XCVI.


Die Sterbens-Erscheinungen.

[1040] Weil die unnatürliche Vorzeichen einer Leiche gemeinlich / von den Gespenstern / harühren: soll es /bey vorerzehltem Selbst-Geläute / nicht verbleiben; sondern dem geneigter[1040] Leser noch ein Mehres / von den Sterbens-Bedeunungen / vorgetragen werden.

Man lieset / beym Zonara, daß / nachdem Drusus, zu Rom / Burgermeister worden / und / nach Betriegung etlicher Völcker / die Römische Waffen / samt dem Ruhm seiner Streitbarkeit / noch weiter fortsetzen wollen / ihm ein Weib übermenschlicher Leibs-Länge begegnet sey / und zu ihm gesagt habe: Wohin eilest du so sehr noch / du unersättlicher Druse? Das Göttliche Geschick giebt nicht zu / daß du alle die Länder sehest. Derhalben weiche zurück: denn das Ende deines Lebens und Thuns / ist vor der Thür. Hierauf ist er / gleich noch seiner Wiederkehr / in eine Kranckheit gefallen / und auch nicht wieder aufgekommen.1

Cardanus schreibt / es habe / bey seiner Zeit / das edle Geschlecht des Tortelles, zu Parma in Italien /ein Schloß gehabt / darinn ein grosser Saal gewest /allwo / unter einem Rauchfang der Kamin / sich bißweilen ein altes Weib habe ihn lassen / so von hundert Jahren her damals von erschienen / und zwar in Gestalt einer längst erstorbenen und verweseten / vormals aber reinen Frauen / welche / von ihrem Enckeln / um ihre Geldes willen / umgebracht / in Stücken zerstückt / und die Trümmer ihres Leibes / in ein heimliches Gemach geworffen worden. Wann nun dieses alten Weibes Gestalt erschien; nahm mans auf / für eine Bedeutung / daß Jemand / aus selbigem Geschlecht / mit Tode abgehn würde.[1041]

Er fügt hinbey / ihm habe eine ansehnliche Frau /Namens Barbiana, erzehlt / daß / wie sie einsmals zu Belloyeuse, mit Andren / zu Nachts gessen / weil eine Jungfrau jetzt-gedachtes Geschlechts kranck gelegen /besagtes alte Weib erschienen sey: weßwegen Jedermann gemeynt / die Jungfrau würde drauf gehen / und ehestens das Grab zur Schlaffkammer bekommen. Aber die Mutmassung fehlte / und fiel der Ausgang gantz anders: denn die bettrüstige Jungfrau richtete sich wieder auf / und genaß: hingegen starb ein Andrer aus dieser Famili / bey gesundem Leibe / urplötzlich.2 Daraus dann zu mercken ist / daß das erscheinende alte Weib kein guter Engel sey: weil die Erscheinung eine falsche Mutmassung / und bey dem /welcher hernach gestorben / besorglich nur eine Sicherheit erwecket hat.

Derselbige Cardanus gedenckt auch eines Venetianischen Edelmanns / welcher / samt seiner Ehliebstinn / im Bette gelegen / indem ein Wachsliecht in der Kammer / gebrannt / und auch in derselbigen Kammer zwo Seugammen / in einem nidrigem Bette /neben einem kleinem Kinde geschlaffen. Dieser Edelmann sihet / daß man allgemach die Kammerthür aufthut / und ein unbekandter Mensch den Kopff zur Thür hinein steckt. Deßwegen springt er vom Bette auf / und greifft zu seiner Wehr; lässt hernach zwey grosse Wachsliechter anzünden / und geht / samt denen beyden Seugammen / auf den Saal; findet aber Alles verschlossen. Darüber er sich verwundert / und wieder nach seiner Kammer begiebt. Aber / des[1042] andren Tags / ist das Kind / ehe denn es noch ein Jahr alt worden / gestorben.3

Vor 49 Jahren / befand ich mich / nebst einem Verwandten / bey einem andren / mir mit Blut nahe-befreundtem / Vettern / etliche Wochen lang / auf einem Schloß / allda dieser / an stat seines Fürstens / als ein fürnehmer Beamter / residirte. In demselben Schloß regierte das Gespenst gar sehr / und hatte sonderlich /zu Nachts / gleichsam seinen Tummelplatz daselbst. Als nun einsmals etliche Bediente gedachten meines Vetterns mit demjenigen nahen Verwandten / mit welchem ich dahin gereiset war / davon redeten; erzehlten sie / unter andren / daß sie / vor vierzehen Tagen / bey Mitternacht / gesehn / wie man / vom Schloß eine Leiche / in einem kleinem Sarg / über die Brucken /hinaus trüge / und mit brennenden Liechtern begleitete. Ungefähr drey oder vier Tage hernach / verwahrlosete die Kindsmagd meines Vettern jüngstes und einiges Töchterlein / ein Engel-schönes und holdseliges Kind von zweyen Jahren / indem sie dasselbe / in der Küchen / auf eine Anrichtbanck / liederlich hinsetzt /aber / um mit dem andren Gesinde zu plaudern /davon gebet / und deß Kindes vergisst. Welches bald hiernechst herunter fällt auf das steinerne Küchenpflader / und einen so harten Fall thut / daß es Tag und Nacht geschrien / und über vierzehen Tage dernach /als wir allbereit hinweg gereiset waren / erschieden ist. Welches die nächtliche Erscheinung der vom Schloß hinaus getragenen Leiche / allem Vermuten nach / bedeutet hat.[1043]

In der Beschreibung der Reise deß Römisch-Keyserlichen Orators an die Ottomannische Pforte / Herrn Baron David Ungnads / wird gemeldet / daß / bey damaligen Zeiten / zu Schwatz in Tirol / sich / bey Sterbens-Zeiten / habe ein Gespenst sehen lassen / welches sich / bald klein / bald groß und Haus-hoch gemacht: und zu welchem Fenster es hinein geschaut /da wären die Leute aus demselben Hause gestorben: Und wollte man sogen / daß / zu Insbruck / dergleichen Gespenst würde gesehn.4

Vor ungefähr 30 und etlichen Jahren / hat / in eines Professors Hause / auf der Hohen Schul zu Helmstädt der Famulus, im Gesichte / gesehen einen Sarg / darein man einen jungen / ihm unbekandten / Herrn legte. Solches zeiget er / deß andren Tages / dem Professorn / und Andren im Hause / an: Welche ihn aber damit aus lachen; in Meynung / es habe ihn entweder ein Traum / oder eine falsche Einbildung / mit solchem vermeyntem Gesicht / bethöret. Wiewol er dennoch /bey seinem Vorgeben / steiff und fest beharret hat.

Uber acht Tage hernach kommt ein junger Herr von Reussen-Plauen / zu Helmstädt / an / und legt sich an deß Professors Tisch. Wie der Famulus desselben ansichtig wird; zeigt er dem Professor an / diesem jungen Herrn habe derselbige gantz gleich gesehn / den man in den Sarg gelegt. Der Professor bindet ihm hart ein / er soll solches sonst Niemanden sagen. Allein bemeldten jungen[1044] Herrn hat / über wenig Tage hernach / eine Kranckheit ins Bette geworffen / und so gar überwältigt / daß er / in kurtzer Zeit / auch dem Sarg und Grabe unterwürffig worden.

Fußnoten

1 Zonaras Tom. 3. Annal. fol. m. 68. 2.


2 Cardan. lib. 16. de Diversit. rer. c. 93.


3 Idem ibid.


4 S. die Gerlachische Reisbeschreibung am 301. Bl.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 1040-1045.
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