LVI.

Die unheimliche Wüsteney.

[491] Daß der Teufel sich gern / wie an andren einsamen /öden und verstöhrten Oertern / also auch gleichfalls in den Wildnissen und Wüsteneyen / sehen lasse / lehrt die Erfahrung derer / welche / durch wühste und unbewohnte Wildnissen / bißweilen reisen. Solches deuten Etliche also / gleich wäre ihm wol dabey / und liebte er solche rauhe und unfreundliche Gegenden / als ein melancholischer Traur-Geist / vor andren Plätzen. Aber ich halte dafür / stünde es in seiner Gewalt / er bliebe nicht lange in der Wühsten / oder in einem wühsten und zerbrochenem Schloß; sondern setzte sich lieber / bey den meisten Hofstäten / mitten an die Tafel / in sichtbarer Gestalt: imfall ihn nur sein eigener arglistiger Zweck nicht auch nur selbst daran verhinderte: welcher dieser ist / daß er die menschliche Seelen fahe. Weßwegen er sie lieber / in geheimer unvermerckter Gegenwart / mit Sicherheit körnet / weder mit offenbarer Gewalt erschreckt. Denn er hat seine Stricke[491] ins Verborgen gelegt; wer kann sie sehen?

Ich gläube / die bösen Geister haben ungern ihren Aufenthalt / in den Wüsteneyen; und werden gemeinlich darein / von den Engeln / gleichsam gebunden; wie der Eh-Teufel Asmodi / von dem Engel Raphael; bißweilen auch wol / um der Menschen Bosheit willen / ihnen heraus zu gehen / verhengt und erlaubt.

Jedoch zweifle ich gleichwol daneben auch nicht /daß sie vielmals sich / auf eine Zeitlang / freywillig hinein begeben; nemlich alsdann / wann sie mercken /daß Jemand / durch solche wuhste / oder abgelegene Oerter / allein / oder mit einem furchtsamen Gefährten / ziehen will: da sie dann alsofort / in einem Augenblick / ihm / auf hundert Meilen / nachfahren können /wie ein Blitz / und im Nu mitten / in derjenigen Wühsten seyn / da er durchziehet. Und solches geschicht /meines Vermutens / von solchen Geistern / welche insonderheit auf eine gewisse Person acht haben / und lauren / wie sie derselben einen Tuck erweisen / oder zum wenigsten etwas zuwidern thun mögen / aus feindseliger Rachgier; sollte es auch nur gleich / in einer blossen Schreckung / oder Bangmachung / bestehen. Denn daß die böse Feinde nicht nur allen Menschen insgemein nachstellen; sondern auch auf jedweden Menschen absonderlich mercken / und genau allen seinem Wandel nachspühren; lehrt uns GOTT selbst / da Er zum Satan spricht: Hast du nicht Acht gehabt / auf meinen Knecht Hiob?[492]

Oder sie lassen ihnen manches Mal auch wol darum eine Wüsteney / vor andren Stäten / wolgefallen; weil daselbst der Mensch / durch Raub / oder Mord / oder andre Unglücks-Fälle / gar leicht Schaden nehmen / und nicht so leicht Hülffe erlangen kann / als wie an bewohnten Orten; darüber sie sich dann höchlich ergetzen. Oder; weil sie selbst / durch Verführung in abwegige / irrsame / rauhe / und ungebähnte Hecken / und Moräste / ihn in Noth und Gefahr zu bringen / hoffen. Oder; weil etwan an dieser /oder jener Stäte eines Waldes / oder Gebirges / eine Niderlage / Ableib / oder Ermordung / schon vor langen Jahren / geschehen / auf ihr mördliches Eingeben: darüber sie noch / lange Jahre hernach ihre Freude haben. Denn der Satan ist ein Mörder von Anfang /und freuet sich / Böses zu thun / oder anzustifften: derhalben er die Stäte oder Gegend / da ihm solches gelungen / und / auf sein Anspinnen / ein Mensch umgekommen / nicht anders / als wie seinen Triumph-Platz / betrachtet / und keine Zehren darüber / wie Julius Cæsar über die Erschlagene / fallen lässt; sondern darüber frolockt; bey seinen verdammten Mit-Genossen / sich auch gar breit und groß damit macht /als ein ruhmsüchtiger Geist. Oder er entweicht auch vielmals wol / mit Fleiß / in die Wühsten / freywillig /aus Verdruß und Unmut / über den Verlust eines entweder geist- oder leiblich-besessenen Menschen / daraus er / durch Gebet und Busse / vertrieben worden. Denn das kräncket ihn viel härter / als den Türcken /wann er eine Haupt-Festung / oder grosse Schlacht /verlohren. Er schämt sich / für[493] seines gleichen Gesipp / für andren verfluchten Geistern / daß er / mit Schanden / weichen müssen; so wol / als für den heiligen Engeln: die seiner alsdann gleichsam lachen / und spotten: Gleichwie ein verleumderischer Kläger und Diffamant / wann er / im Gericht / zu schanden worden / und mit seiner Klage ab- ja wol gar der Stadt verwiesen / nicht gern / seinen Feinden und Freunden zum Spott / in der Nähe mehr herum geht / sondern die Ferne sucht: damit seine Schande ausgelescht /und seiner vergessen werde. Nicht weniger treibt ihn /ohne dem / dazu das Gebet / und gottseliges Christenthum etlicher frommer Leute / dafür er nicht stehen kann / auch nicht / in selbiger Gegend / bleiben mag /um solchen Greuel (wie / in seinen Augen / die wahre Gottesfurcht ist) nicht länger anzusehen.

Denn wo die Karte patscht / das Ronda schallt /Hagel und Donner / unter tausend Sacramenten / blitzen / zancken und hadern / rauffen und schlagen /schmeissen und beissen / neiden und affterreden /huren und buben / fressen und sauffen / leichtsinniges tantzen und schauspielen / geitzen / schinden und schaben / stoltziren / und dergleichen / im Schwange geht / da hat er seinen Freuden- und Tummelplatz. So aber daneben etwa / in selbiger Stadt / mancher lebendiger Tempel GOttes ist / und wider deß Satans Reich / mit den Waffen deß Lichts / bevorab mit dem sieghafftem Gebet deß Glaubens / streitet / durch tägliche Anruffungen und Seufftzer um die Zerstörung der Wercke deß Teufels; nimt er / aus grossem Widerwillen und Eckel / bißweilen gern seinen Abscheid[494] aus einer solchen Gegend / durchwandert dürre Stäte / und sucht daselbst / für seinen schwürigen / Neid-eitrenden / gifftigen Mut / Ruhe.

Mehrentheils aber geschichts / ohne Zweifel / Gefängniß-weise / daß manche Teufel / in den Wühsten und Wildnissen / ihren Aufenthalt haben: weil sie allda / durch Göttlichen Befehl / vermutlich / eine Zeitlang / eingesperrt leben / und weiter nicht kommen dörffen. Weßwegen sie daselbst alsdann mehr regieren / und den Wandrer erschrecken / als anderswo.

Nach mutmaßlicher Entdeckung der Ursachen solches ihres Aufenthalts in den Wildnissen; ziehen wir die Erfahrungen nun auch herbey.

Als der Admiral Adrianus Patritius, von dem Constantinopolitanischen Keyser / mit einer Kriegs-Flotte / abgeschickt war / die Stadt Saracosa in Sicilien zu entsetzen / und durch Ungewitter getrieben ward / in einem Peloponnesischen Hafen / welchen man den Habichts-Hafen nannte / einzulauffen / auch / durch widrigen Wind / daselbst etliche Tage verarrestirt lag; erfuhr er / von den Vieh-Hirten selbiger Gegend / besagte Stadt Saracosa wäre bereits über. Nun war solches / natürlicher Weise / zu wissen / wegen weiter Abgelegenheit solcher Stadt / unmöglich. Derhalben wollte er den Grund von ihnen haben / woher sie solches hetten: und erfuhr darauf / daß sie es / von den Gespenstern / so in der Wildniß sich aufhielten / verstanden. Denn / wie Curopalates erzehlt / der Ort /wo die Keyserliche Flotte vor Ancker lag / und den man die Pfütze (oder den[495] Pfuhl) hieß / war / zu beyden Seiten / sehr dick bewäldert: und daselbst hörten die weidende Hirten / einsmals in der Nacht / daß die böse Geister miteinander redeten / Saracosa wäre gestern erobert / und geschleifft. Welches die Hirten gar bald ausgebreitet / also daß das / von Einem zum Andren lauffende / Gerücht endlich auch vor den Admiral kam. Welcher / nachdem er die vorgeforderte Hirten darum befragt / und dieselbe es ihm bestetiget hatten / Verlangen empfunden / solches / mit seinem eignem Gehör / zu erlernen. Gestaltsam er deßwegen auch / nach dem Ort / sich hinführen lassen / und die Gespenster gefragt: Welche geantwortet / es sey nicht anders / Saracosa sey übergangen.1

Diese Wissenschafft haben die Gespenster keines Wegs in sich selbsten gehabt / als wären sie allwissend gewest; sondern / durch Communication anderer Geister / welche entweder über Meer zu ihnen gefahren / und ihnens verkündigt haben; oder / durch etliche ausgeschickte Kundschaffter aus ihrem Mittel. Denn sie sind schnelle Geister / die den Wind weit übertreffen / und einen Augenblick in der Geschwindigkeit überwinden / ja mit unsren Gedancken dergestalt wettstreiten / daß sie / meines Vermutens / eben so schleunig / als wir mit einem Gedancken / von einem fernem Ort zum andren / fliegen. Denn ob sie gleich bißweilen wol etliche Stunden Frist begehren /wann sie den Wahrsagern etwas / aus einer Ferne von etlichen hundert Meilen / entdecken[496] sollen; wie / bey den Lapponischen Pauken / geschicht: rührt solches doch / aus andren Ursachen / her; nemlich weil sie zuvor andre Geister / so in solcher Ferne herumflattern / drum vernehmen müssen / und auch selbige dennoch nicht allemal solches gleich wissen / sondern deßwegen auch wiederum / von andren / erst sich eines Berichts erholen müssen. Insonderheit aber geschicht solche Verweilung hauptsachlich darum / daß derjenige / so den Wahrsager befragt / glauben möge /deß Warsagers Geist sey gewiß / am begehrtem Ort /indessen gewest. Zudem braucht der Geist auch ein Mal mehr Mühe / als das andre / daß er der Phantasey deß entzuckten Wahrsagers die Vorstellungen recht eindrucke.

Man lieset beym Plutarcho, aus welchem es auch Eusebius Cæsariensis2 angezogen / daß / hinter Britannien / viel wühste Inseln gelegen / deren etliche /mit bösen Geistern / angehäufft / welche daselbst Sturm und Platzregen erregt / und den Leuten / so etwan dahin gerathen / allerley Blendungen vorgemacht hetten.

Bey einer unter den Echinadischen Inseln / soll sich / wie genannter Plutarchus zeuget / diese Abentheuer zugetragen haben. Als deß oratorischen Professors Æmiliani Vater nach Italien geschiffet / und zwischen gedachten Echinadischen Inseln der Wind sich gäntzlich gelegt / seyen sie / zu Nacht / bey Paxis angelangt: und / indem die gantze Schifgesellschaft allerdings wachte / hat man / aus der Insel Paxis (Paxis ist aber eine Insel im[497] Ionischen Meer / oder vielmehr zwo nahe beysammen grentzende Inseln / so man heut Pacsu und Anti-Pacsu nennet) eine starcke Stimme gehört / die dem Aegyptischen Schiffer / Thamno, mit Namen geruffen.

Da nun Männiglich die Ohren scharff spitzte / um zu vernehmen / was solches Geschrey bedeutete / und selbige Stimme doch immermehr vorbringen würde /ließ sie sich abermal hören / und zwar mit diesen ausdrücklichen Worten: Thamne! wann du wirst bey dem Mæotischen Meer-Pfuhl seyn; so zeig es an /daß der grosse Pan gestorben sey.

Hierüber seynd sie allesämtlich sehr erschrocken. Der Schiffer (oder Steuermann) aber hat dasselbe /was ihm die Stimme befohlen / ausgerichtet / und / als sie / bey benanntem See-Pfuhl / angelangt / über das Schiff-Bort hinab / ins Wasser sehend / mit lauter Stimme dasjenige / was die Stimme von ihm hatte begehrt / ausgeruffen; nemlich dieses: Der grosse Pan ist gestorben! Worauf man alsofort gleichsam viel /und zwar unzehlich viel Leute / seufftzen gehört / mit grosser Verwunder- und Bestürtzung Aller / die sich auf dem Schiffe befunden.

Wie sie nun endlich nach Rom gekommen; ist solches / beym Keyser Tiberio, erschollen: welcher darauf diese Leute vorfordern / und abhören lassen. Die ihm solches einhällig beglaubt haben; also / daß er sich deßwegen sehr hat darob verwundert.[498]

Von vielen Geistlichen pflegt diese alte Geschicht gedeutet oder wenigstens applicirt werden / auf die Scheidung deß HErrn Christi am Kreutze: weil es /wie man vermeynt / um die Zeit seines Leidens und Sterbens / oder vielmehr in der Nacht / nach seinem Scheiden / sich begeben: in Betrachtung / daß Pan zwar für einen Hirten-Götzen / von den Poeten / ausgegeben worden; die Philosophi aber Dominum universitas, den HErrn aller Dinge / darunter verstanden.

Ich schätze aber gar nicht für glaublich / daß GOtt / auf solche tunckle Weise / durch gute Engel / die Scheidung habe den Heiden wollen verkündigen lassen / und zwar unter dem Namen eines heidnischen Abgotts. Daß die böse Engel so ehrerbietig / von dem gekreutzigtem HErrn / sollten geredet haben / Magnus Pan mortuus est, der grosse Pan ist gestorben; gläube ich noch weniger: Es mögte dann / dieser arglistiger Meynung von ihnen geschehn seyn / daß die Wunder der Sonnen-Finsterniß / und deß Erdbebens / so zur Zeit deß Leidens und Sterbens Christi geschehen; weil sie weit und breit erschallen / und ruchbar werden dürfften / mögten in einen Mißverstand / bey den Heiden / verfallen / und nicht für eine Bezeugung dessen / daß der HERR aller Herren gestorben / sondern daß der Hirten-Götz / Pan / verblichen / aufgenommen werden.

Es gefällt mir auch nicht übel die Ausdeutung /welche ein Römisch-catholischer Scribent drüber verfügt; nemlich weil die Teufel / und Fürsten der Finsterniß / ihre / vor Christi Geburt / in der Welt ausgebreitete / Herrschafft / Ansehn /[499] und Großmachung /nach der Menschwerdung und Kreutzigung Christi /gewaltig eingebüsst / und sie / von dem Fürsten deß Lichts und Lebens / im Triumph gefangen geführt worden; so hetten sie sich lieber für sterblich und würcklich-gestorbene / als für bezwungene geachtet wissen wollen. Massen dann Plutarchus diese Geschicht deßwegen anziehet / daß er den Wahn / als ob etliche Götter / zumal die Fauni, Satyri, und Panes, sterblich wären / und zuletzt mit Tode abgingen /mögte bestetigen.

In der Asiatischen Tartarey / ligt / zwischen Ost und West / eine grausam-grosse Wildniß und Wüsteney / so man / nach der Stadt Lop / die Wüste Lop nennet. In selbiger Wüsten findet man weder Laub noch Gras; sondern einen unfruchtbaren traurigen Boden / welcher sehr bergigt / und an denen Orten /wo er eben / mit Sande so tieff bedeckt ist / daß man dadurch waten muß. Und weil sie also / mit keiner Weide / versehn; wird sie auch / weder von Thieren /noch Menschen / bewohnt.

In solcher entsetzlichen Wüsten / sihet / und hört man / bey Tage / und noch viel öffter / zu Nachts /mancherley Teufels-Gespenster. Dannenhero sich die reisende Handelsleute sehr wol müssen fürsehn / daß sie nicht zu weit von der Gesellschafft abweichen /vielweniger Einer allein / von denen Ubrigen / sich abreisse / oder etwas ferrn zurück bleibe. Denn wann Jemanden die Hügel und Berge seinen Gefährten aus dem Gesicht gebracht; so wird er sie nicht leichtlich wieder finden: Sintemal allda die bösen Geister der[500] Stimme der voraus gehenden Gefährten nachaffen /dem zuruckgebliebenem damit ruffen / und zwar bey seinem Namen. Wodurch er dann / vom rechten Wege ab- und ins Verderben verleitet wird.

Vielmals lassen sich daselbst / in der Lufft / Trummel und Heerpauken / bißweilen auch musicalische Instrumenten / hören. Weßwegen diese Wüste überaus gefährlich ist zu reisen.3

Daß die böse Geister bißweilen gern / in öden und wühsten Oertern / hausen / aus einem Abscheu für dem Gebet und frommen Wandel etlicher Christen /schliesst man nicht unfüglich auch hieraus / daß sie /wann heilige und gottselige Leute sich an dergleichen Oertern / um daselbst desto unverhinderter GOtt zu dienen / wohnhafft nidergelassen / aus Feindseligkeit und Haß selbige Gegend quitirt haben.

Dessen giebt Beda ein Beyspiel / in seiner Engländischen Histori. Die Insel Lindis war eine Behausung vieler bösen Geister / zudem ungebaut / von allen Bäumen / Früchten / und andren Gewächsen / gantz ungeehrt /4 überdas gantz arm und Mangel-reich an Wasser. Als aber der gottsfürchtige Cudberecht dahin gezogen; um daselbst ein streng- und heiliges Leben zu führen: seynd gegentheils die Teufel hinaus gezogen / und anderswohin gewandert. Denn wie[501] ein guter kräfftiger Geruch / und häßlicher Gestanck / einander vertreiben; also werden die verfluchte Geister verdrungen / wo fromme christliche Seelen hinkommen; es sey dann / daß zu Bewehrung ihres Glaubens / standhafften Vertrauens / und Unterhaltung der Gedult und Demut / bißweilen die boßhaffte Gespenster / an dem Ort / wo ein Gottsfürchtiger lebt / auf GOttes Verhengniß / noch eine Zeitlang beharren. Es ist hierauf / nachdem die unreine Geister das Land verlassen / selbiges / von den Knechten GOttes / bewohnt / gebauet / und / auf ihr fleissiges Gebet / mit gesunden Spring-Quellen / und Früchten / gesegnet worden.5

Manches Mal begiebt sich aber auch wol das Widrige / nemlich / daß / wie allererst gesagt / die Teufel solche Oerter / da sie bißhero ihr Bleibens gehabt /nicht gleich verlassen; sondern noch wol ärger / eine Zeitlang / bewüten / und sich gewaltiglich sträuben /wider Gott-ergebene Einkömmlinge: ob sie gleich denselben nichts angewinnen können / sondern auch allerdings alsdann / wann sie zu gewinnen scheinen /verlieren / und / wann sie trotzen / verzagt sind. Cum altiori vitâ proficimus, maligni spiritus, qui semper bené agentibus invident, nobis inferiores sunt, spricht Gregorius. Wenn wir / mit unsrem guten Wandel / es höher bringen / seynd die bösen Geister / die unser Wolverhalten immerzu beneiden /schwächer als wir. Er setzt aber / bald hernach /dazu: Nec unus spiritus malus Electorum singulis, sed innumeri[502] deputantur, ut de consecuta eorum victoria tantò sit copiosior fidelium gloria, quantò eis irrogata fuerint prælia graviora. Es werden jedwedem Auserwehltem nicht nur einer / sondern unzehlich-viel böse Geister bestimmt: auf daß die Glori der Gläubigen desto häuffiger sey / wann sie / über solche Menge der Geister den Sieg erhalten / je schwerere Kämpffe und Treffen ihnen verord net seynd.6

Daher vermeynen Etliche / geschehe es / daß sich die Menge der Teufel / an solchen Orten / offt mehr hören lasse / wo keine Leute seynd / die nach der Teufel Willen und Gefallen leben; ob gleich der Frommen daselbst / wo die Gespenster hausen / nur wenig beysammen wohnten: wo aber die böse Geister viel Menschen antreffen / die ihnen gehorchen / daß sie sich daselbst nicht sehen lassen / oder kaum gespührt werden: weil sie sich damit begnügen / daß man nur ihren Willen thut / und alsdann sich still halten.

Aber daraus lässt sich keine beständige Gewißheit /ja kaum eine starcke Vermutung / machen / daß die unreine Geister viel mehr poltern und rumoren sollten da / wo gottselige / als / wo gottlose Leute / leben. Denn das Gebet der Gläubigen ist der Rauch / so diese Hummeln vertreibt: Und wo solcher edler Rauch häuffig aufsteigt / da pfleget es diß höllische Geschwürm nicht lange zu machen; sondern sich bald an andre Oerter zu retiriren. Säue wühlen lieber / auf einem Misthauffen / weder unter den Lilien und Rosen / herum.[503] Darum glaube ich gäntzlich / wo viel Christen-Leute beysammen / da könne deß Satans Rotte nicht lange dauren. Massen man auch viel Exempel zu Zeugen hat / daß solche Wohnungen / so vordem ein Aufenthalt der Gespenster gewest / rein und befreyt worden / so bald eyfrige Christen dieselbe bezogen.

Doch giebt es hierinn Absätze. Denn wann irgend ein unruhiger Geist / von den heiligen Engeln / in die Wüsten bannisirt und verwiesen ist / und hernach etwan einige fromme Leute / zur Zeit der ersten Kirchen / aus Andacht / und Welt-Flucht / oder auch sich / für Verfolgungen / zu verbergen / daselbst ihren Aufenthalt gesucht; so kann erst-erzehlter Spruch Gregorii wol stat finden / und erfüllet werden; nemlich daß die Gespenster solchen Einsam-lebenden viel Unruhe machen / und es ihnen / von GOtt / auch zugelassen werde: mit die Frommen ihnen desto rühmlicher mögen obsiegen. Denn die Einsamkeit und verlassene Abgelegenheit der Oerter macht gemeinlich dem Satan ein Hertz / und bildet / ihm ein / er werde solchen frommen Leuten desto mehr Schreckens einwerffen / je weiter sie die Gemeinschafft andrer Leute von sich geworffen und entfernt haben: er werde ihnen /wann bißweilen Einer oder Andrer aus ihrem Mittel /allein hie oder dort in der Einöde wandelt / desto leichter beykommen mit Furcht und Kleinmütigkeit /je weiter sie von menschlicher Hülffe und Beystande entsessen sind.

Uberdas halten sich die verworffene Engel / an solchen unleutsamen Orten / häuffiger beysammen / als an volckreichen. Denn wo sie wenig[504] oder nur eintzelne Leute finden / und zwar in solcher Gegend / die ihnen den Teufeln nemlich / von den heil. Engeln /gleichsam zu einem Verhafft / auff gewisse Zeit /etwan angewiesen ist / da zerstreuen sie sich nicht so voneinander / als wie in bewohnten Oertern / da ein Teufel dieses / der andre jenes Haus umher beschleicht / und sucht welchen er verschlingen möge. Weil nun / an einsamen Oertern / sonderlich in Wüsteneyen / entweder nur wenig / oder gar selten / Menschen leben / daran diese Feinde menschliches Geschlechts sich versuchen könnten / und sie dennoch gleich unruhige / fürwitzige / und ehrsüchtige Geister sind / die immerzu gern Schaden thun mögten: setzen sie alsdann daselbst / an so unmenschlichen Orten /mit Raht und That List und Versuch / wider die wenig daselbst befindliche Menschen / desto öffter und stärcker an / je langweiliger ihnen allda die Zeit wird.

Aber wann solche wenig Personen sich gleichfalls daselbst / mit gläubigem Gebet / und aller Gottseligkeit / wider sie verbinden; müssen sie doch gleichwol zuletzt / mit Spott und Schanden / abziehen / und sich von ihnen heben / ja wol gar selbige Gegend räumen /und eine andre suchen.

Welches doch nicht eben also auffzunehmen / als bliebe hernach gar kein böser Feind mehr / um solche sieghaffte Christen: denn diß gantze Leben ist doch eitel Versuchung: darum können dennoch wol einige Versucher / heimlich herum schleichen / und auf ihren Wandel / Achtung geben. Sondern / durch offentlichen Schrecken sie weiter anzufechten / wird ihnen nicht mehr erlaubt: und haben sie selbst auch keinen Magen mehr dazu; weil[505] es nur für sie / spöttlich zu letzt ablaufft. Darum sie alsdann / um das ihnen verhasste Gebet / und nüchternes gottseliges Leben / als den Dorn ihrer (geistlichen) Augen / nicht mehr anzusehn / lieber sich auch von ihnen entfernen; doch aber / nach einiger Zeit / als rachgierige / und unermüdete Feinde / wieder umkehren / und auff Gelegenheit lauren / ob sie Macht und Verhengniß überkommen mögten / ihre schreckende Anfechtungen zu wiederholen.

Man lieset / beym Gregorio Turonensi, daß die zween Gott-ergebene Brüder / Lupicinus und Romanus / in der Lorensischen Einöde / ein strenges Leben geführt / und sich / mit nichts / als mit den Wurtzeln der Kräutern / getractirt. Welche Lebens-Strengheit den bösen Geistern sehr verhasst gewesen: deßwegen sie täglich / nach selbigen frommen Leuten / mit Steinen geworffen: sintemal so offt sie / ihrer Weise nach / auf die Knie gefallen / GOtt / mit einem andächtigem Gebet / (anzuruffen) alsofort / ein gantzer Stein-Regen auff sie angefallen; also / daß sie offt verwundt / und grossen Schmertzen darob gelitten: Doch sey endlich durch ihr beharrliches Gebet / dieser Feind überwunden / und von dannen gäntzlich zu weichen /gedrungen worden: gestaltsam sie hernach das Ubrige ihres Lebens / in selbiger Einsamkeit / gottselig / und ohne weitere leibliche Anfechtung von solchen Gespenstern / zurück gelegt.7

Also muß der Satan / wider sich selbsten / streiten /indem er die / welche GOtt lieben / bestreitet;[506] und /indem er sie zu drucken trachtet / sich selbsten unterdrucken. Wann er nach den Frommen mit Steinen /zielet / trifft er seinen eigenen Schlangen-Kopff / und sie werden ihnen zu Edelgestein verwandelt / durch einen standhafften Glauben.

Fußnoten

1 Joannes Curopalates in Compendio Histor. fol. 43.


2 Lib. 5. de Præparat. Evangel. c. 9.


3 M. Paul. Venetus lib. 1. c. 44.


4 Denn die Fruchtbarkeit ist deß Feldes Ehre: darum Laub / Gras / und Früchte / im Lateinischen ruris & veris honores getitulirt werden.


5 Beda lib. 4. Hist. Angl. c. 28.


6 Gregor. in Reg. c. 7.


7 Gregor. Turonensis in vita SS. Lupicini & Romani.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 491-507.
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