Das Reich der Töne

[69] Allen Materien wohnt ein geheimnißvolles Leben ein, aber es ist in ihnen gefangen, umstricket mit des Stoffes festen Banden denen es sich nicht allein entwinden kann. Wann aber der äußere Anstos die[69] Materie berühret dann werden die Bande gelöset. Die Töne entspringen ihren Kerkern, umarmen mit zitternder Freude die Luft, und in harmonischen Schwingungen fließen sie ineinander über. So schwebte einst, da alle Dinge noch in rohen Massen vermischt waren der lebendige Geist über den Materien, und da er sie umarmte entsprang aus ihrer Vermischung eine Reihe harmonischer Gestalten.

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Karoline von Günderrode: Gesammelte Werke. Band 1–3, Band 3, Berlin-Wilmersdorf 1920–1922, S. 69-70.
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