XCVII.


Die unterschiedliche Vorbedeutungen deß Todes.

[1045] Von den Erscheinungen / so / vor manchen Sterbfällen / erblickt werden / ist / in diesem Werck / schon mehr / als an einem Ort / etwas geredet worden. Nun wollen wir auch / den solchen Vorbedeutungen / die auf andre Weise zu geschehn pflegen / etliche hervor ziehen: weil dieselbe vermutlich mehrentheils eben so wol / von der Krafft oder Mitwürckung eines Geistes /herrühren.

Wann ein fürnehmer Herr Todes verfahren muß; pflegt / unter andren Vorzeichen / bißweilen um sein bestes Pferd / oder sonst ein andres Thier / ihm lieb /umzufallen / und zu sterben. Deß Wüterichs / Attilæ /schönstes Leibpferd / darauf er sich / Feldschlachten /am meisten verließ / ist / wenig möge vor seines Herrn Untergange / an dessen Geburts-Tage / ohne Anzeigung einiger Kranckheit / oder Schadens / an der Krippen plötzlich niderfallen / und verreckt.[1045]

Dem unglückseligem Ungarischen Könige / Ludwig / ist gleichfalls / kurtz zuvor / ehe dann er / in der Schlacht bey Mohatz / umgekommen / sein bestes Pferd entlebt.

An dem Tage / da Keyser Valentinianus am Schlage gestorben; hat sein Pferd / da er aufsitzen wollen /sich / wider die Gewonheit / aufgebäumt / ihm hefftig widerstrebt / und den Aufsuß nicht zulassen wollen.

Zu verwundern ist es auch / was Suetonius, von deß Julli Cæsaris Pferden / meldet: nemlich daß dieselbe / nicht anders / als ob sie ihres Herrn Tod zuvor merckten / und sich darum bekümmerten / gleich um die Zeit seiner Ermordung / nicht allein kein Futter anrühren wollen / sondern auch mildiglich Zehren vergossen. So wir den Robertum Flud, um die Ursach solcher seltsamen Leid-Empfindung dieser Keyserlichen Rossen / fragten; würde er antworten / der Spiritus vitalis oder Lebens-Geist der Pferde habe eine Sympathiam oder Mitgefühl gehabt / mit dem Spiritu vitali deß Keysers / und derwegen solche Zehren den Pferden ausgetrieben. Allein man muß zuvorderst genugsame Versicherung haben / ob es auch wahr / daß die Pferde geweinet: denn auf deß einigen Suetonii Feder könnte man nicht fest genug bauen. Und solche Versicherung scheinet man / beym Plinio, anzutreffen / welcher ausdrücklich schreibt / daß die Pferde Leid tragen um ihren verlornen Herrn / und / aus trauriger Sehnung nach denselben / bißweilen Threnen vergiessen.1[1046] So lieset man auch / beym Homero, daß deß Griechischen Heldens Achillis Wagen Pferde milde Zehren haben fliessen lassen. Von deß Pallantis Pferden bezeugen diese Virgilianische Verse dergleichen:


Post bellator equus, positis insignibus Æthon

It lacrymans, guttisq; humectat grandibus ora.


Den Pferden rinnen bißweilen die Augen / bevorab wenn ihnen nicht allerdings wol: Das mögen die Pferdwarter und Reitknechte etwan Threnen genannt haben. Gesetzt nun es sey geschehen / aus Traurigkeit / daß die Pferde kein Futter fressen wollen; so halte ich dafür / der Teufel / welcher / auf vielerley Weise /die Heiden genarret / habe denselbigen Pferden eine so jämmerliche Gestalt vorgestellet / dadurch sie also geschreckt / oder gekränckt worden / daß ihnen die Lust zum fressen vergangen / und sie das Futter nicht angreiffen wollen.

Cromerus, der Polnische Bischoff und Geschicht-Verfasser / zeucht es an / für eine Vorbedeutung nicht zwar deß Todes / sondern schimpflichen Friedens /daß dem Könige Uladislao sein Pferd / eben in dem Moment / da die Schlacht mit den Kreutzherren angehn sollen / plötzlich nidergefallen und gestorben: Worüber der König so erschrocken / daß er sich zum Gefecht nicht einlassen wollen.2

Uladislai, Königs in Ungarn Leibroß scheinet gleichsam auch ein Vorgemerck deß Untergang[1047] seines hohen Reuters und Herrns bezeugt zu haben: indem es ihm / als Er gegen Varna an / zur Schlacht / die seine Schlachtbanck werden sollte / zu marschiren Willens war / zum aufsitzen sich durchaus nicht bequemen /noch still stehen wollen; gleich als ob es nicht begehrte dazu einige Beforderung zu thun / daß man seinen Herrn zum Tode führete.3

Dergleichen Exempel hat man noch mehr. Ein gewisser Theologus schreibt / er habe einen fürnehmen Hauptmann gekannt / der mit seiner Frauen ins Carls-Bad fahren wollen / die Pferde aber hetten / als man aufgesessen / zum Schloß hinaus nicht fort gewollt: also / daß er absteigen / und sie mit Gewalt forttreiben lassen müssen: Hernach sey er aufgesessen / und also davon gefahren; aber / in dem warmen Bade /schändlich ums Leben gekommen: sintemal ihn ein Meuchelmörder / in der Schlaffkammer / erstochen.4

In der Topographisch-historischen Beschreibung deß Hertzogthums Crain gedenckt der Herr Haupt-Author / der Herr Baron Valvasor / daß / als der theure Held / Herr Herbard von Aursberg / weiland Landshauptmann in Crain / ein überaus tapffrer und ritterlicher Soldat / nach vielen glücklichen Treffen /endlich zu seiner Niderlage / ins Feld gegangen / sein Leibpferd / indem Er aufsitzen wollen / ungewöhnlich gestutzt und sich gescheuet / ineinander geschossen /und gezittert /[1048] gleich als ob es sich dafür entsetzte /und Leid trüge / daß es nunmehr seinen Herrn zum letzten Mal tragen / und mit Ihm sterben müsste: Uber welchem Zittern deß Rosses / sein Sohn / Herr Wolff Engelbrecht von Aursberg / erschrocken / und fast kleinmütig worden: weil Ihm solches / als ein Vorzeichen eines unglückseligen Ritts / vorgekommen. Welche seine traurige Mutmassung der klägliche Ausgang auch bestetigt hat.5

Eine sonderbare Denckwürdigkeit findet man auch von solchem Vorgespühr der Pferde / in dem Informatorio deß D. Mengerings: darinn dieser Author meldet / er wisse sich zu erinnern / daß / als / in seiner Kindheit / Jacob Spor / der Jubelider von Franckfurt /in seinem (deß Authoris) Vaterlande / zu Halle in Sachsen / allda er bey seinem Vater zur Herberge gelegen / ermordet worden / sein Pferd die Nacht durch /als der Mord geschehn / über alle Masse im Stall gewüset und getobt / zum Stallfenster / das bey der Thür war / den Kopff heraus gesteckt und geschäunet / und immer hervor nach der Hausthür geschaut / als wann es hinaus wollte. Welches dann den sämtlichen Hausgenossen einen grossen Schrecken und Nachdencken gemacht: also / daß man dafür gehalten / wann dem Pferde Thür und Thor geöffnet wäre / es wol gar vor deß Mörders Thür hette lauffen dörffen. Also (schreibt er) hat das arme Thier / nach seinem Herrn /so zu reden / ewittert oder gewiehert.6[1049]

Zu unsren Zeiten / und zwar allererst vor wenig Jahren / ist eines fürnehmen Reichsfürstens bestes Pferd / im Stall / umgefallen / Tags zuvor / ehe dann der bettlägrige Fürst Selbst sein Leben beschlossen.

Wie dieses / aus natürlichen Ursachen / erfolgen könne / wird schwerlich Jemand begreiffen. Aristoteles sagt:7 Futurorum nullam dari scientiam: Ein Mensch könne zukünfftige Dinge nicht wissen. Eine menschliche Kreatur kann nichts erkennen / oder vernehmen / was nicht würcklich vorhanden ist / oder dessen vorhergehende Ursachen man nicht weiß. Kann nun solches ein Mensch nicht wissen; wie viel weniger ein unvernünfftiges Thier / als das Pferd. Diesem nach dörfften diejenige / welche so wol jedwedem Thier-Geschlechte / als jedwedem Menschen /einen besondern Schutz-Engel zueignen / dafür halten / es rühre das Weinen der Pferde vor dem gewaltsamen Tode ihres Herrn / von einem solchen Schutz-Engel her.

Meine einfältige Meynung geht dahin: daß die Erzitterung eines Pferdes / und dessen Stutzung / endlich wol von einem guten Engel herrühren könnte; wann ein König / oder Fürst / oder andrer fürnehmer Herr / an dem andren Leuten viel gelegen / eine unglückselige Reise vornimt / darauf sein Verderben und Untergang stehet. Und liesse sich vielleicht solches / etlicher Massen / bescheinigen / mit dem Esel Bileams: welchem ein Engel im Wege gestanden /daß er fortzugehen /[1050] sich gescheuet. Wiewol ich / aus solchen Gedancken / keine Gewißheit mache.

Wann aber die Pferde / kurtz / vor- oder eben an dem Tage / da ihr Herr Todes verbleicht / plötzlich umfallen / und verrecken / ohne vorher verspührte Ursach / ohne Schaden oder Kranckheit / meyne ich: so zweifle ich nicht / zu sagen / der Satan bringe sie um: gleichwie er auch / zu Ofen / die Leuen im Graben /so bey tödtlichem Hintritt Königs Matthiæ Corvini, gestorben / erwürget hat. Das Pferd zu Hall in Sachsen hat er vermutlich geschreckt und geängstet / daß es so hefftig getobt / und / aus Furcht für selbigem Gespenste / den Kopff zum Fenster hinaus gesteckt. Denn wo Mordthaten vorgehen / da regiert das Gespenst / und erweckt / bey den Thieren / eine grosse Furcht. Als / vor vielen Jahren / zwischen Nürnberg und Forchheim / ein Welscher erschlagen / und der Leichnam / von dem eilendem Mörder / der ein Reiffträger war / in ein dickes Gepüsche / nicht weit von der Landstrassen, geworffen: hat ein / von einem Metzger vorbey geführter / Ochs / wie man den Ort ihn vorüber geleitet / angefangen hefftig zu wüten: da sonst die Ochsen / ob man sie gleich hundert geräderte Ubelthäter vorbey triebe / sich gar nicht scheuen /noch wüten. Weil aber auch / auf der Heimreise deß Metzgers / dessen Hund in den Pusch geloffen / und ungewöhnlich zu bellen angefangen; ist sein Herr ihm nachgehangen / und deß Erschlagenen ansichtig / der Thäter auch / bald hernach entdeckt / und mit dem Rade belohnt worden. Solches Rindvieh hat vermutlich ein / an dem Ort / wo der Ermordete[1051] gelegen / regierendes Gespenst erschreckt und wütig gemacht. Denn der Mord-Geist hat Lust da / wo das Land /oder eine gewisse Stäte / durch einige Ubelthat / verunreinigt worden / sich aufzuhalten / und allda den vorüber wandlenden einen Schrecken einzujagen.

Daß er aber / durch die Pferde / solche Vorbedeutungen eines Todesfalls macht / geschicht vermutlich zu dem Ende / daß er möge den Leuten diesen Wahn eindrucken / als ob solche Thiere mit einer Vorverkündigung und Weissagung begabt wären: gleichwie er vormals viel alte Heiden dessen überredet hat. Denn es ist / aus dem Tacito, bekandt / daß die alte Teutschen / an den Pferden / den Ausgang ihres Vorhabens zu erkündigen sich bemühet haben. Und dergleichen schreibt auch J. Cæsar, von den Galliern; wiewol diese und jene solche Roßwahrsagerey nicht /auf gleiche Art / getrieben. Nicht weniger haben die Heiden zu- und bey Stettin in Pommern / ein schwartzes wolgefüttertes Pferd / darauf Keiner reiten müssen / für heilig / und in hohen Ehren / gehalten / von dem sie ihr Glück und Unglück / durch ihren Pfaffen / erforschen wollen.8 Andrer Völcker zu geschweigen /die mit gleichem Aberglauben besessen gewest.

Er kann solche Pferde auch wol / durch seine Hexen / todt zaubern lassen; und zwar am liebsten /zu solcher Zeit / da ihre Herren sterben wollen: damit man / auf keine Druten / einen Verdacht werffen /[1052] sondern es allein für eine gewöhnliche Vorbedeutung deß Todesfalls / achten möge. Und endlich treibt ihn auch dazu seine Begier / Schaden; zu thun / wie auch das Verlangen / welches er in allen dergleichen Händeln der Vorbedeutungen trägt / daß er seine Vorwissenheit möge zu erkennen geben / als ein Geist / der immerzu die Verwunderung über seiner Klugheit und Scharffsinnigkeit trachtet zu erhöhen.

Es begeben sich auch / vor hohen Todes-Fällen /noch allerhand andre Unglücks-Fälle bißweilen: daran er Zweifels ohn auch mitwürcket; als / an grossen Feuersbrünsten / grausam-tobenden Windstürmen /und dergleichen.

Wie deß Schwedischen Königs / Gustavi Adolphi /Gemählinn / Maria Eleonora / ihren Herrn / den König / der in Teutschland damals / wider die Römisch-Keyserliche Majestät / Ferdinand den Andren /Krieg führte / zu besuchen verlangte: rüstete man /nebst vielen andren / zu solcher Reise erforderten /Sachen / auch ein gar grosses Schiff zu / mit einer grossen Quantitet Kupffers / vielem Geschütze / und aller andren Zubehör. Dieses Schiff führte das Wapen / und auch den Namen WASA, welche beyde es / mit der Gustavianischen Familie / gemein hatte: angemerckt / dieser Stamm solchen Namen / von uralten Zeiten her / geführt. Es war aber das Schiff / kaum eine halbe Meile / von dem Hafen abgesegelt / als gantz unvermutlich / das Wasser ich spaltete / oder aufthat / also daß das Schiff gar verschlungen und bedeckt ward; sonder Erscheinung einiger rechten Ursach: angesehn / es weder[1053] an die Klippen gerahten /noch von einem Sturmwinde / noch von erzörnten und hohen Wellen / angefochten war.

Unlang hernach / ging die berühmte Hauptschlacht bey Lützen vor: darinn König Gustavus Adolphus den Sieg / durch seinen Tod / blutig erkauffte. Hieraus hat man geurtheilt / der Untergang besagten Schiffs habe den Todes-Fall deß höchsten Haupts der / gleich also genannten / Famili / Wasæ vorbedeutet.

Als der Schwedische Reichs-Cantzler / Erych Ochsenstirn / sich in Preussen befand / und / bey dem Curfürsten von Brandenburg / von wegen seines Königs / Caroli Gustavi / einige Wigtigkeiten behandelte: wurden dahin etliche Schiffe abgefertigt / mit allerhand nöthigen Sachen. Unter selbigen war eines /welches deß Reichs-Cantzlers seine Equippage, oder Reise-Nothdurfften / als Pferde / Gutschen / und viel andre dergleichert Dinge / geladen hatte. Alle die andren lieffen gar glücklich ein zum Hafen: aber dieses einige ging allein / genau vor dem Hafen / zu Grunde; und bald darauf der Reichs-Cantzler / von der Erden unter die Erde; nachdem Ihm ein hitziges Fieber dazu gedrungen.9

Dieses ist aber noch wunderlicher / was der berühmte Genealogist / Bucelinus, in seinem Germania Sacra, bey Beschreibung deß Klosters Corvey / welches in dem berühmten Abtey-Stifft Corvey / an der Weser / in Westphalen / ligt / erzehlt;[1054] nemlich es habe selbiges Kloster / von GOtt / unter andren / diese sonderbare Gnade gehabt / daß / so offt / als Einer aus den Brüdern sterben sollen / er / drey Tage zuvor / ehe dann er verschieden / eine Vorwarnung bekommen /vermittelst einer Lilien an einem ehrnem Krantze / der im Chor hing. Denn dieselbe Lilie kam allezeit wunderbarlich herab / und erschien in dem Stuhl deßjenigen Bruders / dessen Lebens-Ende vorhanden war; also / daß derselbe dabey unfehlbar merckte und versichert war / er würde in dreyen Tagen von der Welt scheiden. Dieses Wunder soll etliche hundert Jahre gewährt haben: biß ein junger Ordens-Bruder / nachdem derselbe dadurch gleichfalls seines herandringenden Sterbstündleins erinnert worden / solche Erinnerung verachtet / und die Lilie / in eines alten Religiosen Stuhl versetzt hat; (der Meynung / es würde das Sterben dem alten besser anstehen / als dem jungen.) Wie der gute alte Bruder die Lilie hat erblickt / ist er darüber / als über einen Geruch deß Todes / so hart erschrocken / daß er in eine Kranckheit / doch gleich wol nicht ins Grab gefallen / sondern bald wieder gesund / hingegen der junge Warnungs-Verächter / am dritten Tage / durch einen gählingen Tod / dahin gerissen worden.10

Ob dieses nun Mancher für ein Geticht mögte ansehn; so gläube ich es doch gar gern: in Betrachtung /daß es auch andrer Orten / in den Stifftern / und Thümereyen / Anzeigungen gegeben /[1055] (und auch noch /auf den heutigen Tag / giebt) wann eines Thumherrns oder Ordensmanns Sterbens-Tag in der Nähe. Der Author, welcher sich S.G.S. nennet / berichtet / daß / von langer Zeit her / in der Stiffts-Kirchen zu Merseburg in Sachsen / drey Wochen vor dem Absterben eines jeglichen Thumherrns / bey der Nacht / ein grosser Tumult in der Kirchen gehört worden / und auf den Stuhl deßjenigen Thumherrn / welcher sterben sollen /ein solcher Schlag geschehen / als ob ein starcker Mann / aus allen Kräfften / mit geschlossener Faust einen gewaltigen Streich thäte. So bald solches die Wächter / deren etliche so wol bey Tage / als bey Nacht / aneinander gewacht / und wegen stattlicher Kleinodien / so darinn vorhanden waren / die Ronde gegangen / vernommen / haben sie es / gleich deß andren Tages hernach / dem Capittel angezeigt. Und solches ist demselben Thumherrn / dessen Stuhl der Schlag getroffen / eine persönliche Vertagung gewest / daß er / in dreyen Wochen / an den blassen Reigen müsste. Wiewol ich nicht begreiffe / wie die Wächter solches so genau haben wissen können / was es für ein Stuhl gewest / der geschlagen worden. Denn / in den gewelbten Kirchen / wird das Gehör / durch den gleich überall fliegenden und widerprellenden Schall /gar leicht irr gemacht und verführt / also / daß es nicht gewiß urtheilen oder ungefehlt mercken können / welcher Stuhl den Streich hette empfangen. Weßwegen ich vermute / es sey nur insgemein allen Thumherren daselbst / wann ein solcher Streich gekracht /die Anzeigung hiedurch gegeben / daß /[1056] über drey Wochen / Einer unter ihnen deß Todes seyn würde. Ob daselbst / noch heutiges Tages / dergleichen Schlag / bey annahendem Sterb-Fall / vernommen werde / ist mir unbewusst / und als ich / durch Merseburg / gereiset / solches eben nicht eingefallen: sonst ich mich dessen würde erkündigt haben.

Noch merckwürdiger aber ist dieses / was in der herrlich-langen Thumkirchen der Keyserlichen freyen Reichs-Stadt Lübeck / geschehen / auch noch geschicht; und nicht allein aus unterschiedlicher Scribenten gedrucktem Zeugniß / sondern auch / aus eigener Erfahrung / mir bekandt ist. Es gedenckt dessen nicht allein Martinus Zeilerus, sondern auch Doctor Ph. H. Friedlieb / in seiner Medulla Theologica; und dieser Letzter zwar / mit folgenden Zeilen:

Apud Lubecenses in cathedrali Templo quod sequitur, antiquitus obtigisse ferunt. Cujus ex Canonicis pulpito Rosa de nocte superimposita, in Choro, & manè inventa, illius mortem instare, indubio concluserunt. Actidisse proinde addunt, cùm quidam ex numero Canonicorum, nomine Rabundus, talem Rosam, mortis suæ horam præsagientem offenderet suo pulpito, impositam, removisse ab inde, & alterius Collegæ pulpito imposuisse; nihilominus tamen Rabundum non longè poit naturæ debitum solvisse. Dicitur ibidem, huno Rabundum motus in Choro adhuc ciere pulsando, tumultuando, quoties mortis terminus licujus Canonici, vel Regularis, appropin quat.[1057] Estq; ibi proverbium: Rabundus se movit: Ergo quidam Canonicorum morietur.11

Das ist: Bey den Lübeckern / soll sich / in der Thumkirchen / vormals zugetragen haben / was folget. Wenn auf eines Canonici Pult / im Chor /deß Nachts / eine Rose gelegt / und früh Morgens gefunden worden; so hat man / ohn einigen Zweifel / daraus geschlossen / daß solchem Thumherrn der Tod bald obhanden wäre. Man fügt hinzu: Es habe sich begeben / daß / als Einer unter selbigen Canonicis, Namens Rabundus, eine solche Rose /welche ihm seine Sterbstunde anzeigte / auf seinem Pult angetroffen / er dieselbe davon weggeräumt / und auf eines Andren / seines Collegen /Chor-Pult gelegt; nichts destoweniger aber den noch / unlang hernach / der Natur die Schuld bezahlt habe. Man sagt auch daselbst / dieser Rabundus errege auch noch heut / im Chor / mit Klopffen einen Tumult / so offt das letzte Lebens-Ziel eines Thumherrns herbey nahet. Und sagt man / deß Orts / im Sprichwort: Rabundus hat sich gerührt: darum wird ein Thumherr sterben.

Vor-hoch Ehrengedachter Herr Author Notitiæ Imperii Procerum hat / nachdem Er vernommen / daß ich diese Materi unter der Feder hette / mich / seiner angebornen Leutseligkeit nach / mit einem noch jüngerem Bericht / so Ihm / vor[1058] fünff viertheil Jahren /von einem fürnehmen Correspondenten aus Holstein /unter andren (am 6 Januar. 1687) brieflich ertheilet worden / begünstigt. Wovon ich dem geehrten Leser die / mir großgünstig verliehene / eigene Worte hiemit darbiete.

Was ich / von dem Lübeckischen Thum-Capittel / durch dortigen sicheren Freund / erhalten /solches gehet / zu geziemender Nachricht angeschlossen hiebey. Welchem dieses noch beyzufügen / Gelegenheit nehme: Daß alle Mal / wann Einer von den Thumherren sterben soll / es in der Thumkirchen klopffe / so gar / daß mans / in rundherumstehenden Häusern / auch die am Kirch- und Marcktplatz stehende Soldaten-Wacht gantz vernehmlich alle Mal hören könne /auch so dann gewiß inner Jahrs-Zeit Einer von den Thumherren sterben müsse: gleich es dann diesen Herbst (1686) wieder geklopfft; so man dort heisset: Rabundus hat sich wieder hören lassen. Es scheinet zwar fabuleux: aber doch ists so wahr / als wir beyde leben: und wissens die Kinder dort auf der Gassen / was von obigem Klopffen erzehlt habe / und da / von 200. Nahren hero / geschehn pflege. Wobey erzehlet wird / daß / bey Catholischer Zeit / sich alle Mal / im Chor / auf der Stelle deß Thumherrn / so in dem Jahr sterben sollen /eine weisse Rose gefunden: Und wie Herr Rabundus einst auch in den Chor kommend / solche Rose / auf seiner Stelle gefunden / hette[1059] er sie geschwinde und behändiglich weggenommen / und auf eines seiner Cameraden Stelle geworffen. Wie dieser nachgehendes auch in den Chor kommt /und die Rose auf seiner Stelle gewahr wird; entsetzt er sich dermassen / daß er sterb-kranck wird; dennoch geneset / und binnen Jahrs Herr Rabundus dennoch daran müssen: da er dann /auf dem Todbette / obige vergebliche List erzehlet / und verheissen / daß / an stat der Rosen / er danechst alle Mal klopffen wollte. Welches seithero /und bey 200. Jahren / warhafftig geschehen: Wie unglaublich es auch / und Jenes von der Rosen läppisch / und aus alten Legenden errichtet /scheine / etc.

Bißhero aus obermeldtem Schreiben. Nachdem ich also / durch so ansehnlicher Männer Gezeugniß / dieser abentheuerlichen Sache Glaubwürdigkeit fest gestellet habe: will ich / was mir selbsten / theils aus glaubhafftem Bericht / theils aus eigener Erfahrung /hiervon bekandt hiernechst beytragen.

Ich bin / diesem Handel nachzufragen / in meiner Jugend / desto curioser oder lüsterner gewest / weil meine selige Mutter / als meine Eltern / in selbiger berühmten Reichs-Stadt / wegen Kriegs-Gefahr sich eine Zeitlang aufgehalten / mich daselbst geboren /auch dritthalb Jahre hernach / in selbiger Thumkirchen begraben worden; gleichwie man auch / nach vielen Jahren / meinen sel. Vater / weil er stets gewünscht / bey derjenigen / die Er so inbrünstig geliebt / in einem Grabe zu ruhen / nachdem er Todes verblichen / von[1060] Hamburg todt dahin geführt / und zu Ihr eingesencket hat.

Denselben meinen sel. Vater / welchen gewisse Angelegenheiten bißweilen / nach dieser Stadt zu reisen / bemüssigten / ist nicht allein / von dem Mesner /oder / wie man ihn dort nennet / Küster selbiger Kirchen / einem feinem / verständigem und reichem Mann / der zugleich ein Keyserlicher immatriculirter Notarius war / sondern auch von theils fürnehmen Thumherren / ja von damaligen Thumpropst selbsten / der sein gar guter Freund gewest / der Anfang und Grund solches gespenstischen Klopffens / mit diesen Umständen / erzehlt worden.

Nachdem schon von langer Zeit hero besagte Rose / in dem Stuhl / und unter dem Stuhlküssen deßjenigen Thumherrns / welcher bald sterben sollen / erschienen / (ob es in dem Chor / oder bey der Session deß versammleten Capittels / geschehen / ist mir entfallen) so erblickt ein Mal auch der Thumherr Rebundus (denn so soll er eigendlich geheissen haben) solche weisse Sterb-Rose unter seinem Stuhlküssen. Und weil dieselbe seinen Augen mehr ein schmertzlicher Dornstachel / weder eine Rose / war: nahm er sie behände hinweg / und versteckte sie unter das Stuhlküssen seines nechsten Beysitzers: ohnangesehn derselbe sein Küssen schon aufgehebt / und nichts darunter gesehn hatte: Wie dann gewöhnlich ein Jedweder so bald er nur angelangt / alsofort das Küssen pflag umzuwenden / um zu schauen / ob auch diese Grabes-Bötinn / die weisse Rose / darunter läge.[1061]

Weil nun dieser sich hernach nicht weiter darum bekümmert / indem ihm der erste Anblick nichts dergleichen gewiesen; spricht Rebundus zu ihm: Ob er sein Küssen nicht umkehren wolle? Er antwortet / es sey schon geschehen. Jener versetzt: Er werde nicht recht zugeschauet haben; solle recht darnach sehen: denn ihn beduncke / es hette was Weisses darunter geschimmert / als er dahin geblickt.

Der Collega wendet das Küssen hierauf um / und findet die Rose darunter; protestirt aber gleich dawider / und spricht / das seynd Possen / und Betrug; Er habe / gleich anfangs / fleissig genug zugeschaut /und / unter dem seinigen / keine erblickt; glaube derhalben / sie sey ihm von Rebundo untergelegt / rafft sie also zörnig auf / schiebt und stösst sie dem Rebundo wieder hin unter sein Küssen: Rebundus will sie nicht wieder annehmen / sondern zurück geben; der Ander aber sie sich auch nicht wieder auf dringen lassen: daß also / indem sie Einer dem Andren wieder zuwirfft / (so schlecht willkommen war diese Grab-Blume!) ein hefftiges Gezänck / und Streit / darüber entsteht. Wie sich nun hernach das Capittel ins Mittel schlägt / und sie entscheiden; Rebundus aber durchaus nicht gestehen will / daß er die Rose am ersten gehabt / sondern auf seinem unwarhafftem Vorgeben steiff beharret / hebt endlich der Andre / aus verbitterter Ungedult / an / zu wünschen / GOtt solle geben /daß / welcher unter ihnen Unrecht habe / derselbe / an stat der Rosen / zum Zeichen werden / und in seinem Grabe / wann ein Thumherr sterben solle / klopffen möge / biß an[1062] den jüngsten Tag. Rebundus, der solchen Wunsch so viel / als einen leeren Wind / achtete / spricht frevendlich dazu Amen! Es sey also!

Da nun Rebundus, nicht lange hernach / gestorben / (daß der Andre / vor Schrecken / erkranckt sey /davon habe ich nichts gehört; halte es / für eine Confundir- oder Verwirrung / mit der Lilien der Stiffts-Kirchen zu Corvey / davon oben geredt worden) hat es / von dem an / unter seinem Grabstein / so offt ein Thumherr sterben sollen / entsetzlich geklopfft / oder vielmehr grausamhart angeschlagen. Denn es ist eigendlich kein blosses Klopffen nur: sondern es geschehen drey erschreckliche Schläge / unter seinem /im Chor befindlichem / sehr grossem / langem / und breitem / Grabstein / die nicht viel gelinder krachen /als ob das Wetter einschlüge / oder dreymal ein Kartaunen-Schuß geschähe. Und wann der dritte Streich geschicht; laufft oder fleugt der Knall über dem Gewelbe / die gantze Kirche nach der Länge durch / mit so starckem Krachen / daß man gedencken sollte / das Gewelbe wurde ein- und die Kirche übern Hauffen fallen. Wiewol es ein Mal stärcker kracht / als das andre.

Man hört es / wie obangezogenes Correspondentz-Schreiben gar recht berichtet / nicht nur in der Kirchen / sondern auch ausserhalb derselben; und wird die / auf dem Platz vor dem Zeughause (nicht am Marcktplatze / denn darinn muß der Brieff-Verfasser unrecht berichtet seyn) welches durch die Breite deß Kirchhofs biß schier an die Thum-Thürne reicht / stehende Wacht / so allda ihr Corpsdegarde hat / biß weilen dadurch ins[1063] Gewehr gebracht / wann sie noch nicht weiß / woher solches grausame Krachen entstehe.

Ungefähr vor sechs- oder sieben und viertzig Jahren / da ich / in selbiger Reichs-Stadt / als ein Reisender / gewisser Geschäffte wegen / mich etliche Tage auf hielt / spatzierte meiner Reisegefährten Einer ein Mal / mit mir / vor dem Mühlen-Thor / durch einen lustigen / mit Bäumen nach zierlicher Ordnung besetzten Lust-Gang / zwischen dem Wall / und einem Teich / welchen man / meines Erinnerns / den Mühlen-Teich nennet / und der noch wol um ein Gutes breiter / als zu Nürnberg der Platz lang ist / den man die Schied heisset. Jenseit solches Teichs / steht nicht weit davon die Thumkirche: Indem wir nun allda / die Langweil zu kürtzen / miteinander lustwandelten; ließ sich / jenseit bemeldten Teichs / ein gewaltiges Krachen hören / also / daß wir anderst nicht meynten /denn es wäre etwan ein Gebäu daselbst eingefallen. Folgenden Tags / erfuhren wir / daß der ehrlicht Herr Rebundus es gethan / und seine gewöhnliche Losung damit gegeben.

Uber acht Jahre hernach ging meine Reise abermal dahin: und lag ich etliche Tage daselbst still. Da fiel /über dem Essen / einsmals / im Wirthshause / unter andren / auch von dem Rebundo ein Discurs vor /indem etliche Fremde den Wirth darnach fragten. Worauf dieser / der ein feiner verständiger Mann war / erzehlte / daß / vor dreyzehen oder vierzehen Wochen ungefähr / der Rebundus, am Sonntage / zwischen neun und zehen Uhr / mitten unter der Predigt /angeschlagen / und zwar so gewaltig / daß unterschiedliche[1064] Handwercks-Gesellen / welche eben auf seinem Grabstein gestanden / und die Predigt angehört / theils durch starcke Erbebung deß Steins / theils durch den bestürtzenden Schrecken / von dem Grabe nicht anders herab geprellet worden / als ob sie der Donner davon weggeschlagen hette. Weil auch / beym dritten Schlage / langst dem Kirchen-Gewelbe / ein so grausames Getös / Gepolter / und krachender Knall hingefahren / wie der Wettergleiche Schlag einer gelöseten Kartaun zu donnern pflege / habe Jedermann zur Kirchen hinaus fliehen wollen / in Meynung / sie würde einfallen; der Prediger aber / welcher bald gemerckt / daß es deß Rebundi Streiche wären / sich geschwinde wieder ermuntert / und der Gemeine zugeruffen / sie sollte sich nicht fürchten / noch lauffen; denn es wäre nur ein Teufels-Gespenst / welches den Gottesdienst gern verstören wollte: darum müsste mans verachten / und ihm im Glauben Trutz bieten. Nach etlichen Wochen / ist deß Dechants (wo mir recht) Sohn verblichen. Denn der Rebundus tobt nicht nur so / mit seinen Schlägen / vor dem Absterben eines Thumherrn selbsten; sondern auch wann eines Thumherrns Sohn / Vater / Mutter / Bruder / oder Schwester / bald zu Grabe kommen wird.

Ich habe dieses so ausführlich beschreiben wollen /damit daraus desto klärer erscheine / was es für ein saubrer Geist seyn müsse / der solches Getös / und unmenschliches Krachen anrichtet; nemlich der leidige Satan. Denn wäre es ein guter Engel / würde er einen so grausamen Tumult nicht erregen / vielweniger / mitten unter währendem Gottesdienste /[1065] solches thun. Weil auch die weisse Rose / so vorhin / unter den Stuhlküssen erschienen / ohne Zweifel mehr Anlaß zur Sicherheit und Aufschube ernstlicher Busse / weder zur Bekehrung / gegeben; indem ein Jedweder vermutlich sich darauf verlassen hat / daß er keines Todes sich zu besorgen hette / bevor die Rose ihm /unter seinem Küssen / läge: habe ich / zu selbiger Rosen / eben so ein schlechtes Hertz / als wie zu dem Anschlagen deß Rebundi. Es stirbt darum nicht ein Jedweder / der seine Busse gespahret hat / bußfertig; wann er gleich / kurtz vor seinem Ende / vernimt /daß sein Ende ihm nahe sey. Mancher bleibt alsdenn /aus gerechtem Gericht GOttes / auch wol verstockt /oder verzweifelt.

Sonst pflegt Manchem / kurtz vor seinem Lebens-Schluß / ein Glas / ohne Berührung / zerspringen. Wovon der Jesuit / P. Engelgrav / ein Exempel erzehlt / das im Elsas geschehn; allhie in hiesiger löblichen Stadt aber / meines Wissens / vor zwo Leichen dergleichen sich begeben hat. Und ist Einem / unter seinen auf dem Tisch stehenden zwölff Monat-Gläsern /dasjenige mit Wein gefüllte Monat-Glas / umgefallen / darauf eben der Monat stund / in welchem er / etliche Wochen hernach / gestorben.

In einem gewissen Hause / lässt sich / so offt etwan ein Sarck / oder sonst eine merckliche Verändrung entweder unter den Hausgenossen / oder in der Freundschafft / herbey rückt / allezeit / hinter einem Spiegel / etwas hören / welches gleich der Unruh in der Uhr.[1066]

In sehr vielen Häusern aber / und fast ins gemein /wird entweder an die Thür / oder Banck / oder Tisch /geklopfft / und geht bißweilen auch wol die Thür von sich selbsten auf / wann Einer tödtlich danider ligt /und nicht wieder aufkommen soll. Man hört auch gemeinlich entweder etliche Tage vorher / oder in der Todes-Stunde / einen schweren Fall. Das wollen Etliche dem Schutz-Engel / oder sonst einem guten Engel / Andre aber einem Teufels-Gespenst / zuschreiben. Ich vermute / es thue bißweilen ein guter / bißweilen ein böser Engel. Daß es alsdenn ein böser Engel thue / wann es / mit erschrecklichem Krachen / geschicht /daran zweifle ich schier gar nicht. Denn der bösen Geister Art ist / daß sie gern die Leute erschrecken.

Wann ein schwartzer Hund erscheint / oder wenn man einen Ring auf den Tisch gelegt findet / oder wenn / in dem Zimmer / die Stühle dermassen / von ihrer Stelle / verruckt / und so fest aneinander gefügt werden / daß man sie kaum wieder voneinander reissen kann / hält vorangezogener Doctor Friedlieb solches billig / für deß Teufels Possen / und Gauckeley /so man für keine unbetriegliche Vorbedeutung solle aufnehmen: Und setzt diese Ursach dazu: GOtt wolle nicht / daß wir das Ziel unsers Lebens wissen sollen.

Allein dieses Letzte hat seinen gewissen Verstand /und manchen Absatz; lässt sich darum nicht / auf alle Vorzeichen / ziehen. GOtt will nicht / daß der Mensch sein Ende / auf solche Weise / wie mit der Rosen geschehen / oder wie durch solche gespenstische Anzeigungen / als durch Fallen / Läuten /[1067] und dergleichen /geschicht / solcher Gestalt / und so gewiß wissen soll / daß er sich darauf sicherlich verlassen / und dergleichen Vorzeichen / für eine gewisse Regul / halten könnte: sintemal Er / in seinem Wort / nicht befohlen / daß man dergleichen soll erwarten / noch versprochen / uns die Zeit unsers Endes zu offenbaren; sondern vielmehr / mit seiner Warnung / daß man bereit seyn soll / weil man nicht wisse / wenn deß Menschen Sohn kommen werde / auch dahin zugleich gesehn /daß wir auch alle Tage zum Sterben bereit seyn müssen / weil wir auch nicht wissen / wenn Er kommen /und unsre Seele von uns nehmen werde. Daher ist unsers Lebens Ende / oder letztes Ziel / und Sterbens-Stunde insgemein verborgen. Denn ob gleich bißweilen ein Engel einiges Vorzeichen giebt: ist doch solches dem Menschen nicht verheissen: weßwegen sich Niemand dessen getrösten / noch versichern kann: sondern das geschicht alsdenn / aus freyem Willen deß Höchsten / und nicht einem Jedweden / auch nicht mit so unzweifelbarer Gewißheit / als wie dasjenige /was GOtt in seinem Wort uns geoffenbart. Denn ob gleich mancher Traum / oder Gesicht / für göttlich geachtet wird: seynd uns doch solche Anzeigungen zu keiner Regel darum gesetzt: und kann bißweilen Einer sich / mit falscher Einbildung / oder Phantasey / betriegen / indem er meynt / diese oder jene Fürstellung sey ihm / von GOtt / oder einem Engel / widerfahren /indem doch nur seine verderbte Phantasey der Mahler ist / der ihm dieses oder jenes vorbildet. Gleichwie hingegen auch nicht alle Vorzeichen / die / von bösen Geistern / auf[1068] Göttliche Zulassung / herrühren / richtig eintreffen / sondern bißweilen fehlen; Und ob sie gleich selten fehlen / sondern zum öfftern würcklich eintreffen / dennoch hetten fehlen können / weil GOtt sie nicht gegeben. Zu geschweigen / daß mehrmals nicht der Patient selber / sondern Andre / die im ihn seynd / die Anzeigungen / so das Gespenst giebt / erfahren; und überdas der Vorzeichen vielerley seynd /auch dieselbe nicht alle Mal / noch in allen Häusern /zu gleicher Zeit / geschehen / sondern an einem später / als am andren. Weßwegen kein Patient darauf ihm eine Rechnung seiner Zeit machen kann.

Unterdessen hindert doch solche allgemeine Unwissenheit und Verborgenheit unsers Ziels den allgütigen GOtt gar nicht / daß Er nicht dennoch / seines Beliebens und Gefallens / Etlichen bißweilen gleichsam einen Winck geben sollte / durch eine merckwürdige Fürstellung / Gesicht / oder Traum. Denn gleichwie Er sich dazu nirgends hat verbunden; also hat Er auch nirgends / durch eine Verredung / sich verbunden /solches keinem einigen Menschen zu thun / das ist /Keinem die Herbeynahung seines Endes zu entdecken: Sintemal viel Exempel ein Andres weisen.

Denn manche fromme Leute wissen richtig den Tag / ja allerdings bißweilen die Stunde ihrer Scheidung /deß Tages zuvor. Dem frommen Keyser / Ferdinand /dem Ersten / ist / im Schlaffe / gegen Morgen vorgekommen / wie daß Er / im Tage Jacobi die Welt gesegnen sollte. Welchen Traum Er / für eine Göttliche Offenbarung / aufgenommen / und / nach dem S. Jacobs Tage /[1069] sich hertzlich gesehnt: an welchem Er auch / in GOtt / entschlaffen ist.

Dem Herrn Dietrich von Werthern ist / da er frisch und gesund sich befunden / gegen Morgen / im Schlaffe / ein heller Glantz vorgekommen / dabey sich auch eine Stimme hören lassen: Sey wachsam und geschickt / dein Seelen-Bräutigam / Christus /wird bald kommen / und dich abholen. Worauf bald hernach sein Ende herbey gekommen.

Wer will sagen / daß solche Entdeckungen nicht von oben seyen? Daß auch das gelinde Anklopffen vor der Thür / nicht alle Mal von einem bösen Gespenst / sondern bißweilen auch wol durch einen Engel / geschehn könne / wenn Jemand soll sterben /lässt sich / meines Bedunckens / aus diesem Exempel / welches allererst vor dreyen Jahren sich begeben /etlicher Massen abnehmen. Einer noch gar jungen /doch tugendhafften / und hochbemittelten Ehfrauen /die ihres Vaters einiges Kind war / kam / indem sie zu Nachts ihrem Ehliebsten an der Seiten ruhete / fünff oder sechs Wochen vor ihrer unglücklichen Niderkunfft im Traum ein Gesicht vor / wie sie / in dem Ober Zimmer auf einem Bette (so eben dasselbe gewest / darauf sie nachmals gestorben) sässe / und Jemand vor der Thür selbiges Gemachs anklopffte / darauf sie gesagt: Herein! Nachdem das Klopffen zum andren Mal geschehn / und sie abermal spricht / man solle herein kommen; geht die Thür auf / und tritt ein hochansehnlicher Mann / vortrefflicher Gestalt und Annehmlichkeit / auf ihr freundliches Nöthigen / herein. Welcher / weil sie sich[1070] darob entsetzt / zu ihr spricht / Sie solle nicht erschrecken / noch sich fürchten; Er sey von GOtt gesandt / ihr anzudeuten / daß Sie sich bußfertig bereiten sollte; damit wenn GOtt Sie wollte abfordern / Sie bereit wäre. Worauf Sie nidergekniet / und ihre Sünden hertzlich beweint. Darüber der ansehnliche Mann ein sonderbares Wolgefallen bezeugt und ein gutes Vergnügen spühren lassen; auch gesagt / Er wolle solches seinem Herrn / dem HErrn Christo / hinterbringen; und Sie würde bald /bey selbigem ihrem Heilande / in der Herrlichkeit erscheinen. Womit Er gleich verschwunden.

Von dem an / hat sie sich keine andre Gedancken gemacht / als daß sie / in Kindsnöthen / drauf gehen würde: wiewol sie den Traum nur zweyen Personen vertrauet / aber dabey hart verboten hat / ihrem Vater / und Ehliebsten denselben zu erzehlen; damit sie nicht / vor der Zeit / sich allzusehr mögten bekümmern.

Uberdas ist ihr bald hernach vorgebildet / im Schlaffe / als ob sie von zweyen Barbierern auf einen Berg getragen / daselbst aber / von ihnen / verlassen würde / und allein geblieben: biß zween ihres Vatern Diener sie wieder hinab trügen. Solches ist Alles also ergangen: Sintemal ein Barbier / auf deß Doctors Raht / das / schon todte / Kind / durch seine Instrumenten / nicht ohn ihren grossen Schmertzen / von ihr bringen müssen / und nachdem sie dennoch / nicht lange hernach / Todes verblichen / eben diejenige zween Diener / welche sie im Traum gesehn hatte /ihren Leichnam[1071] aus dem obern Gemach hinab / in die Tennen / getragen.

Weil nun der herrlich-schöne Mann / welcher Ihr /im Traum / die Busse und Sterbens-Bereitung / vorher angedeutet / und recommendirt hat / zuvor zwey Mal angeklopffet / ehe dann er hinein getreten: lässt sich /meines Ermessens / damit ziemlich bescheinigen / daß das Anklopffen nicht als Mal / von den bösen Geistern / sondern jemals auch wol (zumal das sanffte und bescheidene Klopffen) von einem Engel geschehe: angemerckt / sonst dieselbe / im Traum erschienene / herrliche Person das Anklopffen nicht würde gebraucht haben / ihr das Gesicht desto bequemer beyzubringen / und ein weiteres Nachdencken damit zu erwecken.

Unterdessen vermute ich / daß eben so wol ein Teufels-Gespenst bißweilen also / vor der Thür eines auf den Tod danider ligenden Menschen / anklopffe /und daß solche schwere Fälle / worüber die Anhörende gar hart erschrecken / gemeinlich eines spöttlenden Poltergeistes Werck seynd. Hiezu bewegt mich zweyerley: Erstlich dieses / daß so wol das Vorzeichen deß Geläuts / als der schieren Fälle / bißweilen ohne Erfüllung bleibt. Daraus die Vermutung erfolgt / es habe solche Anzeigung kein guter / sondern böser Engel alsdenn gegeben / der in seiner Mutmassung gefehlt: Welches die heiligen Engel nicht thun: sintemal die selbe / ausser GOttes Befehl / mit dem Menschen nichts handeln / noch etwas bey ihm verrichten; und derhalben / in ihren Anzeigungen / nicht fehlen können; weil der unfehlbar ist / welcher ihnen dieselbe anbefohlen.[1072]

Daß aber die Poltergeister / und Tod-verkündigende Gespenster bißweilen / mit ihren Anzeigungen fehlen / davon hat man unterschiedliche erfahrungen. Daß dem Theophilo, nachdem die Glocke etliche Mal geläutet / eine gefährliche Kranckheit zugestossen /und er doch wieder aufgekommen sey / ist / in vorigem / erzehlt worden. Solche seine Genesung hat er /nechst GOtt / der Verwechslung deß Medici zugeschrieben. Denn sein gewöhnlicher Medicus, ob er gleich ein trefflich-gelehrter Mann war / brauchte doch / in dergleichen Zuständen / seine besondre Kur-Art: vorüber aber der Hauswirth Theophili das Leben eingebüsst. Hette Er nun dieselbige auch / bey dem Theophilo, wiederholt / wie er vermutlich würde gethan haben: so wäre dieser Patient schwerlich auch mit der Haut / davon gekommen. Aber derselbe Medicus war damals / zu allem Glück deß Theophili, aufs Land verreiset; weßwegen man nach einem andrem Doctor schicken musste: welcher / auf eine gantz andre Manier / ihn glücklich curirte. Solche Abwechslung muß das läutende Gespenst nicht vermutet haben: darüber es / in seiner Vorbedeutung / gefehlt.

Welcher Gestalt eben derselbe Theophilus, etliche Jahre hernach / einen grausamen Fall / wovon das Haus gebebt hat / über seinem Kopff / gehört / und er drauf abermal einen gefährlichen Zustand bekommen / doch gleichwol / nachdem er / auf ein ernstliches Gebet / im Traum / eine Schrifft gesehn / welche ihm die Errettung versprochen / dennoch beym Leben wunderbarlich erhalten worden /[1073] mag ich jetzo nicht hinzu thun: weil ich mich / ohne dem / in dieser Materi / etlichen guten Freunden zu Gefallen / schon ziemlich lange aufgehalten. Vielleicht dörffte ich / in dem Tractat / welcher von den Leichbegängnissen handeln wird / solches umständlich / dem christlichen Leser zur Erbauung / erzehlen.

Es ist mir auch bekandt / daß man / vor gewissen Häusern / einen Sarg geschaut: worauf doch bißweilen der / ob gleich tödtlich-schwache / und von den Medicis selbsten sehr besorgte / ja schier am Leben verzweifelte Patient / endlich dennoch wieder zu Kräfften gelangt / die zweifelhaffte Vorwissenschafft deß Schreckgeistes beschämet / und der Fehlbarkeit überwiesen hat.

Das Andre / so mich veranlasst zu vermuten / daß das Anklopffen mehrmals von einem Poltergeist geschehe / ist dieses: Weil solches Klopffen (und auch das Anläuten) nicht nur bey frommen / sondern auch ruchlosen Patienten / geschihet. Ja! ich vermute / es werde solches Geklopff auch wol / bey dem Absterben der Heiden und Türcken / offt gehört: denen doch kein Engel solches thun wird.

Manche Heiden haben auch die Herbeynahung ihres Todes / im Traum / gesehen. Xenophon, und /aus ihm / Zonaras, berichten / als der Groß-König / Cyrus, zum siebenden Mal / wieder in Persien angelangt / habe Er einen Traum bekommen / als ob Ihm ein Mann erschiene / der von grösserer / als menschlicher / Condition war / und zu Ihm sagte: Bereite dich / Cyre! denn[1074] jetzo fordern die Götter dich zu sich. Daraus Er geschlossen / sein Lebens-Ziel wäre vorhanden.

Man erkennet den Vogel / am Gesange. Wäre das ein guter Engel gewest / würde er nicht gesagt haben /von vielen Göttern. Aber Herodotus, welcher diesem Monarchen ein blutiges Ende zuschreibt / und / wie auch Justinus, Valerius Maximus, nebst Andren /meldet / die Scythische Königinn Thamiris (oder Tomiris) habe ihn geschlagen / enthauptet / und den Kopff in einen Sack voll Blut gesteckt / damit er deß Menschen-Bluts einmal recht ersättigt werden mögte: sagt / von erst-gemeldtem Traum Cyri nichts; sondern von diesem. Als Cyrus den schnellen Strom Araxes passirt war / um dieser Königinn der Massageten ins Land zu gehen / sahe Er / im Schlaffe / ein Gesicht; nemlich wie deß Hystaspis ältester Sohn / Darius, aus seinen beyden Achseln Flügel Hette / deren einer Asien / der andre Europa / überschattete. Welches Traum-Gesicht Er also gedeutet / daß der Sohn Hystaspis ihm nach Reich und Scepter stünde. Aber Herodotus meynet / der Geist (welchen er δαίμονα nennet) habe Ihm damit diese Vorbedeutung geben wollen / daß er umkommen würde.12

Es mag nun gleich Xenophon, oder Herodotus, recht haben: so ist doch so wenig jenes / als dieses Traum-Gesicht / oder Todes-Weissagung / von einem heiligen Engel dem Cyro vorbestellt.[1075]

Doch bin ich darum nicht in Abrede / daß bißweilen ein guter Engel auch wol einem üblen Christen ein Vorzeichen deß nahenden Endes geben könnte; wenn nemlich Hoffnung vorhanden / daß er sich noch werde bekehren. Bey einem Verstocktem aber und Unbekehrlichem / hat ein heiliger Engel so wenig etwas zu schaffen / als wenig der Heilige Geist Selber einem solchen End-verhärtetem Ruchlosem beywohnet.

Fußnoten

1 Plin. lib. 8. Hist. Natural. c. 42.


2 Cromerus de Reb. Polon. lib. 17.


3 Cuspinianus.


4 Strigenitius apud Titium im Exempelbuch Artic. 34. c. 4. n. 10. p. 1477.


5 S. das 490 Blat seqq. deß XV Buchs: da dieser denckwürdige Geschicht ausführlich beschrieben ist.


6 D. Mengering Informator. Consc. p. 550.


7 lib. 2. περὶ ἑρμκν. s. de Interpretatione.


8 S. hievon M. Danielis Crameri Pommerische Kirchen-Chronic lib. 1. p. 40. 58.


9 D.J. Scheferus in Memorabil. Suecieis cap. 3. p. 20. seq.


10 Bucelinus Tom. 2. German. Sacræ fol. 163. Nec on generos. & nobiliss. Dn. Author Notitiæ S. Rom. Germanici Imperii Procerum, lib. 3. c. 19. p. 334.


11 D. Ph. H. Friedlieb Medull. Theolog. Loc. de Provid. divin. Cas. Consc. 6. p. 315.


12 Herodotus lib. 1. cap. 209. seq.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 1045-1076.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Selberlebensbeschreibung

Selberlebensbeschreibung

Schon der Titel, der auch damals kein geläufiges Synonym für »Autobiografie« war, zeigt den skurril humorvollen Stil des Autors Jean Paul, der in den letzten Jahren vor seiner Erblindung seine Jugenderinnerungen aufgeschrieben und in drei »Vorlesungen« angeordnet hat. »Ich bin ein Ich« stellt er dabei selbstbewußt fest.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon