LXXXIV.


Der Wasser-Teufel.

[908] Es haben manche böse Geister am Wasser / im Wasser / unterm Wasser / und auf dem Wasser / ihren Aufenthalt. Zu selbigen gehören die Gespenster / welche man Wasser-Männlein / und Wasser-Fräulein / zu Latein aber Nixas und Nymphas nennet. Wodurch ich aber nicht die Meer-Männer und See-Frauen verstehe: denn das seynd natürliche Meer-Wunder / deren Ober-Leib dem menschlichen ähnlich; der untere aber den Fischen gleich gebildet. Diese Nixen aber oder Wasser-Männ- und Weiblein gehören unter die verdammte Geister. Denn Menschen können es nicht seyn: sintemal GOtt diesen den Erdbodem zu bewohnen gegeben; wie dem Geflügel die Lufft / und den Fischen das Wasser. Zu den guten Engeln kann man sie auch nicht rechnen. Denn dieselbe thun dem Menschen kein Leid / und begehren ihm keinen Schrecken zu machen. Für Meerwunder hat man sie gleichfalls nicht zu halten: sintemal es denselben / am Verstande und Wissenschafft Wahres und Falsches zu unterscheiden / mangelt. Also bleibt übrig / daß es Teufel seyen. Angemerckt / die bösen Geister / in der Lufft /im Wasser / im Feuer / und auf Erden / in Feldern /Wäldern / Gebirgen / theils auch unter der Erden /ihren unruhigen Aufenthalt haben / und überall dem Menschen nachschleichen; um entweder seiner[909] Seelen oder seinem Leibe / Schaden zuzufügen / oder aufs wenigste ihn / mit Furcht und Schrecken / zu ängstigen.

Jedoch darff man nicht gedencken / als wäre einer sonderbaren Gattung der Teufel das Wasser / zur Behausung / zugeeignet / als wie zur Gefängniß: Denn sie beziehen das Wasser / ohne Zwang / aus freyem Mutwillen / so wol als den Wald- oder das Gebirge; damit sie / auf unterschiedliche Wege / und mancherley Weise / ihre Tücke / und Netze / anbringen mögen; nachdem ihnen (vermutlich ihr oberster Fürst / der Lucifer / Ordre stellet / sich in gewisse Gegenden auszutheilen. Denn der Satan / und seine Engel /ziehen umher / nicht nur zu Lande / sondern auch zu Wasser / und suchen allda auch Gelegenheit / Unglück zu stifften / oder eine Seele zu erhaschen: wie ein geitziger Wucherer seinem Gewinn / zu Schiffe und zu Wagen / zu Pferde und zu Fuß / nacheilet.

Daß solche Wasser-Gespenster die Leute in Lebens-Gefahr zu bringen / oder ihnen sonst Furcht und Schrecken einzujagen / trachten / hat man / aus vielen Exempeln: davon wir nur etliche beybringen.

Ungefähr vor achtzig Jahren / hat / in dem Meisnischen Städtlein Delitz / bey Nacht / ein Gespenst eine Kindbetterinn / mit der Stimme ihres Manns / heraus geruffen und geschrien / das Haus brennete. So bald sie hervor gegangen / ist sie Augenblicks aufgehaben / durch die Lufft geführt / und an dem nechsten Fluß nidergesetzt worden:[910] Darinn sie / ohne Zweifel / auch ersäufft wäre / wenn sie nicht gebetet und GOtt um Hülffe angeruffen hette.1

So soll sich auch / wie Stieflerus erzehlt / in der Stadt Meissen selbst / bey Manns-Gedencken / begeben haben / daß etliche Becken-Knechte / am andren Tage deß heiligen Pfingst-Festes / unter der Mittags-Predigt / oberhalb der Ziegel-Scheuren / gleich dem Baumgarten über / in der Elbe gebadet / und Einer unter ihnen / der sich / auf seine Fertigkeit im Schwimmen / verlassen / zu seinen Kameraden gesagt / daferrn sie ihm einen Thaler aufsetzten / wollte er /dreymal nacheinander / unausgeruht / den Fluß hin und wieder beschwimmen.

Den andren Beyden hat solches gefallen: derhalben sie drein gewilligt. Nachdem es also der verwigte Mensch zweymal geendet / und nunmehr / zum dritten Mal / nach dem Siebeneichener Schloß zu / hinüber schwimmen wollen / auch nicht anders gemeynt /denn er hette es schon gäntzlich gewonnen / und einen braven Sauff-Pfenning verdient: sihe! da springt ein grosser Fisch / wie ein Lachs / oder Rape / vor ihm in die Höhe / und schlägt ihn mit sich / ins Wasser /hinab / also / daß er jämmerlich zu Grunde gehn / und ertrincken müssen.

Worauf die Obrigkeit / gleich selbigen Tages / den Fischern anbefohlen / ihn / noch vor Abends / zu suchen. Und als diese ihn endlich /[911] oberhalb der Brücken / gefunden; hat man / an seinem gantzen Leibe /Knippe (oder gezwickte Mäler) gesehn / so mit Blut unterloffen waren; und gar eigendlich die Narben erkennen können / welche ihm der Nix / oder Wasser-Geist / gegeben.2

In Crain finden sich / nicht übrig weit von dem berühmten Cirknitzer See / und von dem Schloß Steegberg / bey dem Dorff Botschitsche, drey Löcher /welche tieff in die Erde gehen / und von lauter Felsen / und einer gähen Stegen ähnlich sind. Durch dieselbe kommt man hinab / zu einem rinnendem Gewässer: dessen sich die / nechst umher ligende Dörffer / aus Mangel eines andren / zu täglicher Nothdurfft / bedienen / weil sie sonst gar weit dieselbe anderswo suchen müssten. Unten an selbigem Wasser / soll der böse Geist manchen Leuten erscheinen / und mit betrieglichen Verheissungen dieselbe / zur Zauberey / verführen: immassen nicht wenige derselben deßwegen auf den Scheiterhauffen schon gekommen.3

Da man 1678 schrieb / begab sich / zu Dantzig /am 7 Junii N. Cal. Morgens früh / bey einer Fast-Beckerinn am Alt-stätischem Graben / etwas Wunderliches: daß / als derselben Magd / nach der vorbeyfliessenden Radaune ging / ihr eine Weibsperson von mittelmässigem Alter auf dem Wasser entgegen schwamm / und zwar mit ausgestreckter Hand.[912]

Indem nun die Magd zugreiffen / und selbige zu retten sie erfassen wollte / wicke die Hand zuruck. Darauf gedachte Magd geruffen / ob ihr müglich zu helffen wäre? Der die Person geantwortet / Nein. Welches obgedachte Frau selbst mit angehöret. Worauf von den Nachbarn das Wasser fleissig durchsucht / aber nichts gefunden worden. Nach mehr besagter Magd Aussage / soll diese Weibsperson gegen den Strom getrieben worden seyn.4

Ist entweder ein Gespenst gewest / oder auch wol vielleicht eine Hexe / welche der Teufel / weil etwan ihre Zeit um war / eine Weile auf dem Fluß herum geführt / und zuletzt ersäufft hat.

Fußnoten

1 Christoph. Hundhagen in Disput. de Potestate Dæmon. cap. ult. §. 5.


2 Stieflerus am 460 Bl. seines Historien-Schatzes.


3 S. die Beschreibung deß Hertzogthums Crain Herrn Baron Valvasors / im Buch von den Natur-Rariteten selbiges Landes.


4 Aus der Franckf. Relation selbigen Jahrs p. 74.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 908-913.
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