LXIV.


Der Zwerg- und Kindleins-Geist.

[607] Nicht allein in den Bergwercken / sondern auch wol anderer Orten / lassen sich bißweilen kleine Männlein blicken: die man / für Vorboten eines obhandenen grossen Unglücks / achtet; zumal wann sie anderswo /als in den Bergwercken / sich den Leuten ins Gesicht geben. Wiewol man nicht allerdings gewiß seyn kann / ob solche Männlein eben alle Mal böse / und nicht bißweilen vielleicht wol gute englische Geister seyn. Denn man weiß / daß bißweilen auch wol die Heil. Engel / in Gestalt kleiner schöner Knaben / bevorab manchen Sterbenden / kurtz vor ihrem Ende / erschienen.

So wollen wir dann / in der Ungewißheit / ob dieses für einen bösen / oder guten Geist / zu halten sey /erzehlen / was im Jahr 1686 / am 8 Junii / aus Basel /für eine gewisse Zeitung / geschrieben worden; und nicht die würckliche Begebenheit / sondern nur das Urtheil von derselben / bezweifeln.

Es soll sich bey jetzo benamter Zeit / in einer Bündtischen Gegend / zugetragen haben / daß zween Edelmänner / mit ihren Dienern / auff dem Wege nach Chur / an einem Busch / ein kleines Kind erblickt /welches in Leinen gewickelt da gelegen: weßwegen der eine Edelmann / aus Mitleiden / seinem Diener befohlen / abzusteigen / und solches Kind[608] auffzuheben: auf daß mans / ins nechste Dorff / mit nehmen könnte. Wie nun der Diener abgestiegen / hinzu getreten / das Kind angefasst / und auffheben wollen; hat er es nicht von der Erden erheben können. Worüber die beyde Edelleute sich höchstens verwundren / und dem andren Diener befehlen / er sollte gleichfalls absitzen / und dem ersten helffen. Welchem aber damit so weing geholffen / daß sie beyde / gesammter Hand / desselben nicht mächtig werden / ja es nicht ein Mal von der Stelle rücken können. Nachdem sie aber lange genug daran gezogen und vergeblich gehoben; hebt das Kind an zu reden / und spricht / sie sollten es nur gehen lassen; denn sie würden es doch nicht von dannenn hinweg bringen können: unterdessen wolle es ihnen nur so viel anzeigen / daß es anjetzo ein köstlichs und fruchtbares Jahr geben / aber sehr wenig Leute solches erleben würden. So bald es solche Worte ausgeredt / ist es verschwunden.

Worauff die beyde von Adel / in höchster Bestürtzung / fortgeritten / und / wie sie nach Chur gelangt / es daselbst angezeigt / auch / vor dem gantzen Raht / eydlich abgehört worden: daher man der Gewißheit solcher Begegniß gnugsam versichert ist. Ob es aber ein heiliger Engel / oder ein Gespenst / gewesen; das wird so leicht nicht zu entscheiden seyn. Sollte aber / weder ein fruchtbares Jahr / noch ein Sterb / oder keine gewaltsame Austilgung vieler Leute durch das Kriegs-Schwert / drauff erfolgen; so würde es / für eine blosse gespenstische Gauckeley / und Betrug deß Satans / zu achten seyn. Denn der Heil. Engel Weissagung fehlt nicht: sondern GOtt lässt dasjenige /[609] was sie verkündigen / kommen; es sey dann / daß es / mit dieser / darunter verstandenen /Bedingung / woferrn durch Busse das Unglück nicht abgewandt werde / angedrohet worden.

Im Jahr 1644 / am 18 Augusti / zoch der Curfürst zu Sachsen / Johann Georg der Erste / die Stadt Chemnitz vorbey; als seine Leute / in einem Gehöltze selbiger Gegend / ein wildes Weiblein fingen / so nur einer Ellenlang / sonst aber recht menschlich gestaltet war. Ihr Angesicht / Hände und Füsse / waren gantz glatt; der übrige Leib aber aller rauch. Selbiges Weiblein fing an / zu reden / und sagte: Ich verkündige /und bringe den Frieden im Lande.

Der Curfürst befahl / man sollte sie wieder lauffen lassen: weil vor etwa 25 Jahren / auch ein Männlein /in gleicher Gestalt / gefangen worden / welches den Unfrieden und Krieg verkündigt hette.1

Diß muß entweder ein Engel / oder Teufel / gewesen seyn: Denn unvernünfftige Thiere können nicht reden. Ich besorge aber / es sey ein Teufels-Gespenst gewest: sintemal man nicht lieset / daß die Engel in einer rauhen Gestalt / jemals wären erschienen. Der Satan sucht bißweilen das Ansehn / als ob er gesandt sey / was Gutes zuverkündigen / wann er sihet / daß er dasselbe nicht länger verhindern darff. Die heilige Engel erscheinen gemeiniglich / in einer schönen /holdseligen / oder gar ernsthafften / ehrwürdigen / und ansehnlichen Gestalt / und keiner solchen Miß-Gestalt.[610]

Ist derhalben zu vermuten / es habe sich daselbst ein Wald-Teufel / gern / und für Spaß / fangen lasssen: Angemerckt / der Satan seine Lust daran hat, daß er die Menschen ässe / und ihnen einen Auffzug mache.

Fußnoten

1 Gottfried Schultz / im 1644sten Jahr seiner Chronic.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 607-611.
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