LXXVIII.


Das Unglück-weissagende Krystall.

[822] Daß denen / welche / durch aberglaubische Mittel /ihr künfftiges Ergehen / vorher zu sehen / begehren /von Ewigkeit her / eine Straffe bestimmt sey / mercket man allerdings hieraus / daß diejenige / welche ihren Bräutigam vom Teufel zu wissen begehren / gemeinlich einen bösen Anblick / oder widrige Antwort / erhalten / oder mit einer übelen und widerwertigen Ehe gefesselt werden. Da sie hingegen / durch fleissiges Gebet / eine erfreuliche hetten hoffen und erharren können. Solches soll abermal / durch eine Geschicht /bezeugt werden.

Eine Jungfrau / zu N.N. welche so wol von Gestalt / als Geschlecht / fürnehm war / trug Gunst und Liebe gegen einem seinem jungen Gesellen / der ihr solche Liebes-Huld / mit gleich-verliebter Gegen-Huld / beantwortete: also daß sie Beyde / ein eheliches Paar zu werden / inbrünstig verlangten. Aber beyderseits Eltern wollten nicht drein willigen: und solches machte den beyden Verliebten grosse Hertzens-Quaal.

Wie sich der Satan aller menschlichen Leidensreg-und Bewegungen wider der Menschen Heil und Wolfahrt / zu bedienen trachtet: also strebt er mit sonderbarem Eifer darnach / wie er / durch eine eigensinnige / und den Eltern ungehorsame /[823] Liebe / die Leute / in göttliche Ungnade / und grosses Hertzleid bringe. Und zu solcher Verführung / braucht er solche Leute /die schon von ihm verführt seynd: als die Unholden /Wahrsager und dergleichen Geschmeisses Andre mehr. Bey diesen beyden Lieb-entzündten / ergriff er dergleichen Mittel.

Eine alte Vettel / welche / schier in allen fürnehmen Häusern selbiger grossen Stadt / einen Zutritt und Kundschafft hatte / kam / zu dieser Liebverwundten Jungfrauen / auch / um sie / in ihrer Traurigkeit / zu trösten / (rechter zu sagen / ihrer Wunde einen Gifft einzustreichen) und sagte ihr / was sie gerne hörte; nemlich die Person / in welche sie entzündet wäre /würde ihr endlich doch noch unfehlbar zu Theil werden.

Diß war der Jungfer ein Lied / das sie gern hörte /und kam ihr vor / wie eine Labung / auff den Brand ihres Hertzens. Sie begehrte aber / von der Alten /hierüber mehrere Erläuterung / und fragte / Woher ihr solches eigendlich kund wäre? Das Weib sprach: Ich habe die Gnade / von GOtt / künfftige Dinge vorher zu entdecken; darum kann mir dieses so wenig / als viel Andres / verborgen seyn. Euch aber alles Zweifels / an dem / was ich / von eurer künfftigen Heiraht /euch anzeigen werde / zu befreyen / so will ich euch /wie es damit gehn werde / in einem Krystall / so klärlich weisen / daß ihr meine Kunst sollet loben. Allein wir müssen eine solche Zeit dazu ausersehn / da eure Eltern nicht daheim seynd: alsdann sollt ihr Wunder sehen.[824]

Die thörichte Jungfrau lässt sich solches Erbieten gefallen: und / nachdem also der Schluß getroffen / erwartet sie der Zeit / mit Verlangen / daß ihre Eltern nach ihren Landgütern hinaus fahren: Worauf sich die Zauber-Vettel alsofort / bey ihr / einfindet / und von ihr / in ihre kleine Kammer geführt wird. Weil aber die Jungfer / bey dem Weibe allein zu bleiben / sich fürchtet / und darob ein Grausen empfindet: geht sie hinauf / in die Studier-Stube deß damaligen Præceptorn ihres Brudern / nemlich deß Joh. Ristens: welcher damals noch ein Student gewest / nachmals aber als ein gelehrter Poet / und zierlicher Redner / durch seine Feder gar berühmt worden / und diesen Verlauff selber umständlich beschrieben. Demselben vertrauet sie ihr Vorhaben / mit hoher Bitte / er wolle doch hinab kommen / und mit dabey seyn / wann ihr die Wahrsagerinn / die so hoch verlangte Sache / nemlich ihr bevorstehendes Heirahts-Glück / im Krystall /würde vorstellig machen.

Er bemühete sich sehr / diesen sündlichen Vorwitz ihr auszureden / sie um Gottes Willen bittend / eines /in Gottes Wort so hoch verbotenen Handels / müssig zu gehen / daraus ihr leicht ein grosses Unglück entstehn könnte. Aber ihre ungehaltene Liebe trieb viel stärcker dazu an / weder er davon ab: Ihre Begier war viel zu heiß / und brünstig / als daß sie / durch sein höchliches Widerrahten / wäre erloschen. Sie wollte /seines Bittens / Ermahnens / und Warnens / ungeachtet / kurtz um / durch Krystall-Guckerey / deß Ausgangs mit ihrem Liebhaber / sich erkündigen. Er ließ sich endlich / durch ihr überhäufftes / und mit Threnen[825] vermengtes / Bitten / erweichen / daß er / von seiner Studier-stuben / mit ihr / hinunter ging zu vernehmen / was doch das alte Wetter immermehr würde vorbringen. Wiewol er daran nicht weislich gehandelt: sintemal er vielmehr der Jungfrauen ihre unziemliche Bitte hette rund abschlagen / sie ihres Tauff bundes / und wie sie / demselben entgegen / mit dem Satan sich hiedurch verhengen / ja ihre zeitliche und ewige Wolfahrt verschertzen würde / erinnern / anbey auch bedrauen sollen / woferrn Sie / von solchem sündlichem Fürhaben / nicht abstünde / daß er alsdann / ihren Eltern solches anzuzeigen / Gewissens halben verbunden würde. Uberdas wäre ihm besser angestanden / die alte Vettel / gleich / mit rauhen Worten / aus dem Hause wegzuschänden / als einen Zuseher dabey abzugeben: wodurch er besorglich sich der Sünden dieser Jungfrauen / etlicher Massen /theilhafft gemacht. Denn es mögte ein unsinniger Mensch noch so beweglich anhalten / und bitten / ich sollte ihm doch zu einem Messer / damit er sich verletzen könnte / beforderlich seyn; oder mit ihm hingehen an einen gewissen Ort / da er ein zugerichtetes Gifft stehen hette; und zuschauen / was es für eine seltsame Würckung an ihm thun würde: sollte ich darum dem Unsinnigen hierinn willfahren? Oder so ich mit dahin gienge / sollte es auch wol / andrer Meynung / mit gutem Gewissen können geschehn /als daß ich das Gifft mögte hinweg reissen / und den melancholischen / oder absinnigen Menschen / von seinem schädlichem Vorsatze / verrucken wollte? Eben so wenig hette dieser Student / durch die threnende Bitte der / von unsinniger Liebe brennenden /Jungfrauen[826] / sich erweichen lassen sollen / die verfluchten Handlung mit seiner Gegenwart beyzuwohnen / und dadurch derselben Fortgang zu befordern: bevorab / da er wusste / daß dergleichen in GOttes Wort hart verboten. Deß Teufels Wercke muß kein Christ / solcher Gestalt / mit anschauen / aus Lüsternheit / oder einem Andren zu Gefallen; sondern vielmehr dieselbe zerstören helffen / und ruckgängig machen / so viel ihm möglich fällt.

Allein die damals noch etwas unbedachtsame Studenten-Jugend dieses Manns hat es so weit eben nicht ausgerechnet / noch das blosse Zuschauen für Sünde geachtet: indem ihm nicht eingefallen / daß die Sache dadurch / zu ihrer Werckstelligkeit / an stat schuldiger Verhindrung / eine Befordrung erreichte. Wie man denn / aus feiner / selbst auffgesetzten / Erzehlung /nicht anders kann schliessen / als daß ihn nachgehends solche Bitt-Gewehrung / und Beywesenheit /gereuet hat.

Da sie nun in die Kammer kamen; fanden sie das Weib sehr geschäfftig. Sie zoch ihr Wahrsager-Gerähtlein / aus einem kleinem Korbe / hervor; sahe aber ungern / daß die Jungfer / ihn mitgebracht: sagte / sie könnte es ihm in den Augen ansehen / daß er / von ihrer Kunst / nicht viel hielte. Worauf er weiter nichts antwortete / als / sie sollte nur fortmachen; man würde es ja bald erfahren / was sie für eine vortreffliche Künstlerinn wäre.

Hierauff säumte sie sich nicht lange; sondern fing folgender Gestalt an / ihr Expergefex (wie es der Auhor giebt) zu machen. Sie bereitete ein[827] blau-seiden Tüchlein / worauf wunderliche Bilder von Drachen /Schlangen / und andrem Ungeziefer / genehet / oder gestickt waren / über die Tafel: setzte / auff dieses Tuch / eine grüne gläserne Schale; und legte darein ein andres goldfarb-seidnes Tuch (mercke / wie der verdammte Geist / sein verfluchtes Gauckelwerck äusserlich schmückt / und seinen / mit Gunst zu schreiben / Teufelsdreck so ansehnlich heraus putzt / und zieret / als ob es gar was Besonders / und gleichsam der edelste Biesem oder Schlagbalsam / der eines silbernen Büchsleins würdig wäre! Endlich setzte sie auf besagtes Goldfarbnes Tuch / eine ziemlich-grosse Krystallene Kugel; und bedeckte dieselbe gleichwol auch / mit einem weissen Tüchlein / nicht anderst / als ob sie ein grosses Heiligthum verhüllete.

Bald darauff / hub sie an / bey sich selber etwas zu murmeln / auch wunderlich sich zu geberden. Und wie nun solche Zeremonien / oder vielmehr teuflische Narrenpossen / geendigt waren; nahm sie die Krystallene Kugel / mit grosser Reverentz und Ehrerbietung /aus der gläsernen Schalen / rieff die Jungfrau / samt dem Studenten / zu sich / gegen das Fenster / zeigte ihnen die Krystallene Kugel: Darinn sie anfänglich nichts sahen. Bald aber tratt / in dem Krystall / die Braut hervor / in überaus köstlicher Kleidung / und zwar eben so prächtig angethan / als sie / an ihrem Hochzeit-Tage / gewest; wiewol der Herr Rist demselben hernach nicht beygewohnt / aber deßwegen /von andren ehrlichen Leuten / Bericht empfangen hat.[828]

Ob nun gleich die Braut überaus herrlich gekleidt erschien: sahe sie doch (in diesem Krystall) so betrübt und jämmerlich aus / hatte auch dabey eine solche Todtenfarbe / daß man sie / ohn grosses Mitleiden /nicht kunnte betrachten. Sie schauten das Bild an /mit nicht geringem Schrecken. Welcher aber / bald darauff sich noch ungleich mehr vergrösserte; als /gerad gegen der Braut über / der Bräutigam hervor kam / mit einem so grausamen und entsetzlichem Gesicht / (da er doch sonst ein gar freundlicher Mensch war) daß man dafür hette zittern mögen. Er war gestiefelt und gespornt; hatte einen grauen Reisemantel mit güldnen Knöpffen um: unter welchem er zwo neue Pistolen hervor langte / und / in jeder Hand /eine hielt. Die in der lincken Hand / richtete er an seine eigne Brust / oder vielmehr auffs Hertz. Die in der rechten / setzte er der Jungfer Braut recht für den Kopff. Hierüber wurden diese beyde Anschauer / mit einem solchen Schrecken / überfallen / daß sie weder aus-noch ein wusten: biß er endlich die eine Pistole /welche er der Liebsten recht vor die Stirn gesetzt hatte / loßdruckte / mit einem dumpffigten (oder dumperen) Knall oder Puffen.

Darob erstaunten diese Krystall-Gucker / nicht anderst / als ob das Wetter bey ihnen nideroder vielmehr eingeschlagen hette / und Himmel samt der Erden ihnen / auf der Brust läge. Sie stunden gantz erstarrt: biß sie endlich / halb gehend / und halb kriechend /zur Kammer hinaus kamen: da dann das Gesinde genug zu thun fand (so geht man wieder davon / wenn man nach Endor[829] gegangen!) sie ein wenig wieder zu erquicken / und zur Ruhe zu bringen.

Der alten Hexen war / bey der Sache / auch nicht wol zu Mut; als die vielleicht nicht gedacht / daß solche Händel vorfallen sollten: weßwegen sie / über Hals und Kopff / zum Hause hinaus lieff / auch / wie der Author vermutet / so bald nicht wieder gekommen ist.

Unterdessen kunnte Er solches teuflischen Gesichts / in einer geraumen Zeit / nicht vergessen; lag etliche Nächte schlafflos / und bekam offt einen grossen Schrecken: Welches der Jungfrauen / wie sie vielfältig klagte / ebenmässig ist widerfahren.

Dieses Schreck-Eys kunnte gleichwol die / in dem Hertzen der Jungfrauen fort glimmende / Liebe nicht ausleschen; hingegen aber auch ihre Hoffnung den /ihr im Wege ligenden / schweren Stein / nemlich den Widerwillen der Eltern / nicht wegräumen: derselben Sinn und Entschliessung blieb gantz eisern / und von aller Bitte der Tochter ungebogen: Es beharrete so wol die leibliche Mutter / als der Stief-Vater / auff diesem Schluß unerweichlich / daß diese Heiraht durchaus nicht vor sich gehn sollte. Ja sie brachten es vielmehr / durch Bedrauung / und harten Zwang /dahin / daß die Jungfrau einem fürnehmen Fürstlichem Bedienten / in der Nachbarschafft / die Ehe versprechen musste.

Das setzte eine traurige Würckung / und gebar diese aufgedrungene Heiraht der unglückseligen Braut eitel Hertzleid. Sie brachte ihre Zeit zu / in lauter Seuffzen / Weinen / und Klagen: und[830] ihr erster Bräutigam ergab sich gleichfalls dem Unmut und Verdruß so gar zueigen / daß er dadurch / in die äusserste Verzweiflung gerissen ward.

Inzwischen ward der Hochzeit-Tag angesetzt / und / wegen Erwartung unterschiedlicher Fürstlicher Personen / welche diesem Vermählungs-Fest sollten beywohnen / um so viel herrlicher darauf zugerüstet. Der Braut Bruder ward / nebenst dem Erzehler dieses Verlauffs / von der Hohen Schul zu Rostock / allda sie beyde miteinander bishero studirten / nach Hause gefordert. Jener aber zoch allein hin; weil dieser noch keine Lust hatte / auff solche / ihm gantz unglückselig scheinende Hochzeit zu kommen.

Wie nun / nach / in allen Dingen so herrlich und prächtig gemachter Anstalt / als ob man dem Unglück das Opffer krönen wollte / der Tag herbey kam / daß die Braut / in ihrem grössestem Gepränge / solte abgeholet werden; schickte die Fürstinn ihre Leibgutsche / samt etlichen darinn sitzenden Hof damen / mit sechs Pferden / und etlichen Reutern / in die Stadt. Welchen sich der Braut fürnehme Anverwandten /und andre ansehnliche Freunde / theils zu Pferde beyfügten / solchem nach / in einem zierlichen Auffzuge /und schönen Ordnung / zur Stadt hinaus fuhren und ritten.

Diß hatte der vorige / nunmehr gäntzlich enthoffte /Bräutigam Alles gar genau ausgekundschafftet / und dem Andren / ohngeachtet derselbige weit höheres Standes / als er / war / seine Liebste so schlechtshin nicht zu überlassen / sondern / demselben kurtze Freude zu machen / beschlossen;[831] diesem nach ein paar schöner neuer Pistolen machen lassen; deß teufflischen Vorsatzes / mit der einen der Braut / und / so bald solches geschehn / mit der andren ihm selbsten den Rest zu geben.

Solchen unmenschlich-grausamen Doppelmord werckstellig zu machen / hat er ein wolge legenes Haus / so etwan das zehende oder zwölffte vom Thor war / dazu ausersehn; weil die Braut allda musste vorüber fahren. Indem dieselbe nun / in grosser Herrlichkeit / und äusserlichem Pracht / (auswendig voll Perlen / inwendig voll Zehren) mit Wagen und Reutern /unter dem Zuschauen einer grossen Menge / von allen Orten zulauffenden / Volcks / daher fuhr; gab der verzweifelte Liebhaber Feuer in die Gutsche. Doch ging es dem Satan nicht / nach seinem Willen: denn der Schuß geschahe ein wenig zu frühe / also / daß die unschuldige Braut gantz unverletzt blieb / und allein einer adlichen Damen / die im Schlage saß / ihr Hauptschmuck / welchen sie / der Zeit Gewonheit nach / etwas hoch trug / vom Kopff herunter geschossen ward. Worüber sie / aus Schrecken / in Ohnmacht sanck / deßwegen auch aus der Gutschen gehebt / und in das nechste Haus getragen / werden musste; auff daß man sie daselbst mögte erquicken.

Indem aber fast Jedermann der Gutschen zueilete /und der Thäter / aus dem Geschrey / merckte / daß er gefehlt / und die Braut im wenigsten verletzt wäre; flohe er / durch das Haus / zur Hinterthür geschwind hinaus / sprang über ein / ob gleich ziemlich-breites /Wässerlein (wie er dann[832] überaus fertiger Füsse war) und kam also / wie eifrig man ihm auch nachforschte /endlich davon.

Nachdem aber die Unruhe ein wenig gestillet war; verfolgte die Braut ihre Reise / und gelangte / samt ihrer hoch-ansehnlichen Gesellschafft / noch zu rechter Zeit / auff dem Fürstlichen Hause an: allda die Hochzeit zwar / mit übergenugsamen Pracht / aber geringer Vergnügung der hertzbetrübten Braut / ward gehalten: also / daß man wol sagen mögen / sie habe /bey ihrem Braut-tantze / nicht auff Rosen getantzt. So war auch hernach ihr Ehgarte / kein Rosengarten; sondern gleichsam eine traurige Wüste mit Hecken und Dörnern verwachsen. Denn ihr Ehmann hatte einen harten / boßhafften / und feindseligen Kopff; tractirte dieses schöne / holdselige / und (ausser obigen Fehler) tugendreiche Bild nicht / auf menschliche / sondern bestialische Weise / und handelte sie über alle Massen übel. Ob sie ihm gleich noch so freundlich unter Augen ging / auch / durch GOttes Segen / ihm ein lieblichs Kindlein zur Welt brachte; halff es doch Alles nichts: er war und blieb im Hause / ein Leu /setzte Ihr täglich / vor den Buchstaben E / ein W. Er beschimpffte und schmähete sie unauffhörlich / auch wol in offentlichen Gesellschafften / und fürnehmer Leute Gegenwart. Täglich musste sie seine Fäuste prüfen. Manches Mal schlug sie dieser Weiber-Teufel gar zum Hause hinaus / und musste sie manche Nacht draussen bleiben. Daher für einen solchen groben Knorren / und feindseligen Saturn / eine zörnige Xantippe sich nicht übel sollte geschickt haben / die ihm in die Haare geflogen wäre / oder eine Nachtscherben[833] über ihm ausgeleert / oder sonst / gegen seinen Fäusten / ihre Nägel angesetzt / und seinem Gesicht eine Katzen-Signatur damit auffgedruckt hette. Wiewol zu zweifeln / ob Xantippe selbst / für diesem wütendem Unhold / die Klauen nicht hette ein- und den Kürtzern ziehen müssen. Denn gegen einem bösen Rekel (oder Rüden) richtet auch die allerzörnigste Haderkatze nicht viel aus: wann sie ihn nicht etwan / durch ihr Zungen-Schwert / dämpffet / und für den Nachbarn schaam-rot macht. Welches aber / bey manchen Weiber-Dreschern / nichts verfängt.

Unterdessen zoch sich dieses fromme Hertz solches so sehr zu Gemüt / daß sie / noch kaum dreissig Jahre alt / in der besten Blüte ihres Lebens / vor Kummer /Graam / und Hertzleid / gleich einer Rosen / verwelckte und tödtlich verblasste. Diß ist aber die Straffe ihres sündlichen Vorwitzes gewest / welchen sie / an der Krystall-Schau / verübet hat; Andren aber eine Warnung / sich / für Wahrsagerey / zu hüten. Weil sie sich hat verleiten lassen / von der alten Vetteln / und der Abmahnung deß Studentens kein Gehör geben /sondern den Ausgang ihrer Liebe / vom Teufel wissen wollen: ist ihr dafür ein gleichsam leiblicher Ehteufel / an stat eines lieben und frommen Ehmanns / zu Theil / worden.

Allein hiemit ist der gottlose / unbarmhertzige /und grausame Weiber-Tyrann / nemlich ihr Ehmann /darum nicht gerechtfertigt / noch der göttlichē Straffe entgangen. Denn nachdem dieser Haus-Drach sein gutes / tugendhafftes / schönes und junges Ehweib zu Tode gequält und geängstet hatte; fiel endlich[834] der Bösewigt / bey seinem Fürsten / in die höchste Ungnade: also / daß ihm alles das Seinige genommen worden / und er zuletzt ohne Ehr und Gut / auch / wie der Author vermutet / ohne die Göttliche Gnade / als ein rechter Atheist / Ohne-Gott / und Epicurer / eines elenden Todes gestorben.

Nicht weniger haben auch die ehr- und geldsüchtige Eltern / an stat gehoffter Freude / ein nagendes Hertzleid dafür zu Lohn bekommen / daß sie ihr Kind / mit Gewalt und Zwang / zu einer Person / genöthigt / die demselben gantz zuwidern war. Kinder seynd den Eltern / zum Gehorsam / verpflichtet: gleichwol muß ihr Will auch dabey seyn / wenn sie sich ehelich sollen versprechen. Gezwungene Eh gebiert Weh; gleich wie die Verehelichung / wider der Eltern Willen / eben so wol Unglück nach sich ziehet.

Wir müssen uns aber auch / nach dem entrunnenen und verzweifeltem Liebhaber / umsehen / und melden / wie es demselben hernach ergangen. Der hat nachgehends die Grillen fahren lassen / und eine glückliche Heiraht gethan / ist auch ein gar reicher Mann worden / der fürnehmen Städten / in seiner Profession / rühmlich gedient / und auch noch zu der Zeit / als vielgemeldter Author diese Geschicht beschrieben / bey erwünschtem Wolstande sich befunden.1

Hie dörffte Mancher fragen / wie der T. vorhero wissen können / daß der erste Bräutigam die Braut würde umbringen wollen / und zwar mit[835] einer Pistolen? Aber darauff steht leicht zu antworten. Weil er gewust / daß die Eltern sie diese ersten Liebhaber nicht geben wollten: hat er derselben die Gedancken selber eingegossen: Zum nachdem sie ihm / durch ihre / den Eltern unbeliebte Liebe / und sonderlich auch die Braut / durch ihren Vorwitz / Macht eingeräumt /dergleich Vorsatz dem ersten Bräutigam einzuspeyen. Alsdann der Author schreibt / er erinnere sich / da dieser verzweifelte Liebhaber / noch ehe und bevor seine Liebste dem Fürstlichen Bedienten ehelich versprochen worden / zu sagen pflegen / Ehe er den wollte / daß seine Liebste einem Andren / ihm / sollte zu Theil werden / wollte er lieber Paar Pistolen nehmen /und mit der einen Jungfrau / mit der andren sich selbsten / erschiessen: daß er also / mit diesen bösen Gedancke und unchristlichem Vorsatze / schon lange schwanger gangen: Welches auch der Author / als der täglich mit ihm umging / leichtlich wargenommen. Diesem nach hat der Satan unschwer solches vorstellen können / was er demjenigen Menschen selber ins Hertz gegeben / und derselbe schon eine gute Zeit bey sich im Schilde geführt.

Fußnoten

1 Aus der alleredelsten Zeit-Verkürtzung J. Ristens / pag. 255. seqq.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 822-836.
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