LIII.


Der Schwache wider den Starcken.

[468] Wann wir / mit Gottesfurcht / geharnischt seynd; ist der höllische Riese / gegen uns ein ohnmächtiges Kind / ja ein todter Hund / der zwar den Rachen weit auffsperret / aber nicht beissen kann; ein von dem himmlischen Simson erschlagener Leu / der nicht verschlingen kann; sondern sich / von einem Unmündlinge und Säuglinge / muß erschrecken lassen / und fliehen. Tritt aber der Mensch / ohne Glauben / und andre Rüstung / mit diesem Starcken / in den Kampff; so fordert gleichsam ein Kind den stärcksten Milo aus / zum ringen / und der Stroh-Halm den Eychbaum; das Papier den Marmel.

Daß der Satan ein mächtiger Geist / und durch leibbare Waffen nicht überwindlich sey / wird / in Heil. Schrifft / deutlich angezeigt / indem sie ihn einen Starcken / (beym Esaia am 53sten) und beym Hiob /wiewol fürbildlich / den Leviathan / und Behemot /auch durch den Mund Christi selbsten / einen starcken Gewapneten / einen Fürsten dieser Welt nennet / auch durch die apostolische Feder / die bösen Geister / Gewaltige / genennet werden / mit denen man nicht also / wie mit Fleisch und Blut / zu kämpffen habe. Gestaltsam uns auch deßwegen derselbige Apostel nicht auff irdische Kriegs-Gewehr / sondern auf geistliche /weiset /[469] wenn wir / von dem bösen Feinde / angefochten werden. Denn er recommendirt uns den Harnisch Gottes (nemlich das Göttliche Wort) und die Ergreiffung deß Glauben-Schilds / als mit welchen wir ausleschen können / alle feurige Pfeile deß Bösewigts:1 so wir nemlich ihm / durch Fürwurff göttlichen Worts /und eines gläubigen Gebets / Widerstand thun: als welches die rechte Donnerkeyle sind / so diesen ungeheuren Riesen können zerschmettern. Massen auch Jacobus keinen andren Widerstand versteht / wenn er uns zurufft: Widerstehet dem Teufel; so fliehet er von euch: nahet euch zu GOtt; so nahet Er sich zu euch.2 Zu GOtt nahet man sich / durch gläubige Anruffung. Denn der HErr ist nahe / spricht David /Allen / die ihn anruffen etc.3 Wo aber der HErr nahe ist / da muß der böse Feind weichen / fliehen /und sich entfernen.

Derhalben fehlen Diejenige gar gefährlich / und handlen sehr unweislich / welche dem Teufel Eisen und Stahl fürwerffen / oder mit pochen und schnarchen denselben abzutreiben / sich erkühnen. Auf GOtt und sein Wort / kann und soll man zwar / wider ihn pochen: aber ein solcher Pocher muß auch bey GOtt dem HErrn in Gnaden / und in einem guten Beruffe stehn / daß er auf sein Amt / pochen könne. Wer hingegen einen faulen Schuncken im Saltze hat; dem steht nicht besser zu rahten / er fliehe / wann der Satan ihn anficht /[470] behände zu GOtt / mit einem bußfertigen Seufftzen / und widerstehe alsdenn dem Satan getrost / in Glauben. Wer sich aber / auf sein eigen Hertz / verlässt / den erklährt die Heil. Schrifft / für einen Narren / und der Satan / wann er nicht gar / ihm den Hals zubrechen / Erläubniß von oben hat / agirt und vexirt ihn etwas / indem er sich für ihm erschrocken stellt.

Etlichen ist es aber übel bekommen / die / ihrer Hertzhafftigkeit zu viel getraut / und diesem grausamen Feinde eine blosse menschliche Entschliessung oder Großmütigkeit entgegen gesetzt: Sie sind entweder beschädigt / oder wol gar erwürgt / oder wenigstens spöttlich zu dem Hasen-Marsch getrieben worden.

Zu Leipzig lebte / vor einigen Jahren / ein gelehrter Doctor der Artzeney. In demselben war gar keine Furcht für Gespenstern: daher er / ob es gleich / in etlichen Zimmern seines Hauses / sonderlich bey dem Privet / nicht heimlich / sondern an einem so unsaubren Ort der unsaubre Geist sehr geschäfftig war /dennoch es Alles für nichts achtete. Einsmals / da es allbereit tunckel worden / erinnerte ihn die natürliche Leib-Erleichterungs-Nothdurfft eines Abtritts an gemeldten Ort: weßwegen man ihn mit dem Licht begleiten wollte: welches er aber nicht gestattete / noch mit sich in den Gang hinein nahm.

Vielleicht hat er / durch allzugrosse Künheit / GOtt versucht / ohne Noth / sich in die Finsterniß / im Finstern / gewagt / um den Leuten im Hause seine Hertzhafftigkeit zu beweisen: sintemal / aus dem betrübtem Erfolge / solches schier erscheinen[471] will. Denn nachdem man lange Seiner gewartet / und endlich aus Besorgung / es dörffte ihm ein Unfall begegnet seyn /nach ihm gesehn; hat man ihn in tieffer Bestürtzung angetroffen. Das Gespenst hatte ihm / auf dem heimlichen Gemach / angegriffen / und hefftig gedruckt. Darüber er so sehr erschrocken / daß er davon kranck worden und den Tod genommen. Welches mancher Gespenst-Verlacher / der gar nicht glauben will / daß es Gespenster gebe / zu mercken hette.

Mit nicht geringerer Gefahr / doch gleichwol noch mit dem Leben / ist anderswo Keptelin / ein damals angehender junger Kriegsmann / davon gekommen. Dieser / der nunmehr / unter einem fürnehmen gekröntem Haupt / ein ansehnliche Kriegs-Stelle bedient / wollte den Krieg / von Grund auff / lernen / um dermaleins den Ruhm seines Vaters / der / nach langjähriger und ansehnlicher Bedienung unterschiedlicher hohen Häupter im Felde / zuletzt / für die Christenheit / sein Blut ritterlich vergossen hatte) zu ersteigen: Weßwegen er / die untere Stafeln nicht gleich zu überhupffen / wünschte: zumal / weil seine Jugend ihm auch noch keine erhabenere verstattete. Also gab er einen gefreyten Corporal damals ab / als er eins /von Weingarten nach Heidelberg / gehend / sich verspätete / und das nechste Thor schon geschlossen antraff. Welches ihn bewog / einen Umweg / nach einem andren Thor / zu nehmen: in Hoffnung / selbiges mögte vielleicht noch offen seyn.

Indem er derhalben / aus aller Krafft / langst dem Graben / fort eilet; höret er Jemanden / zu Pferde / gar schnell und starck hinter ihm hertraben:[472] und / weil er vermutet / derselbe Reuter gedencke etwan auch noch in die Stadt / schauet er sich um / und sihet Einen /auff einem weissen Pferde / immer näher kommen. Endlich / da es schien derselbe wäre ihm nunmehr nahe am Rücken; wendet er sich um / und wird gewahr / daß es ein schwartzer Kerl / aber ohne Kopff /sey. Weil derselbige nun ihm hart auff den Leib drengete / und dazu / an einem solchen Ort / da Er so behände nicht ausweichen kunnte; überdas auch die Bestürtzung ihn / als der leicht merckte / es müsste kein natürlicher Reuter seyn / eingenommen hatte: riß er von Leder / und warf dem falschen Reuter die Spitze vor.

Der Kopff-manglende Kerl verliert sich zwar hierauff augenblicks ihm aus dem Gesicht: hingegen aber umfasst den Reptelin ein starcker Wind / der / ihn in den Graben hinab zu stürmen / trachtet. Er thut sein äussertes hingegen / und strebt / mit aller Macht / zurück. Zuletzt wird ihm der Hut vom Haupt gerissen /und in den Graben geworffen; er selbst aber / bey den Haaren gleichsam erfasst / und in etwas wie erhöhet. Damit hatte das Streben und Widerstreben ein Ende.

Hierüber kommt ihn noch viel hefftigers Grauen und Entsetzen an: also / daß er den Graben verlässt /und auf das nechste Dorff zuläufft: da man ihn / als einen vom Gespenst erschreckten / mit einigen Sachen gelabt / und die Nacht über beherberget.

Die jungen Soldaten können jemaln etwas mehr /als beten / oder seynd sonst bisweilen gar zu mutig /und keine Engel: daher lagert sich[473] auch nicht allemal der Engel deß HErrn um sie her. Gleichwol muß Reptelin noch / als ein junger feiner Mensch / im Geleit eines guten Engels / gegangen seyn: sintemal ihn sonst der schwartze Reuter besorglich selbsten / an stat des Huts / in den Graben würde hinab gestürtzt haben.

Dieses ist mir / von dessen nahen und glaubwürdigen Verwandten / mehr als einmal / erzehlt / mit Bericht / daß ihm / von Jugend auff / die Gespenster sehr gefähr gewest / und zugesetzt. Dessen auch noch ein andres Exempel dabey ward angeführt / so ihm / da er noch ein Knabe / ungefähr zwischen 15 und 16 Jahren gewest / widerfahren: nemlich / daß er / von etlichen besuchten guten Freunden / spät / doch bey hellem Mondschein / heim-gehend über einen Kirchhof /einen ziemlich grossen Hund erblickte / der von der Kirchthür herkommend / ihn zwerchs vorüber lieffe. Er / der sich zwar / verwundert / daß der Hund gleichsam aus der Thür hervor gekommen / doch gleichwol nichts Ungleiches vermutet / lockt denselben zurück; in Meynung / es sey ein rechter Hund.

Derselbe kehrt auch gleich wiederum / laufft auff ihn zu / und will ihn mit Gewalt anfallen. Er stosst von sich / und will ihn mit seinem in der Faust habendem Spatzier-Stäblein / von der Haut halten; biß sich der Hund / in eine abentheurlich-grosse Katze / verwandelt. Welche ihm gleichfalls zusetzt / alles Widerstands ungeachtet / hinterwerts auffspringt / und sich auff seinen Nacken wirfft / wie eine schwere Bürde. Wie sehr er sich nun gleich bearbeitete / sie herab zu schütteln: fehlte doch alle seine Bemühung. Sie bezahlte[474] ihm das Umsich-schlagen der Hände / mit ihren Tatzen / so reichlich / daß seine blutig-zerkratzte Hände und Wangen / in vielen Jahren / die Mahlzeichen behielten.

Mit solcher Angst- und Schrecken-Last / musste er fast biß in die dreyssig oder viertzig Schritte / wo nicht weiter / sich schleppen. Endlich da er spührte /daß er / mit seinem schütteln und schlagen / nichts richtete / sondern nur eine schädliche Rache damit beforderte; hub er an / das Vater Unser zu beten: und nachdem er solches ausgebetet / fiel ihm die Katze vom Halse. Worauff er / wie ein flüchtiges Wild /heim flohe / zu den Seinigen. Denen seine Erblassung eher / denn die Rede / anzeigte / es müsste ihn ein Schreck betroffen haben: Weßwegen sie ihn alsofort angestrichen / und zur Ruhe gebracht. Nachdem dieser Reptelin hernach dem Kriege lange nachgezogen /ist die wahre Gottesfurcht von ihm ausgezogen / und er ein übler Christ worden.

Johannes Niderius / weiland ein Doctor der Theologiæ / und Prediger Ordens / der ums Jahr Christi 1430 / geflorirt / gedenckt unter Andren / es habe / in seiner Gemein / ein krancker Mahler sich befunden /welcher mit dreyerley Gebrechen verletzt worden: Von Farben habe er einem Todten gleicher / als einem Lebendigen gesehn; am Gehör sey er halb taub / und auch mit der Zunge nicht fertig / sondern ein Stammler gewest.

Als besagter Niderius / von solchen seinen Gebrechen / und daß solche ihm ein Gespenst verursacht[475] haben sollte / vernommen; hat er diesen Mahler besucht / und sich den rechten Verlauff erzehlen lassen. Welchen ihm dann derselbe / mit diesen Umständen beschrieben.

Als ich / sagte er / eins Mals / in meiner Jugend /mit etlichen guten Gesellen / gegen Abend / in einem Wein-Hause / gezecht; ging ich hernach / bey Nacht /allein über Feld / mit meinem Degen an der Seiten /und eilte auf einen Meyerhof / (oder Fuhrwerck) zu. Da ich nun zwischen den Weinbergen war / schienen mir etliche schreckliche Gestalten / nicht zwar auff der Landstrassen / sondern neben dem Wege her / entgegen zu kommen: Weßwegen ich / von jugendlicher Unbesonnenheit / und Wein erhitzt / aus dem Wege sprang / meine Fuchtel heraus riß / gegen dem Ort deß Gespenstes einen Streich über den andren / führte / und doch Nichts traff / auch Niemanden / den ich treffen könnte / mehr vor mir sahe. Indem ich aber solche Lufft-Streiche that / fühlte ich / daß weiß nicht was für eine Lufft durch mich fuhr: durch welche ich gleich alsofort angesteckt / und mit diesen Gebrechen / die ihr an mir sehet / behafftet ward.4

Fußnoten

1 Ephes. 6. v. 16.


2 Jacob. 4. v. 7. 8.


3 Ps. 145. v. 18.


4 Johann Nider. in Formicar. lib. 5. c. 1. fol. 335.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 468-476.
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