[Mein Engel liebt, ich liebe mit]

[165] Im Nahmen eines Bräutigams an seine Braut in Hirschberg.


Mein Engel liebt, ich liebe mit,

So lieben wir uns selbst zusammen,

Und der zum Altar frohe Schritt

Verdoppelt die vermischten Flammen.

Die Misgunst sey auch noch so blind,

Ich bin dein Schaz, du bist mein Kind.


Du, die der Himmel selbst gesand,

Mir meines Lebens Lust zu machen,

Solst sonder Creuz und Unbestand

In meinen treuen Armen lachen.

O was vor Zärtligkeit und Lust

Versprech ich mir auf deiner Brust!


Ach welch Vergnügen wird uns nicht

Des Lebens Elend recht versüßen!

Mein Leitstern ist dein Angesicht,

Dein Glücke wird mein feurig Küßen,

Nachdem mir auf der ganzen Welt

Nichts Beßres als dein Bild gefällt.


Die Unruh plagt mich zum Voraus,

Mit dir die erste Nacht zu spielen.

Du bist ein Kleinod vor mein Haus;

Was werd ich vor Ergözung fühlen,

Wenn deine keusche Liebesfrucht

Die Neigung zu erhalten sucht.


In Träumen scherz ich schon mit dir,

Und mein so redliches Verlangen

Erhizt die sehnliche Begier,

Dich gar und gänzlich zu umfangen.

Ihr Stunden eilt und bringt den Tag,

An dem sie mich erquicken mag.
[170]

Viel Freyer haben dich begehrt,

Du allerliebste Christiane;

Ich bin kaum deiner Neigung werth,

Du führst mich auf die Ehrenbahne,

Indem ein Weib von deiner Art

Nichts zu des Mannes Ehre spart.


Komm bald und fülle mir den Arm,

Du bist die Seele meines Lebens,

Durch dich wird selbst mein Feuer warm

Und darum sprech ich nicht vergebens:

Ein solcher Kirchhof ist wohl werth,

Daß man sich vor der Zeit verzehrt.


Das, was ich selbst nicht schreiben kan,

Das wird mein Engel beßer fühlen.

Der Tag bricht nach und nach heran,

Die Reizung zeigt mir schon das Spielen,

Hier geb ich mich in deiner Schoos

Mit aller Lieb und Eintracht blos.


Der Himmel hat es so gefügt,

Wir sollen miteinander scherzen.

Was dir und mir im Sinne liegt,

Das sind in Warheit gute Schmerzen,

Die ein- und andre Friedensnacht

In kurzer Zeit zur Wollust macht.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 6, Leipzig 1937, S. 165-166,170-171.
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