LXXVII.


Die bestraffte Vor-Schau deß Bräutigams.

[807] Es ist ein ungereimter Handel / daß man von dem /der alles zeitlichen und ewigen Unheils erster Urheber ist / sein zukünfftiges Heil / Glück / und Wolfahrt /zu erfahren / sich Tod-sündlich erkühnt / und denjenigen Geist um Raht / oder Nachricht und Vorverkündigung begrüsst / der alle seine Raht- und Anschläge /auf deß Rahtfragers Verderben stellet / und eben /durch solches ungesegnetes Rahtfragen / Macht gewinnt / den Fragenden entweder / durch einen bösen Raht / oder auf andre Weise / in Schaden und Unglück / wo nicht gar um den Hals / zu bringen.

Mit dieser schädlichen Thorheit / beflecken sich auch viel mannsüchtige Dirnen / welche / zu erkündigen / wer ihr Liebster und Heiraht werden solle / auf Anleitung alter aberglaubischer / und wol gar zaubrischer Vetteln / bey gewissen heiligen Zeiten / gemeinlich aber in der Nacht vor dem S. Andreas- oder hochheiligem Christ-Fest / an einem Kreutzwege / oder vor dem Küchenheerd / sich nidersetzen / alsdenn entweder / zum heiligen Andrea / die abergläubische Frage thun / oder sonst andre besondre Worte sprechen / und also / auf die Erscheinung deß vermeynten Bräutigams / warten. Dabey ihnen aber insgemein diese saubre Bedingung ernstlich eingebunden wird /daß /[808] wann Jemand erscheinet / sie nicht reden / noch an GOtt gedencken / viel weniger GOtt nennen / und anruffen sollen.

Etlichen Einfältigen / welche der Satan zu furchtsam / oder noch ein wenig gewissenhafft / achtet /wird dergleichen von dem Wahrsager-Geschmeiß nicht vorgeschrieben / sondern nur etwan ein umgekehrtes / oder von hinten zu betendes Vater Unser. Wodurch manche junge Menscher in die Gedancken verführt werden / es sey keine Sünde / weil es ja ein heiliges Gebet: ohnbedacht / daß die Mißbrauchung heiliger Gebete / zur Wahrsagerey und teuflischen Fragen / eben die grösseste Sünde sey.

Es bleibt aber solcher verdammlicher Fürwitz nicht ungestrafft. Denn entweder bleiben solche Zitrönlein unverheirathet sitzen / in armseliger Einsamkeit; oder kommen zu Fall / und mit Schanden eher ins Gefängniß / als in den Ehestand; oder führen eine böse Ehe mit ihrem Mann; oder werden alsofort im Haupt verrückt / oder dermassen erschreckt / daß sie den Tod drüber nehmen.

Vor fünff und zwantzig Jahren ungefähr hat sich in einer Stadt / die ich nicht nenne / ein einfältiges Weibs-Stück / zu dergleichem Handel / bereden lassen / und an einem Kreutz-Wege übernachtet: Massen denn solches Werck der Finsterniß / im Finstern / getrieben wird. Daselbst ist sie / durch ein Gesicht / so hefftig erschreckt worden / daß man sie frühmorgends / als wie todt / angetroffen / und ob gleich die Lebens-Kräffte wiedergekehrt[809] / dennoch der Verstand ausgeblieben. Daher man denn keinen Bericht von ihr erholen können / wie ihr geschehen: weil sie / immerzu im Haupt verstreut / nicht wusste / was man sie fragte: ausbenommen / daß sie / nach etlichen Tagen / mit seufftzen / gesprochen: Ach! verzeihe es GOTT der Alten! wie hat sie mich armes Kind angeführt! Kurtz vor ihrem Ende / welches bald drauf gefolgt /ist sie wieder / zu völliger Vernunfft / gelangt / und hat so viel berichtet; daß / nachdem sie die gewöhnliche Miß-Gebräuche / an dem Kreutz-Wege / abgestattet / ihr / gegen über / auf dein Dach / eine feurige Todten-Baar erschienen: worüber sie in solchen Schrecken gefallen / daß ihr Hertz und Sinn entfallen sey.

Vor vielen Jahren / trieb ein gleicher Fürwitz ein junges und wolgestaltes Mensch in Oesterreich / die ihres Gleichen noch wol in Ehren bekommen / so sie /mit GOtt und Ehren / es angefangen / der Göttlichen Vorsehung getrauet / und der Zeit ihres Glücks erwartet hette. Denn der Mensch kann es je nicht besser treffen / noch sicherer gehen / als wenn er die Vorwissenheit seines Glücks- oder Unglücks derjenigen Allwissenheit heimstellet / welche zu den Ihrigen spricht: Ich will dich / mit meinen Augen / leiten! Wer aber / mit deß Teufels Augen / der ein Geist der Finsterniß ist / vor sich aus- und ins Zukünfftige schauen will; der muß anstossen und fallen. So ist es auch dieser Oesterreicherinn ergangen.

Sie hat / auf Einrahten einer alten / dem Satan wolbefohlenen / und / in seinen Diensten /[810] verruntzelten /Mutter / zu Mitternacht / mit erforderten Zeremonien /ihren Liebsten zu sehen begehrt. Worauf ein Schuster / mit einem Dolch / daher tritt / ihr denselbigen zuwirfft / und darauf schnell wiederum aus dem Gesichte kommt. Sie hebt den / nach ihr geworffenen / Dolchen auf / und sperret denselben in eine Truhe. Nach kurtzer Zeit / wird ihr eben dieser Schuster zur Ehe.

Die Frucht der Sünden geht nicht allemal auf / zu einerley Zeit: Einer erndtet den ausgesäeten bösen Saamen langsamer ein / als der andre: Denn die Göttliche Rache verbirgt sich bißweilen / und schlummert eine Zeitlang; wacht aber hernach einmal plötzlich auf / und bricht desto schrecklicher / über den Unbußfertigen / aus. Solches ist auch diesem Weibe widerfahren / etliche Jahre nach ihrer Verheirathung. Denn wie sie eins nach der Sonntags-Vesper / zu ihrer Truhen /gehet / um eines und Andres hervor zu suchen / gegen den Morgenden Tag / zur Arbeit; kommt ungefähr der Mann drüber zu / und bittet / sie solle ihn doch einmal sehen lassen / was sie Gutes in dieser Truhen habe / welches er bißhero noch nicht erlangen können. Ihr erschrockenes Widerstreben vermehrt ihm sein Gelüsten: und weil sie mit Güte nicht will / sondern sich sehr dawider sträubt / stosst er sie mit Macht auf die Seiten / schauet hinein / erblickt den längst verlohrnen Dolch / erwischt denselben alsofort / und begehrt kurtzum zu wissen / wie sie zu dem Dolchen gekommen / den er einsmals verlohrn habe? Die Bestürtzung giebt wenig Raums zu einer Erfindung /[811] oder ertichtetem Vorwand. Sie wusste gar nichts vorzuschützen: der Schreck hatte ihr so wol aus dem erblasstem Angesicht / als aus dem Sinn / alle Farben weggelescht: also sprang endlich die gepresste Warheit heraus / und bekannte sie / auf sein ernstliches Andringen / es wäre ja eben derselbige Dolch / den er ihr hinterlassen / in derselbigen Nacht / da sie um ihn gebetet hette.

Hierauf ergrimmet er / und spricht: Ey du tausend Sacraments-Hur! so bist du die redliche Dirne /welche mich / in selbiger Nacht / so unmenschlich hat geängstet! Und stosst ihr damit den Dolchen mitten durchs Hertz. Wofür hingegen ihm das Gerichts-Schwert / durch den Hals / gedrungen.

Man erzehlet dergleichen Begebenheiten / wiewol mit Verändrung der Personen / Oerter / und andrer Umstände / noch mehr. Bey Hamburg / solle ein Mann-hungrige Schwester eben solches Mittel fürgenommen / und darüber einen Forst- oder Wildmeister erblickt haben. Welcher / weil sie / vor Schrecken /sich zu segnen / angefangen / seinen Hirsch-fänger nach ihr geworffen / und damit verschwunden. Sie aber verwahrt den hinterbliebenen Hirsch-fänger / mit allem Fleiß.

Es steht nicht lange an / da bekommt sie den Wildmeister ins Ehe-Bette: ob es nicht mit einiger Arglist /und auf unziemliche Weise geschehn / steht dahin /und gar nahe bey der Vermutung. Denn solche Tröpfsinnen / die / von dem ewigen Feinde ihres GOttes /die Person / so ihnen soll[812] zur Ehe werden / erkündigen wollen / seynd auch nicht zu fromm dazu / daß sie denselbigen / dessen Gestalt ihnen der böse Geist vorgestellt / durch gewisse Rencke und Netze / an sich leichtfertig verstricken / und entweder durch Unzucht / oder Liebes-Träncke / oder andre böse Künste / gefangen nehmen.

Doch dieses der Ungewißheit heimgestellt / auf was Weise sie nemlich dieses Wildprets fähig worden / ob sie demselben die Garnen gestellet / oder ob es freywillig drein gegangen / und ihre Schönheit vielleicht das Netz gewest: so hat sie doch gewißlich nur gleichsam um ihren Hencker / oder Scharffrichter gebuhlt. Denn nachdem sie / mit diesem Forstmeister /ein Kind gezeugt; begiebt sichs / daß er nach einer Sachen fragt / die in ihrem Kasten ligt / und zwar eben denselbigen / darinn sie den Hirsch-fänger / in einer Beyladen / bißhero fleissig aufgehebt hatte. Sie /die eben das Kind säugt / und derhalben nicht gern aufsteht / reicht ihm den Schlüssel / zu eben derjenigen Truhen / mit Bericht / in derselbigen werde er ein Solches finden / wie er begehre: und gedenckt nicht daran / daß der Hirsch-fänger in der Beyladen lige. Er / der vordem noch nicht gesehen / was sie / in selbiger Truhen Alles hette / bekommt Lust / dieselbe gäntzlich zu erörtern; und wird / nach Eröffnung der Bey-Lade / seines vormaligen Hirschfängers / mit höchster Befremdung / gewahr; ergreifft denselben / weiset ihn seiner Frauen / und will durchaus wissen / woher sie solchen habe? Denn es sey sein Hirsch-fänger / der ihm / in der Andreas-Nacht / weggekommen. Und weil ihm[813] ihre Bestürtzung zu mercken giebt / daß es nicht richtig darum; setzt er desto inständiger an sie /mit Erforderung einer gründlichen Bekenntniß.

Da sie nun gantz heraus geht / und das Geheimniß von sich bricht / wie er nemlich / in selbiger Nacht /da sie gebetet / selbigen Hirschfänger nach ihr geworffen / überwältiget ihn der gähe Zorn so grausamlich / daß er / unter diesen Worten / Hast du Schand-Balg / solche Mittel gebraucht? und mich damals in so schreckliche Angst gesetzt? mit einem grimmigen Streich / ihr die eine Brust / und dem daran saugenden Kinde zugleich den halben Kopff / weggehauen.

An einem andren Ort / setzt man / für den Wildmeister / oder Schuster / einen Metzger; für den Dolchen und Hirsch-fänger aber / ein Messer: und wer weiß / ob man nicht wiederum anderswo einen Schneider mit der Scheer dafür angiebt / oder einen Schwertfeger mit einem Hiebdegen?

Wie dem allen; so ist doch wol glaublich / daß /was an einem Ort / mit dieser oder jener Person / sich zuträgt / solches auch wol / an andren Orten / andren Personen / die ein Gleiches fürnehmen / begegnen könne; oder daß / was warhafftiglich an einem gewissen Ort / vorgegangen / selbiges hernach / durch diejenige / so es gehört / aber den rechten Ort aus der Acht gelassen / einem andren Ort / und auch andren Leuten / zugeschrieben wird. Denn es giebt zur Verwerffung oder Leugnung einer Geschicht / nicht Beweises gnug / wenn dieselbe / an unterschiedlichen Oertern / unterschiedlich[814] vorgebracht wird. Unter diesen dreyen Begebenheiten / welche / mit Umständen /einander so nahe verwandt / halte ich die Wienerische für die allergewisseste: sintemal die Leute noch am Leben / welchen dieses / von solchen Personen / beglaubt worden / die sich damals zu Wien aufgehalten /als der Schuster / um gedachter That willen / seinen Kopff hergeben müssen.

Man will auch dieses unter die unertichtete Sachen rechnen / was / vor schon langer Zeit / ebenfalls / unferrn von Wien / auf einem Schloß / soll passirt seyn. Eine alte Köchinn hatte drey Edel-Jungfern unterrichtet / wie sie sich / bey Herzuforderung ihrer erscheinenden künfftigen Ehliebsten / hetten zu verhalten; nemlich sie sollten / von allen ihren Mittags- und Abend-Essen / ein wenig aufheben / und solche Bißlein / nebst einem Trüncklein Weins / auf den Tisch stellen / auch ein Karten-Spiel auflegen; alsdenn würden ihre drey Bräutigams / so aber / mit gewissen Worten / von ihnen zu Gast geladen werden müssten /sich zur Tafel einfinden. Welches sie Alles getreulich in Acht genommen und erfüllet / und zwar viel fleissiger / als die Zehen Gebot / zumal das erste / andre /und dritte.

Wie nun diese drey saubre Charitinnen (oder Närritinnen) ihre aberglaubische / und den Christen unziemliche Narrentheidungen / verrichtet / auch ihre künfftige Liebsten eingeladen; stellen sich drey Cavalliers ein / sitzen zu Tisch und essen / (jedweder von dem Teller derselben / deren Liebster er werden sollte) heben auch / nach der kurtzen Mahlzeit / an /zu spielen. Einem unter ihnen[815] entfällt endlich ein Karten-Blat: weßwegen Eine der Jungfern / aus Höflichkeit / hinzu tritt / und sich unter den Tisch ernidrigt /um das Blat wieder auf zu langen. Indem wird sie gewahr / daß diese drey Cavalliers gefüsset seyen / wie die Böcke / und entsetzt sich dermassen darob / daß sie der Bedingung / kein Wort zu reden / vergisst /und mit einem lauten Zeter-Geschrey anhebt: JEsu! sey mir gnädig! Mit welchen Worten sie zugleich eiligst davon fleucht / in ihrer Mutter Kammer.

Ihr Cavallier laufft ihr nach; muß aber / vor der Kammer-Thür / stehn bleiben; und spricht: Hettest du dich nicht / in diese Kammer / retirirt / die mir verboten wird / sollte es dir ergangen seyn / wie deinen Gesellinnen. Die der Teufel alle / nemlich die zwo übrige Jungfern / samt der Magd / als der Angeberinn dieses Handels / auf Stücken zerrissen.

Ob mir nun gleich dieser grausame Ausgang / für gewiß / aufgetragen worden: laß ich ihn doch / zwischen Gewiß- und Ungewißheit / Geschicht und Geticht / schweben: und verwundre mich / wenn es würcklich also geschehen / daß keine Geschicht-Bücher eines so denckwürdigen Handels Meldung gethan. Doch wird Manches / der Famili zu Ehren / bißweilen unterdruckt / oder von dem Druck ausgelassen.

Dieses folgende soll / wie ein ansehnlicher Mann /so noch im Leben / bezeugt / in rechter Warheit / sich / zu N.N. in der Schlesien / als er sich daselbst bey Hofe aufgehalten / begeben haben. Drey Hof-Jungfern haben / in einer[816] heiligen Nacht / gleichfalls sich / an einen gedeckten Tisch / gesetzt / und über das drey Teller / an so viel ledige Stellen gelegt / für ihre erwartende Liebsten / welche / auf ihre Einladung / sollten erscheinen. Worauf nur zween Cavalliers hinein gekommen / und sich zu zweyen Jungfrauen an den Tisch gesetzt; der dritten verhoffter Beysitzer aber ausgeblieben. Als nun dieselbe darüber traurig und ungedultig worden / endlich auch / nach langem vergeblichem harren / aufsteht / und sich ins Fenster legt: erblickt sie / gegen ihr über / einen Sarck / darinn eine Person ligt / so ihr gantz gleich gestaltet. Worüber sie / vor Schrecken / erkranckt ist / und bald hernach gestorben.

Am allergewissesten kann ich / für eine Gewißheit / ausgeben / was einer fürnehmen Jungfrauen / die ich gekandt / widerfahren. Dieselbe war noch zart / und im zwölfften Jahr ihrer blühenden Jugend / als eine von ihren Mägden ihre jugendliche Einfalt überredet /sie solle / in der Andreas-Nacht / sich zum Feuerheerd gantz allein setzen / und nur das Vater Unser rückwerts sprechen: Alsdenn werde sie ihren künfftigen Bräutigam zu sehn bekommen. Wie das Mägdlein solches thut; öffnet sich die Küchen-Thür / und tritt eine weisse Gestalt herzu. Worüber sie die Einbildung bekommt / die von ihr hinausgegangene Magd sey es / habe ein weisses leinen Tuch um sich gewickelt / und gedencke / ihr einen Schertz-Schrecken zu machen: weßhalben sie ihr zurufft: Du Närrin /meynst nicht / daß ich wisse / du seyest es.

Das weisse Bild tritt hierauf näher zu ihr. Da ersiht sie / daß dasselbe / im Angesicht / gantz[817] Todten-färbig / wie eine Leiche. Und weil sie hieran merckt / es müsse ein Gespenst seyn; schreyet sie der / draussen vor der Küchen stehenden / Magd zu / sie solle ihr zu Hülffe kommen. Da weicht das Gespenst hinter sich /in eine Ecken / und verschwindt. Die Magd aber eilet zur Thür hinein / spricht ihr zu / sie solle sich nicht fürchten / und nachdem sie vernommen / was ihr sey erschienen / macht sie ihr diese Auslegung darüber /ihr Bräutigam werde der Tod seyn.

Nun hat zwar diese Jungfrau hernachmals / da sie zu mehrerm Verstande gelangt / sich gantz züchtig /erbar / und christlich / gehalten / auch ein Alter von 67 Jahren erreicht; aber viel Unruhe / und Mühseligkeit ausgestanden: und ob ihr gleich zwo Heirathen /zu unterschiedenen Malen / angetragen; hat sichs doch / beydes Mal / wiewol ohn ihre Schuld / zerschlagen. Und weil sie überdas um ihr Erb-Gut / von bösen Leuten / schelmisch betrogen worden; ist sie ledig verblieben / biß an ihr Ende.

Von einer Magd sagt man / daß dieselbe sich / wie Manche alsdann thun / nackt ausgezogen / und hinterwerts / mit einem Besem / die Stuben gekehrt; in Hoffnung / ihren Bräutigam zu erblicken. Darüber Jemand von hinten zu (der Teufel nemlich) ihr einen Streich / auf den Rücken / gegeben. Womit die Göttliche Zulassung vermutlich so viel sagen wollen / daß ihr der Besem billig den Buckel kehren sollte. Es hat aber ihre Vernunfft die Striemen davon empfangen: angemerckt / sie gleich rasend worden.

Mancher Orten haben solche saubre Schwestern[818] im Gebrauch / daß sie drey Gläser auf den Tisch stellen /das erste voll Wassers / das zweyte voll Biers / das dritte voll Weins. Das Wasser soll eine Ehe und Ehmann von geringen Mitteln bezeichnen; das Bier ein ehrliches Auskommen / im Ehstande; der Wein eine reiche Heirath.

Hievon setzt Doctor Frommannus, in seiner Schrifft de Fascinatione Magica, ein sonderbares Exempel / und berichtet / es habe / bey seinen Eltern /eine Magd gedient / welche / durch dergleichen Mittel / eine Weissagung ihres Heiraht-Glücks gesucht / und von ihrer Edel-Frauen / in deren Diensten sie damals gestanden / sich bereden lassen / diese verfluchte Weise zu begehen / und zwar in Gesellschafft zweyer Mitdienerinnen. Jedwede hat drey Gläser vor sich gesetzt; die Edel-Frau aber / in der Kammer stehend /durch die offenbleibende Stuben-Thür / dem gantzen Verlauff zugeschaut; indem die drey Dirnen Fadem-nackt am Tisch gesessen / und auf den Anblick ihres Liebsten geharret.

Hierauf ist / zum Ersten / ein Hausknecht (oder vielmehr der in dessen Gestalt verstellete Geist) hineingetreten / hat das Glas mit dem Wasser genommen / und sich damit fort gemacht. Nechst diesem ist Einer / wie ein Büttner / erschienen / hat das vor der andren Magd stehende Bierglas erwischt / und darauf seinen Abtritt genommen. Der dritte händigte ihm selbsten das Weinglas ein / und tratt auf als ein Dorff-Schulmeister / in schwartzer Kleidung / und leinen Strümpffen. Dieser ging / mit dem Weinglase / davon.

Es soll auch solche stumme Vorsagerey der[819] Ausgang bestetigt haben / wie die dritte Magd besagten Frommannischen Eltern dabey angezeigt. Die erste /welcher das Glas mit Wasser gehört / ist / mit einem Knecht / in Eh- und Weh gekommen / hat schmales Brod mit ihm beissen / und ihren Durst / mit Wasser /stillen müssen / vermutlich also den Schweiß deß Angesichts offt mit Threnen vermischt. Die Andre ist besser berahten worden / mit einem wolhabendem Büttner / bey dem sie keine Noth gelitten: imfall sie nicht etwan sonst eine böse Ehe mit ihm geführt: angemerckt / dergleichen / also angefangene / Heirahten hernach seltē ohne Zwietracht / und Widerwertigkeit /bleiben. Was sie aber selbst / die Dritte / welche dieses erzehlet hat / für einen Bräutigam gewonnen / ist dem Author unwissend: weil sie / aus seiner Eltern Diensten / und auch gar aus ihrer Heimat hinweg gekommen / in die Fremde: da vielleicht ein Schulmeister auf dem Lande sie geheirahtet.1

Zu dieser Materi schickt sich zwar besser seufftzen / als lachen: doch kann Einer kaum ohne Gelächter lesen / was / vor nicht vielen Jahren / etlichen Mann-lüsternen Dorff-Nymphen in Crain ist widerfahren /als sie sich / am heiligen Christ-Abend / vertraulich /auf einen nächtlichen Spatziergang in einen kleinē Wald / zu einer Brunnquellē / verbunden.

Ein junger Baurenkerl hatte unvermerckt Alles angehört / was die zwo junge Bäurinnen miteinander geredt / und welchem Ort sie ihre Wasser-Weissagung bestimmt hetten. Weil er dann trefflich gern Eine dieser Beyden zur Braut gehabt[820] hette: ging er / vor ihnen / heimlich hinaus / in den Wald / nach der bezielten Brunnquellen: und weil dieselbe / von einem hart daran stehendem Baum / überzweiget ward / schätzte er solchen Baum gar dienlich und bequem zu seinem Wunsch / nemlich daß die beyde Bauren-Mägde / in dem quellendem Wahrsager-Spiegel / sein Ebenbild erblicken mögten; erwehlte derhalben selbigen Baum / zu einem Gerüst / darauf er seine / und auch deß Wahrsager-Geistes / Person zu spielen wünschte /kletterte also denselben hinan / und setzte sich auf einen Ast / welcher ob dem Wasser-Pfühl (denn diese Wasserquelle macht daselbst eine etwas breite Pfützen) hervor hing. Allda wartete er / mit heisser Begierde und Verlangen ihrer Ankunfft. Er hoffte / der Betrug sollte ihm desto besser gelingen / weil er ihnen / unter andren / diesen Vergleich abgehorchet hatte /daß Keine ein Wort reden / noch über- oder hinter sich / schauen sollte; wie ihnen vermutlich eine alte Vettel solchen Unterricht mitgetheilt. Denn sonst hette er besorgen müssen / die ziemlich-klare Nacht dörffte ihn / für ihrem Anblick / nicht gnugsam verbergen.

Nachdem sie nun ihrem Vorgänger endlich gefolgt / und die Brunnquell im Gehöltz erreicht hatten; guckten beyde ins Wasser / in Vermutung / eines frischen jungen Pflug-Ritters darinn ansichtig zu werden. Wie Jener solches merckt / lenckt und streckt er den Kopff / auf dem Ast / besser vorwerts hinaus /nach aller Möglichkeit: damit das Wasser seine Gestalt desto gewisser empfangen mögte. Aber der Ast /so vermutlich schon etwas älterlich und gebrechlich /oder sonst einer solchen[821] Bürde nicht gewachsen war /ward ungetreu / und brach / ehe denn sichs der Dorff-Courtisan versahe. Darüber dann dieser plötzlich sich gezwungen fand / an stat seines Ebenbildes / oder Schattens / und Konterfeyts / sich selbsten / als das lebendige Original / ihnen im Wasser zu unterwerffen. Denn er fiel herab / plumpte und platzte in die Brunnquelle hinein / mit so schrecklichem Geräusch /daß die zwo Wasser-Schauerinnen / in der Einbildung / es führe der lebendige Teufel von oben herab / oder stürtzte sich vielleicht / mit einer besessenen Sau (wie dort mit zwey tausend) ins Wasser / vor grosser Entsetzung / die Flucht nahmen / und ein furchtsames Wettrennen nach ihrem Dorff anstelleten.

Sie seynd aber hernach hierauf in grosse Kranckheit gefallen / und hat die Eine es gar / mit der Haut /bezahlen müssen. Wie dem liebbrünstigem Crainerischem Corydon das Kühlbad bekommen; lässt der Herr Author ungemeldt. Man hat hierauf dem Wäldlein den Namen Kurbenborst, das ist / Hurenwald /gegeben.2

Fußnoten

1 Vid. D. Frommannus de Fascinatione Magica lib. 3. Part. 6. c. 7. p. 79.


2 S. das XVI. Capittel deß Siebenden Buchs Topographisch-historischer Beschreibung deß Hertzogthums Crain.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 807-822.
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