VII.


Der bedrauete Heuchel-Mörder.

[30] Die Ehe soll heilig gehalten werden / als ein Stand /den der allerheiligste Schöpffer Selbst eingeführt. Wer dieselbe bricht / der bricht ihm selbsten allen Segen und Wolfahrt ab. Eine befleckte Eh fruchtet lauter Weh; und zwar nicht nur zeitliches / sondern auch ewiges:[30] woferrn die unreine Brunst nicht / mit Buß-Threnen / und deß höchsten Richters Zorn /durch Christi Blut / vorher ausgelescht wird. Es gefährt diß abscheuliche Laster den Menschen um so viel härter / weil es gemeinlich mehr Sünden an sich kuppelt / sich mit Lügen / Füllerey / Dieberey / oder auch wol gar mit Meuchel-Mord / verknüpffet. Nachdem der heilige König David den Ehebruch begangen / verführte ihn der Satan auch zum Meuchel-Mord: und wäre zu wünschen / daß solche Sünden mit ihm aufgehört. Wer diese Geschicht lieset / wird ein treuloses Paar / in solchen seinen Fußtapffen / antreffen.

Ein reicher Edelmann / zu Truxillo / in Peru / Namens Petrus von Barbaran / hatte / mit seiner Mildigkeit / viel Freunde gemacht / und daher / bey Männiglichen / ein gutes Lob. Aber gleichwie Fett / und Oel /gar leicht Flammen sahen: also ward auch der Reichthum dieses Edelmanns endlich / von einer unziemlichen Brunst / entzündet: denn / wo Reichthum vorhanden / da suchen Uppigkeit und Geylheit gern einen Zutritt. Seine Begierden entzügelten sich / mit der Zeit / so gar / daß sie auch keine Schaam noch Scheu mehr behielten / das heilige / und biß an den Tod unauflösliche Band der Ehe zu zerreissen.

Vor vielen Andren / buhlete er eine Verheiratete /die ihre Zucht und Ehre eben so wenig bedachte / und sich höchst verdächtig machte / indem sie den von Barbaran viel öffter besuchte / weder einer ehrbaren Ehefrauen zustehet. Weßwegen ihr Eheherr nöthig befand / sie ernstlich zu erinnern / sie solte dergleichen verdächtige Gemeinschafft[31] fliehen / und bey keiner sich einfinden / es befehle ihr denn die äusserste Nothwendigkeit; weil die Sicherheit der Ehre und Keuschheit dabey nichts / denn ein pur lauteres Mirackel sey. Mit dieser gelinden und bescheidenen Vermahnung / hoffte der gute Mann sie / in seiner Liebe /und bey ihren Ehren / zu erhalten: aber es war zu spat: ihre Zucht lag schon in der Aschen.

Selten zwar bleibt diß Feuer ohne Rauch / dabey das tausend-äugige Gerücht den geylen Laster-Brand mercket: doch erfahren es gemeinlich diejenige / so damit geschimpffet werden / am langsamsten: und also kam auch dieser guter ehrlicher Mann allererst /eine gute Zeit hernach / dahinter / mit was für zierlichen Hirsch-Federn sein saubres ehrliebendes Gemahl ihn gekrönet / wie schändlich sie sich der Ehe-schänderischen Unzucht aufgeopffert hette.

Diß war ihm ein Mord in seinen Beinen / und ein blutender Stich im Hertzen / daß man ihn so schmählich betrogen: gestaltsam er auch solches / mit keiner mittelmässigen Rache / zu straffen trachtete. Aber die Arglist eines Weibes ist viel verschmitzter / Schaden zu thun / denn der Mannsbilder. Sie / die allbereit /von dem sechsten Gebot / abgewichen / beschloß /mit ihrem Ehebrecher / auch das fünffte zu übertreten / und ihrem Mann die Eyfersucht / durch Gifft / hinweg zu nehmen: welches ihm auch die leidige Schlange in seinen Trinck-Becher that.

Da er nun hievon erkranckte / und wenig Zeit mehr zu leben hatte; besuchte ihn Petrus de Barbaran / zum Schein der Freundschafft / und Unschuld:[32] kunnte doch damit dem Krancken das nicht wieder / aus dem Sinne / winden / wessen er / durch so viel unbetriegliche Zeugen und Zeichen / versichert war: zu dem bekräfftigten ihm so wol die plötzliche Kranckheit / als die seltsame Art und Empfindung derselben / nur gar zu glaublich / daß seine Gedancken nicht fehleten. Darum wandte er sich / zum Petro / und erschreckte ihn / mit diesen / von Threnen unterbrochenen / harten Worten. Den schmertzhafften Schimpff / die schändliche Schmach / und Buben-Stücke / so ich / weil euer verrähterisches Meuchel-Stück mir zuvor kommt / bey lebendigem Leibe nicht rächen kann / will ich / nach meinem Tode / rächen; will dir folgen / und dein Verfolget seyn / wo du gehest / und stehest / so lange du lebest. Mehrers zu reden / verhinderte der Tod / welcher seinen Geist /gleich nach diesen Rach-eyfrigen Worten / hinweg riß.

Wiewol nun diese bittere und seindselige Drau-Worte / als was Seltsames / überall durch die gantze Stadt / den Leuten in den Mäulern herum lieffen / und / unterm Volck / mancherley Mutmassungen erweckten: würckte doch die allgemeine Gunst gegen dem Petro (oder vielleicht gegen deß Peters seinem Seckel) so viel / daß die Meisten ihn entschüldigten / und deß Gestorbenen allzubittere Rachgier verdammeten. Die Richter liessens auch so / ohne einige Untersuchung /dabey beruhen.

Aber der folgende Tag zeigete / daß GOtt viel andere urtheile / weder die Menschen / und die Wünsche der Unschüldigen / bey Ihm / stärcker[33] seyn / weder die Gewalt der Schuldigen: wie der Beschreiber dieser Geschicht / Brulius / redet; vielleicht aus dem Grunde / als ob dessen letzter Wunsch GOtt hette gefallen; da doch ein so rachgieriger Wunsch Ihm nimmer gefallen kann. Petrus hat / in erschrecklicher Gestalt / deß Abgeleibten Geist erblickt: der eine brennende Fackel in der Hand führte / und mit noch viel schrecklicherer Stimme / nach seinem Tode / weder im Leben / ihn also anschnarrete: Diese Fackel / so ich hier in der Hand halte / und dein Leben / werden in gleicher Minuten / erleschen.

Seine Haare steiffeten sich auf / für Entsetzung /wie Borsten; seine Knie fingen an / zu straucheln; und fehlte wenig / daß der grausame Schrecken ihn nicht /auf der Stelle / gleich erstickt hette. Nachdem aber der Geist wieder gewichen: kam er wieder zu seinen Sinnen / und auf den Schluß / eine rechte ernstliche Busse zu thun. Er ging hin / zu den Augustinern /klagte ihnen / mit zittern und beben / was ihm wäre begegnet; gab den Wollüsten / und allen Eitelkeiten /einen Scheidebrieff; besuchte täglich die Kirchen /empfing offt das Nachtmal / und theilte die Almosen so reichlich aus / als wäre er die Mildigkeit selbst. Nichts destoweniger stellete sich die entsetzliche Gestalt ihm schier alle Stunden deß Tages / und auch bey vielen nächtlichen / vor Augen: biß er es endlich gewohnt wurde / und / als Einer / der / durch Beicht und Communion / sein Gewissen schon hatte entladen / so gar sehr nicht mehr dafür erschrack. Schlieff / aß /oder tranck er nur ein wenig über die Nothdurfft; oder ließ sich anderswo in weltliche[34] eitle Discursen ein; so war dieser unermüdete Mahner zugegen / und zeigete ihm bedraulich die Abnahme der Fackel / als eine Erinnerung / und Bild-Zeichen seiner gleich- also abnehmenden Lebens-Frist: daher er sich endlich weiter um nichts angenommen / ohn um rechtschaffene Busse / Kasteyung deß Leibes / Ausspendung der Almosen / Besuchung deß Gottesdienstes / und andächtiger Leute. Diß hat so gewährt / biß ins zehende Jahr; da endlich die Fackel / oder Kertze / ausgebrannt /und gleich darauf auch dem Peter das Lebens-Flämmlein ausgieng: dessen Ende desto glückseliger gewesen / weil er / gantzer zehen Jahre / mit einem bußfertigem Wandel / sich dazu gerüstet. Muß man derhalben billig den Ruhm Göttlicher Barmhertzigkeit erhöhen / die diesen einen so grossen Sünder / so wunderbarer Weise / zur Busse beruffen hat.1

Diese Histori kommt ziemlich-weit her / und ist /aus West-Indien / nach Europa gesegelt: darum wird Einer dieselbe lieber glauben / als der andre; in Betrachtung / daß die schiffende Warheit gerne Schiffbruch leidet / und solche Erzehlungen / denen man /in der Nähe / nicht gründlich nachfragen kann / am hertzhafftesten vorgebracht werden. Gleichwol ist es nicht gar unglaublich / daß sich der Handel würcklich also zugetragen: sintemal man der Exempel wol mehr hat / daß der (vermeynte) Geist deß Entleibten / nemlich ein Gespenst / den Mörder also verfolgt habe.

Ein Lacedœmonischer Kriegs-Oberster / Namens /Pausanias / entführte einem ehrlichem Bürger[35] / zu Byzantz / seine Tochter; erwürgte sie aber nachmals /bey Nacht. Hierauf fing an / viel Nächte nacheinander / ein Gespenst in Gestalt eines Bildes ihn zu schrecken / und wiederholte ihm etliche Mal diesen Griechischen Vers:


Σεῖχε δίκης ἀωον μάλα τοι κακὸν ἀνδράσιν ὕβρις.


Welches / in unserem Teutschen / diese Bedeutung hat:


Du musst gestraffet seyn. Weil du das Recht gebrochen;

So wird die Ubelthat / mit Recht / an dir gerochen.


Er hat sich zwar hernach / in einen Tempel der Göttinn Pallas / geflüchtet; aber / weil man ihn daselbst vermaurt / von Hunger darinn sterben müssen /und seine Mutter den ersten Stein dazu gelegt.

Fußnoten

1 Brulius parte 1. Historiæ Peruanæ, lib. 8. C. 4.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 30-36.
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