Die groszmüthige Gedult

[147] Nur Gedult, ihr schwachen Sinnen!

Zittern hilft nicht vor den Tod;

Feige Seelen müßen paßen

Und die Palmen überlaßen,

Denn sie sterben vor der Noth.

Nur Gedult, ihr schwachen Sinnen!

Zittern hilft nicht vor den Tod.


Nur Gedult! Wenn Spötter rasen,

Ist die Drohung oft nur Wind.

Eichen wachsen oft aus Steinen.

Vor dergleichen Ruthen weinen

Zeigt ein unbesonnen Kind.

Nur Gedult! Wenn Spötter rasen,

Ist die Drohung oft nur Wind.


Nur Gedult! Das falsche Glücke

Prüft die Helden durch den Streit.

Ohne Blut ist wohl kein Siegen,

Und ein wahres Selbstvergnügen

Kommt nicht ohne Kampf und Leid.

Nur Gedult! Das falsche Glücke

Prüft die Helden durch den Streit.


Nur Gedult, wenn Neider prahlen;

Denn es ist ein Übergang.

Eh wir oft die Hand verkehren,

Wird ihr Lachen schon zu Zähren

Und die Lust ein Mordgesang.

Nur Gedult, wenn Neider prahlen;

Denn ist es ein Übergang.


Nur Gedult! Die rechte Liebe

Grünet auf Beständigkeit.[148]

Läst uns manche Schönheit warthen,

Giebt uns endlich doch ihr Garthen

Blumen der Zufriedenheit.

Nur Gedult! Die rechte Liebe

Grünet auf Beständigkeit.


Nur Gedult! Auf Sturm und Blizen

Wird die Luft so rein als klar.

Wetter, Feind und Neid und Glücke

Machen mir nicht naße Blicke,

Denn ich singe in Gefahr:

Nur Gedult! Auf Sturm und Blizen

Wird die Luft so rein als klar.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Leipzig 1931, S. 147-149.
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