XCII.


Der heulende Hund.

[1000] Wie der Teufel andre Kreaturen mißbrauchet / also bedient er sich auch offtermalen der Hunde / die Menschen / durch derselben häßliches Geheul / zu erschrecken.

Olaus Borrichius, ein weiland sehr gelehrter Medicus in Dennemarck / den seine hinterlassene Schrifften noch wol lange Zeit / bey der gelehrten Welt / in gutem Nachruhm und Andencken / erhalten werden /berichtet / in einer gewissen besondern [1000] Observation /1 als er noch / zu Rixen / gewohnt / habe er offt ein Kästen-braunes Hündlein gesehn / so einem Burger /Namens Georg Harboe, gehört / und in der gantzen siebenjährigen Zeit / in welcher dieser Doctor allda gelebt / niemals gefehlt / wann er / durch sein nächtliches Gebell / den Tod der Patienten zuvor verkündigte: massen solches dieser Medicus, als ein sehr curiöser Mann / mit allem Fleiß / erfragt hat. Denn so offt dieser kleiner Hund / vor dem Fenster der Krancken /gesessen / und etliche Mal geheult / es mögte seyn / in welcher Gassen der Stadt es auch wollte; ist / innerhalb acht Tagen / in selbigem Hause / ein Todes-Fall darauf erfolgt: ob gleich / wann der Hund / zum ersten Mal / deß Nachts kam / und bellete / es noch gantz keine Noth / mit dem Patienten / zu haben / sondern derselbe nur ein wenig unpäßlich zu seyn / schien.

Daß dieses sollte / durch ein Gespenst / seyn verursacht worden / will Borrichius nicht eingehn: weil wir / wie er schreibt / nirgends gelehrt werden / daß die böse Geister solcher Gestalt die Gassen durchstreinen; und weil auch bekandt / daß böse Leute / von ihrem Herrn / und Meister / dem Satan / nicht erlernen können / was er selber nicht weiß. Diesem nach will er viel lieber gläuben / die scharffe Spührsamkeit der Hunde / welche man insonderheit / an den Jagt-Hunden / verwundern muß / empfinde von solchen Patienten einen Sterb- oder Leichen-Geruch / dadurch sie alsdann /[1001] so zu heulen und gleichsam zu wehklagen /bewogen werden.

Er zeucht hiebey an / aus den Centuriis Borelli, die Begebenheit / daß ein Mensch / so von einem wütigem Hunde gebissen / nachmals die guten Freunde habe von Fernem riechen können / wann sie ihm gleich annoch nicht unters Gesicht gekommen.

Dahin will er gleichfalls auch ziehen den scharffen Geruch derer Leute / die jährlich von Smyrna / oder von Alepo / nach Babylon / durch einen mühseligen sandigten Weg / reisen: Welche gewohnt seynd / biß auf dreyssig Meilwegs (ich halte aber man müsste hiedurch Welsche Meilen verstehn) und auch allerdings bey Nacht / am Geruch zu erkennen / in welcher Gegend sie sich befinden / auch wie weit sie noch /biß zu der verlangten Stadt / haben. Denn sie werffen sich nider an die Erden / raffen / mit der Hand / ein wenig Sandes auf / und wissen daraus eine gewisse Rechnung zu machen / wie nahe oder ferrn sie noch /von diesem oder jenem Ort / seyen. Er vermeynt aber /es müssen einige Kräuter / oder riechende Wurtzeln /solchem Sande vermengt seyn / und ihnen also Nachricht geben können von der Gegend / darinn sie wandeln.

An dem Geruch eines / ob gleich annoch nicht gesehenen / Patienten / der gleichwol allernechst ist / getrauen sich auch manche Medici offt den Zustand desselben zu erkennen: Und hat sonderlich dieser Doctor Borrichius kein gut Hertz zu einem Lagerhafftem gehabt / wann in dem Gemach desselben[1002] ihm ein fauler Leichen-Geruch in die Nase gestiegen; sondern er hat solches pflegen für eine Anzeigung zu nehmen / daß das Leben drauf gehn würde: welches ihn auch nie schier betrogen. Die Ursach steht leicht zu begreiffen. Denn es gehen / von einem Patienten / dessen Kranckheit zum Tode ist / viel faule Dünste und Ausfliessungen / (effluvia) weil das Eingeweide desselben allbereit / von der Fäulung / anfällig worden; ob gleich annoch so sehr nicht / als wie ein verschiedener Leich nam.

Aber ich halte nicht dafür / daß hiemit sich beweisen lasse / das Geheul deß Hundes / am Fenster eines Patientens / sey natürlich. Denn ob schon der Hund den Geruch deß tödtlich-Krancken empfindet: bewegt ihn darum solches nicht zum Geheul. Denn er vermutet / von dem Fleisch deß Patienten / nichts; wie zwar die Raben einen Sterb-Krancken bißweilen / nach verspührtem Geruch desselben / anschreyen sollen. Der Rab giebt alsdann sein Verlangen nach dem Fleisch /zu vernehmen / dessen üblen Geruch er / wie gleichsam ein Wildbrett / von weitem reucht / und mehr /als den blossen Geruch / davon zu geniessen / begehrt: Aber der Hund hofft und begehrt nichts / von dem Leibe eines noch lebenden Menschens: woferrn er nicht / von übergrossem Hunger / erwildert / ergrimmt / und schier rasend worden ist. Wann aber sonst der Hund hungrig / vor seines Herrn Tische /steht / pflegt er zwar (wiewol es bey weitem doch auch nicht alle Hunde thun) durch ein Gebell / etwas zu fordern; keines Wegs aber / durch ein so düsterliches Geheul Sollte ihn[1003] dann die Widrigkeit solches Geruchs / zum heulen / antreiben; würden andre Hunde / in der Nachbarschafft / auch wol heulen: da doch selten der Haus-Hund alsdann heulet: welcher ja / vor allen andren / als der dem Gestanck am nechsten ist / auch am ersten heulen sollte.

Ja! wann die Widrigkeit deß Geruchs den Hund /zu heulen / bewegt: warum heult er dann nicht viel mehr noch / nachdem der Patient schon verschieden ist? Denn alsdann geht / von dem todten Körper / viel ein üblerer Geruch / weder von dem noch lebendem. Und warum heulet der Hund nicht auch / wann er ein abgemetzeltes Vieh / ja gar ein Aas riecht / welches je viel übler / als eines todt-schwachen Menschens Leib / stincket.

Wann es der Hund / und zwar der Haus-Hund /etwan aus Mitleiden / thäte; so wäre es gläublicher. Denn man hat Exempel / daß bißweilen die Hunde /(welche Herrn-treu ins gemein sind) nach ihres Herrn Tode / in langer Zeit nichts fressen wollen / etliche auch wol gar endlich / vor Trauren / verreckt seynd. Mein / in GOTT ruhender / Vater hat einen schönen sehr grossen Tiger-Hund / schier in Grösse eines Englischen Doggens / gehabt: welcher / als meine liebe selige Mutter / samt der Kinds-Warterinn / zwo Mägden / und meinem ältesten seligen Brudern / an der Pest / danider gelegen / (wie sie dann auch alle daran gestorben) und deßwegen / auf der Mutter inständigste Bitte / der Vater mit uns übrigen vieren / noch unerwachsenen / Kindern / ein andres Losament in der Nachbarschafft bezoch; durchaus[1004] sich nicht hat wollen lassen aus dem Hause treiben; ob man ihn gleich /mit Hunger / und hernach angebotener Speise / von aussen zu / dazu angelockt. Denn er hat die selige Mutter / welche diesen Dux oder Hertzog / (also hieß der Hund) seiner ausbündigen Schönheit und Grösse halben / wol leiden mögen / sehr lieb gehabt / auch nicht aus dem Gemach / darinn sie sich bettlägrig befand / gewollt; sondern ist / bald vor ihrem Bett-Schemel / bald / wenn man ihn von dannen weggescholten / bey dem Ofen / gelegen / hat die Patientinn offt gleichsam kläglich angesehn und geheult / auch / vor Traurigkeit / offt nichts fressen wollen. Wenn man ihn dann zur Stuben hinaus treiben wollen; hat die Mutter selbst dafür gebeten / man sollte ihn nicht schmeissen; weil seine Treu um sie traurte. Weil er aber deß heulens und winselns endlich zu viel gemacht; hat sie es geschehn lassen / daß man ihn zur Stuben hinaus /in die Tennen / gejagt. Und nachdem er allda gleichfalls / durch seine unangenehme Hunds-Music / oder Geheul / die Patientinn zuviel verunruhigt; ist er zuletzt gar zur Hausthür hinaus getrieben worden: der Hoffnung / er sollte dem andren Hause zulauffen /darinn sich der Vater befand. Aber er begehrte / alles bedrauens ungeachtet / von dem angesteckten Hause durchaus nicht weg: sondern hat sich draussen / unter die Stuben-Fenster / quartirt / allwo die Patientinn in der Stuben zu Bette lag / und allda sein erbärmliches Winseln vielmals Tags und Nachts / wiederholt: biß sie / nach etlichen Tagen / selig verschieden. Da er dann / als man die Leiche[1005] ausgetragen / gleich nachgeloffen / und nicht bey seinem / von weitem folgen dem / Herrn / sondern bey den Trägern / immerzu geblieben; biß sie / in der Kirchen / begraben war.

Aber bey solchem Trauren / und gleichsam Mitleiden eines Hundes gegen dem / welchem er täglich aufwartet / kann ein solches Hunds-Geheul / wovon jetzt die Frage ist / nicht verglichen werden. Denn jenes geschahe von dem Hunde / der ins Haus gehörte: dieses aber geschicht gemeinlich / von einem fremden Hunde. Jener hat gar offt und vielmals nacheinander /dazu alle Tage / geheult und lamentirt: dieses hört man nicht leichtlich über zwey Mal. Denn das erste Mal fängt der Hund zwey oder drey Mal an / düsterlich zu heulen; hernach schweigt er still. Uber etliche Tage / oder Wochen / kommt er / oder auch wol ein andrer Gassen-Hund / wieder vor das Haus / darinn der todtschwache Mensch ligt / und lässt von Neuem ein zwey- oder dreymaliges Geheul hören; nachmals nicht mehr.

Daß solches kein Todten-Geruch der todtkrancken Person verursache / wie D. Borrichius will; sondern eine unnatürliche Ursache; steht daher zu schliessen /weil ein solches Hunds-Geheul offt / zum ersten Mal /schon etliche Wochen vorhero gehört wird / ehe die Person noch die geringste Unpäßlichkeit empfindet.

Solches kann ich / mit meinem eigenem Gehör / begläuben. Vier Wochen zuvor / ehe dann mein Hauswirth mit Tode abging / ließ sich / ein paar Stunden vor Tage / ein / dem Laut nach /[1006] grosser Hund / mit einem dreymal gleich wiederholtem abscheulichem Geheul / recht unten am Fenster seiner Schlaffkammer / furchtsamlich hören. Um selbige Zeit / fehlte dem Mann noch nichts: er war wol auf / und das geringste Zeichen einer bevorstehenden Kranckheit an ihm nicht zu spühren. Ungefähr aber dritthalb Wochen hernach / warff ihn ein hitzigs Fieber zu Bette; und /nach zwölff Tagen / starb er. Eben in derselbigen Nacht nun / da er in letzten Zügen lag / und die Seinigen / samt dem Geistlichen / vor seinem Bette / überlaut beteten; kam derselbige fremde / und in derselben Gassen unbekandte / Hund wieder / und heulte wiederum etliche Mal / unten an demselbigen Fenster /gar düsterlich / wie vorhin / eben in derselbigen Stunde / darinn man ihn / vor vier Wochen / gehört hatte.

Wie hat nun dieser Hund / vor vier Wochen / als der Mann annoch frisch und gesund war / einen üblen Geruch auffangen können / von dem / der sich noch damals gantz wol befand; aber etliche Wochen hernach allererst / durch allzuvieles Trincken eines vermeynten Heil-Brunnens / der vielen Leuten einen starcken Stuhl verursachte / einen hefftigen Durchbruch bekam; wozu / weil solcher starcker Durchbruch ihm /bey warmer Zeit / keinen Schlaff vergönnte / endlich ein boshafftes Fieber schlug / und ihn gar bald aufräumte?

Etliche Jahre zuvor / stellte sich ein ziemlichgrosser schwartzer Hund / gegen einem Wirtshause über /Mittags / zwischen Zwölff und Eins / machte ein düsterlichs Geheul / und richtete die Schnauzen / gerad gegen der grossen Thür deß Wirtshauses /[1007] zu: Uber zwey oder drey Tage hernach / erkranckte selbiger Wirth / und starb geschwinde. Deß Tages aber / als er verschieden / ist derselbige schwartze und fremde Hund wieder / an den vorigen Ort / geloffen kommen /und hat aber Mal / mitten in der Mittags-Stunden /gegen bemeldtes Wirtshaus an / geheult / biß etliche Gassen-Buben / mit Steinen / nach ihm geworffen /und ihn damit / in seinem Geheul / verstört / daß er davon geloffen.

Ein alter Römischer Geschicht-Schreiber / Namens Ælius Cordus, gedenckt / beym Julio Capitolino, daß / kurtz zuvor / ehe denn die Soldaten den tyrannischen Keyser Maximinum, samt seinem Sohn / im Bette /unter dem Gezelte / erstochen / über zwölff Hunde /deß Nachts / um selbiges Gezelt / abscheulich geheult / und gleichsam weinend ihr Leben daselbst aufgegeben: gestaltsam man sie / mit aufgehender Morgenröte / alle daselbst verreckt gefunden.2

Wie wird man doch / in diesem Exempel / die geringste natürliche Ursach erweisen? Es war weder der ältere / noch jüngere / Maximinus, unpäßlich / geschweige dann kranck; sondern / zum Streit / und Marsch / gerüstet: Kann also kein scharffer Geruch die Hunde / zum heulen / gereitzt haben: sondern das Gespenst hat die Hunde dazu angetrieben.

Der Herr Baron Valvasor / ein sehr belesener / und curioser Herr / geht dem Roberto Fludd[1008] de Fluctibus nach; vermutet / diese / und andre dergleichen wunderliche Sachen / verzichte der Spiritus vitalis, oder Lebens-Geist. Darauf habe ich / in einer Anmerckung deß XI. Buchs von dem Hertzogthum Crain / am 265 Bl. Frag-weise etwas geantwortet / und bey dieser Materi / von den heulenden Hunden / ein Mehrers damals verheissen: allein / weil mir anjetzo die Zeit zerrinnet; werde ich / in dem Werck von den letzten Ehrendiensten / hievon weiter zu reden hoffendlich Anlaß und Zeit gewinnen / auch allda unterschiedliche merckwürdige Fügnissen / so hochbesagter Herr Baron mir seithero / in einem gnädigen Schreiben / erzehlet hat / dem geneigten Leser mittheilen.

Anjetzo will ich nur kürtzlich so viel anzeigen /daß der Lebens-Geist / wann er zugleich in dem Menschen wohnen / und auch ausser deß Menschen Leib /der da sterben will / sich heraus ziehen könnte / als ein subtiler Nebel; wie zwar mehr-hochgemeldter Herr / mit dem Roberto Fludd, meynet; derselbige dennoch darum auch nicht fort heulen könnte: er müsste dann / durch einen sonderbaren Verstand /dem Hunde die Zunge darnach zu regieren wissen /daß sie ein Geheul machte. Aber daß der Spiritus vitalis, oder Lebens-Geist / eine Vernunfft haben sollte / laufft / meines Ermessens / aller Vernunfft zuwidern: weil die Vernunfft eine unabsonderliche Eigenschafft und Vermögenheit der Seelen / und dem Lebens-Geist unmöglich mitgetheilt oder zugeeignet werden kann; wo man nicht zwo Seelen dem Menschen zuschreiben will. Zudem heulet der Hund offt wol[1009] drey oder vier Wochen zuvor / vor der Thür eines Hauses / darinn Jemand sterben wird / ehe der Sterbende noch ein Mal ist erkrancket: Also müsste der Spiritus vitalis deß Menschen eine weissagende Vorwissenheit haben /und mehr wissen / als die vernünfftige Seele selbst: da er dann je ohne Zweifel solcher Person / die in Kurtzem soll bettrüstig / und eine Leiche werden / solches lieber selbsten offenbaren würde / als nur andren Leuten / durch deß Hundes Geheul / ein Zeichen deßwegen geben. Denn es hören diejenige / so / nach einem erschollenem Hunds-Geheul / bald sterben / mehrmals solches Geheul selbst nicht; sondern nur andre Leute.

Will man sagen / es sey kein rechter Hund / sondern der Lebens-Geist erwecke ein solches Geheul /für sich allein / ohne Bedienung eines Hundes: so kann ich das Widrige unfehlbarlich versichern: sintemal ich selber rechte Hunde gesehn / die also vorher geheult / und sie auch gekennt / so wol / als ihren Herrn.

Sagt man / der Lebens-Geist deß Hundes heule /und nicht der Lebens-Geist deß Menschen; weil mancher Thiere Spiritus vitalis, mit dē menschlichen Lebens-Geist / eine Sympathiam habe; daher er den Hund / also zu heulen / bewege: so stehet mehr / als einerley / solcher Meynung im Wege / und zwar /unter andren / dieses / daß alsdann wol mehr / als nur ein Hund / welcher manches Mal auch ein gantz unbekandter ist / der nur vorüber-auch gleich wieder davon laufft / heulen würde / und auch öffters / als nur etliche Mal. Er würde desto öffter sein düsterliches Geheul wieder anstimmen /[1010] je mehr die Leibesschwachheit zunimt: da er doch nur etwan etliche Wochen zuvor / an einem Tage / ein paar Mal nacheinander /und bißweilen / in der Sterbens-Stunde deß Menschens / wiederum noch eins heulet. Und eben darum / weil / wie vor gedacht / solches Geheul offt wol drey oder vier Wochen zuvor schon vernommen wird / ehe der Person noch das Geringste fehlt / müsste gleichfalls der Lebens-Geist deß Hundes weissagen können / oder eine Sympathiam schon empfinden / bevor die Ursach der Sympathiæ noch ein Mal vorhanden.

Diesem nach will das Vermutlichste / ja das Unzweifelbarste scheinen / daß die Hunde so wol / als andre unvernünfftige Thiere / die Gegenwart der unreinen bösen Geister mercken / und hiedurch in Furcht und Schrecken gesetzt werden. Welches ich aber nicht eben also verstehe / als ob die Hunde den unsichtbaren Geist sehen / oder seine Gegenwart / unvermittelter Weise / spühren könnten: sondern dieser Meynung / daß das Gespenst die Hunde ängstige / und ihnen eine abscheulich-furchtsame Gestalt vorstelle / dadurch sie erschrecken / und in Angst gerahten / aus solcher Angst und Bangigkeit auch / zu heulen / bewegt werden. Ja das Gespenst kann auch wol die Zunge und Schnauzen deß Hundes selber zwingen und also regieren / daß der Hund viel ein düsterlichers Geheul alsdann giebt / weder er sonst gewöhnlich zu heulen pflegt. Denn so der Teufel die Zunge eines besessenen Menschen beherrschen / und bequemen kann / zu reden / was er will; ob es gleich der Besessene nicht verstehet / was der böse Geist / mit seiner[1011] Zungen / spricht: warum sollte denn nicht auch die Hunds-Schnautze / von dem Gespenste / zu einem unnatürlichem und furchtsamen Geheul / bewegt und bezwungen werden können.

Solches steht auch hieraus wol abzunehmen / daß die Hunde / bey annahenden Todes-Fällen / selten über zwey oder drey Mal / heulen. Welches nicht geschehen würde / so der Hund / von Natur / die obhandene Scheidung eines Menschen mercken könnte; oder auch / so ihn der empfundene Geruch eines schwachen Patientens heulen machte: Denn alsdann würde er wol öffter / und alle Tage / ja auch nach der Scheidung / noch mehr heulen. Zudem kann der Hund / wann ihm der widrige Geruch dazu treiben sollte /die Kranckheit andrer Patienten / die ob sie gleich / an einer gefährlichen Kranckheit / fast tödtlich danider ligen / dennoch endlich gesund wieder aufstehen /eben so wol / durch seinen scharffen Geruch / empfinden / wird doch aber dadurch / zu keinem Geheul /verursacht.

Der Exempel findet man hievon / bey dem Fincelio, und Andren / nicht wenige.

So muß Einer auch nicht gedencken / als beheule der Hund nur den herbeyruckenden Tod böser Leute: denn es wird / kurtz vor dem Absterben frommer Personen / eben so wol geschehen / und nicht nur bey weltlichen / sondern auch geistlichen Sterb-Fällen.3 Als Albertus, Bischof zu[1012] Bremen / sterben wollen; haben die Hunde / in der Kirchen / um den Altar herum / so inständig geheult / daß man sie / mit Gewalt / zur Kirchen hinaus jagen müssen: wie Krantzius beglaubt.4

So hat mir ein Lehrer / evangelischer Religion / erzehlt / daß / als Er / Unpäßlichkeit halben / etliche Tage zu Bette gelegen / ein Hund zu Nachts vor seine Wohnung gekommen / und überaus jämmerlich geheult. Darüber Er seine / neben ihm wachende / Ehgenossinn gefragt / ob sie solches hörete? Die ihn aber gebeten / Er mögte doch nur still seyn / sie höre es nur gar zu wol. Darauf Er gesagt / sie sollte ihr / Seinetwegen / keine Gedancken darüber machen: Es stünde Leben und Tod in der Hand deß HErrn / und in keinem Hunds-Geheul / noch bey einigem Gespenst: Man müsste solches nicht achten; sondern GOtt vertrauen / und allezeit in guter Bereitschafft stehen. Er ist aber bald wieder aufgestanden: hingegen hat sie sich gelegt / und der Natur die Schuld entrichtet.

So seynd mir sonst auch unterschiedliche Personen bekandt gewesen / die in sehr bußfertiger Andacht /und mit hertzlichem Verlangen eines seligen Abscheidens / verschieden: ohngeachtet nicht allein ein wühstes und sehr abscheuliches Hunds-Geheul / sondern auch andre Schreck-Zeichen eines Sterb-Falls / vorher vernommen worden.[1013]

Ist demnach das jämmerliche Hunds-Geheul / für kein Zeichen eines verdammten Endes / zu halten: wie manche alberne Leute urtheilen: und geschicht eben so wol bißweilen vor der Thür einer geistlichen / als einer weltlichen Person.

Der Satan stifftet solches an / zu dem Ende / damit entweder der todtschwache Patient / daferrn er es selber mit anhöret / sich darob entsetzen / und in seiner Andacht / so wol / als die Umstehende / möge irre gemacht werden; oder / wann es einige Wochen vorher geschicht / daß die Leute darüber hefftig erschrecken /und das Vertrauen auf die Göttliche Vorsehung / oder Rettung fallen lassen sollen. Denn die Menschen erschrecken / und forchtsam machen / ist deß Satans beliebige Kurtzweil.

Es rührt zwar solches Geheul insgemein / von rechten natürlichen Hunden / her; aber doch gleichwol nicht eben alle Mal. Denn bißweilen lässt sich / sonderlich zu Sterb-Zeiten / die so genannte Klagmutter hören: welche jemals wie ein wehklagender Mensch /jemals aber auch wol / als ein Hund / wiewol noch etwas düster- und graulicher / heulet: und doch / in keines Hundes Gestalt / sondern wie ein Kalb / oder grosser Aff / unterweilen auch wol nur wie ein weisses Bild / oder Schatten / vor der Hausthür / da solches Gespenst schreyet / erblickt wird. Wiewol jemaln auch wol schalckhafft Buben nur ein solches Klag-Geschrey / und Jammer-Geheul / aus lauter Büberey und Mutwillen / zu Nachts / vor dieser oder jener Thür / machen; um die Leute / im Hause / zu erschrecken.[1014] Massen solches / vor wenig Jahren / allhie einem Doctori Medicinæ begegnet: Vor dessen Hausthür sich ein mutwilliger Gassenbube / auf den Stein daselbst / ein paar Stunden vor anbrechendem Tage /etliche Mal nacheinander gesetzt / und / mit einem Klag-Geschrey / der Klagmutter meisterlichst nachgeafft; also / daß die Ehliebste erwehnten Herrn Doctoris, welche sich damals eben hochschwanger befunden / darüber in grossen Schrecken und Furcht gerahten. Allein ihr Herr / der Doctor, dem der Handel endlich verdächtig vorgekommen / hat bald ein sonderbares Recept / oder vielmehr schon præparirtes Medicament / um diese Klagmutter zu stillen / ersonnen; indem er die Nachtscherben ergriffen / und über die falsche Klagmutter solches / als ein sehr wol appropriirtes Cephalicum, in gnugsamer dosi, auf ein Mal einzunehmen / ausgeschüttet. Worauf der frevelnde junge Bösewigt / weil er einen ziemlichen Guß bekommen / (angemerckt / man / mit Fleiß / eine gute Quantität auf ihn zugerichtet hatte) mit fluchen / hageln und donnern / davon geloffen / auch hernach nicht wiederkehrt / dergleichen Ständlein / oder Sterb-Music / noch eins zu præsentiren.

Ausser solcher heulenden Klagmutter / pflegt der Satan auch manches Mal / ohne Vorstellung einiger sichtbaren Gestalt / der blossen Stimme eines Hundes nachzuaffen. Als wie Albinus, in der Meisnischen Berg-Chronic / gedenckt / daß / zu Pochna / in Polen / vielmals / in denen / etliche hundert Klaffter tieffen /Saltz-Bergwercken / unterschiedlicher Thiere Stimmen / als krähender[1015] der Hanen / und bellender Hunde / gehört werden: darauf gemeinlich ein grosses Unglück erfolge.5

Durch solches Alles / sucht der Teufel nicht allein /wie oben gemeldet / wie oben gemeldet / bey den Leuten / die es hören / einen Schrecken zu erregen; sondern thut es hauptursachlich auch deßwegen / daß er beydes seine Vorwissenheit / und seine Freude über der Leute Unglück / und Leidwesen / spöttisch möge zu erkennen geben.

Fußnoten

1 Quæ est XLVIII. Voluminis V. Actorum Medicorum Th. Bartholini p. 135.


2 Julius Capitolin. in Maximino Juniore Num. 2. p.m. 504.


3 Præter Fincelium, vid. Cornmannus de Miraculis Mortuorum, & Hildebrandi Magia naturalis libro 1. p. 14.


4 lib. 5. c. 10. Metropolit.


5 Petrus Albinus in der Meisnischen Berg-Chronic.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 1000-1016.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten

Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten

Anders als in seinen früheren, naturalistischen Stücken, widmet sich Schnitzler in seinem einsamen Weg dem sozialpsychologischen Problem menschlicher Kommunikation. Die Schicksale der Familie des Kunstprofessors Wegrat, des alten Malers Julian Fichtner und des sterbenskranken Dichters Stephan von Sala sind in Wien um 1900 tragisch miteinander verwoben und enden schließlich alle in der Einsamkeit.

70 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon