[73] Das bey der An. 1716. d. 14. Jan. in Schweidniz glücklich vollzogenen täuber- und jachmannischen Vermehlung aus dem Nahmen der Jungfer Braut Maria Euphrosina errathene Wohl und Weh ihres veränderten Standes.


Betrug und Einfalt hat den Wahn zur Welt gebracht,

Der vielen die Vernunft so taub als blind geschlagen,

Der Neubegierigkeit die Schlüße wahrzusagen,

Die das Verhängnüß doch in dem Verborgnen macht.

Von diesen Eltern stammt die Lust verbothner Künste,

Die leider manchen Christ den Aberglauben lehrt,

Die statt der Sonnen oft ein Blendwerck fetter Dünste

Und vor den Samuel den Geist der Lügen ehrt.

Der hält sein Zauberglas vor Aarons Licht und Recht;

Der folget dem Cardan und buchstabirt die Sterne,

Damit er Glück und Fall durch ihren Einfluß lerne;

Ein andrer, so den Kopf mit Liebesgrillen schwächt,

Läst ihm, und sollt er auch mit Saul nach Endor reisen,

Sein künftiges Gemahl in einem Spiegel weisen.


Was giebt der Vorwiz nicht vor Gauckelpoßen an,

So bald ein Mägdgen sich nach der Vermehlung sehnet:

Das Lachen wird bey ihm dem Antliz abgewöhnet,

Wenn kein Planetenbuch den Freyer melden kan;

Die Stirne wird gefragt, die Hand um Rath gebethen,

Das Traumregister hält den Morgenseegen auf,

Des Phoebus Dreyfuß muß der Ofentopf vertreten.

Warum? Andreas zeigt des Buhlers Lebenslauf.

Dergleichen Wercke treibt ein Kind der Finsternüß,

Dem die Verzweiflung schon den geilen Zweck versaget.

Dein Wandel, kluge Braut, hat keinen Streich gewaget,

Der Scham und Ehrbarkeit aus ihren Schrancken riß;

Dein Wiz verspottete den Rath der Chiromanten,

Die oftermahls an dir das freche Maul verbrannten.
[73]

Ich gleichfalls buhle nicht mit der Aegeria,

Der Geist des Socrates ist nicht mein Hausgenoße,

Der Pindus prahlt nicht mehr mit jenem Zauberschloße,

Wo ein thessalisch Weib der Dinge Zukunft sah.

Mir hat kein Quäckerschwarm das Pulver eingelogen,

Das den gebundnen Sinn zur Ofenbahrung zwingt;

Mein Fuß ist überdies der Zunft nicht nachgezogen,

Die aus der heißen Welt die Farben mit sich bringt.

Gleichwohl bewegt mich jezt ein sonderbarer Trieb,

Dir, ungemeine Braut, die Nahmen auszulegen,

Die dir des Priesters Hand bey tausendfachen Seegen

Mit Geist und Waßer einst auf deine Scheitel schrieb.

Mich deucht, dein neuer Stand läst meine Kühnheit hofen,

Daß ich sein Weh und Wohl durch diese Kunst getrofen.


Was gilts, dein Auge wird ein Teich zu Mara seyn,

Aus dem ein herbes Salz das Ufer überschreitet,

Wenn dich der Mutter Wuntsch auf fremde Schwellen leitet;

Ein solcher Wechsel geht den Töchtern bitter ein.

Du witterst den Verlust des Kleinods aller Schäze,

Das die Natur zwar schenckt, doch niemahls wiedergiebt;

Die Haube wickelt dich in ein verworrnes Neze,

Das deine Freyheit zwingt und in den Kercker schiebt.

Die erste Schiffahrt zeigt den Eckel vor der See,

Die erste Hochzeitnacht versalzt der Braut die Liebe,

Dein Garthen öfnet sich dem angenehmen Diebe,

Der auf dein Blumenfeld so lange stehlen geh,

Bis die empfangne Lust und die gebohrnen Sorgen

Von aller Angst ein Creuz auf deinen Rücken borgen.


So schallt es lauter Weh, wenn der Ebräer1 singt;

Doch der betrübte Thon wird sich gar bald verkriechen

Und in der Luft verziehn: Man höre nur den Griechen

Mit seiner Gratie2, die alles Leid verdringt.

Macht nicht das holde Wort der schönen Euphrosine[74]

So wie die Jungferschaft ein helles Abendroth,

Damit es ihrer Eh als ein Beweisthum diene,

Wie klar ein Himmel sey, dem keine Wolcke droht?

Verlästu, schöne Braut, der werthen Eltern Haus,

Die Hand des Bräutigams führt dich in seine Kammer;

Hier peitscht die keusche Lust den abgewiesnen Jammer

Der alten Einsamkeit mit Myrthenreisern aus

Und sorget nun voraus vor Bette, Tisch und Wiege,

Damit ein längres Wohl das kurze Weh besiege.


Erlaube mir den Scherz und schäme dich der Scham;

Ich schäze dich zwar nicht nach einem Frauenzimmer:

Dies tadelte den Mund, der Hand vergab es immer,

Den Wercken war es gut, den Worten aber gram;

Allein ich weis, dein Ernst muß heute selber lachen

Und zwar zu rechter Zeit; denn wen dein Glücksstern treibt,

Der wird die Augen nicht zu Eßigkrügen machen,

Ob Cato gleich den Mund mit Sauerampfer reibt.

Das Haupt mit Boy umziehn und zu der Hochzeit gehn

Läst fast so abgeschmackt als bey der Baare tanzen;

Wo Amor und sein Fleiß den Liebesstöckel pflanzen,

Da sieht man warlich nicht Cypreßenbäume stehn.

Und also darf ich nicht bey deinen Hochzeitfreuden

Den Schlaf der Poesie in Flor und Schleyer kleiden.


Glück zu, vergnügte Braut, die Haut ist nun verkauft,

Das Herze weggeschenckt, doch nicht zu deinem Leide;

Dein Täuber ladet dich auf eine Schnabelweide

Und kühlt den heißen Brand, der dir zum Herzen lauft.

Dein Schenckel wird nicht mehr den Grimm des Winters fühlen,

Da dich und deine Brust dein schöner Vogel wärmt;

Mit diesem kan dein Scherz in stiller Eintracht spielen,

Wie sehr die späte Reu bey manchen wacht und schwermt.

Hochedler Bräutigam, Columbus wird entzückt,

Wenn ihm die neue Welt das reiche Land entdecket;

Was Wunder, daß dein Geist des Himmels Vorschmack schmecket,[75]

Der dies getreue Kind dir in die Arme drückt.

Halt dieses Täubchen wohl und trag mit ihm zu Neste,

Bis dich die Warheit rühmt: Maria kriegt das Beste.

Fußnoten

1 Maria in dem Ebräischen bitter.


2 Εὐφροσύνη, hilaritas, Fröhligkeit: eine von denen drey Gratien.


Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 5, Leipzig 1935, S. 73-76.
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