XCIII.


Die verlierende Gegenwehr.

[1016] Wie starck / und grimmig gleich der Leu ist / hat doch mancher küner Held einen Leuen erlegt. Als dem Grossen Alexander einsmals ein Leu entgegen kam; wollte der Generaln Alexandri Einer sich / für dem Könige / an denselben wagen / und warff der reissenden Bestien einen Spieß vor: aber der großmütige Alexander stieß solchen Vorfechter auf die Seiten / und machte sich selbst über das grausame Thier: dem Er auch einen tapffren Fang / und den Rest gab. Lysimachus, seiner Fürsten und Feldmarschalls Einer / ward / vom Alexandro, darum / daß er dem Philosopho Callistheni, welchen Alexander[1016] hatte gefangen gelegt / weil er ihm nicht / gleich wie Andre / heucheln wollen / im Gefängniß einen Trunck Weins zugebracht hatte / einem Leuen vorgeworffen; aber dieser Fürst der grausamen Thiere / von Lysimacho, überwunden. Denn dieser unverzagte und mehr als Leuenmütige Griechische Cavallier / hat behände seinen Rock um die Faust gewickelt / dieselbe der Bestien tieff in den Rachen gestossen / ihr die Zunge heraus gerissen /und das erschreckliche Thier ums Leben gebracht. Worüber Alexander zu tieffer Verwunderung / und diesen Helden hernach desto werther zu halten / bewogen worden.

Und was that der heroische Hirten-Knabe / David? Erschlug er doch / mit seinem Schäfer-Stabe / beydes den Leuen / und den Bären; nachdem er jenen / bey seinem Bart / ergriffen hatte.

Das seynd sonderbare / und nicht alltägliche Ritter-Stücklein / dazu eine jegliche Faust nicht geschickt ist. Denn wer einen Leuen will angehn / und sieghafft wieder von ihm gehen; der muß einen Leuen im Hertzen führen. Man findet nur selten einen Simson / der ihn zerreisse / wie ein Böcklein.

Ob nun gleich einen leiblichen Leuen Einer oder Andrer / durch einen tapffren Ritter-Streich / gefället: hat doch den / viel grausamern / geistlichen Leuen /den Satan / noch nie einiger Mensch / mit leiblichem Gewehr / bezwungen / oder von der Haut getrieben. Wer dem gedenckt obzusiegen / der muß / mit deß Simsons Beystande / auf ihn[1017] loß gehen: denn dieser hette den jungen Leuen so leicht nicht zerrissen /wann nicht der Geist deß HErrn wäre über ihn gerahten. Durch denselbigen Geist deß HErrn / wird ein Christ auch / wiewol auf andre Weise / nemlich durch Glauben / und Gebet / wider solchen höllischen Leuen / gestärckt und unüberwindlich gemacht. Und solches ist einig allein das rechte Schwert / welches diesem erschrecklichem Leviathan / durch seine Schuppen / die wie feste Schilde stehn / glücklich dringt.

Ausser solchem geistlichem Schwert / tritt man /aus diesem Streit / mit Spott / und Schaden / und greifft / mit blossen Händen / ein grosses Africanisches Stachel-Schwein an / dessen ausgeschossene Federn / auch den mutigsten Leuen / wie scharffe Pfeile / tödten können.

Die vielfältige Erfahrung kann solches gnugsam bezeugen: und wollen wir etliche Beyspiele einer solchen thörichten Gegenwehr allhie besehen.

Auf einer berühmten Teutschen Universität / ist ein gewisses Zimmer / oder Studenten-Stube / vor welcher / zu gewisser Zeit deß Tages / Etwas an die Thür klopfft; Nichts aber dabey sich sehen lässt. Wie dann auch Niemanden was Leides widerfährt. Und so man nur stillschweigt / hört es gleich auf zu klopffen. Woferrn man aber spricht: Herein! Herein! wird es immer wieder anklopffen. Darum die Studenten /denen solches schon bekandt ist / es nicht achten /sondern nur dazu stillschweigen: worauf es alsofort still wird.[1018]

Vor einigen Jahren aber hat ein Student / der hievon noch keine Wissenschafft gehabt / und doch selbige Stube bewohnt / als er solches Klopffen gehört /etliche Mal nacheinander gesprochen: Herein! Herein! Das Gespenst aber desto mehr / mit Klopffen /angehalten. Worüber er endlich ungedültig worden /und fluchend geruffen: Ey so gehe herein ins T. Namen! Diß gesagt / ist er auch aufgestanden / und mit blossem Degen zur Stuben-Thür hinaus getreten /willens / denjenigen / der ihn also narren wollte / über die Ohren zu hauen. Indem er aber kaum zur Thür hinaus getreten / bekommt er eine harte Maulschelle. Worüber er sich entrüstet / und mit der Fuchtel um sich hauet; aber gleich darauf noch eine nicht geringere empfäht. Diese letzte lehrte ihn hinter sich weichen / und eilends wiederum in die Stuben zu gehen.

Nachmals haben ihm andre die rechte Beschaffenheit solches Klopffens angezeigt: Weßwegen er hiernechst dasselbe / mit stillschweigen / vorbey gehen lassen / auch alsdann weiter dadurch nicht verunruhigt worden.

Beym Remigio, wird gedacht / daß ein Mann / Namens Claude Chote, als er von einer Bauren-Kirchweihe / gegen Nacht / heimgehen wollen / sechs verlarvte Weiber angetroffen / in einer Hölen / allda sie /um einen Tisch voll güldener und silbernen Geschirre / herum getantzt / etc. aber nachmals hinter ihm her gekommen: Vor ihnen / sey ein / von Angesicht schwartzer / Mann her getreten / der so krumme Hände gehabt / wie ein Schiff-Haken / und ihm damit unters Gesicht[1019] fahren wollen: wie er aber seinen Degen ausgezogen / und damit um sich gehauet / habe der schwartze Kerl nachgelassen / nicht anders / als ob er sich dafür fürchtete; und sey verschwunden. (Wiewol hernach eine Hexe / so dabey gewest / vor Gericht ausgesagt / der böse Geist hette diesen Chotæum deßwegen / mit seinen krummen Klauen / angefahren / weil er einen güldnen Becher vom Tische stehlen wollen.) Es hat aber hernach eben dieser Claude gleichwol solcher Aussage beygefügt / daß /als er näher zu dem Tische hingetreten / und dem bösen Geist / welcher ihm / mit seinen Klauen / nach dem Gesichte getrachtet / seinen geblössten Degen vorgeworffen / ihn alsofort ein starcker Wind aufgehaben / und an die Klippen deß Berges Combri geführt. Daraus ist zu sehen / daß der Teufel / als er /dem äusserlichem Ansehn nach / sich zuvor so gestellet / gleich förchtete er sich für seinem Schwert / seiner nur gespottet.

Und wie ist es / vor etlichen Jahren / der guten Edelfrauen von Gehofen gelungen / daß sie sich bereden hat lassen / auf das / ihr sehr beschwerliche / Gespenst / eine Pistol zu lösen? Hat sie auch anders was damit ausgerichtet / als daß es Ihr hernach desto schmertzlicher den Arm gedrehet und peinlich gezwickt / mit diesem hönischem Vorwurff: Schieß noch eins! Ich will dich lehren / auf einen Geist Feuer geben!

Cassiodorus giebt eine bessere Gegenwehr / wider diesen unsern geistlichen Erbfeind / an die Hand / in diesem seinem Spruch: Cum diabolo non incendio gladioque certandum est, sed[1020] illis virtutibus, quibus Christus ipse pugnavit: ut Superbiam Humilitate vincamus, etc. Wider den Teufel / muß man nicht streiten / mit Feuer und Schwert; sondern mit solchen Tugenden / womit Christus Selbst ihn befochten: daß wir nemlich die Hoffahrt durch Demut / überwinden / etc.1

Wodurch aber keine blosse äusserliche / sondern zugleich eine inner- und hertzliche Demut / so einen wahren lebendigen Glauben zum Grunde hat / und /das Wort GOttes / als das rechte Schwert / so dem Satan den kräfftigsten Widerstand thut / gemeynet wird. Denn es richtet Mancher / auch allerdings / mit dem Gebet / gegen einem Gespenst / darum nichts aus; weil sein Hertz kein Sitz der Demut / sondern grosser Einbildungen ist. Einem blossen Mund- oder Wort-Glauben / dem die Wercke nicht ähnlich seynd /noch der Lebens-Wandel beypflichtet / wird ein boshafftes Gespenst nicht so leicht weichen.

Fußnoten

1 Cassiodorus in Ps. 59. V. 14. Serm. 2.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 1016-1021.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Reigen

Reigen

Die 1897 entstandene Komödie ließ Arthur Schnitzler 1900 in einer auf 200 Exemplare begrenzten Privatauflage drucken, das öffentliche Erscheinen hielt er für vorläufig ausgeschlossen. Und in der Tat verursachte die Uraufführung, die 1920 auf Drängen von Max Reinhardt im Berliner Kleinen Schauspielhaus stattfand, den größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Es kam zu öffentlichen Krawallen und zum Prozess gegen die Schauspieler. Schnitzler untersagte weitere Aufführungen und erst nach dem Tode seines Sohnes und Erben Heinrich kam das Stück 1982 wieder auf die Bühne. Der Reigen besteht aus zehn aneinander gereihten Dialogen zwischen einer Frau und einem Mann, die jeweils mit ihrer sexuellen Vereinigung schließen. Für den nächsten Dialog wird ein Partner ausgetauscht indem die verbleibende Figur der neuen die Hand reicht. So entsteht ein Reigen durch die gesamte Gesellschaft, der sich schließt als die letzte Figur mit der ersten in Kontakt tritt.

62 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon