leicht-gläubigen / herab gefallen:[466] gleichwie ich eben so wenig gleichwol auch unfehlbar sagen kann / daß es ein Fehl-Streich oder Geticht deß Gerüchts sey gewest: Denn / wofern der freche und unbesonnene Reuter / der hinzu geritten / vorhin ein ruchloses Leben geführt; wie dann / unter den Reisigen / die Gottesfurcht selten daheim / sondern offt über Feld reiset; könnte GOtt dem Satan / dessen wütendes Heer ohne Zweifel solche nächtlich-streitende Reuter gewest / wol verhengt haben / diesen vermessenen Waghals zu enthälsen.

Sonst wird auch von einem Freyherrn / gesagt / der / in Oesterreich / ein Schloß an sich gehandelt / darinn ein Gespenst herum zu wandlen pflegen / in Gestalt eines alten Manns / der aber bishero Niemanden was Leides zugefügt; daß der Käuffer den Schluß gefasst /solchem Alten / so bald er ihn erblickte / eine tapffre Maulschellen zu geben. Welches er auch / mit grosser Resolution / in Gegenwart deß Verkäuffers (angemerckt / das Gespenst eben / indem sie beyde davon geredet / sich ein- und ihm recht an die Seiten gestellet / nicht anders als ob seine Person / bey dem Verkauff / gleichfalls interessirt wäre) verrichtet habe: Denn weil er sein Wort nicht umziehen / noch für erschrocken / oder furchtsam / angesehn seyn wollen /habe er sich / gegen dem Gespenste / umgewandt /und gesprochen: Alter! ich sage dir! weiche! oder ich gebe dir Eins fürs Ohr! Dessen ungeachtet aber / das Gespenst still gestanden / als wie Einer / ders erwarten will; weßwegen der Baron zugeschlagen; aber dafür diesen schlechten Danck bekommen / daß ihm das[467] Gespenst / mit seinen Klauen / oben auff den Kopff / einen Griff gethan / wovon er zu Bodem / und in tödtlichen Schrecken gefallen / also / daß er sich /in etlichen Stunden / nicht besonnen / und von den Umstehenden / mit allerley Krafft-Wassern / kaum wiederum ein wenig erquickt worden: Nach welcher Rache / der alte Bösewigt verschwunden / und mit solchem Gestanck / aus dem Schloß / Urlaub genommen. Wie / am 913 Blat meiner Ersten Schau-Bühne /dieses etwas umständlicher zu lesen seyn wird.

So erinnere ich mich auch / daß vor 18 Jahren / in einer gewissen Reichsstadt / Ihrer zween / mit der Latern / über einen geraumen Platz / da bißweilen ein Gespenst wandeln sollte / gegangen; denen eine weisse Gestalt / wie ein Weibs-Bild / mit verhülltem Angesicht / entgegen gekommen: dem der Eine / weil er gemeynt / es wäre eine feyle Schwester / die sich etwan / mit Jemanden / bestellet hette / unters Gesicht geleuchtet / und ihr dasselbe entdecken wollen; aber drauff / von ihr / gifftig angeblasen worden: wovon ihm nicht allein sein Gesicht alsobald ausgefahren; sondern er auch / in eine plötzliche Kranckheit gefallen / über das eine Zeitlang / an seiner Vernunfft /ziemlichen Einbuß erlitten.

Fußnoten

1 Scherertzius de Spectris Admonitione octava.


2 P. Bohuslaus Balbinus lib. 3. Miscellaneor. Bohem. p. 192. b.


3 Johann. Nider. lib. 5. Formicat. c. 1. fol. 335.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 459-468.
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