LXXXI.


Das scheinheilige Gespenst.

[879] Mancher Spähvogel / und Land-fahrender Schau-Spieler / stellet bißweilen wol einer grossen Potentaten für / und verbirgt sich / unter dem nachgeäfftem Königlichen Rock: also thut auch bißweilen der Satan: er verkleidet sich jemaln in grosse Heiligen GOttes / ja! in der Allerheiligsten selbsten / um die Leute dahin zu verleiten / daß sie GOtt versuchen /oder auff geistlich Hoffart gerathen / und besondre Offenbarungen verlangen mögen. Den blinden Heiden stellet er sich vor / als einen Gott / und fordert von ihnen Göttliche Verehrung; wie der schaamlose Schand geist dem Sohn Gottes selbsten ansinnen dürffte. Als die West-Indische Heiden über die Gewalt und Streitbarkeit der Christen / und wie wenig er sie dawider zu schützen vermogte / sondern vielmehr überall seine Götzen-Häuser niderreissen lassen mir sie sich / höchlich verwunderten: gab er sich für Christ Bruder / oder liebsten Freund / aus: um / durch solche Lügen / sie in der Lügen / wider die Warheit zu behalten.

Durch den Mund der Jüden-Betriegen gab er bald diesen / bald jenen Verführer aus / für den Messias: durch viel falsche Propheten / je durch alle grund-fal sche Lehrer / rufft er: Sihe hie ist Christus! sihe! da ist Er!

Aber den Enthusiasten / und Allen / die sich an der Gnade seines geoffenbarten Worts nicht[880] lassen genügen / macht er eins an / unter solchen Larven und Farben / welche ihnen am angenehmsten; äffet und täuschet sie bißweilen / nicht allein mit sonderbarer Eingebung oder Träumen / so dem auswendigen Schein nach / auff einen wunder-heiligen und strengen Wandel / dem innerlich-verborgenem Ziel nach aber /Alles / auf geistlichen Stoltz / Versuchung GOttes /Verachtung andrer Leute / Verlassung der ordentlichen Werck-Mittel oder Unterweisungen zur Seligkeit / nemlich der Göttlichen Lehr und Sacramenten /zwecket; sondern auch manches Mal / mit sichtbarlicher Erscheinung / einer falsch-angemassten Gestalt Christi.

Hiemit sucht er / als der rechte Versucher zum Bösen / auch wol frommen Leuten einen betrieglichen Auffzug zu machen. Dem H. Martino hat er sich angemeldet / für den Herrn Christum; ist aber bald darüber zu Spott / und ein Betrieger erfunden worden. Der Wittwen / Theodoræ bildete er sich für / in der Gestalt Gottes.

Einer Nonnen zu Bologna (oder Bononien) erschien er / mit Blut-trieffenden und Dorn-gekröntem Haupt / wie der Heiland am Kreutze / und künstelte ihr die fünff Wunden-Malen daher. Wiewol es / in kurtzem / offenbar ward / daß dieser verfluchte Comediant / solche Bildung hette ertichtet. Massen Petrus Ribadenaira / der es mit angesehen / solches bezeugt.1 So ist auch nicht unbekandt / was dem berühmten Ludovico Granatensi für eine Abentheuer begegnet / mit einem Weibe /[881] das gleichfalls schier auff solche Weise / vom Satan / genarret worden.2

Denckwürdig aber ist / vor andren / dieses / was Boissardus erzehlt. Im Gebiet Francisci Pici / Grafens von Mirandula / lebte ein Weibs-Bild / so einen guten Lebens-Wandel führte / und mit beten und fasten GOtt täglich dienete. Diese offenbarte ihrem Beicht-Vater / in der Beicht / ihr erschiene alle Tage der HErr Christus / in Gestalt eines wunderschönen zwölff-jährigen Knabens / und einem hell-gläntzendem Kleide; um den Kopff trüge er eine weisse Binden / daran ein wunderhelles Kreutz-Zeichen / wie ein Karfunckel funckelte: Von diesem Knaben / würde sie immerzu ermahnt / sie sollte ja / in einem christlichem Leben / und bey unbefleckten Sitten / verharren: nach welcher Belehrung / der schöne Knabe verschwünde.

Der Priester erzehlt solches dem Pico. Welcher /als ein überaus scharffsinniger Kopff / fleissig / nach dem Wandel der Frauen / und was es / mit ihrer Gottesfurcht / für Bewandniß hette / geforschet. Da er nun / von dem Priester verstanden / daß es nur aller erst drey Jahre / seit dem sie diese strenge Lebens-Art angefangen / und sie annoch / zu keiner solchen heiligen Vollkommenheit gelangt / die eines so göttlichen Gesichts würdig wäre / und seines Gesprächs geniessen mögte; überdas auch die Frau erzehlte / daß dieser vermeynte Christ-Knabe / in seinem Gespräch / viel abgeschmackte und liederliche Sachen lehrete / neben dem auch zukünfftige Dinge weissagte / zu deren Erfüllung er eine Zeit[882] angesetzt / die allbereit / sonder einigen würcklichen Erfolg / verflossen wäre: machte Picus / aus dem Allen / einen Schluß / das Gesicht müsste nicht von Christo / sondern vom Teufel / seyn; der sich / in einen Engel deß Lichts / ja in den HErrn der Engel selbsten / verstellet hette / um das einfältige Weib zu betriegen.3

Der Satan verhält sich hierinn / gleich denen betrieglichen Sophisten / von welchen Seneca schreibt /daß sie es den Apotheckern seiner Zeit nachgethan; welche die Büchsen / darinn Gifft verborgen gewest /mit gar ansehn- und ehrlichen Uberschrifften / oder Titeln / zierten. Wie möchte ein Titel / oder Schein und Fürgeben / heiliger / oder höher seyn / als dessen sich dieser Ertz-betrieger / im Jahr 1121 / angemasst? Da er / wie Nicolaus Remigius erzehlt / gern für die hoch-heilige Dreyfaltigkeit / hat angesehn seyn wollen / und deßwegen einem Ordensmann / in einer Gestalt mit dreyen Häuptern / erschienen; um demselben desto leichter einzubilden / er wäre eben die hochgelobte Dreyeinigkeit / in deren Betrachtung Jener seinen Geist / bishero so tieff versenckte / und täglich übte: mit Vermeldung / daß er als der dreyeinige GOtt / sich ihm / seiner vortrefflichen Verdienste / sonderbaren Andacht und Gottseligkeit halben / hiemit sichtbarlich vor Augen stellete: damit er denselben nun / in augenscheinlicher Gegenwart / könnte anbeten.

Aber der Mönch merckte die scheinheilige Schelmerey gar bald; schändete den Bösewigt[883] hefftig aus /an stat fußfälligen Anbetens / und trieb ihn also / Seiner spottend / von sich;

Derselbige Remigius, gedenckt auch / er habe / von deß Hertzogs in Lothringen geheimen Rath / Melchior Ehrich gehört / daß Theodorus Maillot / welcher nachmals über eine gewisse Landschafft in Lothringen Unter-Landrichter (oder Landverweser) worden /in seiner Jugend / sich in ein schönes / aus einer hoch-ansehnlichen Famili bürtiges / Jungfräulein verliebt /und dasselbe zur Heiraht gewünscht; aber sich gantz ohne Hoffnung gesehn / das schöne Bild zu erlangen: weil er damals annoch nur arm und dörfftig / dazu von schlechter Condition / als ein Auffwarter / gewest / und also kein Hertz gehabt / sich um sie anzumelden.

Wie nun manche Leute / wann es nicht nach ihrem Sinn geht / und der Zweck ihrer Begierden von der Hoffnung allzuweit entfernet ist / gemeinlich gern / zu verzweifelten Mitteln / greiffen: also beschloß auch dieser Verliebter seinem Verlangen / eine Bahn zu eröffnen; es mögte / auch gleich dieselbe erlaubt oder verboten / christlich oder verdammt / seyn. Er hatte die Nachricht / sein Mitknecht / ein geborner Teutscher / hette einen Geheim Geist / der zu aller Dienst-erweisung gar hurtig und willig wäre: Also ging er zu ihm; vertraute ihm sein Anligen / und bat / er sollte ihm behülfflich zu seinem Zweck seyn / wann er Raht dazu wüsste / und ihn dafür nicht undanckbar finden.

Dem Teutschen daugte dieses / eine erwünschte Gelegenheit / seine Centner-schwere Angst- und Sorgenbürde von sich ab- und auff einen[884] Andren / zu wältzen: sintemal / in wenig Tagen / seine Zeit / aus war / darinn er entweder den bösen Geist einem Andren zubringen / oder seinen Hals / ihm umdrehen lassen musste / Vermöge deß / mit dem Satan getroffenen / Vergleichs. Derhalben war er mehr als froh /daß jemand vorhanden / der / an seiner Stelle / sich in die Bande deß Teufels begeben / und ihn damit davon erledigen wollte; bestimmte demnach dem unbesonnenen Jüngling eine Frühstunde deß folgenden Morgens / darinn sie / in einem verschlossenem und geheimen Zimmer / wollten zusammen kommen / und allda deß ehrlichen Handels miteinander eins werden.

Kaum waren sie daselbst bey einander / als zur Stunde die Thür aufging / und eine Jungfrau lieblicher Gestalt / freundlichen Blicks / und züchtigen Geberdes / hinein tratt. Denn auff solche angenehme Weise / wollte sich / der Teufel Anfangs stellen: damit der Maillot / für seinem erschrecklichem Anblick / sich nicht entsetzen / noch in seinem Vorhaben / wendig werden mögte. Diese vermeynte Jungfrau gab für / sie wollte ihm die / so sehr gewünschte / Heiraht leichtlich zu wegen bringen / daferrn er dem nur würde getreulich nachkommen / was sie ihm würde vorschreiben.

Indem er nun hiezu die Ohren spitzte / und mit Verlangen erwartete / ihre Meynung zu vernehmen; hub sie an / ihn zu ermahnen / daß er sich / vor allen Dingen / hüten sollte / für Dieberey / Trunckenheit /Unzucht / Gottslästerung / Fluchen / Beleidigung und Ubervortheilung deß Nechsten / und für allen andren dergleichen Seel-befleckenden Lastern mehr: gegentheils sollte er sich / in der Gottesfurcht /[885] üben /armen und dörfftigen Leuten / von seinem Vermögen /eine erkleckliche Beysteur thun / auch / zweymal in der Wochen / sich selbsten / durch fasten / kasteyen /und so wol das offentliche / als tägliche Gebet ja nicht unterlassen; sondern Alles / dasjenige / was eines Christen Menschen Pflicht erforderte / mit unfehlbarem Fleiß / beobachten und verrichten: Denn so er sich / zu solchem Allen / mit ausdrucklicher Zusage würde verbinden / würde er die verlangte Dame /ohne sonderliche Müh / und Schwerigkeit / zur Braut / und ehelichen Liebsten bekommen. Nachdem sie ihm solchen Vortrag gethan / und einen gewissen Tag gesetzt / gegen welchem sie hierauff seiner antwortlichen Erklährung gewärtig seyn wollte / ging sie behände zur Thür wieder hinaus.

Maillot ließ sich / wegen eines so treflichen Anerbietens beduncken / im Himmel zu seyn: sein Hertz hub an / vor Freuden / zu wallen: seine Hoffnung befand sich gleichsam in einem Paradis der Liebe; seine Gedancken und Einbildungen flatterten schon / wie ein Sommer-vöglein / auff lauter Rosenblumen /herum; bevorab / weil er vernahm / daß seine Vergnügung / auf so ehrliche und christliche Conditionen /erfolgen sollte.

In dem / sonst treflich-wolgebildetem Bilder-Hause deß Herrn M. Jacob Daniel Ernstes / wird dieser Verlauff / zwar aus demselben Remigio, aber zum Theil mit etwas veränderten Umständen / erzehlt: Nemlich /der Jüngling habe versprochen / dem Allen nachzukommen / und die Jungfrau ihm einen gewissen Tag benennet / an dem er wieder Nachricht von ihr haben sollte /[886] von dem / was sie immittelst ausgerichtet: Und wie sich die Freude eines Menschens / mit dem Quecksilber / vergleicht / welches sich schwerlich in einem Gefäß behalten lasse / wann es erwarmet; also habe der Maillot seine vermeynte Glückseligkeit auch nicht verschweigen können / sondern / Einem seiner vertrauten Freunde eröffnet: welcher die Sache ihm nicht wollen gefallen lassen; sondern Jenem / mit vielen Worten / erwiesen / daß der Satan / welcher sich in einen Engel deß Lichts verstellen könnte / einen Betrug vorhätte / und also süß zu pfeiffen pflegte /ehe er die Albernen berückte: durch welche vernünfftige Reden er so viel zu wegen gebracht / daß Jener seinen gefährlichen Vorsatz habe fallen lassen / und dadurch einem grossen Unglück entgangen sey.

Aber besagter Teutscher Author / hat vielleicht /auff ein andres Buch / welches sich auff den Remigium mag beruffen haben / sich verlassen. Denn Remigius schreibt nicht / daß der junge Mensch gleich alsofort das Versprechen gethan / dem allen nachzukommen; sondern / wie oben schon gedacht ist / daß die falsche Jungfrau ihm einen Tag ernannt habe / an welchem sie hierauff von ihm eine Antwort vernehmen wollte. Er sagt auch nicht / daß der Jüngling solche seine Freude nicht verschweigen können / und dieselbe einem seiner vertrauten Freunde eröffnet habe: sondern die Umstände gehen / beym Remigio, also. Als die Jungfrau / dem Jünglinge / berichteter Massen / eine gewisse Bedenck-Zeit / bestimmt / und damit von ihm geschieden; hat der Maillot / weil er gesehn / daß sie ihm / mit so heiligen und erbaren[887] Bedingungen / eine so grosse Wolthat versprochen /dafür gehalten / man müsste nicht lange säumen / solche treffliche Anerbietung / mit Danck und Beliebung anzunehmen. Jedoch begunnte er / der Sachen je länger je mehr nach zu dencken / und / mit scrupulirenden Gedancken zwischen Furcht und Hoffnung / zu schweben: biß endlich ein / mit ihm in einem Hause sich auffhaltender / Priester / aus seinem Gesichte /gemerckt / er müsste ein heimlich-schweres Anligen auff seinem Hertzen haben / solchem nach ihn freundlich angeredet / und durch bewegliches Zusprechen /von ihm die Ursache seiner so Kümmer-zeugenden Blicke / erforschet / auch zuletzt überredet hat / daß er hinfüro sich / mit dem Teufel / durchaus in keine Unterredung mehr einlassen sollte.

Also ist der Teutsche / in seiner Hoffnung / betrogen / und / bald hernach / laut seines / mit dem bösen Feinde eingegangenen / Vergleichs / demselben verfällig worden: indem er / auff ebner und offentlicher Strassen reitend / plötzlich vom Pferde herab-auff den Kopff gestürtzt / und gleich im Augenblick / so wol dem zeitlichen / als ewigem Tode / in den Rachen gefallen.4

Eben dieser Author / Remigius, meldet / daß der Teufel / gegen einem besessenen Weibs-Bilde / zu Laon, in Franckreich / sich / im Anfange gleichfalls gar heilig gestellet; als er / wie ein schwartzer Mann /auffgezogen kommen; und von nichts anders zu ihr geredt / als von heilig- und unsträflichem Wandel /von Zucht / Keuschheit / Andacht /[888] Gottesfurcht / und fleissiger Besuchung deß Gottesdienstes: dazu er sie /vor allen Dingen / ermahnte.5

Solche Weise führen eben so wol manche Dienerinnen deß Satans / nemlich Druten und Zauberinnen. Wie dann mehrgedachter Remigius bezeugt / es habe /bey seiner Zeit / eine Frau sich / vor allen andren / äusserlich / als einen Ausbund der Frömmigkeit / erwiesen / allemal zum GOttesdienst sich fleissig eingestellt / sey in der Kirchen stets die letzte gewest / und ungern heraus gegangen. Das Gebet unterließ sie so gar auff der Gassen nicht / zeichnete sich auch zum offtern dabey mit dem heil. Kreutze. Es gieng kein Tag vorbey / an dem sie nicht / vor einem Altar / gekniet hette. Das Pater Noster / oder den Rosenkrantz /trug sie allezeit / an der Hand; fastete auch / an gewöhnlichen Tagen / gar strenge; redete / mit Jedermann / gantz freundlich und demütig: also / daß ihr gantzes Wesen anderst nichts / als ein demütiges /gottseliges / und zur Andacht gar sehr geneigtes /Hertz bezeugte. Dannenhero auch ein gewisser ehrlicher Zunfftmeister / an dem man sonst nichts zu tadeln wusste / mit dem Magistrat / eben scharff darum expostulirte / daß er diese Frau / welche / in seiner Einbildung / gleichsam ein heiliger Engel / und rechter Spiegel der Gottesfurcht war / hette in Verhafft nehmen lassen.

Nichts destoweniger ward / nach geschehener Untersuchung / dieses / von so vielen Heiligkeiten (oder vielmehr Scheinheiligkeiten) berühmte / Weib eine Ertz-Zauberinn erfunden / und vieler[889] Ubelthaten überführt / auch dafür / mit dem Brande / abgestrafft.6 Solche Larven der Gottesfurcht lernen die Teufels-Kinder von ihrem Vater: der / in dieser Kunst / Meister ist.

Athanasius gedenckt / im Leben S. Antonii / dieser habe seine Jünger / für der betrieglichen Verstellung der bösen Geister / gewarnet. Darunter dieser Bericht enthalten. Es pflegen auch bißweilen die Teufel mit einem lieblichen Gesinge / erschienen / und zu psalliren. Sie sprechen / mit ihrem unreinem Munde / auch wol die Sprüche heiliger Schrifft gar andächtig daher. Denn es geschicht offt / daß / wenn wir lesen / sie / wie ein Echo oder Widerschall / die letzten Worte uns nachsprechen. Sie wecken auch die Schlaffenden auff / zum beten /damit sie ihnen den Schlaff brechen / und eine unruhige Nacht machen mögen. Viel Münche werden auch / von ihnen / bestrafft / denen sie / in Gestalt der berühmtesten München / erscheinen /und ihre vormalige Sünden / darum sie Wissen schafft haben / vorrupffen.

Allein man muß ihre Bestraffungen / ihre Ermahnungen zum fasten / ihren betrieglichen Raht / daß man Vigilien halten müsse / verachten. Denn darum / nehmen sie solche / uns bekandte und gewöhnte / Bildnissen und Gestalten an sich /damit sie / unter einem Schein der Tugenden /uns schaden / und desto leichter ihren Gifft drein[890] mischen / und unschuldige Hertzen / durch eine Larve der Erbarkeit / verführen können etc. Derhalben der HErr / als er auff Erden kommen war / und die unsaubren Geister die Warheit von Ihm redeten / (Denn sie sagten: Du bist Christus / der Sohn deß lebendigen GOttes!) verschloß Er / der die gebundene Zungen der Menschen auffschloß /diesen also schreyenden Geistern die Mäuler; auff daß sie nicht / mit der Predigt und Lehr der Warheit / den Gifft der Boßheit mögten vermischen; auch wir gleichfals / zu Folge seinem Exempel /wenn sie gleich uns / zu nützlichen Sachen / riethen / ihnen in keinem Stuck unsre Einwilligung und Gehör geben sollten. Denn es schickt sich ja nicht / daß nachdem uns / von dem HErrn / die Freyheit erworben / und die Unterweisungen zum Leben aus Heil. Schrifft vorgestellt worden / wir den Unterricht und das Muster zu leben nehmen sollten vom Teufel / der seinen Orden (sein Fürstenthum) verlassen / und das heilige Reich Christi freventlich angegriffen. Darum hieß der HErr ihn auch schweigen / da er aus der Schrifft redete. Denn / zum Gottlosen spricht GOTT: Warum verkündigst du meine Rechte / und nimst meinen Bund in deinen Mund? etc. etc. Christus hat / als der HErr / dem Teufel / still zu schweigen / geboten: auff daß wir dem Teufel nichts gläuben / sondern ihn überwinden sollen. [891] NB. Treiben sie uns an / zum beten / oder rahten uns zum fasten; so lasse uns dasselbe / nicht auff ihre Vermahnungen / sondern nach unserer Gewonheit / thun etc.7

Sie pflegen / (spricht dieser GOtt-ergebene Mann etwas weiter hernach) bey Nachte / herbey zu kommen / und sich / für Engel GOttes / aus zugeben /unsren Eyfer zu loben / sich unserer Beharrlichkeit zu verwundern / und künfftige Belohnungen zu versprechen. Wann ihr nun dergleichen Engel sehet / so bewaffnet so wol euch / als eure Häuser /mit dem Zeichen deß Kreutzes; alsdann werden sie gleich verschwinden: denn sie scheuen Selbiges Siegszeichen / an welchem der Seligmacher hat ausgezogen die Gewaltigen der Finsterniß /und sie schau-getragen offendlich etc.

Gleich hierauff giebt er einige Merckzeichen / und Belehrung / wie man die gute und böse Geister möge unterscheiden / und redet davon also:

Es fällt die Unterscheidung guter und böser Geister nicht schwer: sondern wird / durch Gottes Gnad-Verleihung / also entdeckt. Der heiligen Engel Anblick ist lieblich / ruhig / und holdselig. Denn sie streiten nicht / schreyen nicht / machen nicht viel Geplerrs / und wird man ihre Stimme nicht hören: sondern sie eilen stillschweigends und leicht herzu / begiessen das Gemüt / mit Freude / Fröligkeit / und Zuversicht:[892] Denn der HErr / als der Brunn und Ursprung wahrer Freuden / ist mit ihnen.

Alsdann befindt sich auch unser Gemüt nicht unruhig; sondern sanfft / still / und ruhig / als welches von dem friedsamen Liecht der Engel leuchtet. Alsdann brennet die Seele / vor Verlangen nach den himmlischen Belohnungen; mögte / wann sie könnte / (oder ihrs frey stünde) stracks die Hütten ihres Leibs auffbrechen / der sterblichen Gliedmassen sich entladen /mit diesen (Engeln) welche sie sihet / davon scheiden / und gen Himmel eylen.

Es seynd auch diese liebe und heilige Geister so gütig / daß wann Einer / nach der Weise und Bewandniß menschlicher Gebrechlichkeit / für ihrem wunderbaren Glantz / erschrickt / sie alle Furcht ihm alsofort aus dem Hertzen wegnehmen. Als Gabriel / mit dem Zacharia / im Tempel redete / und die Engel den Hirten die Göttliche Geburt der Jungfrauen verkündigten; ermahnten sie die Leute / sich nicht zu entsetzen /noch zu fürchten: gleich wie auch die heilige Wächter im Grabe deß HERRN thaten: und also wurden sie / ohne weiteren Schrecken / behertzt angeschaut. Denn die Furcht entsteht nicht allein nur / aus der Erschrockenheit deß Muts; sondern offtmals auch aus Erblickung grosser Dinge.[893]

Der bösen Geister Gesichter aber und Blicke seynd grausam / ihr Gethön (Schall / und Geräusch) düsterlich und entsetzlich / ihre Gedancken (oder Eingebung ihrer Gedancken) unsauber und garstig / ihre Reg-und Bewegungen (oder Geberden) wie der ungezogenen Knaben / oder Rauber: daraus alsobald der Seelen eine Furcht / und den Sinnen eine Bestürtzung / zutritt / und ein Haß der Christen / eine Traurigkeit und Schwermut bey den einsam-Lebenden / eine Uberdrüssigkeit der Seinigen (oder seiner guten Freunde) eine (gählinge) Befahrung und Furcht deß Todes /eine Begierde der Büberey / die Ermüdung und Verdruß der Tugend / und die Unvernunfft deß Hertzens.

Derhalben so / nach der Furcht / und empfangenem Schrecken / eine Freude / Zuversicht und hertzliches Vertrauen zu GOTT / und unaussprechliche Liebs-Bewegung / erfolgt; sollen wir dabey mercken / es sey uns Hülffe (von oben) gekommen: weil das Vertrauen der Seelen eine Anzeigung der Gegenwart Göttlicher Majestet ist.8

Fußnoten

1 Lib. 2. de Tribunal. c. 15.


2 Vid. Didacum in Vita Ludovici Granatensis.


3 Boissard. Div. p. 83.


4 Nicol. Remigius lib. 1. Dæmonolatriæ pag. m. 64. seqq.


5 Idem pag. 66.


6 Idem pag. 59.


7 Divus Athanasius in Vita S. Antonii p.m. 453. seq.


8 Idem ibid.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 879-894.
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