LX.


Die boshaffte Gauckel-Jagt deß Satans.

[548] Deß Satans Gauckeley / und Schein-Schertz verbirgt stets einen grossen listigen Ernst / dem Menschen zu schaden; es geschehe gleich / am Leibe / oder Gemüt /oder an der Seelen / oder an allen dreyen miteinander: Und[548] also richtet er auch sein Jäger-Spiel / auf keinen andren Zweck. Denn daß er / für sich selbst nur / darinn einen Spaß und Kurtzweil suche / darff man nicht gedencken: sondern er hat allezeit ein tückisches Ziel darunter verborgen. Kann seine larvalische Schatten-Jagt gleich keinen Menschen antreffen / den sie / mit Furcht und Schrecken / zum Nachtheil seiner Gesundheit / überschütte: so verhofft sie doch / Manchen /der solche Teufles-Jagt von fernem höret / oder etwas davon erfährt / in den Wahn zu verführen / als ob gewisse verbannte Seelen der Verstorbenen / in den Wäldern dieser Gestalt erscheinen / und durch solches Jagen ihre Unruhe bezeugen.

Den Heiden hat er ein andres dadurch einbilden wollen / nemlich daß ihre Götzen / Apollo / Diana /und Hercules / ein solches Gehetz / in den Wildnissen / anstelleten: damit sie also desto fester / in der Abgötterey mögten verstrickt werden. Hiedurch seynd vormals die Parther und Perser überredet worden /daß Hercules / bey dem Berge Sambolos, welcher /wie unter andren / Alexander ab Alexandro, zeuget /1 in Persien gelegen / jagte. Und / um sie / in diesem Wahn / desto mehr zu verstärcken; pflag er / zu gewisser Zeit / den Pfaffen daselbst / im Traum / zu befehlen / sie solten Pferde zur Jagt rüsten / und bey dem Tempel Herculis hinstellen. Nachdem dann die Pferde / mit Pfeil-gefüllten Köchern / versehn worden; lieffen sie / in den Wäldern / hin und wieder herum: kamen aber / zu Nachts / wieder mit ledigen Köchern / voller Schweiß / und vom Jagen gantz keichend /[549] wie die Pferde / die man starck und eiligst geritten /und stets im Galopp hat gehn lassen. Demnechst zeigte ihnen der Abgott / Hercules / (oder vielmehr / unter dessen angenommenen Namen / der Teufel) wiederum / in einem Nacht-Gesicht an / in welcher Gegend deß Walds er gejagt hette. Da man dann / hie und dort /unterschiedliche gefällte Stücker Wildes / im Nachsuchen / fand.2

Ob aber nunmehr gleich der Satan / unter der Larven eines vermeynten Gottes / seinen Betrug nicht länger bergen kann: stellt er deßwegen doch seine Gauckel-Jagt nicht ein; sondern trachtet / unter den Christen / andre Verführungen / oder auch Leib- und Lebensschädliche Schrecknissen / dadurch anzurichten; sonderlich bey furchtsamen / oder ausser ihrem Beruff wandlenden / oder GOtt nicht fest vertrauen den Leuten. Wiewol er bißweilen auch wol an christlichen und hertzhafften Personen / mit solchen seinen schreckhafften Gauckel-Possen / sich versucht; doch nur zu seiner Verspottung.

Im Jahr 1640 / schrieb man / aus Bäyern / daß daselbst der Satan / mit vielen seines gleichen Jägern und Hunden / durch die Wälder gejagt / und was sie von Leuten angetroffen / dieselbe / wie sonst / unter den Menschen / das Jagt-Recht gehalten wird / zum Nachaffen gebraucht.3

Jarrius macht einen Unterscheid / zwischen denen Gespenstern / so um die Mittagszeit / und denen / so gegen Abend / oder zu Nachts erscheinen:[550] und schreibt / daß die erste viel boßhaffter / als die letztere / sich gegen dem Menschen / erzeigen / denselben viel hefftiger anfechten so wol mit geistlichen Versuchungen / als leiblichen Verletzungen. Zu solchen Mittags-Gespenstern / rechnet obbesagter Medicus den bösen Jäger / so den Knaben / dessen in voriger Geschicht Meldung geschahe / den Schrecken / und Kranckheit /an den Hals gejagt.

Der alten Heiden pflag der Wlad-Geist / unter der Gestalt eines Ziegen-Manns / oder Bockgefüssten Menschens / viel Bosheit und Buben-Stücke zu erweisen. Diesen / der gleichfalls unter die Mittags-Gespenster gesetzt wird / scheueten sie auch deßwegen gar sehr: weil er gar grimmig und boshafft mit denen umgieng / vor welchen er sich sehen ließ. Und soll ein solcher Pan / oder Geyß-füssiges Gespenst / eins Mals / auff einem waldechtem Gebirge / neun Bauren / welche Holtz daselbst gefället / mit seinem scharff-klingendem oder schnarrendem Gesange / und grimmiger Leibs-Gestalt / dergestalt erschreckt haben /daß sie gleich darüber gestorben.

Ungefähr vor funfftzig und etlichen Jahren / haben sich / auff einer berühmten hohen Schul in Teutschland / etliche Studenten bey einem starcken Trunck /miteinander lustig gemacht / biß in die Nacht. Als sie nun / in dem nechst der Stadt ligendem / Walde / von Fernem / das Wütende Heer / mit einem Jäger-Geschrey / vorüber ziehen hören; schreyet derjenige Student / welcher die Andre / auf seiner Stuben / bewirthete / zum Fenster / mit einem in der Hand haltendem Glase /[551] bey vollem Rausche / hinaus: Es gilt ein Mal / auff deine Gesundheit! Bring mir aber auch /wenn du was fähest / ein Wildprett mit! Als er nun deß Morgens aufsteht / hangt ein Viertheil von einem verrecktem Pferde / an seinem Fenster / welches von Maden und Schmeißfliegen wimmelte / und einen unerträglichen Gestanck ausstreuete. Daher der unbesonnene Student bemüssigt worden / selbiges Aas /durch den Hundschlager / wegnehmen zu lassen; kurtz aber darauff um seine Vernunfft gekommen.

Vor anderthalb Jahren / erzehlte mir ein Doctor Juris, mein gewester sehr geneigter Gönner und Freund / der nunmehr zu den Engeln gegangen / daß er eins Mals / von selbiger Universität / nach Besuchung etlicher guten Freunde daselbst / und ziemlich-starckem Valet Trunck / mit einem Gefährten ziemlich spat hinweg geritten: auff daß man ihm / mit keinem Trunck / weiter mögte zusetzen: Weil ihn dann /vor Erreichug der noch zu weit ligenden Stadt / die Nacht überfallen; sey er gezwungen worden / um die Verirrung zu verhüten / samt seinem Ritt-Gefährten /abzusteigen / nahe bey einem wolbekandtem Bach /und die Pferde an einen Baum zu binden: Wie sie aber kaum / auff ihren / an Hauptküssens Stat untergelegten / Reitmänteln / eingeschlummert; wären sie /von einer vorbeyfahrenden Jägerey / plötzlich auffgeweckt: da sie dann / bey schallendem Jägerhorn / die Hunde bellen / die Jäger schreyen / gehört / und der Zug gantz nahe bey ihnen vorüber gegangen: Worüber nicht allein sie / fein wol geschwitzt / sondern auch ihre Pferde gezittert / und mit den[552] Füssen gestampfft: Und solches Spiel habe schier die gantze Nacht durch gewährt / indem der Lärm / bald in der Ferrne erschollen / bald aber sich wieder zu ihnen genahet / und in vollem Trabe vorbey gegangen.

Fußnoten

1 Lib. 2. c. 14.


2 Tacitus, Annalium libro 12, c. 13.


3 Gottfried Schultz / in den Geschichten deß 1640sten Jahrs.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 548-553.
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