An den jüngsten Herrn von Beuchelt

[144] Monsieur Mon Patron.


Meine Muse sezte schon die Feder an, Ihrer mir außerordentlich erwiesenen Höfligkeit und Güte gehorsamsten Danck abzustatten. Und ich glaube, es würden ihr auch die Gedancken noch ziemlich gefloßen seyn, nicht eben wegen ihrer eignen Fähigkeit, sondern vielmehr darum, weil der Werth von der Person, an die ich jezo schreibe, vermögend genug ist, dem kältesten Gemüthe die glücklichsten Einfälle herauszulocken. Ich besann mich aber gleich bey dem ersten Reime, wie wenig man insgemein der in Versen ofenbarten Redligkeit zutraue; da ich nun sowohl jezt als allemahl nichts mehr begehre als das Lob der Aufrichtigkeit und Warheit auch von Ihrem Beyfalle davonzutragen, so erkläret sich meine Danckbarkeit in einer ungebundenen Einfalt. Von dieser mögen Sie nun glauben, was Sie wollen, und etwan auf Veranlaßung scheinbarer und listiger Vorstellungen anderer von meiner Aufführung bey sich selbst in etwas geringschäziger urtheilen; mein gutes Gewißen versieht sich von Ihnen doch allemahl des Besten und rechtfertiget meinen plözlichen Abschied mit dem eifrigen Vorsaze, Ihnen bey anderwärtigen Umständen meine Ergebenheit desto deutlicher an den Tag zu legen. Ich erkenne meine Fehler so gut, als ich sie bedaure und nach und nach immer mehr zu verbeßern suche; einige aber davon sind so beschafen, daß ich sie ungeachtet aller angewandten Mühe, ohne in einen beßren und eußerlichen Zustand zu gerathen, unmöglich verhindern kan; andere gegentheils sind Schwachheiten, die ich mit allen Menschen gemein habe, noch andere, und zwar die meisten, scheinen an mir nur denen so verächtlich, welche alles das, was sie nicht vor gut halten, augenblicks zu einer Todsünde machen wollen. Die geschwinde Hize und der mir schuldgegebene Eigensinn rühren mehrentheils aus dem Umgange solcher Leute her, die aus angebohrner Leichtsinnigkeit fast allen Freundschaft anbiethen, diese aber zu unterhalten nimmermehr fähig[145] sind, weil sie das Band der Vertrauligkeit mehr aus Hochmuth und Eigennuz als aus einer redlichen Liebe zum Nechsten und zur Tugend knüpfen. Bey allen ungegründeten Vorwürfen ist dieses mein lezter Trost, daß ich es mit allen ehrlichen Gemüthern so gut als mit mir selber meine. Die folgenden Tage sind allemahl ein unpartheyischer Richter und werden auch künftig in manchen Stücken meine Unschuld entdecken, die sich an gewesenen Freunden blos mit Gedult und Verschwiegenheit zu rächen gedencket. Ein jeder trägt vor sich seine Haut zu Marckte, und so wenig auch ich meinen ärgsten Feinden das geringste Böses wüntsche, so wenig kan es mir der Klügste verargen, wenn ich mich einer nähern Gesellschaft mit denjenigen entschlage, die nicht einmahl geschickt sind, sich vor sich selber in Acht zu nehmen, geschweige denn mit andern so umzugehen, wie es die Rechte der Billigkeit, die Geseze der Freundschaft und die Regeln der Klugheit erfordern. Dies einzige thut mir vorjezo noch am wehesten, daß ich in etwas verhindert worden, Sie, Monsieur Mon Patron, durch eine nähere Bekandschaft völlig zu überführen, daß ich alle Ihre Wohlthaten, so groß sie auch immer sind, nicht so hoch schäze als Ihr lehrbegieriges, aufrichtiges und geseztes Gemüthe, welches, da es dem meinigen an angebohrner Redligkeit sehr nahe kommt, den festen Grund zu einer wahren und unverbrüchlichen Freundschaft zu legen fähig ist. Indeßen versichere ich Sie einer unveränderlichen und treuen Ergebenheit mit dem herzlichen Wuntsche, daß es Ihnen allemahl nach Verdienst und folglich auch nach allem Vergnügen ergehen möge. Sie leben wohl und erwarthen ins Künftige dann und wann einige Misgeburthen meiner schlechten Poesie, mit nechstem aber die persönliche Aufwarthung

Ihres

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Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 3, Leipzig 1934, S. 144-146.
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