Aria.

Nach Anleitung des Evangelii am XXIII. Sonntag nach Trinitatis

[162] Matth. XXII. v. 15-22.


Mein Heiland, der du von der List

Der tollen Welt geprüfet bist

Und stets zu ihrer Schand entgangen,

Verleih mir deiner Weißheit Licht,

Damit mich Schein und Vorwiz nicht

Durch ihr verstelltes Wesen fangen.


Wie leichtlich strauchelt die Vernunft

So gar auch bey gelehrter Zunft,

Wenn nicht dein Geist den Wiz begleitet.

Man fährt oft über Berg und See,

Doch fehlt der Aufgang aus der Höh,

So wird man stets in Nacht geleitet.


Es theilet deine Gütigkeit

Die Gaben mit viel Unterscheid:

Der eine lehrt, der andre schüzet,

Dem wird der Scepter zugedacht

Und jener in den Staub gebracht,

Den man zur Fruchtbarkeit beschwizet.


Gieb mir nur, was dir wohlgefällt,

Und las mich allzeit auf der Welt

Auch jeglichem das Seine geben.

Gott nimmt, was mein Vermögen kan,

Ein redlich Herz vor Opfer an,

Die Obrigkeit mein Blut und Leben.


Wie ruhig fahr ich einmahl hin,

Wenn ich bey mir versichert bin,

Daß ich dem Nechsten treu gedienet.

Schmückt dieser Ruhm den Leichenstein,

So will ich mehr zufrieden seyn,

Als deßen Schwerd von Lorbeern grünet.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Leipzig 1931, S. 162-163.
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