LVII.


Die kundschafftende Mucke.

[507] Der stoltze Schand-Geist / Lucifer / hat jederzeit / den Wahn / unter den Heiden / auszubreiten / grosse Mühe angewandt / als ob ihm alle Dinge kund wären: damit er die Glori der Allwissenheit / als einer Göttlichen Eigenschafft / erwerben / und folgends für einen Gott angebetet werden / mögte. Gestaltsam er / zu dem Ende / die Oracula oder Antworten aus den Götzenbildern auf die Fragen der Ungläubigen / vormals eingeführt / dazu auch noch / bey vielen Heiden / in Asia / Africa / und America / unterhält. Denn hiedurch hat er die arme Verblendten / in ihrem geistlichen Sclaventhum / desto fester verstricken / und sein Reich über sie befestigen können. Weil ihm aber der Ausgang aller Sachen nicht bewusst: hat er seine Raht-Frager vielmals / mit tuncklem und Rätzel-artigen / oder zweiffelhafften / und zweydeutigem Bescheide / trüglich abgefertigt.[507]

Es verhindern ihn / neben Andren / an einer unfehlbaren Wissenschafft und Vorwissenschafft menschlichen Glücks / und bevorstehender Ausgänge / diese dreyerley: Erstlich / daß er nicht Hertzen und Nieren prüfen / noch den innersten Grund der Gedancken gründen kann / wie GOtt. Denn ob er gleich bißweilen / ja gar offt / auch eines Menschen Gedancken wol weiß; hat er doch solches nicht / wie GOtt / aus einer natürlichen Allwissenheit / die von Ewigkeit her ist; sondern allein aus seiner natürlichen Scharffsinnigkeit / Mercksamkeit / oder genauer Beobachtung gewisser Merck- und Kenn-Zeichen / daraus er gleich mit einem Blick / ergreifft / wie / der Vernunfft nach / die Sache lauffen werde / oder was der Mensch vermutlich bey sich selbsten dencke / und gesonnen sey. Wo aber solche Merckzeichen sich nicht eräugnen; so hat er auch keine Kenntniß menschlichen Gedanckens; als den er unmöglich anders / ohn bey einer oder andrem Würckung / oder kundbaren Beschaffenheit / oder scheinbaren Vermutung / abnimt. Wo derhalben solcher Zeichen keine ihm vorkommen / da versteht er /von deß Menschen Gedancken / wie auch An- und Ausschlägen seines Vorhabens / so viel / als wie ein Spion von den Einfällen / die ein hoher Potentat annoch keinem eröffnet / noch seinem eignem Hemde vertrauet hat.

Die zweyte Hinderniß besteht hierinn / daß GOtt ihm auch nicht ein Mal Alles zu wissen / oder zu erfahren / verstattet / was er sonst noch wol könnte /durch gewisse Mutmassungen / oder Gemercke / ausspühren; sondern ihm vielmals seinen[508] englischen Verstand-Blick anhält / daß er diß Mal nicht sehen kann /was er ein anders Mal wol sehen könnte. Gleichwie er damals / als der Stab Moses / aus dem Staube Läuse erweckte / solches nicht nachthun kunnte; da ihm doch sonst / dergleichen Ungeziefer / vermittelst Zubereitung natürlicher dazu gehöriger Mittel / hervor zu bringen / ein andres Mal gar wol möglich fiele / so es GOtt zuliesse. Kann er Ratzen Mäuse und Frösche / aus gewisser / dazu geschickter / Materi / auf gewisse Art / zu wege bringen / warum nicht auch Läuse? Hette er doch nur dem Pharao / und seinen Leuten / eine Blendung / vor den Augen / machen dörffen / und einbilden / als sähen sie Läuse / (wie denn Etliche dafür halten / daß er auf solche Blendungs-Weise die Schlangen nachgeafft habe) ob er gleich würcklich keine erweckt hette. Ja er hette nur /unsichtbarer Weise / von denen Läusen / die Moses erregt hatte / einen Theil auffraffen / und nachdem seine Zaubrer auch in den Staub geschlagen / dieselbe alsdenn wiederum sichtbar werden lassen können; da es denn das Ansehn würde gewonnen haben / als hetten seine Diener / die Zaubrer / solche Läuse gleich jetzo / auff den Streich deß Stabes / allererst hervor gebracht. Aber weil der Finger GOttes ihn / an einem so verächtlichem Ungeziefer / zu Schanden machen wollte; kunnte er / bey dieser hochwigtigen Gelegenheit / nicht thun / was er vermutlich / bey andrer / und ausser solchem Wett-Streit mit dem Finger GOttes /gar wol und leicht hette geleistet; wiewol dennoch nicht / aus Krafft einer Schöpffung / wie der Schöpffer;[509] sondern durch die / ihm wolbekandte / natürliche Hervorreitzung derer in der erschaffenen Natur albereit verborgenen / und dazu füglichen Kräffte /(applicando scil. activa passivis, wie die Schulen reden.)

Gleichwie nun damals ihm seine Geschicklichkeit zur Ungeschicklichkeit / unn das Licht seiner Scharfsinnigkeit vertunckelt worden: also verbindt GOtt ihm / bey mancher Gelegenheit / die Augen seines Verstandes / daß er bißweilen nicht weiß / oder begreifft /was er sonst gar leicht wissen oder begreiffen könnte /nemlich durch mutmassen / und errahten. Denn GOtt kann ihn / auch in den allerschlechtesten und leichtesten Sachen / gar leicht verwirren / daß er im Zweifel / oder gar in der Unwissenheit / stecken bleiben muß /biß es dem Allerhöchsten und Allwissendem gelegen /daß er es wissen mag.

Die dritte Hinderniß ist diese / daß / wenn er gleich / durch Erblickung der auff- und aus einander gehenden Ursachen / gar behände einen Entwurff deß Ausschlags / oder endlichen Ablauffs / bey sich machet; ihm dennoch nicht kund ist / ob GOtt nicht etwan noch / durch diese oder jene Rahtschlüsse der Menschen / einen Strich ziehen / und eine andre Bahn gehn werde; ob er nicht dem Menschen / wie dort dem Sennaherib / einen andren Mut machen / oder sonst etwas drein schicken werde / wodurch die genommene Entschliessung den Krebsgang gewinnen müsse?

Daß er die Gedancken der Menschen nicht sehe /sondern bißweilen nur / wie ein geschwinder und tieffsinniger Geist / errahte; lehret uns der[510] entfallene Traum Nebucadnezars: welchen der Satan seinen Werckzeugen / den Zauberern / nicht einblasen kunnte; weil er ihm selbsten war verborgen / und GOtt vom Himmel allein solches verborgen Ding kunnte offenbaren.

Daher schreibt derjenige Griechische Lehrer / welcher die Quæstiones ad Antiochum verfasst hat: Die Teufel verkündigen solche Dinge / welche sie / wie man wähnt / vorher zeigen können / auff diese Weise zuvor / daß sie es gantz listig erforschen. Zum Exempel / sie sehen offt / als Geister / zuvor /den Regen / welcher / noch bey den Indianern ist; kommen derhalben / in Egypten / mit ihrer Anzeigung / zuvor / und wahrsagen / durch Hexerey oder Träume / es werde eine grosse Uberschwemmung deß Nil-Stroms kommen: und / so machen sie es auch / in andren dergleichen Sachen. Manches Mal liegen sie auch. Will sie Einer darauf erwischen; ersinne er bey sich selbsten / nur eine Frage: als; Wie viel Pfennige muß ich morgen ausgeben: fordre hernach den Wahrsager / oder Zaubrer / zu sich / und frage / ob er wissen könne / was er bey sich habe beschlossen: Da wird er erfahren / daß der Wahrsager-Geist gar nichts drum wisse.1

Unterdessen lassen doch so viel hundert Erfahrungen uns nicht leugnen / daß der Satan sehr viel menschliche Begegnissen vorher entweder errahten /oder ausspähen könne. Denn es[511] seynd dieser verdammten Geister unzehlich viel / dazu dieselbe / über den gantzen Erdbodem / unter sich ausgetheilt: damit sie Alles / was so wohl in offentlichen / als in gemeinen Wohn-Häusern / wie auch auf dem Felde / im Wald / und auff dem Meer / vorgehet / in heimlicher und unsichtbarer Lausche ligende / wie die Spuhr-Hunde ausspähen / einander im Augenblick zutragen /und auch den Wahrsagern (woferrn es GOtt zulässt /und sie selbst nicht / mit Fleiß / die rechte wahre Beschaffenheit fälschen wollen) entdecken mögen.

Wenn derhalben ein böser Geist / entweder / vermittelst eines Wahrsager-Spiegels / oder auff andre Weise / von Regiments oder privat-Sachen; eine Antwort geben / und nicht / wie er vielmals pflegt / vorsetzlich liegen will; so erfährt er / im Augenwinck /von andren seines gleichen Geistern / die sich / als Spionen und Kundschaffter / an diesem oder jenem Ort / gewöhnlich befinden / was daselbst für Raht-und Anschläge verfasst werden: oder er vermutet / aus Betrachtung mancher Umstände / und Ursachen / was für ein Erfolg daraus entstehn werde. Seynd keine solche Ursachen annoch vorhanden / welche diesen oder jenen Erfolg nothwendig nach sich ziehen müssen; so stellt er die Antwort auf Schrauben / also / daß sie nachmals sich drehen lasse / wie es ihm zur Versicherung der Ehre seiner Vorwissenschafft / am bequemsten kommt.

Manches Mal giebt er auch wol dasjenige / was er seinen Hexen / oder Rahtfragern / verkündigen will /nach Art und Gelegenheit der Sachen /[512] selber an / und bereitet die Gemüter derer / durch welche es verrichtet werden soll / dazu. Zum Exempel: Wann er einen Krieg vorher weissagt; so weiß er schon / daß seine Rott-Genossen / die andre Mord-Geister / in der Stats-Stuben dieses oder jenes ehrsüchtigen Potentaten / die Hertzen der bösen Rathe / aus GOttes Verhengniß / eingenommen / mit blutigen Rahtschlägen; weiß auch allbereit / daß GOtt / über dieses oder jenes Land / welches voller Sünden-Hügel steht / und dessen Missethaten biß an den Himmel reichen / befohlen habe / an die reiffe Laster- und Straff-Ernte /die Hippen oder Sicheln / anzuschlagen / und daß dem Satan verhengt worden / gleichwie vormals den David / also anjetzo diesen oder jenen König zur Musterung / und Rüstung zu reitzen. Er hört auch / als ein genauer Auffmercker / und schneller Protocollirer / was in der geheimen Rahts-Stuben / zumal ehrsüchtiger Statisten / für Stimmen gegeben werden. Also kann er leicht daraus seinen Schluß formiren / wo solche geheime Handlungen hinaus brechen werden.

Gleicher Gestalt wird er andrer besonderer Anschläge / so wider eines oder andren Menschens Leben und Wolfahrt verfasst werden / einträchtig. Denn er stellet / durch heimliches Eingeben / den Handel selber an: und entdeckt es auch wol hernach wiederum (wann GOtt die Vollziehung nicht gestatten will) demjenigen / welchem es an den als hätte gehn sollen.

Solches bezeugt der Verlauff / zwischen dem Langobardischen Könige Cunibert / und etlichen seiner Vasallen. Wovon Megiserus also schreibt:

[513] Im Jahr 695 / erhub sich / im damaligem Hertzogthum Friaul / ein schädlicher Aufflauff. Es war selbige Herrschafft / vor einer guten Zeit /vom Vectar / auff den Landar / und als dieser mit Tode abgangen / auff den Rodoald / einen fürnehmen und edlen Longobardischen Fürsten / kommen. Als aber auff einen Tag / in diesem Jahr /der Hertzog Rodoald von der Stadt Friaul (heutiges Tages Cividat de Austria genannt) abwesend war; hat ein Longobardischer Herr / so von der Veste Reumen herkommen / hiezwischen das Hertzogthum angefallen / und solches / ohne des Königs Cuniperts, welcher über die Longobarder herrschte / Verwilligung in seinen Gewalt bracht. Wie aber dessen Rodoald verständiget worden /hat er sich über diesem Handel fast entsetzet; ist doch alsbald in Histerich kommen. Daselbst saß er zu Schiffe / schiffte von dannen / auf dem Adriatischen Meer / gen Ravennon; und von dannen flohe er gen Pavia / zu dem Könige Cuniperto. Und war Ausfridus, an diesem noch unvergnügt /daß er das Hertzogthum Friaul erlanget hatte: Denn er geriet in solche Hoffart und Blindheit /daß er nicht allein von dem König / abgefallen; sondern gedachte auch das Königreich zu erlangen. Doch währte solcher Hochmut nicht lange: Denn als er sich ernstlich nach Kriegsvolck umgesehen / und damit gleich ausziehen wollte; hat ihn der König / zu Verona, ergriffen / wegen seiner[514] Mißhandlung ihm seine Augen ausstechen /und ins Elend verweisen lassen.

Darnach / von dieser Zeit an / hat Aldo, des Rodoaldi Bruder / das Hertzogthum erlanget / und ist demselben sieben Jahre vorgestanden. Es hat aber König Cunipertus diesen Hertzog Aldonem, und seinen Bruder Grausonem, in grossem Verdacht gehabt / als ob sie ihm nach dem Reich stünden; derowegen er ihm fürnahm / sie tödten zu lassen. Und damit er solches in mehrer Stille und geheim hielt / vertrauete er es allein einem seiner Leib-Trabanten. Wie nun an einem Tage Aldo und Grauson, ihrem Brauch nach / zu dem Könige giengen / und deme auffwarten wolten; sind sie / aus sonderbarer Schickung GOttes / von einem unbekannten Menschen / treulich gewarnet worden / daß sie sich für dem Könige mit Fleiß fürsehen sollten / als welcher nun ein böses Gemüht gegen ihnen gefasset hätte / und mit ihnen nicht wol zufrieden wäre. Auf welche Warnung /sie beyde alsbald / ihre Gesundheit und Leben zu erhalten / in den Tempel zu dem Altar S. Romani; so zu nechst an der Hand war / gelauffen kamen /und daselbst vermeynten / ihre Freyheit zu finden. Welches als es der König / verstanden; gedachte er nicht anders / als wann ihnen sein Vorhaben / und Rahtschlag / von dem obgenannten Trabanten wäre entdeckt worden. Drüber er sich sehr erzürnet / auch den Leib-Trabanten übel angefahren[515] und gestrafft / daß er also freventlich sein Geheimnuß ausgeschwätzet hätte. Wie es aber der Trabant starck widersprochen / und zu einer rechtmässigen Entschuldigung fürwandte /daß er immerdar bey dem König gewesen / und mit ihnen zu reden keine Gelegenheit gehabt / derowegen er von seinem Könige unfüglich beschuldiget würde: Ließ der König fleissig von Aldone und Grausone erkundigen / woher und von wem sie doch seinen geheimen Willen erfahren hätten. Sie zeigten dem Könige an / daß sie dessen / von einem lamen Menschen / der ihnen unversehens entgegen gekommen / wären unterricht worden. Als solches der König gehört / hielt er dafür und glaubte; daß es gewißlich ein Geist / und kein Mensch wäre gewesen. Aus dieser Ursach / würdigte er sie hinwiederum seiner Freundschafft.2

Wir haben dieses bishero / mit deß Megiseri eignen Feder / erzehlt: die sich hierinn auff Paulum Diaconum, und Carolum Sigonium, beziehet; aber gleichwol das denckwürdigste davon auslässt / darum es uns allhie zu thun ist / auch die Sache / so unfleissig und unvollkömmlich vorbringt / daß sie drüber schier gar eine andre Gestalt gewinnt / nemlich / als ob / sothane Entdeckung den beyden / in Lebens Gefahr schwebenden / Brüdern / von GOtt / durch einen Engel / und nicht vielmehr / durch ein Gespenst /Warnungs-Weise / erröffnet[516] wäre. Gleichwie er auch sonst / in der Histori / einige Fehler begeht: deren etliche ich beyläuffig vorher verbessern muß / durch richtigere und völligere Erzehlung dieser Geschicht /bevor ich dieselbe / zu unsrem Zweck richte.

Erstlich wird man beym Diacono, nicht finden /König Cunibert (das ist Kuhnbart / oder vielmehr so viel / als Königsbart) habe die beyde Gebrüder Aldonem (welcher sonst / beym Diacono Ado benamset wird) und Grausonem, in Verdacht gezogen / als ob sie ihm nach dem Scepter strebten: Sondern daß sie vormals / wider ihn / sich mit seinem Feinde / eingelassen / und allbereit Pardon erhalten. Wir wollen den Ursprung kürtzlich erörtern.

Als der Langobarder König / Partarithus / für dem Grimoald / Hertzogen von Benevent / der sich zum Longobardischen Könige auffgeworffen hatte /von einem Reich ins andre fliehen musste / und endlich / aus Franckreich / nach England / zum Könige der Britannier / die nunmehr von Sächsischen Fürsten beherrschet wurden / segelte / auch allbereit ein ziemlich-Stück Weges / langst dem See-Strande / fort geschifft hatte: erschallete eine Stimme / vom Ufer /welche fragte: Ob Partarithus / in selbigem Schiffe / sich befünde: Und / als man Ja! antwortete; rieff selbige Stimme abermals: Sagt ihm / daß er wiederum / in sein Vaterland / kehre! Denn es ist heut der dritte Tag / daß Grimoald / aus diesem Liecht / hinweg geschieden. Worauff Partarithus zur Stunde umgewandt / nach selbigem Ufer zu / und weil man daselbst denjenigen /[517] der also geruffen / nirgends erfahren kunnte / geurtheilt / es wäre keines Menschen /sondern himmlischen Botens / Stimme gewest. Daher er auch gleich / von dannen / nach Pavia / gereiset /und allda wiederum / zum Könige / mit Freuden /auffgenommen worden.

Ob solche Stimme eines heiligen Engels / oder vorwitzigen bösen Geists / gewest / kann man nicht gewiß wissen: wiewol es scheint / sie sey / von einem guten / hergekommen.

Nachdem nun König Partarithus sieben Jahre auff dem Thron gesessen; verordnet er / im achten seiner Regierung / den Printzen Cunibert, als seinen Sohn /zum Reichs-Genossen / und hat / nebenst demselben zehen Jahre regiert.

Unter solcher Zeit / stund Alahis / Hertzog zu Trident / auff / wider König Partarithum / und rebellirte demselben. Welcher zwar den Alahis belagerte / aber durch einen starcken Ausfall / zurück geschlagen /und zu fliehen gezwungen worden. Nichts destoweniger ist doch hernach / durch den Königlichen Printzen Chunibert / Alahis / bey dem alten Könige / ausgesöhnt: und als derselbe dennoch / etliche Mal / den auffrührischen Kopff aus dem Mittel schaffen wollen; hat Chunibert / der dem Alahis / von langer Zeit her /sehr hold war / denselben / durch seine Fürbitte /nicht allein / beym Leben / sondern ihm auch die Belehnung mit dem Hertzogthum Brixia (oder Brescie) erhalten.

Nachdem aber Partarithus das Haup gelegt und zur Scheidung geneigt; erhebt sich hingegen der undanckbare Alahis / wider den neuen König Chunibert /henckte an sich den Aldonem[518] und Grausonem, zween Brüder / und fürnehme Bürger von Brixia, nebst vielen andren Langobardern / und nimt das Königreich ein / also / daß Chunibert die Flucht ergreiffen muß /mit grosser Betrübniß der gantzen Klerisey / die einen grossen Patron / und gar gnädigen Freund / am Könige Chunibert / verlohr.

Dieser retirirt sich / auf eine Insel deß Lacus Larii (Lago di Como) oder Comer-Sees: An welchem Natur-festem / und von ihm weiter fortificirtem / Ort /er verblieben; biß die feindselige und tyrannische Regierung deß neu-auffgeworffenen Königs / Alahis /jetztgenannten Gebrüdern / und andren fürnehmen Herrn / einen Verdruß / über solche Tyranney / und ein Verlangen zur Wieder-Einsetzung deß vertriebenen Königs Chunibert / erweckte.

Welches dann / unter andren / diese Begebenheit gängig machte. Der Tyrann / Alahis / zehlte ungefähr ein Mal Geld / und ließ unversehns ein Müntz-Stück davon fallen. Solches hebte deß Aldonis kleines Söhnlein / so eben damals zugegen war / und spielte /auff. Da sprach Alahis (oder Alachis /) nicht meynend / daß das kleine Kind Achtung darauff geben / und es auffassen sollte; diese unbedachtsame Worte: Dein Vater hat übrigs Geldes genug: Und ich hoffe / es soll bald in meiner Gewalt seyn. Wie das Knäblein Abends heimkommt / und der Vater in Schertz fragt /was der König Gutes geredt habe? erzehlt das Kind solche Rede deß Königs.

Aldo (oder Ado) erschrickt darob / denckt der Sachen weiter nach / beredt sich hierauf / mit[519] seinem Bruder / und etlichen vertrauten Freunden / in geheim; macht hernach den Alahis / mit einer angenommenen Schein-Treu / gantz sicher / ihm rahtend / er solle guter Dinge seyn / und sich mit der Jagt ergetzen; indessen gedencke er / nebst etlichen guten Freunden /dahin zu trachten / daß deß Cuniberts Haupt ihm / innerhalb wenig Tagen / geliefert werden möge.

Indem solches der Tyrann gläubt / und auf die Jagt reitet; macht sich Aldo auff / mit etlichen seiner Eyd-Genossen (oder Conjuranten) nach der Insel; bittet den König Kunibert fußfällig / um Verzeihung / und verspricht demselben Befordrung / zu seiner Wiedereinsetzung.

Hierauff wird / an einem abgeredtem Tage / Cunibert / zu Pavia / mit allgemeiner Frohlockung / bewillkommt / und dem Alahis / durch einen Currier /spöttisch angedeutet / Aldo und Grauso hetten ihr Wort gehalten: es sey nicht nur der Kopff / sondern auch gantzer Leib deß Cuniberts zu Pavia (da die Königliche Residentz war) gegenwärtig.

Ahalis erschrickt; ermuntert sich doch bald / und bringt eilends ein Kriegs-Heer auff / so wol / als König Cunibert. Dieser bot ihm ein Duell an / so damals / bey den Longobardern / sehr üblich war: aber Jener wollte nicht daran; sondern lieber eine Schlacht liefern: Welche er / und das Leben dazu / einbüsste. Dem Leichnam wurden Kopff und Beine abgehauen /der Rumpff aber Thieren und Vögeln vorgeworffen.

Als nun König Cunibert wiederum in guter Ruhe saß; kunnte doch seine Rachgier annoch nicht ruhen /noch dem Aldoni und Grausoni, das[520] Verziehene vergessen: besprach sich derhalben / mit Einem seiner vertrauten Ministern / wie man diese beyde Brüder nunmehr mögte / andren zum Exempel / abstraffen /und deß Lebens berauben. Daß aber solcher Vertrauter / mit dem Er es abgeredet / solte ein Trabant gewesen seyn / wie Megiserus setzt / ist falsch. Diaconus nennet ihn Stratorem, welches eigendlich einen Stallknecht bedeutet / und gleichfalls auch einen Wegbereiter / der voraus zu reiten pflag / vor der Armee / um die Wege / dadurch der Marsch gehen sollte / zum Durchzuge zu bequemen. Weil aber Diaconus kein gar guter Lateiner / noch Griech / ist; vermeyne ich / Strator solle / bey ihm so viel zu bedeuten haben / als Πρωτοςράτωρ: welches einen Ober-Marschall (oder Kron-Marschall) und zugleich Ober-Stallmeistern /bedeutete. Denn einem blossen Stallknecht / so wigtigen Handel zu vertrauen / wäre eine sehr unwitzige Anstalt. Uber ein so fürnehmes Blut / pflegt man keine so geringe Pursch zu Raht ziehen / ob es rahtsam / daß es vergossen werde / oder nicht; sondern die geheimste Räthe und Stats-Bediente. Derhalben ist vermutlich / König Cunibert habe seinem Ober-Stallmeister und Hof-Marschall diesen Handel vertraut / und sich / bey demselben / Rahts erholt / wie am füglichsten / und kürtzesten / dieses Vorhaben zu vollziehen wäre / damit nicht etwan eine Unruhe /oder Empörung / daraus quellete / noch Aldo und Grauso / wann sie etwan im geringsten mercken sollten / was man ihnen für eine Kappen zugemessen /gleichfalls entwischen mögten / wie sie dem Alahis entkommen.[521]

Indem nun der König / in einer verschlossenen Kammer / mit einem seiner geheimtesten Rähte allein / am Fenster steht / und über das Leben besagter beyden Brüder einen tödtlichen Schluß fället; kreucht eine grosse Mucke / an demselbigen Fenster: dieselbe will der König / mit seinem Messer / zertheilen; trifft ihr aber nur ein Bein / welches sie / vor dem Messer /fallen und zurück lassen muß / indem sie ihre übrige fünff Beine / samt dem gantzen Leibe / mit der Flucht salvirt / und das Königliche Messer / welches ihren Kopff gemeynt / einen Fehl-Schnitt thun lässt.

Fast um dieselbe Zeit deß Tages / machten sich auf die zween Brüder Aldo und Grauso / welche / von dem / was über sie beschlossen / annoch nichts wussten / auch / zu dem Könige / wegen deß ihm neulich-geleisteten stattlichen Dienstes / nichts wenigers / als einer tödtlichen Ungnade / versahen; und wollten /nach dem Königlichen Palast hinauf / gehn / zur Tafel. Da begegnete ihnen / vor dem Burg-Thor / ein vermeynter lahmer Krüppel / der / auf einer Steltzen /ging / und eines Beins beraubt war: dieser warnete /sie sollten nicht hinauf gehn / wann sie anderst jemals wieder von dannen zurück gehn wollten; denn es wäre die Todten-Glocke über ihren Kopff gegossen / und der Schluß gestellet / sich / so bald sie kämen / ihrer zu versichern / und sie hinzurichten.

Solche Warnung liessen sie nicht auf die Erde fallen; sondern flohen alsofort zurück / in die nechste Kirche deß Märtyrers Romani.

Wie König Cunibert / von solcher ihrer Flucht / berichtet wird; meynet er / sein vertrauter[522] Raht / dem er den Anschlag mitgetheilt / habe geschwätzt / und das Geheimniß heimlich entdeckt; verweiset derhalben ihm die vermeynte Untreu gar scharff. Dieser aber bezeugt / mit deß Königs selbsteigenem Wissen / er habe / nach dieser Unterredung / annoch keinen Fuß aus dem Zimmer gesetzt / noch mit einigem andren Menschen seit dem / daß er da vor dem Könige stehe /ein einiges Wort geredt.

Weil dann der König solches selber gestehn musste / und doch auch nicht zu ersinnen wusste / durch was für eine Ritze sein gehaltener Blut-Raht / oder blutiges Geheimniß / mögte durchgeschlupfft / und den beyden Brüdern zu Ohren geflogen seyn: schickte er hin / und ließ fragen / Warum sie sich / an den heiligen Ort / geflüchtet hetten? Sie liessen / zur Antwort /sagen: Darum / weil man ihnen angezeigt / der König wollte ihnen den Kopff nehmen. Dieser sandte wieder hin / und begehrte ernstlich zu wissen / wer ihnen dann solches hette kund gethan? Denn solches müsste er kurtzum wissen; und so sie ihm denselben nicht nenneten / könnte ihnen keine Gnade widerfahren. Hierauf erzehlten sie / daß ihnen ein Krüppel entgegen gekommen / dem ein Bein abgenommen gewest /und / an stat dessen / ihm eine Steltze gedient; welcher ihnen angedeutet / es wäre ein Schluß verfasst /sie ums Leben zu bringen.

Daraus merckte der König alsobald / diejenige Mucke / deren er einen Fuß abgeschnitten / wäre ein böser Geist / und seines Schlusses Verrähter gewest. Gleich damit ließ er ihnen andeuten / sie sollten / auf sein Königliches Wort / von[523] der Kirchen heraus und zu ihm kommen; verziehe ihnen nun hiemit völlig und von Hertzen / und nahm sie auf in seine Gnade; hat auch nachmals ein paar getreuer Ministern / an ihnen /gehabt.3

Diese Erzehlung Diaconi will zwar dem hauptgelehrtem Welsero, der sie gleichfalls / mit Wenigem /berührt / nicht wol eingehen. Wie diese seine Zeilen deutlich genug anzeigen: Ferunt rem monstri similem, quam ego, ut à Paulo proditam invenio, referam, magis ne præteriisse videar, quàm, quòd in eum modum gestam narranti fidem accommodandam existimem. Das ist: Man erzehlt hiebey eine Sache / so einer Abentheuer gleich sihet: welche ich / so wie sie / vom Paulo Diacono, beschrieben /berichten will: mehr / damit es nicht das Ansehn gewinn / als ob ich sie vorbeygangen / weder / daß ich dafür hielte / man müsste dem / welcher sie /mit solchen Umständen / vorgebracht / Glauben zustellen.4

Allein ich verwundere mich über solches Urtheil dieses / sonst hochweisen / Manns; daß nemlich derselbe dem Diacono, in dieser Beschreibung / nicht gläuben will; da er doch ihm / und andren Scribenten / wol andre viel schwer-gläublichere Sachen gläubt. Meines Bedunckens / ist gar keine Schwerigkeit /diese Erzehlung zu glauben / in derselben anzutreffen. Denn was ist Bekandters /[524] als daß der Satan sich offt /in eine Mucke / oder Hummel / verstellt? Man frage nur die Schöpffen / und andre Gerichts-Beamte / so der Hexen-Verhör beywohnen / ob nicht offt dergleichen Hummeln / oder Mucken / manches Mal / von den Unholden / hinweg fliegen / wann ihnen die Unempfindlichkeit vergehn soll? Daß der böse Geist bißweilen auch / in Gestalt der Lahmen und Krüppel /erschienen / könnte man eben so wol mit mehr / als einem Exempel / bewehren. Und was ist endlich Gewissers / als / daß er / in den Geheim-Stuben grosser Potentaten / unvermerckt beobachte / was man daselbst vornehme?

Sollte aber vielleicht dieses die Sache verdächtig machen / daß gesagt worden / das Gespenst hette gewarnt: so muß man bedencken / daß auch wol andre Leute / durch Gespenster / für zeitlichem Unglück gewarnet worden: nicht / aus Gunst gegen dem Menschen: sondern entweder auf GOttes Befehl / dem der Teufel / auch wider seinen Willen / gehorsamen muß: oder / aus einem weiterm Absehn eines / darunter suchenden / grössern Vortheils. Weil der Teufel / ohne Zweifel / dem Könige Cunibert das böse Vorhaben selbst eingegeben / und GOTT nicht gewollt / daß es ins Werck gesetzet würde: hat vielleicht der Anstiffter / zur Straffe und Beschämung solches seines Tucks /von oben Befehl empfangen / selbst die Gefährten dafür zu warnen / und also sein eigenes Gewebe selbst zu zerreissen.

Hats GOTT ihn aber nicht geheissen / daß er warnen sollte; so hat der Satan was andres darunter gesucht / und / keines Wegs / aus Mitleiden /[525] die Warnung gethan. Vielleicht ist er etwan / mit einem der beyden Brüder / oder mit Jemanden anders von ihrer Famili / in Bündniß gewest: weßwegen er denselben /zur Beharrlichkeit / in solcher verfluchten Bündniß /dadurch verpflichten / und zugleich / für sich selbsten / eine Hochschätzbarkeit seiner Vorwissenschafft erwerben wollen. Wie dann Lerchheimerus, welcher /in seinen Decisionibus, diese Begebenheit auch anführet / gleichfalls auf solche Meynung kommt. Und giebt es auch exemplarischen Beweises genug / daß solche Warnungen jemaln auch wol / von bösen Geistern / geschehn.

Das Hildesheimische Teuflein / Hudgin / hat Manchen / und damaligen Bischoff von Hildesheim selbsten offt / für Schaden / gewarnet / wie bekandt; aber einen viel grössern Schaden dadurch gesucht. Wenn sich der Teufel vertrau- und freundlich machen will; so ist gewiß eine verdeckte Feindseligkeit vorhanden.

Uns aber dient diese Geschicht allhie / zur Bestetigung obiger Rede; daß nemlich die Weis- oder Wahr-und Vorsagungen deß Satans bißweilen in keiner blossen und scharffsinnigen Mutmassung / sondern auch wol in seiner eigenen Eingebung / Anstifftung /und Anhörung böser Rahtschläge / ihren Grund haben.

Fußnoten

1 Author Quæstionum ad Antiochum, Quæst. 99.


2 Hieronym. Megiser. im 5ten Buch der Kärndienschen Chronic / Cap. 43 / am 420 Bl.


3 Paulus Diaconus de Reb. Gestis Langobardor. lib. 6. c. 3. fol. 31.


4 Welzerus lib. 4. Rerum Boicarum fol. m. 128.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 507-526.
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