XCIX.


Der spitzbübische Geist.

[1079] Was für ein abgesagter Feind deß menschlichen Geschlechts der leidige Satan sey / das erhellet zwar genug / aus der grausamen Kriegs-Flamme / welche er jetzo / durch seine Kreaturen / in Europa hat angezündet: sintemal nichts gewissers / als / daß seine höllische Eingebung der menschlichen Ehr- und Herrschsucht diese Land- und Leut-Verheerung hat eingeblasen: Weil aber dennoch wir Menschen nicht recht betrachten / woher solcher Jammer entstehe / nemlich /daß / um unserer tieff-eingerissener Ruchlosigkeit willen /[1079] der gerechte Richter aller Welt dem Satan /solche blutige und verderbliche Kriege anzurichten /verhenge; sondern nur auf die Steine sehen / welche auf uns daher fliegen / und nicht nach der erzörnten Hand / daraus sie geflogen kommen: so lässt GOtt zu / daß gemeinlich / bey solchen blutigen Kriegsläufften / der böse Geist / hie und da / seinen Mutwillen / und frevlende Bosheit / auch in gemeinen Wohnhäusern /spühren lasse / und in sichtbarer Gestalt sich zu erkennen gebe: damit wir mercken mögen / daß / um unsers sündigen Wesens willen / dieser Scharffrichter deß Höchstens einen längern Zügel gewonnen / die Leute / mit Schrecken / Furcht / und auch wol würcklicher Verletzung an Leib und Leben zu peinigen und zu plagen / oder / durch boshaffte Verleumdung ihres guten Leumuts / zu kräncken.

Man könnte solches / mit vielen Beyspielen / entzweifeln; wenn man nicht schier in allen wochentlichen Zeitungen / ohne dem hievon einen entsetzlichen Fall läse.

Ich zweifle aber doch / ob / in langer Zeit / dieser Ertzbösewigt / und verfluchte Abentheurer einen seltsamern Frevel verübt / oder ein Haus so verunruhigt habe / als wie unlängst / im verwichenem 1689 Jahr /zu Döttingen / einem Ort / so deß Hochgebornen Grafen und Herrn / Herrn Heinrich Friedrichs / Grafens von Hohenloh und Gleichen / etc. etc. Meines gnädigen Grafen und Herrns / oberherrlichem Gebiet und Herrschafft unterworffen ist / geschehn: Als woselbst der verdammte Geist / bey einem Hausmann / nicht allein / mit vielfältiger Verwandlung / mancherley[1080] Gauckel-Possen getrieben; sondern auch allerley Frevel begangen / und benebenst dabey sich einen Mord-gierigen Verleumder erwiesen: indem er die Leute im Hause / durch seine Erscheinungen in offt-veränderter Gestalt / zum offtern geschreckt / die Kinder angefochten und geplagt / bald diesen bald jenen Hausraht (um zu weisen / daß er so wol ein Dieb sey / als ein Lügner) entwendet und anderswohin vertragen; auch zuletzt / ein gewisses (aller bißheriger Vermutung nach unschüldiges) Weib / mit grober Bezüchtigung der Hexerey / durch Annehmung ihrer Gestalt / und würckliche Lästerung / in Schmach / Schande und Tod / zu stürtzen / gesucht.

Damit aber der geneigte Leser vielleicht nicht vermeyne / das Gerücht habe diesen gespenstischen Abentheuren / seiner sonst nicht ungewöhnlichen Gewonheit nach / einen Zusatz gegeben: will ich demselben den gantzen Verlauff / in solcher Form / wie ihn der Hochgräfliche Herr Amtmann / zu Döttingen / bey der / in Gegenwart deß Pfarrerns / Herrn Georg Friedrich Drechslerns / und deß Hausmanns (oder Baurens) Andreas Welzen / geschehenen Amts-Verhör / hat protocolliren lassen / und folgends / an die Hochgräfliche Hohenloh-Langenburgische Cancelley / eingeschickt / nachmals aber / von selbiger hochlöbl. Cancelley / mir in Abschrifft mitgetheilt worden / vortragen / und glaubfest stellen.

Es lautet demnach Ehren-besagten Herrn Amtmanns erster Bericht hievon / wie folget.


[1081] Actum Döttingen den 6 Septembris Anno 1689.


Es hat sich in die vier Wochen herein ein wunderbarer und allhier zu Döttingen noch nie erhörter Casus in Andreas Welzen Behausung zugetragen / welcher sich nachfolgender Gestalt verhält:

Ohngefähr um das Apostel-Fest Jacobi / haben Andreæ Welzen Kinder allhier / in dem Kehricht / welches Heinrich Steppers Gesind aus- und in den Bach geschüttet haben sollen / etliche / in 36 Kr. bestehende Stücker Müntz / gefunden / und solche ihrer Mutter gebracht. Welches Geld sie in ein Büchslein verwahrt und in die Truhen verschlossen / nach der Hand und etlich Tage hernach aber / nichts mehr ausser dem Büchslein in der Truhen gefunden: gleich darauf / hatte sein /Welzen / Weib / einen grossen Abgang an ihren Eyern verspühret / und darvor halten müssen /daß es etwan durch ein Wieselein / welches Junge habe / geschehen seyn müsse / derowegen man nachgesucht / und ausser dem Hause viel leere Schalen gefunden / wodurch dann ihre Meynung /und daß dem also seye / um desto mehr verstärckt worden. Nachdem aber dieses Weib ihre Eyer / in bessere und verschlossene Verwahrung /genommen / sind solche biß auf etlich Wenige /gleichsam aus der Truhen verschwunden. Welche aber / auf nachsuchen / hinter dem Hause gantz[1082] zerstreuet / jedoch ohnversehret wieder gefunden worden.

Wie nun dieser Eyer-Dieb sein Spiel nicht / wie vorhin / mit den Eyern treiben können / hat er den Handel auf ein andre Weis und dergestalt an gefangen: nemlich / daß zu viel Malen die inner und ausser der Stuben befindliche geringe Mobilien und Geschirr / benanntlich allerley Kleidung / weiß Gezeug / als Schurtztuch / Halshemder /Hüllen / Hauben / Hackmesser / Näber / Wetzstein, Dängelstock / Garn / Schlüssel / und andere geringe Sachen mehr / bey hellem liechtem Tag /aus der Stuben und von dem Tische verschwunden. Welches alles aber / ausser etwas an Garn und Zwirn / sich wieder / auf fleissiges nachsuchen / in deß so genannten Rotachsbaurn / Heinrich Steppers / Garten gefunden.

Worbey dann Georg Berndtich gantz klar gesehen / wie die Welzinn einen gantzen Kreben mit allerley Eisenwerck / vor ihrer Hausthür / gehabt / und solche ihm / und andren Leuten mehr / gewiesen. Da seyn einige Stück aus dem Kreben verschwunden / und hernach / in obangeregtem Garten / wieder gefunden worden; und also seye es / mit denen verlohrnen Hackmessern / auch ergangen.

Ferner referirt Hanns Wolff Preiminger / Beck allhie / daß / angesichts seiner und andrer Leut mehr / ein Dängelstock / bey zugeschlossener Thür und Fenster / auf[1083] dem Tisch gelegen; der sich aber / in einem Augenblick / unsichtbar gemacht / gleich darauf aber an der Stubenthür sich wieder sehen lassen. Weil dann dieser Bauer auch verschiedene Kinder hat / als solle auch geschehen seyn / daß dieser listige Gast ein- und andrem Mägdlein / den Vorschurtz und Gürtel /am Leib / ledig und unsichtbar gemacht habe /liesse sich nicht hören oder sehen / gleichwol habe man / bey hellem Tage / der Bäurinn auf dem obern Boden stehende verschlossene Truhen etliche Mal hören auf- und zumachen / auch seye Keinem niemalen nichts ins Gesicht kommen /ausser daß eins Tags / bey offnem Fenster / ein ziemlich-grosser Vogel / grauer Farbe / Abens um 8 Uhr / in die Stuben geflogen / sich auf die Weber-Studel gesetzt / und in puncto wieder zum Fenster hinaus gemacht; der Bauer habe nur bloß den Schatten / die Bäurinn aber den Vogel gar eigendlich gesehen. Und dergleichen Verlust / an ein- und andren geringen Sachen / habe sich / biß zu End deß jüngst verstrichenen Monats Augusti / offt begeben; jedoch seye mehrentheils wieder gefunden worden.

Obiger Welz berichtet dato weiter / neben seiner Hausfrau / wieder aufs neue / daß den 29 Augusti jüngsthin dieser unsichtbare Geist / gegen Abend um vier Uhr / zween Schaarnägel / einen Stoßnagel / und einen Ochsenstriegel / entführet habe: welches sich hernach / noch selbigen Abends / auf[1084] der Gassen wieder gefunden: Ferner / am 30. dito seye das Ochsen-Joch nach Mittag in dem Ochsenstall von dem Nagel kommen; und nachdem man solches gewahr worden / hätte man solches wieder dahin gehenckt; wäre aber gleich darauf wiederum hinweg kommen / und nach der Hand in dem Ochsen-Trog wieder gefunden worden.

Eben diesen Tag / und als bemeldtes Joch sich wieder gefunden / und der Baur und Bäurinn auf dem Felde gewesen / und gegen Abend wieder anheim kommen / haben sie die Hauen und Mistgabel vor der Thür / das Beil aber unter dem Schweinstall / gefunden.

Tags hernach / als Samstags den 31 dito, seyen zween Schlüssel verlohren / welche sich wieder /in Hanns David Fischers Garten / gefunden. Diese beyde Schlüssel hat der Welz in seine Stuben an einen Nagel gehenckt: wovon der eine wieder unsichtbar / und durch sein Töchterlein / unter deß Dorffs Bronnen-Trog / wieder gefunden worden.

Am Sonntage hernach hat er / Welz / morgens gegen drey Uhr / vor seiner Kammer-Thür ein grosses Getös und Gepfürr zweymal gehört. Eben diesen Tag hat der Sohn Michel das / am Freytage zuvor verdiente / 20 Kr. Miet-Geld / ohnwissend verlohren / und ein paar Stunden hernach gleich an dem Hause / abwärts deß Bachs /[1085] Stückweise wieder gefunden. Weiters seyen / verschienenen Montags / als 2 Septembris / fünff Schüsselein / samt denen Deckeln / verlohren /und / auf nachsuchen / wieder unter dem Schweinstall gefunden worden.

Ferners berichtet dato sein / Welzen / Töchterlein / Namens Maria / ihres Alters neun Jahre /heut frühe am Tage / da sie noch im Bette gelegen / und eben vom Schlaff erwacht / seye ein schwartzes Gespenst / ohne Haar / auf ihrem Bette gesessen / welches einen Hundskopff / und ein weisses Kreutz auf der Stirn gehabt; worüber sie sehr erschrocken / und wie es wieder von dem Bette und auf den Boden gesprungen / hat sie gesehen / daß es aufrichtig gegangen / und an beyden Füssen zween Menschen-Zehen gehabt; wäre darauf zum Fenster-Laden hinaus gesprungen: und eben dieses Gespenst habe sie / dieser Tagen /öffters in der Kammer / und hinter dem Hause im Garten / auch unter ihres Vaters Bettstäte / gesehen. Und dieses bestätiget obiger Maria Schwester / Ursula Salome / ihres Alters eilff Jahr / daß sie solches etliche Mal in voriger Gestalt / jedoch mit diesem Unterschied / im Schweinstall auf der Schwellen gesehen / daß es manch Mal auf vier /auch bißweilen auf zweyen Geißfüssen / gangen /allezeit in der Grösse eines Hunds oder Katzen; der Kopff habe gar lang-bißweilen schwartz- oder auch[1086] wol grau / ausgesehen / jedoch ohne Haar /und mit grossen feurigen Augen: Hanns Hanselmanns Söhnlein Georg Lienhard / seines Alters neun Jahre / sagt / daß er dato frühe / unter der Küchen / dieses Thier in deß Welzen Wagenhütten / ohne Kopff / gesehen: der Leib seye schwartz / die Beine aber weiß gewesen; seye aufrichtig gangen / und habe Zehen / wie die Menschen / gehabt.

Wormit obige ihre Aussage beschlossen / und ihnen darbey befohlen worden / wann sich dergleichen Spectra wieder sehen lassen würden / solches / von Tag zu Tage / bey dem Amt anzuzeigen. Datum ut supra.

Wie hiernechst dieser hellische Spitzbube seine Büberey fortgesetzt / und wie er auch so wol / mit angemasster Gestalt / als Reden / sich für eine gewisse Frau ausgegeben / mit Begehren / daß man dieselbe /als / seiner Sage nach / eine Hexe / verbrennen sollte /ist / aus nachgehendem / an vorgedachte Hochgräfliche Cancelley ergangenem weiteren Amts-Bericht /umständlich zu ersehen.


Actum Döttingen / den 20. Septembr. Anno 1689.


Erscheinet Andreas Welz / Inwohner allhier zu Döttingen / mit seinen zweyen jüngsten Töchtern / Namens Salome und Maria / und sagten aus /wie daß der bekandte Geist / seit den 6 diß Nachts / und[1087] zwar vor etwan acht Tagen / seine Figur gantz verändert / und eines Weibs Gestalt / mit einem grünen Mieder und kurtzem schwartzem Rock bekleidet / angenommen / habe bißweilen Weiber-Schuhe an; das Gesicht sey zu Zeiten bedeckt / bißweilen aber sichtbar und häßlich / alt und runtzlicht: verschienen Diensttag Nachmittag um zwey Uhr / seye diese Weibsperson / zu der jüngsten Tochter Maria in ihre Kammer kommen / und habe zu ihr gesagt / sie wollte ihr zween Gülden samt einem Doten- oder Patenschurtz / bringen: wie sie nun um drey Uhr hernach wiederkommen / habe sie gesagt / sie habe beydes verloren: Eben selbigen Tag / um zwölff Uhr / seye es zu der Tochter Salome kommen /und habe einen Teller in den Küchenladen hinein gereicht / und sey wieder verschwunden: Selbigen Abend aber / um sieben Uhr / sey sie wieder in der Stuben bey dem Lotter-Bett gewesen / und habe zu ihr / Salome / gesagt / sie wollte selbige Nacht ihren jüngern Bruder erstechen: Um vier Uhr Nachmittage / und wie deß Welzen Frau Hanff in Backofen stecken wollen / habe der Geist aus dem Backofen zu ihr / Salome / gesagt / wann der Hanff eingesteckt werde / wolle sie ihn gleich anbrennen: Gestern Abends um fünff Uhr seye es abermal an dieser Töchter Kammer-Laden erschienen / und wieder daselbst hinaus gesprungen.

[1088] Dato, sagt die Salome / Vormittags um acht Uhr / sey es wieder erschienen / und / in der einen Hand ein Messer habend / wieder zum Kammer-Laden hinaus gesprungen: gleich nach acht Uhr /habe die Tochter / Maria / sie wieder in ihrem Bette gesehen; zu welcher der Geist etliche Mal gesagt: sie sollte zum Amt gehen / und sagen /man soll sie versengen und verbrennen / und wo das nicht geschehe / wolle sie alles im Haus zusammen schlagen: Gestern Abends sey dieser Geist der Tochter Salome / bey dem gemeinen Brunnen erschienen / habe seine Händ gewaschen / und daß man solches / bey dem Amt / anzeigen soll / gesagt.

Der Welz sagt / er hätte vor guter Zeit eine Krämers-Waage verlohren / dieser Tagen aber sey es wieder herbey kommen: es stehen aber noch allerley weissen Gezeug und Zwirn aus: Vergangene Wochen habe der ältere Sohn seinen Hut an die Studel gehenckt / die Hutschnur sey mitten entzwey geschnitten / und hernach im s.v. Schweinstall wieder gefunden worden: Im Stall laß es sich auch sehen / thue aber dem Vieh nichts / als daß es solches manchsmal über den Rücken streiche.

Diese beyde Mägdlein förchten diesen Geist gar nicht / sondern die jüngere hette vergangenen Sonntag frühe morgends / als er sich zu ihr in das Bett geleget / mit einer Schnitthippen ihme einen Riß in das Gesicht gegeben; worauf er aufgestanden / und[1089] sich mit etwas geschmiert / und wieder zum Laden hinaus gesprungen. Datum ut supra.

Laut ferneren Aussage deß Andreas Welzens vor dem Amt / hat / folgender Zeit / der Satan / mit seinem Mutwillen / und manchfältigen Erscheinungen /angehalten / und diesen / in beygefügtem mehrerm Bericht beschriebenen / Frevel getrieben.


Actum den 23. Septembris Anno 1689.


Referirt obvermeldter Andreas Welz weiter: daß am 20 passati, und eben den Tag / da die letztere Verhör geschehen / dieser Geist den andren Tag vor der Stuben erschienen seye / und dem kleinen Kind ein Messer an die Kählen gesetzet habe; die jüngste Tochter hätte aber das hinweg gerissen: der Geist aber habe eine Katzen ertappt / und ihr den Kopff abschneiden wollen / welches dieses Mägdlein auch verwehrt: Dieser Geist sehe gantz eigentlich deß N.N. seiner Frauen gleich / und gibt selbsten vor / daß sie es sey / mit fernerm Vermelden / man soll es bey dem Amt anzeigen /daß sie eine Hexe seye / und daß man sie verbrennen solle: Gestern Sonntags sey diese Figur dem jungen Mägdlein auf der Gassen erschienen / und zu ihr gesprochen / man soll ihre Actionen bey dem Amt anzeigen / sie seye deß N.N. Weib: Am Freytage zuvor /[1090] sey sie mit einem Brand an das Haus gangen / solches anzustecken: Sonntag / als gestern Nachts / sey diß Gespenst in der Kinder Kammer kommen / habe die kleine Tochter bey den Zehen ergriffen / und ihr dieselben abschneiden wollen; heut Montags frühe / als der Schafhirt ausgefahren / habe sich ein langer schwartzer Mann in der Kammer præsentirt / dem das Haar biß an die Hüffte gehangen / hätte dem Mägdlein nach den Zöpffen griffen / aber nichts geredet.

Was für Bosheiten der Bösewigt / in vorbedeutetem Hause / noch mehres verübt habe; giebt dieser vermehrter Bericht zu vernehmen.

Den 26. Septembris hat der Teufel sein Spiel /wie vorhin / und zwar dergestalt / gegen obgemeldten zweyen Mägdlein ausgeüber / daß einstens Nachts derselbe / in Gestalt mehr-besagter Frauen / erschienen / ein Wachsliecht in der Hand haltend / und samt dem Liecht unter das Deckbett zu den Kindern geschloffen; bald hernach und zwar Abends sey sie wieder / in voriger Gestalt / kommen / das eine Mägdlein aber hätte dem Vater geruffen / und begehrt / daß er nach ihr greiffen sollte. Welches zwar geschehen / er habe aber nichts sehen / weniger greiffen können: Folgenden Tag sey einstens / bey dem hellen Tage / ein Mann und Weib / in grünen Kleidern / ohnversehens in die Stuben kommen / und miteinander[1091] auf- und abspatziert; solche hätten aber beyde Mägdlein allein / Vater noch Mutter aber nichts / sehen können. Ohnlängst hernach habe sich dieser Geist / in mehr-besagter Frauen Gestalt / auf dem Först deß Hauses mit einer Waschlagen præsentirt / und sich herunter gestürtzt /sey in der Lufft aber verschwunden: und solches hätten die Kinder auf der Gassen gesehen.

Als einstens das junge Mägdlein aus einer Maßkannen trincken wollen / hat das Gespenst /in Gestalt einer jungen Katzen / gegen ihr heraus gesehen / auch sich einstens / von seiner Grösse /biß zu der Grösse eines Hüner-Eyes / verkleinert /und zum Kammer-Laden hinaus gefahren: die eine Tochter hab ihm nach- und es in der Lufft gesehen / und darbey beobachtet / daß es in der Nachbarschafft wieder zu einem Laden hinein ge fahren. Insonderheit aber als das junge Mägdlein / auf ihrem Acker / Feldbirn auflesen wollen / sey dieser Gast / in Gestalt eines ungeheuren Wolffs /unter dem Baum gelegen: da sie dann unverrichter Sach wieder davon gegangen.

Nach solchen Geschichten / sind beyde Mägdlein erkranckt / und hat der böse Geist ihnen ein-als andern Weg keine Ruhe gelassen / sondern sich öffters zu ihnen in das Bette gelegt / und die jüngere Schwester gepfetzt. Darauf die ältere den 13 Octobris / die andere aber acht Tage hernach /Tods verfahren / welche etliche blaue Mähler[1092] auf dem Leib gehabt haben soll. Nach deren Abtritt soll sich bißweilen wie noch ein Gepölter in dem Stall hören lassen.

Hiezwischen wurde deß N.N. Frau vor ein offentliche Zauberinn ausgeschrien; Andreas Welz / als beyder abgeleibter Töchter Vater aber /langte bey dem Amt an / man sollte sie einziehen /und die Justitz über sie ergehen lassen: dieser wurde aber mit diesem Bescheid abgewiesen /man könnte diesem Weib noch zur Zeit nicht beykommen / der Teufel sey ein Tausendkünstler /und ihme ohnschwer / dem allerfrömmsten Menschen eine Kletten anzuhengen / sollte warten /die Sache werde sich endlich schon selbsten ergeben.

Als nun im gantzen Amt und Dorff / auch in der Nachbarschafft / von obgedachter Frauen /daß sie gewiß eine Hexe seye / ohngescheut ausgebreitet worden; hat sie solches erfahren / und sich Tag und Nacht dergestalt gequält / daß sie endlich bey dem Amt diese Frage angelegt: Ob dann auch eine ein Hex / ohnwissend der Person / seyn könnte: Man hat sie dahin gewiesen / wann sie ein gut Gewissen / sollte sie sich nichts daran kehren; der Teufel sey ein Tausendkünstler; sollte fleissig beten / die Schmach gedultig tragen / und die Rache GOtt befehlen. Gleichwol hat sie sich nicht zufrieden geben wollen / und sich dergestalt abgekümmert / daß sie in eine Kranckheit gefallen /und / nach wenig Tagen / sich zum sterben[1093] gantz christlich bereitet / und / dem Vernehm nach /seelig abgeschieden. Der hinterbliebene Mann aber N.N. solle gesinnt seyn / Andreas Welzen hiernechst mit Recht vorzunehmen.

Sonst wird / in einem absonderlichen Schreiben Ehren-besagten Herrn Amtmanns / auch gemeldet /daß auch angedeuteten Andreas Welzens Vieh einsmals / die halbe Nacht durch / dermassen verunruhigt worden / daß der Mann endlich dem Nacht-Wächter zuruffen / und denselben um Hülffe bitten müssen.

Nachdem nun die beyden Töchter gestorben / hat sich zwar das Gespenst nicht mehr sehen lassen /doch gleichwol noch immerzu gerührt / und ein Gepolter erregt.

Der Teufel hat / seit dem er / aus einem Engel /zum Teufel worden / und von dem GOtt der Warheit abgefallen / sich gantz unwürdig gemacht / für einen warhafften Angeber / oder Zeugen angehört zu werden: dahero er auch allhie billig anderst nicht / als der allerperfecteste Lügner / in dem keine gründliche Warheit ist / betrachtet / und nicht ein Mal so viel gewürdigt worden / daß man / auf seine Aussage / das /von ihm bezüchtigte / Weib nur hette zu Rede gesetzt. Deß Feindes Mund redet selten die Warheit / noch viel seltener der vermaledeyte Mund deß Ertzfeindes aller Menschen. Diabolus (schreibt Augustinus) est spiritus nocendi cupidissimus, à justitia penitùs alienus, superbiâ tumidus, invidentiâ lividus, fallaciâ callidus. Der Teufel ist ein Geist / der gantz[1094] begierig / zu schaden / der Gerechtigkeit gantz abhold /von Hoffart gantz geschwülstig / von Neid gantz erbost / in Betrug ertzlistig und verschlagen.1

Einem solchen Verleumder Glauben zuzustellen /würde mancher Unschuld viel zu nachtheilig fallen. Er hat schon mehrmaln den Richtern solches Irrliechtlein vorgestellt / und durch Erscheinung in gewisser Personen Gestalt / sie / zu Verurtheilung unschuldiger Leute / verleiten wollen. Wie man / bey den Casuisten / und Andren solcher seiner Practicken / nicht wenige findet.

Beym Dedekinno lieset man / daß einem Edelmann / als er / mit langweiliger Ohnmacht und Schwachheit / behafftet gewesen / ein Landfahrer eingebildet / er wäre bezaubert / und dabey sich erboten / ihm das Weib vor die Augen zubringen / das es ihm angethan hette. Als es nun der Edelmann bewilligte; sagte der leichtfertige Vogel: Welches Weib morgen in eure Behausung wird kommen / und sich auf den Heerd zum Feuer stellen / auch den Kesselhaken mit der Hand angreiffen / und halten / die ist es.

Folgenden Tags / kam eine / dem Ansehn nach /von seinen Nachbarinnen / und Unterthanen / ein ehrlich-frommes Weib / und stellete sich dahin / auf solche Maß und Weise / wie der Landfahrer gesagt. Dessen verwunderte sich der Edelmann zum höchsten: weil er von dieser Frauen / die er für fromm und redlich achtete / auch deßwegen[1095] ihr nicht übel wollte /niemals dergleichen sich eingebildet hatte: darum er auch anfing zu zweifeln / obs recht zuginge. Er gab derhalben heimlich seinem Diener Befehl / hin zu lauffen / und zu sehen / ob diese Nachbarinn daheim sey / oder nicht. Der Ausgeschickte findet dieselbe sitzen über ihrer Arbeit / und Flachs hecheln; sagt / sie solle alsobald zum Junckern kommen; und will auch nicht gestatten / daß sie sich zuvorderst recht anlege. Sie spricht / es werde sich je nicht schicken / daß sie so staubig und unaufgeputzt / vor den Junckern trete. Jener antwortet / das gebe nichts zu bedeuten / sie solle eilends mit ihm gehen. So bald sie nur zur Thür hinein tritt / verschwindt die erste / aus dem Saal.

Da merckte der Edelmann / daß ihn der Teufel betrogen; und bekennet / er würde die Frau haben lassen verbrennen / wenn GOtt ihm nicht in den Sinn gegeben hette / den Diener hinzuschicken.2

Daß der Satan / in lebendiger Personen Gestalt /zum Nachtheil ihres guten Leumuts / bißweilen erscheine / beglaubet nicht allein der Doctor Mengering / sondern bestetiget es auch Doctor Frommannùs mit diesem gar denckwürdigem Exempel. Zur Regierungs-Zeit Hertzogs Johannis Casimiri, wohnte dessen Stallmeister / G.P.V.Z. zu Coburg erstlich in der Spittel-Gassen daselbst; hernach in demjenigen Hause / welches nach ihm[1096] besagter Doctor Frommannus bezogen; demnechst / in dem grossen Hause / bey der Vorstadt / die Rosenau genannt; nachmals im Schloß / darüber Er Schloß-Hauptmann war. Zu so vielmaligem Wohnungs-Wechsel bemüssigt Ihn ein Gespenst. Welches seiner Ehliebstin so vollkömmlich gleich sahe / daß / wenn es ins Losament hinein kam / indem er am Tische saß / bißweilen ihm darüber ein Zweifel entstund / welches seine rechte Ehfrau wäre. Denn es folgte / wann er gleich auszoch / ihr doch allenthalben nach. Und als diese Edelfrau ihrem Herrn das Haus /darinn hernach gedachter Doctor gewohnt / zur Wohnung vorschlug / um also dem Gespenste auszuweichen; hub dasselbe an / lauter Stimme zu reden / sagend: Du ziehest gleich hin / wo du willt; so ziehe ich dir nach; wenn du auch die gantze Welt durch zögest.

Solches seynd auch keine blosse Drau-Worte gewest: sondern es hat sein Versprechen gehalten. Denn nachdem ihr Ehherr / der Stallmeister / eingezogen; hat / folgenden Tags / nach geschehenem Auszuge /die Thür deß Hinterhauses ein solches Krachen gegeben / als ob sie würde mit Gewalt zugeschlagen; und das Gespenst / von dem an / in solchem verlassenem Hause / sich niemals mehr sehn lassen / sondern in dem neu-bezogenem wieder erschienen ist.

Wie die Edelfrau gekleidt ging / in solcher Kleidung zoch auch das Gespenst auf; Sie mogte gleich ein Feyer- oder Leid-Kleid / ein zierliches / oder alltägliches / anlegen. Massen sie deßwegen niemals allein / in ihren Haus-Geschäfften / sondern[1097] allstets /von Jemanden begleitet / ging. Es erschien aber gemeinlich / in der Mittags-Zeit / zwischen 11 und 12.

Einsmals liessen sie ihren Beichtvatter / Herrn Johann Pfrüscher / gegen selbige Zeit / zum Essen bitten: Welcher auch kam. Aber damals ließ sich der höllische Aff nicht sehen. Folgenden Tages / stellete sich derselbige Beichtvater / auf geschehene Einladung / abermal zur Mittags-Mahlzeit ein. Allein es wollte auch weder dieses mal / noch hernach jemals /das Gespenst / in seiner Gegenwart / erscheinen. Allein als der Edelmann mit seiner Ehliebstinn / und seiner Jungfrauen Schwester / ihn / da er wieder heim gehen wollte / an die Stiegen begleitete; stieg es / von unten die Stegen hinauf / und erwischte durch ein /nahe an der Stegen befindliches / höltzernes Gitter /der Jungfrauen / welche den Geist allein gesehn hatte / ihren Schurtz-Flecken / (oder Vortüchlein) wiewol es alsofort / als sie anhub zu schreyen / verschwand.

Einsmals ist es / auf der Küchen-Thür-Schwellen /mit den Armen gelegen: und / als die Köchinn gefragt / Was willt du: hat es geantwortet: Deine Frau will ich. Sonst soll es der Edelfrauen keinen Schaden zugefügt haben. Gedachter Jungfern / nemlich deß Stallmeisters seiner Schwester / ist es sehr gefähr gewest /und hat ihr einst eine solche Ohrfeige gegeben / daß ihr / auf dem Backen / Blasen davon entstanden: weßwegen auch die Jungfrau wieder heim / in ihres Vaters Haus / kehren müssen.[1098]

Der Author, Herr Doctor Frommannus, gedenckt /sein Haus sey darüber sehr verschreyet worden; doch habe sich allgemach solches Geschrey verlohren / und gefunden / daß es / von Gespenstern / sonst rein wäre: Denn / in der zwantzigjährigen Zeit / darinn Er dasselbe bewohnt hat / habe / seit dem / weder Er / noch seiner Leute Jemand / einiges Gespenst darinn gesehn; ausbenommen / daß / sechs Wochen vor dem Tode seines lieben Töchterleins / Mariæ Barbaræ /(welche im Jahr 1674 / am 10 Februarii / verschieden) seine Magd / zu Nachts / zwischen eylff und zwölff / als sie etwas / bey dem Hausbrunnen / zu thun gehabt / ein Kind gesehn / welches / im weissen Hemde / auf dem Brunnen gesessen / und den Kopff gantz traurig gesenckt / doch alsobald verschwunden. Welches sie aber eher nicht angezeigt / als biß die kleine Tochter verschieden.3

An einem berühmten Ort in Teutschlande / ist diese wunderwürdige Geschicht vorgegangen. Ein fürnehmer Fürst hatte zween Religiosen / die / ihrer Erudition und Tugend halben / ein grosses Lob hatten / zur Tafel beruffen lassen; und / über der Mahlzeit / sagte Er / zu dem Einem: Mein lieber Herr Pater! Meynet Derselbe nicht / es sey billig und recht / daß wir bißhero solche Leute gefänglich einziehen / auf welche zehen oder zwölff Hexen bekennet / daß dieselbe /bey ihrem Hexen-Reigen / erschienen? Ich besorge nicht wenig / der Tausendkünstler betriege seine Sclaven / und[1099] der Weg / welchen wir / durch solche Aussagungen / suchen / sey nicht sicher genug: zumal weil theils ansehnliche und hochgelehrte Männer anheben / starck dawider zu reden / und unsrem Gewissen einen Scrupel zu machen. Derhalben sage er mir doch seine Meynung.

Der Pater antwortete: Ey! was wollen wir uns darüber viel ein Gewissen machen / oder deßwegen noch länger scrupuliren / nachdem wir so viel Zeugnissen schon vor uns haben? Vielmehr soll uns dieses ein Scrupel seyn / und wir uns ein Gewissen hierüber machen / daß wir meynen / GOtt der HERR werde jemals eine solche Angeb- oder Verleumdung unschüldiger Personen zu geben. Der Richter hat keine Ursache / bey einer solchen Anzahl der Aussagungen / anzustehen / noch zu zweifeln / ob er auch sicher verfahre.

Wie nun gleichwol der Fürst wiederum etliche Einwürffe vorbrachte / und aus beyden Seiten viel Dinges zur Betrachtung gestellet ward / der Religiosus aber nichts destoweniger / seine Meynung zu behaupten /sich inständigst befließ; machte endlich der Fürst / an der Disputation / einen Schluß / mit diesen Worten: Aber / mein lieber Pater! es ist mir Eurenthalben leid / daß Ihr Euch / in einer Sache / die Leib und Leben betrifft / mit eurer eignen Rede / so tödtlich verwundet. Ihr habt nun keine Ausflucht / noch Fug / zu widersprechen / wenn Ich euch gleichfalls lasse gefangen setzen: sintemal nicht weniger / als funffzehen / ausgesagt / sie hetten euch auch /bey[1100] ihren Versammlungen gesehn. Und damit ihr nicht etwan meynet / ich vexire mich nur / so kann ich gleich alsofort die Acten holen lassen; auf daß ihr euch darinn lesen möget / und sehen /wie ihr mit so vielen Zeugen / als ihr selber nicht ein Mal fordertet / überwiesen seyd.

Darob erstaunte der gute ehrliche Mann / schlug die Augen vor sich nider / und wusste nicht / wie er /wegen seiner Ubereilung / sich so geschwinde sollte entschüldigen. Der Fürst hielt ihn darum im geringsten Verdacht nicht / wol wissend / daß er redlich /und ein Ertzfeind der Zauberey wäre: es gefiel ihm aber sehr wol / daß er ihn so artlich in seiner Rede gefangen / und damit ein Muster oder Beyspiel vorgestellt hette / wie mißlich es wäre / wenn man die blosse und betriegliche Erscheinung dieser oder jener Person / für einen unbetrieglichen Beweis annehmen wollte.4

Wann auch gleich der Satan / entweder durch rechte Zauberer / oder durch besessene Leute / solche Personen / die vorhin allbereit in einigem Verdacht stehen / angiebt; besinnt sich doch ein fürsichtiger Richter noch eben wol darüber / ehe er darauf so gleich zuplatzt und angreifft: weil in peinlichen Hals-Sachen vollkommene Beweisthümer / oder die Augenscheinlichkeit deß Verbrechens / oder auch selbsteigene und freywillige Bekenntniß / erfordert werden. Das Gerücht kann falsch seyn. Daher auch das peinliche Halsgericht / mit dem blossen Gerücht / sich nicht gnugsam[1101] versichert hält / Jemanden deßwegen anzutasten / oder einzuziehen: angemerckt / unterschiedliche Beschaffenheiten (deren der gelehrte Jurist / Cothmannus5 zehen benennet) bey einem üblen Gerücht und Geschrey / vorher erkündigt werden müssen.

Cesius giebt / in Beschreibung der Stadt Amsterdam / ein paar Exempel verdächtiger Personen / deren eine der Teufel / aus besessenen Kindern / für eine Drute gescholten; die andre aber / durch aberglaubische Händel / herbey getrieben worden; aber doch darum kein gutes / sondern schlimme Worte von sich gegeben. Beydes wird / von ihm / mit folgenden Zeilen / beschrieben.

Um diese Zeit (nemlich Anno 1555) besaß der böse Geist die arme Wäisen / zu Amsterdam /und plagte sie dergestalt / mit allerhand Anfechtungen / daß ihnen die Grillen darvon / ob er schon nachmals von ihnen gewichen / so lange sie lebten / noch in ihrem Gehirn spielten.

Weil sie nun in solcher ihrer Besessenheit / vor etlicher Weiber Thüren / erschrecklich zu rasen pflegten / sonderlich aber auf eine / Namens Bametie, welche sie einhälliglich beschüldigten / sie bezaubert zu haben / alle ihre Bosheit ausgossen: so wurden diese Frauen allezeit verdächtig gehalten / und vor Zauberinnen ausgeschrien. Dieser Verdacht aber / fiel am allermeisten auf Bametie; weil man ihr ohne diß Schuld[1102] gab / daß sie vielmals bey der Nacht ausgewesen / ihr Gauckel-oder Zauber-Spiel zu üben. Zudem ward sie auch manches Mal in der Heiligestärs-Kapelle / als todt und entzuckt / mit weit voneinander geschlagenen Händen und Füssen / auf dem Bodem ausgestreckt / vor dem Altar gefunden. Aus welcher Entzückung sie endlich / nach etlichen Stunden /mit tieff-geholten Seufftzen / wieder zu ihr selbst kam.

Von dieser Bametie pflegten gemeldte Wäisen /wann sie als Katzen / wie man erzehlet / bey dem Thurn der alten Kirche aufgeklettert / und mit ihren Fingern auf den Spielglocken spielten / mit heller Stimme zu singen: Wir wollen von hinnen nicht weggehen / es sey dann / daß wir zuvor Bametie im Feuer sitzen sehen. Zuweilen wiesen sie auch mit Fingern von sich / als wollten sie den: Umstehenden / die aber nichts sahen / diese Bametie zeigen. Welche / wie sie vorgaben / jetzund / ihnen einiges Leid zuzufügen / ankäme.

Auch waren sie / nicht wusste man warum / auf den Schultzen überaus ergrimmet: welchen sie sehr übel schmäheten und schalten / ihn einen Deventer-Kuchen nenneten / weil er ihnen / mit dergleichen Kinder-Kost / das Schelten zu stopffen / den Mund aufbrechen lassen. Ihre Gesichter / wann sie zörnig zu werden begunnten / verstelleten sie dermassen häßlich und greulich / daß Einem / der sie ansahe / die Haare zu Berge[1103] stunden. Sie redeten vielerhand ausländische Sprachen; welche sie doch niemals gelernet: und wussten / darüber man sich am allermeisten verwunderte / zu erzehlen / was man / im selbigen Augenblick / auf dem Rahthause handelte. Ja sie entdeckten selbst die Gedancken der Menschen. Offt lieffen sie nach dem Wasser zu / als wollten sie sich ersäuffen: aber so bald sie darbey kamen / blieben sie stockstille stehen / und sagten: Der grosse Mann (so pflegten sie GOtt zu nennen) will es nicht zulassen. Ja / wann sie etwas Böses thun wollten / aber nicht konnten / sagten sie allezeit /daß es der grosse Mann verböte.

Von einer andren Frauen / die man / durch einen /zum Feuer gesetzten / Hafen / aufgetrieben / hefftet er Nachgehendes dabey an.

Wir lassen hierüber (seynd abermals seine eigene Worte) wie auch / von einer fast dergleichen Begebniß / die sich nur für etlichen Jahren / in der so genannten Sinterklaß-Gasse allhier / mit zwey Kindern / derer fromme Eltern noch itzund bey Leben / zugetragen / andere urtheilen. Diese Kinder waren eine geraume Zeit / an allen ihren Gliedern / erlahmt / und litten dabey unaussprechli che Schmertzen. Weil nun etliche dafür hielten /daß sie bezaubert wären / so ward den Eltern endlich der Raht gegeben / daß sie eychene Spähne mit Wasser / welches sie von einer Kreutz-Brücke geschöpffet / in einem neuen Topffe so lange[1104] solten sieden lassen / biß die Teufels-Künstlerinn sich offenbahrte / und die Kinder von der Plage / wo sie nicht schon allzuweit eingerissen /gesund machte.

Die Eltern / wiewol sie zu erst nicht glaubten /daß / unter den Menschen / einige Zauberey zu finden / oder dieses (vermeynte) Kunst-Stück /dieselbe vertreiben oder offenbahren könte; stellten gleichwol / durch den Jammer / den sie an ihren elenden Kindern sahen / bewogen / solchen Raht bey verschlossener Thür / ohne jemands Wissen / zu Werck. Worauf stracks beym ersten aufsieden (oder aufwallen) ihre nechste Nachbarinn / darauf sie das wenigste vermutet / auf den Hinter-Platz geloffen kam / und zu schreyen begunnte: Ihr Teufels-Banner / ihr Teufels-Banner! Ja dieses Geschrey trieb sie / mit hin und wieder lauffen in ihrem Hause / so lange / als der Topff über dem Feuer stund; verklagte auch deßwegen / wiewol sie selbsten / noch jemands fremdes / dieses Wasser-sieden nicht gesehen / die Eltern bey den Predigern. Denen dieser Handel sehr fremd vorkam. Aber endlich / da sie von den Nachbarn gehöret / daß gemeldte Frau ein böses Gerücht hette / ermahnten sie die Eltern (derer Kinder nunmehr / durch den Tod / von ihrer Plage erlöset waren) sich still zu halten / und die Sache GOtt zu befehlen.6[1105]

Ich zweifle zwar sehr / ob der Author, Cesius, sattsamen und richtigen Bericht hievon eingenommen /und nicht nur etwan / mit einer / aus dem Flügel deß blossen Gerüchts gerupfften / Feder / diesen letzten Handel beschrieben; in Betrachtung / was er für ein unbedachtsame Antwort auf die Frage / warum vormals mehr Gespenster / als heutigs Tages / gesehn worden / gleich dabey anknüpfft. Gestellt aber / dem sey also / daß das Weib gegen dem Hause / darinn der Hexen-Topff am Feuer gestanden / geruffen: Ihr Teufels-Banner! ohnangesehn / sie den Hafen nicht gesehen; sollte darum das Beweises genug seyn / sie anzugreiffen? Auf solchen Teufels-Possen deß siedenden Hafens / wird kein verständiger Richtet fussen /noch etwas anfangen. Denn / wie wann der Satan / in deß Weibes Gestalt / aufgetreten wäre / und also geruffen hette? Ich vermute aber / Cesius habe diese Umstände verkehrt / und das Weib allererst hernach /wie sie erfahren / daß / nachdem vielleicht der T. in ihrer Gestalt erschienen / man von ihr schlimm geredet / hingegangen sey / und sich darüber so unnütz gemacht habe: Sintemal nicht wol zu glauben / daß sie sonst sich unterstanden hette / die Leute / bey dem Prediger / zu verklagen. Welcher / wann er ein christlicher und gewissenhaffter Mann gewest / denen Eltern / die er zur Gedult vermahnet hat / vorher ohne Zweifel eine gute Lection gelesen / und ernstlich verwiesen haben wird / daß sie zu zaubrischen Mitteln gegriffen / und mit dem siedendem Hafen zu erkündigen sich erkühnt / welche diejenige wäre / so ihnen ihre Kinder so plagte.[1106]

Es will sich auch nicht gar zu wol miteinander reimen / daß die Eltern vorhin auf das Weib gar keinen dergleichen Gedancken geworffen / ehe denn sie gekommen / und sie für Teufels-Banner gescholten; und dennoch gleichwol den Prediger berichtet haben / das Weib hette ein übles Gerücht.

Gelassen aber / es habe ohne dem nicht zum besten von ihr vorhin gelautet: so würde sich doch schwerlich ein behutsamer Richter / durch ein blosses Gerücht / und durch solche Erscheinung auf das abergläubische Topff-sieden / haben bewegen lassen / das Weib zu verhafften. Woferrn aber die Anzeigung aus keiner abergläubischen Handlung herrührete; alsdan würde ein kluger Richter nicht zu verdencken seyn /daß er die verdächtige Person / im fall sie eines liederlichen Wandels / und schlechten Gerüchts / vorfordern liesse / und ernstlich zu Rede setzte: Denn ich er innere mich / daß eine Hexe / als der Richter (weil es nur ein gemeines Weib / und wegen einer begangenen Ubelthat / durch diese / bey sich allein gemurmelte /Worte / die dennoch eine Magd ungefähr gehört / Es soll dir übel bekommen! sich verdächtig gemacht hatte) sie holen ließ / und mit grossem Ernst sie anfuhr / mit der Frage / warum sie dem guten Herrn solches Hexen-Stück erwiesen hette? alsofort angefangen / zu zittern / auch gleich alsofort darauf gestanden /daß sie dem Herrn das Ubel angethan. Wiewol der Richter dennoch zuvor eine ziemliche Weile angestanden / ehe er sich / auf deß fürnehmen Klägers inständiges Ansuchen / entschlossen / das Weib holen zu lassen:[1107] alldieweil Kläger keinen andren Grund seines Argwohns hatte / als obgemeldte ihre Dräuworte /welche sie / im weggehen / geredt / und nicht gemerckt hatte / daß eine / hinter der Thür stehende /Magd solche vernähme. Imfall aber das Weib nicht gutwillig die That / auf so schreckhafftes Zureden deß Richters / bekannt hette; würde er sie / wie er nachmals gedachte / wieder von sich gelassen haben / ohne schärffere Anstrengung.

So man nun aber / mit sothanem Beweis / der aus so abergläubischem Topff-sieden / oder aus einer gespenstischen Erscheinung gezogen / auch nicht ein Mal einer Solchen / die mit einem schlechtem Gerücht den Leuten in den Mäulern herum geht / ohne mehrere und stärckere Anzeigung / füglich oder rechtmässig annoch kann beykommen: wie vielweniger dann einer Solchen / welche niemals den geringsten bösen Verdacht auf sich geladen!

Fußnoten

1 Augustin. lib. 8. de Civitate Dei, c. 22. Tom. 5.


2 S. das Bedencken Lerchheimeri vom Bocks- und Gabelfahren der Hexen / beym Dedekinno Volum. 2. folio 436. seq.


3 D. Frommannus de Fascinatione magica libro 3. Parte 6. c. 7. p. 789.


4 Idem ibid. ex authore cautionum criminalium.


5 Ern. Cothmann. Volum. 1. Respons. 12. Numero 167. seq.


6 Phil. Cesius, in Beschreibung der Stadt Amsterdam / pag. 131. seq.


Quelle:
Francisci, Erasmus: Der Höllische Proteus, oder Tausendkünstige Versteller [...]. Nürnberg 1690, S. 1079-1108.
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