[Komm, Liebe, zum Triumph und las den Siegeswagen]

[55] Auf das in Hirschberg den 14. Febr. A. 1719. glücklich vollzogene Gottfried- und menzelische Hochzeitfest.


Im Nahmen eines andern.


Komm, Liebe, zum Triumph und las den Siegeswagen,

Den Wolck und Glanz umringt, von Taub- und Schwänen ziehn;

Befiehl der reinen Treu, die Fackeln vorzutragen,

Um welche Ros und Lust und Myrthenkränze blühn!

Das schön- und harte Kind ist glücklich überwunden,

Euterpe leget ihm die süßen Feßel an

Und hat durch diesen Fang mehr Beut und Lust gefunden,

Als kaum der nechste Sieg bey Belgrad rühmen kan.

Erhörter Bräutigam, so hat dir der Prophete,

Dein eigner Siegelring, vollkommen wahr gesagt:

Sein Endlich!1 zeigt dir jezt die schönste Morgenröthe,

Die alle Finsternüß aus Aug und Herzen jagt.

Dein Täubchen kommt dir hier in Bett und Arm geflogen;

Es bringt sein süßer Mund des Friedens Oelblat mit,

Zum Zeichen, daß sich jezt die trübe Luft verzogen,

Die ehmahls Wang und Brust mit naßen Seufzern schnidt.

Dein Blut empfand nunmehr die Würckung von dem Triebe,

Der unsre Jugend zieht und von dem Himmel stammt;

Man nennt ihn insgemein den Zunder süßer Liebe,

Die niemand mißen soll, als welcher sie verdammt.

Das Aug entdeckte dir ein Bild voll reicher Gaben

Und weckte deine Brust durch stumme Flammen auf;

Begehren kommt vom Sehn, und was wir vor uns haben,

Das flügelt, ist es schön, der stillen Wüntsche Lauf.

So kräftig reizt und würckt der Einfluß starcker Blicke,

Wo so ein Antliz spielt, da lodert Geist und Sinn;[77]

Es legt uns die Natur auch unvermerckte Stricke.

Du sandtest hier dein Flehn mit guter Hofnung hin.

Wie zärtlich hörte dich ihr wohlgesinntes Scherzen!

Sie warf dir hier und da geneigte Mienen zu

Und unterhielt dadurch die Meinung in dem Herzen,

Daß dein entdeckter Zug ihr nichts zuwieder thu.

Du hieltest nun das Spiel, allein zu früh, gewonnen.

Du hattest bey dir selbst den Hafen in der Näh;

Dein Meer war ohne Sturm, dein Himmel voller Sonnen

Und sonst nichts mehr dein Wuntsch, als daß ein Ja gescheh.

Doch wie ein Frühlingstag bey unverhoftem Wetter

Die Blumen erster Nacht durch Frost und Wind verliert,

So welckten unversehns die jungen Myrthenblätter,

Und dein vergnügter Traum ward auf einmahl entführt.

Es riß ein plözlich Nein der Hofnung Luftschloß nieder,

Du solltest dich der Lust mitsamt der Braut verzeihn;

So schmerzlich schlägt kein Bliz in ungewohnte Glieder

Als dieser strenge Keil in deine Großmuth ein.

Gewis Verlust genug! Du solltest das entbehren,

Was in Gedancken schon dein halbes Leben hies;

So pflag sich Adams Haupt mit Thränen umzukehren,

So bald ihn Glut und Schwerd aus seiner Heimath stieß.

Was Rath? Gedult und Zeit! Du suchtest auszuhalten,

Kein blinder Wanckelmuth verwies dich anderwärts.

Die Zeit, gedachtestu, kan Erz und Marmor spalten,

Die Zeit ergözt vielleicht dein unverändert Herz.

Und recht! Es bog dein Flehn die säumenden Gemüther,

Du brachtest deinen Schaz nach Müh und Schweiß davon;

So bringt die Noth zur Ruh, so zeugt der Schaden Güter,

So trieb dich Jacobs Schweiß, so wird dir Jacobs Lohn.

Mit Müh erworbne Braut, nun spare keine Küße

Und tränck ihm den Verdruß des langen Warthens ein!

Dein Liebster sollte dir, so wollen Gottes Schlüße,

Die unsrer Leidenschaft Genuß und Kraft verleihn.

Umfang ihn als dein Kind mit ausgestreckten Armen,

Er macht sich deiner werth und kommt dir selbst zuvor.

Was gilts, nun wird dichs erst der frommen Treu erbarmen,[78]

Die erst um deine Gunst kein schlechtes Ach verlor.

Geborgt ist nicht geschenckt. Nun rechnet er zusammen:

So viel er Thränen lies, so viel du Schmäzchen giebst.

Dies fodert Amors Recht, in deßen Macht und Flammen

Du jezt das erste Mahl die jungen Glieder übst.

Ich schwaze, werthes Paar, von unerfahrnen Sachen;

Das hab ich wohl gehört, die Liebe sey ein Ding,

Das viel Geheimnüß giebt. Du wirst es selbst wohl machen;

Vermehle nur das Herz so wie den Trauungsring.

Man soll, ich weis es wohl, die Brautsupp oft besingen;

Doch hat sie sonst kein Fett, so wird mein magres Blat

Den Gästen deiner Lust nicht heißre Kohlen bringen,

Dieweil mein Pegasus kein gutes Futter hat.

Indeßen mag er doch um deine Tafel schlendern,

Um, was sich dort begiebt, von weiten anzuschaun.

Er sieht viel Jungfern schon die bleichen Farben ändern,

Und alle wollten gern und wollen doch nicht traun.

Sie wollen, mein ich nur, der Braut das Handfaß reichen

Und kommen nicht darzu, dieweil ihr Liebster küst;

Dies Beyspiel macht sie heiß und wird noch manch erweichen,

Die auf ihr Bestes sonst noch unverständig ist.

Halts Maul, du loser Kiel, sonst werden sie dich wicksen!

Du weist, was Jungfernzorn und Weiberliebe kan.

Das Sprichwort ist gemein: Es geht wie Simsons Füchsen;

Sie zünden dir gewis den lincken Schnabel an.

Im Ernst, mein Bräutigam, du wirst den Bogen schüzen:

Es ist bekandter Sinn und wohlgemeinte Lust;

Wer wollte bey der Braut voll finstrer Grillen sizen?

Gnug, daß du sonst noch oft den Sorgen dienen must.

Die Eltern deines Kinds erbethen dir schon Seegen,

Und dieser wird forthin den Kindern Häuser baun.

Drum hab ich guten Fug, die Feder hinzulegen;

Nur last mich wie bisher auf eure Güte traun.

Fußnoten

1 Es ist dieses des Herrn Bräutigams Symbolum: Eine Taube mit einem Oelblat im Munde mit der Beyschrift: Tandem.


Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 6, Leipzig 1937, S. 55-56,77-79.
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