LXX.


Der vermeynte Fürsten- und Nation-Geist.

[688] Nicht zu leugnen ists / daß die böse Geister sich austheilen unter die Völcker / und an unterschiedliche Reichs-Höfe: um desto füglicher Empörungen / Aufruhr / blutige An- und Rahtschläge / Blut-Bäder / erschreckliche Niderlagen / Verfolgungen der christlichen Kirchen / und allerley Ketzereyen / anzurichten. Weil nun die englische Geister ihren guten Fleiß / und heilige Klugheit / der List deß Satans stets entgegen setzen / und dawider streiten: schliesst man nicht unfüglich / daß sie gleichfalls / zur Verhütung grosser Land-Verwüst- und Blutstürtzungen / wie auch der Unterdruckungen deß wahren Gottesdienstes / von dem Allmächtigen / an gewisse Höfe / in die Königy-und Fürstliche Raht-Stuben / abgeordnet werden: damit / auf bußfertiges Gebet frommer Christen /manch böses Fürnehmen zuruck gehe / und manches schädliches Decret oder Verlaß abgegraben werde.

Dieses gewinnt keinen geringen Schein / aus den Worten Konigs Nebucadnezars: Sihe! ein heiliger Wächter fuhr vom Himmel herab / etc. Und: Solches ist im Raht der Wächter / beschlossen / und im Gespräch der Heiligen berahtschlagt.1 Denn da werden die heiligen Engel Wächter benamset; nicht allein[689] weil sie / für das gefangene Volck GOttes in Babel / wachten; sondern auch weil sie den Königlichen Regiments-Baum / das ist / den Babylonischen König selbsten / bewachten / und auf seine Anschläge Achtung gaben; eines / und zwar fürnehmsten Theils /damit dieselbe nicht / zu völliger Ausrottung deß Jüdischen Volcks / oder allzugrosser Bedrengniß desselbigen / hinaus schlügen; andren Theils / damit / nach dem Göttlichen Rahtschluß / seine Gewalt und Macht / so ihm von oben gegeben war / andren Heiden und Königreichen zur Geissel und harten Zucht-Ruten /doch aber gleichwol auch denen / so sich ergaben / zu einem Schatten und Schirm gereichten: endlich aber auch darum / daß seiner eigenen Person / als dem güldnen Haupt deß monarchischen Bildes / daran so vielen Ländern viel gelegen / und das von GOtt selbsten / Rache zu üben / ausgerüstet war / nichts am Leben widerführe; er aber dennoch / durch eine scharffe Zucht-Rute / zur Erkenntniß einer höhern Gewalt / die über ihn zu gebieten hette / gebracht / und sein / samt dem Glück gewachsener / Hochmut gedemütigt würde.

Bey demselbigen Propheten / gedenckt auch der heilige Engel deß Engels aus Persen- und Griechenland / mit welchem er hette / für das Volck GOttes /zu streiten.2 Welches gnugsam ausweiset / daß so wol gute / als böse Engel / dieses oder jenes Stats /jene zwar zur Erhaltung desselben / durch Abwendung alles dessen / was der Kirchen GOttes könnte zum Nachtheil gedeyen; diese aber / zur Verderbung /Stürtzung / oder Verführung[690] desselben / wider die Gerechtigkeit / und rechtgläubige Frömmigkeit / auf gewisse Masse / sich annehmen.

Ich unterstehe mich zwar hiemit nicht / einen Engel / an einen gewissen Ort / oder an ein gewisses Land /dergestalt gleichsam zu binden / und einzuschräncken / daß seine Obacht demselben gantz unverruckt / und einig allein / gewidmet sey: ob mir gleich bekandt /daß nicht nur die Heiden / sondern auch manche gelehrte Christen / solches dafür halten: wie man dergleichen / beym Const. Lando,3 Lilio Greg. Gyraldo,4 Justo Lipsio,5 Philippo Camerario,6 und Andren mehr / findet; wiewol also / daß die Heiden Land-Götter / jetzt-genannte Christen aber Engel daraus machen: Gleichwol begehre ich deßwegen nicht / die Meynung zu verspotten / daß GOtt gewissen Engeln dieses oder jenes Land / Reich / Fürstenthum / oder Stadt / zu fleissiger Hut und Aufsicht / anweise.

Israels Götter sind weder Feld- noch Berg-Götter /wie die Syrer wähneten: dennoch hatte Israel seinen Engel / der zwischen das Israelitische und Aegyptische Heer tratt. Und haben ohne Zweifel noch alle Länder / darinn Gerechtigkeit im Schwange geht / so wol als alle löbliche Städte / Gottes- und Raht-Häuser / ja alle Fürsten und Könige / ihren heiligen Wächter /der sich um sie her lagert. Gestaltsam auch der gelehrte Vossius[691] eben dieser Meynung sich vernehmen lässt, die Stimme / so / im Tempel zu Jerusalem / kurtz vor dessen Zerstörung / erschollen / und überlaut geruffen: Μεταβαίνωμεν ἐντεῦϑεν, Lasst uns von hinnen fahren / sey / auf Göttlichen Winck / durch die Schutz-Engel / geschehn.7

Viele schreiben die Warnungs-Zeichen / oder Gesichter / so vor einer grossen Niderlage gemeinlich erschallen / solchen Reichs- oder Nation-Engeln /gleichfalls zu. Nun ist nicht ohn / daß / wenn zwey Kriegsheer feindlich zusammen rücken / vermutlich gute und böse Engel dem Spiel nicht allein zusehen; sondern auch / zumal wenn die Wolfahrt der Kirchen /oder deß Reichs / mit auf dem Spiel stehet / auf gewisse Art dabey etwas mitwircken; ob sie gleich nicht / mit sicht-sondern unsichtbaren Pfeilen / streiten. Wer will zweifeln / David habe / im Treffen / stets einen besondern Engel um sich gehabt / der ihn wol angeführt / und seine Königliche Person / als einen Augapffel GOttes / in Schutz gefasst?

Ob nun wol erst-besagte Warnungs-Zeichen / so manchesmal einer gewaltigen Niderlage zuvorgehen /bißweilen von einem guten / und vielleicht einem Schutz-Engel deß Reichs / geschehen: halte ich dennoch / daß sie mehrmaln / von den bösen Engeln /entstehen; zumal / wenn sie / in schrecklich- und gespenstischer Gestalt / erscheinen / wie dem Römer / Bruto. Denn zu diesem tratt / wie Plutatchus beschreibt / zu Nachts / da er / in seinem[692] Gezelt allein /beym Liechte saß und las / ein Morenähnliches Gespenst hinein / mit aufgeworffenen Wurst-Lippen; und als der behertzte Brutus fragte: Quis hominum, vel Deorum es? Du seyest ein Mensch / oder der Götter Einer; wer bist du? sagte der hellische Mor; Ich bin dein böser Geburts-Geist. Morgen wirst du mich / in den Philippischen Feldern / sehen. Worauf Brutus antwortete: Videbo: Ich wills sehen.

Denn die böse Geister / ob sie gleich äusserlich bißweilen warnen; reitzen sie doch indessen heimlich den Menschen an / und befördern ihn zu seinem Sturtz: Sie suchen / mit der falschen Warnung / anders nichts / als ihm den Mut zu nehmen / und sich in grosses Ansehn einer unfehlbaren Vorwissenschafft zu bringen.

Als der Portugallische König / Sebastian / sich / zu dem unglücklichen Treffen / bereitete / darinn er /samt seiner fürnehmsten Ritterschafft / von den Moren / erlegt ward; erblickte sein / ihm sehr werth-und hochgeschätzter / Feldhauptmann Taboras, in der vorhergehenden Nacht / ein Riesenlanges Manns-Bild / in schwartzem Trauer-Kleide; erschrack aber dafür so gar nicht / daß er vielmehr gantz kühn-mütig fragte: Was ist dein Begehren? Warum folgest du mir nach? Das Gespenst gab zur Antwort: Ich trage Leid um das Königreich / und um dich / und um mich.

Der Portugallische Historicus vermeynt / es sey der Schutz-Geist deß Königreichs Portugall[693] gewest / welcher die obhandene klägliche Niderlage der Seinigen bejammert habe.8

Daß dieser ein Schutz-Engel der Kron Portugall gewest / wie gemeldter Author vermutet / dörffte manchem unvermutlich vorkommen: weil ein guter Engel sich selbsten nicht betrauren kann. Man könnte dagegen einwenden / die gute Engel traurten zwar nicht würcklich; stelleten sich aber vermutlich also / um den Menschen dadurch süglich vorzubilden / daß ihnen ein grosses Unglück bevorstehe: gleichwie sie auch / in leiblicher Gestalt / erscheinen / doch unbeleibt sind: Darauf lässt sich aber weiter antworten / es sey zwar / zwischen Trauren / und traurig sich geberden / ein Unterscheid; allein der Engel habe ausdrücklich gesagt / er trüge auch Leid um sich selbst: Zudem bequeme sich die traurige Gestalt / als eine Schrecken-wirckerinn / besser zu der bösen / als zu der guten Geister Manier. Denn / von den guten / wird man nicht bald lesen / daß sie Jemanden / in leidischer und melancholischer Gestalt / erschienen wären.

Will man hie vorhalten das Beyspiel deß Engels /der dem David / bey der Tennen / mit dem blossen Schwert / zwischen Himmel und Erden / erschien: so antworte ich darauf / es habe die Erscheinung selbiges Engels ein andres Absehn gehabt / als die Vorbedeutung eines völligen Untergangs; nemlich dieses / daß David desto grössere Reu empfinden / Busse thun /und desto ernstlicher GOtt / um Aufhebung der Pestilentz / anruffen mögte.[694]

Will man mir entgegen setzen die Erscheinung der Engel / welche Sodom umgekehrt; so gebe ich zur Antwort / daß dieselbige den Sodomitern nur / wie natürliche / schöne Jünglinge / erschienen; aber dem frommen Loth allein sich geoffenbart / daß sie Engel wären / und zwar zu seiner Errettung.

Man könnte noch weiter anhalten / und sprechen: Wann GOTT / durch heilige Leute / den Gottlosen das Verderben / im alten Testament / angekündigt habe; warum Er nicht eben so wol / durch heilige Engel / den Leuten bißweilen sollte ihren Untergang anzeigen lassen? wie Er dem stoltzen Nebucadnezar seine Straffe / mit diesen Worten; Dir Nebucadnezar wird gesagt / etc. vermittelst eines heiligen Wächters / angekündigt. Aber dem mag begegnet werden mit dieser Ausrede: Es sey / zwischen einem Propheten /oder Prediger / und einer Englischen Botschafft / ein grosser Unterscheid: Jene seyen GOttes ordentliche Boten / zu seinem Volck / gewest / wie die Lehrer noch heut; die Engel aber ausserordentliche: Durch die Propheten und Lehrer / hab er die Niderlage gedrauet / mit ausdrücklichen Worten / oder solchen Gesichten / welche den Propheten gezeigt worden; damit sich aufs wenigste noch Etliche bekehren / und mercken mögten / die erfolgende Plage / oder Niderlage /wäre eine Straffe von GOtt: aber solches hette man /aus der Rede dieses vermeynten Schutz-Geistes der Kron Portugall / nicht abnehmen können: Zudem geschehe solche Göttliche Straff-Verkündigung selten so spat erst / biß das Unglück schon an der Thür steht:[695] Dem Nebucadnezar aber sey die Straffe / zur Besserung und Verhütung seines gäntzlichen Verderbens / angedeutet; und nicht zur Weissagung eines festbeschlossenen Untergangs / angezeigt: Wie dieses Gespensts Rede darauf gegangen: Gesetzt aber / es wäre ein guter Engel gewest; so sey doch darum noch nicht gewiß / daß es der Kron Portugall Schutz-Engel eben gewesen.

Ich enthalte mich zwar hierinn eines gewissen Ausspruchs / verdrucke indessen doch nicht meine Mutmassung / daß es eher wol ein böser Schreck-Geist /als ein Engel / gewest: weil seine Worte / weder zur Warnung / noch Raht / noch Bekehrung / sondern einig allein zur Verfeigung und Zaghafftigkeit / gereichen kunnten; auch dergleichen Beyspiele etlichen heidnischen Fürsten / vor ihrem andringendem Verderben / begegnet seyen: weßwegen unter der / äusserlich angemassten Leidtragung deß Gespenstes / eine heimliche Schaden- und Unglücks-Freude vielmehr zu vermuten.

Was die Finger betrifft / so dem gottlosen Belsazer das Mene tekel, upharsin etc. geschrieben; ist solche für keines Engels Erscheinung zu achten; sondern kann unmittebar solches Gesicht also von GOTT verschafft worden seyn. So leugne ich hiemit auch nicht /daß GOTT bißweilen auch wol / durch einen guten Engel / die Straffe anzeigen lasse: allein alsdann wird Er solches auch gemeinlich dabey deutlicher zu erkennen geben.[696]

Beym Ammiano Marcellino begegnet uns ein Exempel / so dem obigen fast ähnlich. Denn als der verfluchte und meyneydige Christen-Verfolger Julianus, in der Nacht vor seinem Umkommen / um / dem Julio Cæsari nachzuaffen / unter dem Gezelt / nachdem er vom Schlaff aufgewacht / saß / und etwas schrieb /von etlichen tieffen philosophischen Sachen; erblickte er die Gestalt deß Genii publici, wie es Marcellinus, als ein mehr heidnisch-weder christlicher / Scribent /nennet; nemlich den vermeynten Schutz-Geist deß Römischen Volcks / oder Reichs; welcher ihm / in Gallien / da er zur Keyserlichen Regierung erhaben war / zu Gesicht gekommen. Derselbe presentirte sich anjetzo / in einer traurigen Gestalt / mit Verhüllung so wol deß Haupts / als deß gewöhnlichen Füll-Horns (Cornu Copiæ) und ging durch die Teppichte / traurig davon.9

Vielleicht könnte hieher auch füglich gezogen werden / nemlich auf den vermeynten Genium publicum, das / was Livius schreibt: es habe ein gemeiner Hauptmann / Namens Cæditius, im Jahr 360 nach Erbauung der Stadt Rom / der Obrigkeit zu Rom angedeutet / er hette / bey Nacht / eine Stimme / die menschliche Stimmen übertroffen / gehört / welche ihm befohlen / ihnen anzuzeigen / es würden die Gallier kommen / und Rom verderben. Weil er aber ein schlechter Mann war: haben sie ihm keinen Glauben gegeben. Aber der Glaube ist ihnen hernach in die Hand / und über den Hals gekommen. Denn Brennus[697] hat Rom eingenommen / viel Volcks erwürgt / die Häuser verbrennt / und Alles verwüstet. Wie solches /in deß von Freundsberg Ritterlichen Kriegs-Thaten /bey Beschreibung der Stadt Rom Eroberung durch das Kriegsheer Keysers Caroli V. Aus dem Orosio angezogen wird.10

Eben darauf gehen auch Zweifels-ohn diese Zeilen Livii: Expiandæ etiam vocis nocturnæ, quæ nuncia cladis ante bellum Gallicum audita, neglectaque esset, mentio illata; jussumque, templum in Nova via Ajo Locutio fieri. Es ist auch (im Raht) gedacht worden der nächtlichen Stimme / welche / vor dem Gallischen Kriege / hatte angezeigt / daß eine Niderklage vorhanden wäre / aber in den Wind geschlagen war: und hierauf erging der Rahts-Verlaß / daß man / am Neuen Wege / dem Ajo Locutio einen Tempel bauen sollte.11

Wiewol Florus meldet / solcher Tempel sey dem Jovi Capitolino aufgerichtet / wann er schreibt: Ædes Jovi Capitolino facta, quo loco, ante urbem captam, vox audita erat, adventare Gallos: Dem Capitolinischem Jupiter ist ein Tempel bereitet worden / an dem Ort / da man / vor Einnahme der Stadt / eine Stimme gehört hatte / die Gallier kämen herzu.12[698]

Beym Besoldo, wird einer wunderlichen Begebenheit gedacht. Als Ferdinandus, König zu Neapolis und Sicilien / mit Tode abgegangen; ward / an seiner Stat / der Sohn / Alphonsus, Hertzog in Calabrien /wieder zum Könige gewählt. Dieser setzte / in die Fußtapffen deß Vaters / seine Tritte so unaussetzlich /als ob der alte Tyrann noch selbst regierte.

Der Alte war / im allgemeinem Haß deß Volcks /gestorben: wegen seines / gar tyrannisch-geführten /Regiments. Er war einer grausamen Natur / und grosser Blutschuldner. Mitten unter der Gastungs-Fröligkeit / da man nichts anders vermutete / als daß er lustig und gutes Muts wäre / ließ er offt nach den Leuten greiffen / und / ohn alle Barmhertzigkeit / ihnen das Leben nehmen. Gegen dem Volck / verhielt er sich auch sonst gantz unbillig / griff demselben überall ein / in seinen Handel / Gewerbe / und Nahrung. Es war kein Gewerbe / noch Kauffmannschafft / zu ersinnen / da sich dieser unersättliche Herr nicht hette mit eingeflochten. Ja er war so filtzig und geldhungrig / daß er sich auch nicht entfärbte / die Säue gewissen Leuten auszutheilen / und ihnen auferlegte / solche /auf ihren Kosten / ihm zu mästen; damit er sie hernach desto theurer im Verkauff könnte ausbringen. Geschahe es / daß etliche solcher Schweine etwan /zufälliger Weise / umkämen / oder verreckten; so mussten diejenige / welchen / dieselbe auszumässten /aufgebürdet worden / den Schaden ihm gut machen.

In Apulien und andrer Orten / ließ er so viel Oels und Getreids / als ihm beliebte / aufkauffen:[699] verkauffte es hernach wiederum / in so hohem Preis / als ihm möglich. Imfall dann das Getreide begunnte wolfeil zu werden / wegen überflüssiger Menge; so zwang er doch die Leute / daß sie mussten von ihm allein dasselbe nehmen / (nach dem Tax nemlich / welchen er setzte) und sonst Niemand ein Körnlein / oder Oel-Tröpflein verkauffen durffte / als lange ihm noch was / von dem Seinigen / übrig war. Durch welche Tyranney er ihm den gemeinen Fluch deß Volcks einsammlete; dessen sich alle solche Leutbedrenger theilhafft machen / und durch ihre verdammte Schinderey /ihnen die ewige Verdamniß erwuchern.

Fanden sich / unter dem Adel / (oder andren fürnehmen und wolhabenden Leuten) Einige / die / aus einer guten Haushaltung / ein ehrliches Vermögen erlangten; so liehe er denselben ein Stück Geldes ab /und was ihm sonst / unter ihren Sachen / gefiel. Wollten sie kein Vorlehn thun; so nahm er ihnen es mit Gewalt hinweg. Hin und wieder hielt er viel Pferde /und Stuttereyen; aber auf andrer Leute Kosten: welche ihm solche unterhalten / aufziehen / und ausfuttern mussten.

Als nun zuletzt der Tod diesem unersättlichem ein Könige die Finger starren / und zu fernerem scharren /raffen / und reissen ungeschickt machte; gab ihm das Volck einen solchen Segen mit ins Grab / der gemeinlich solcher Herren Leiche zu begleiten pflegt.

Sein Sohn / Alphonsus, erbte samt der väterlichen Kron / auch die natürliche Sitten /[700] presentirte sich / in der Grausamkeit / Geilheit / und Gottlosigkeit / als ein perfectes Ebenbild seines Vaters. Beyde schändeten gar viel Weibsbilder; bewiesen der Kirchen gar keine Ehr; sondern verkaufften die geistliche Kirchen-Aemter. Wie dann der Alte / nemlich König Ferdinand / das Bisthum zu Taranto, um dreyzehentausend Ducaten / einem Jüden überlassen / welcher vorgegeben / er wollte selbiges / für seinen Sohn / der ein Christ wäre / kauffen. Seinen Knechten und Hof-Dienern schenckte Ferdinand Aebteyen / und andres der gleichen / an Stat eines Lohns / oder Solds; wiewol bißweilen / mit dieser Bedingung / daß sie ihm seine Habichte und Falcken eine Zeitlang unterhalten /zahm machen und abrichten / oder sonst etwas dergleichen verrichten sollten.

Alphonsus verachtete über das auch die viertzigtägige Fasten / begehrte nicht zu beichten / noch zu communiciren. Dannenhero begunnte ihn endlich sein übles Gewissen dermassen zu verfolgen / daß er /weder Tag / noch Nacht / ruhen kunnte / und ihm / im Schlaffe / diejenige Edelleute / so von ihm umgebracht waren / allezeit vorkamen.

Als nun dieser Alphonsus erfuhr / daß sein Sohn /Printz Ferdinand / von Rom weggezogen / hingegen Carl von Anjou, deß Königs in Franckreich Bruder /mit einem Kriegsheer / in vollem Anzuge wäre; beschloß er / die Königliche Regierung nider zu legen: und / wegen ermangelnder Hoffnung / das auf ihn erbitterte Volck anderst zu stillen / gedachte er seinem Sohn / Ferdinand /[701] das Regiment zu übergeben: in Meynung weil dieser Printz annoch Niemanden hatte beleidigt / so würde / wann derselbe sich auf den Königlichen Stuhl gesetzt / der Unterthanen Zorn sich legen / und ihnen die Lust zu den Frantzosen wol vergehen.

Damals hat dem Königlichem Leib- und Wundartzt / Jacobo, und zwar in dreyen unterschiedlichen Nächten / sich ein Gespenst gezeigt / in Gestalt deß verstorbenen tyrannischen Königs / Ferdinandi; und denselben erstlich mit gelinden / hernach aber mit bedraulichen scharffen Worten / befohlen / in seinem Namen / dem Alphonso anzudeuten / er sollte sich nur keine Hoffnung machen / daß er dem Könige in Franckreich würde können Widerstand thun; sintemal es oben also bestimmt wäre / daß seine Nachkommen / von unzehlich-vielen Unfällen / angefochten / auch endlich dieses so herrlichen Königreichs beraubt / und gar ausgetilgt werden sollten: darum daß sie alle Beyde so viel böse Stücke miteinander begangen /und zwar absonderlich deßwegen / daß er / der Vater /Ferdinand / auf seinen / deß Sohns / Alphonsi, Antrieb / in der S. Leonards-Kirchen / bey Neapolis /hette verübt.

Was solches für eine Unthat gewest / ist zwar nicht ausdrücklich gemeldet worden: doch haben die Leute dafür gehalten / Alphonsus hette / an demselben Ort /seinen Vater / Ferdinand / überredet / daß er viel fürnehme Herren / welche er schon lange gefänglich gehalten / heimlich liesse umbringen.[702]

Dieses mag vermutlich dem Könige Alponso die Furcht verdoppelt haben. Gestaltsam er alsofort seine köstlichste fahrende Habniß in vier Galeeren eingeladen / und / mit solchem Schrecken / als ob ihn die Frantzosen schon umringt hetten / nach Sicilien davon geflohen; ja hierinn eine so ungemeine Furcht spühren lassen / daß er seiner Schwiegermutter gesagt / daferrn sie nicht alsofort sich aufmachte / er sie allein sitzen lassen / und davon ziehen wollte. Und / da sie gebeten / nur drey Tage doch noch zu warten / welche noch daran mangelten / ehe dann er ein gantzes Jahr regiert hette; hat er geantwortet / so sie ihn nicht ziehen liesse / wollte er sich zum Fenster hinaus stürtzen.

Also ist er / eben an dem Tage / da sein Vater Ferdinand / ein Jahr vorher / mit Tode abgegangen war /seines Königlichen Zepters quit- und flüchtig davon gegangen / in ein Kloster. Darinn er Busse gethan /doch kein gantzes Jahr mehr gelebt.13

Das Gespenst aber / welches ihm / durch seinen Hof-Wundartzt / obbemeldtes hat entbieten lassen; wird / von Etlichen / für seinen / und deß Königreichs / Schutz-Engel / geachtet.

Fußnoten

1 Daniel. 4. v. 10. 14.


2 Daniel. 10.


3 In Explic. vet. Numismat.


4 Syntagm. 15. Hist. Deor.


5 Lib. 1. Phys. Stoic. c. 19.


6 Centur. 2. Hor. subcisiv. c. 14.


7 Vid. Voss. de Orig. & Progressu Idololatr. l. 1. in fine cap. 7.


8 Faria in Epitome Regni Lusitani.


9 Ammian. Marcellin. libro 25. c. 2. p.m. 417. in folio.


10 S. deß von Freundsberg Ritterliche Kriegs-Thaten 5tes Buch / am 106ten Blat. Und Orosii lib. 2. c. 19.


11 Livius lib. 5.


12 Flori Epitome libri 5. I. Livii.


13 Besoldus de Regib. Sicil. & Neap. p.m. 1152 seqq.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 688-703.
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