Dancklied Mosis nach dem Ausgange aus Egypten

[21] Da schwimmt nun unsre Furcht mit Wagen, Roß und Mann!

Nun jag uns weiter nach, du wütender Tyrann,

Und sauf vor unser Blut Fluch, Schaum und Sand im Grunde!

Erlöstes Israel, auf, auf mit Herz und Munde

Und feyre den Triumph; dem Siege folgt der Danck.

Herr, meiner Väter Gott, du bist mein Lobgesang,

Mein Fels, mein Schuz und Heil, mein Arm und meine Stärcke,

Mein König und mein Held; ich ehre deine Wercke

Und deren Herrligkeit, die schon dein Nahme zeigt.

Herr, deine Rechte schlägt, Herr, deine Rechte beugt

Den groben Eigensinn und wirft die Stolzen nieder.

Der Feind gedachte schon auf Mord und Siegeslieder,

Er hörte, kam und sah und schnob vor Rach und Wut

So wie ein wilder Bär vor Hiz und Durst nach Blut.

Er theilte schon den Raub in seinem blinden Sinne

Und schwur uns eine Schlacht, aus der kein Hund entrinne.

Jezt zieh ich, stieß er aus, mein unbarmherzig Schwerd,

Das niemahls ohne Sieg noch trocken rückwärts kehrt;

Es frißt und hört nicht auf, bis die Rebellen fühlen

Und völlig meinen Muth an warmen Leichen kühlen.

Ja, ja, in Fluth und Meer, verstockter Pharao!

Des Herren Grimm brach aus wie Feuer unterm Stroh;

Sein Wincken rief den Süd, der Süd war da und theilte

Die Wellen und den Schilf, wodurch die Blindheit eilte.

Die Tiefen wallten auf, der Abgrund gab sich blos,

Das Waßer stieg und stund und fiel auf einmahl los.

Da wurden Reiterey, Volck, König, Zeug und Wagen

Wie Stein und Bley verschluckt und in den Sand geschlagen.

Der Fall betrübte gleich der Nachbarn Herz und Ohr,

Die Völcker Canaans verließen Gränz und Thor,

Angst kam die Riesen an, durch Edom lief das Schröcken,

Und Moab kroch aus Furcht in Klüfte, Wald und Hecken.

O Herr, wer ist dir gleich, wo lebt ein Gott wie du,

Der Recht und Gnad ertheilt, damit er Wunder thu?[22]

Wer kan mit solcher Macht und mit so starcken Armen

In allerley Gefahr sich zeigen und erbarmen?

Wer ist wohl außer dir so heilig und so rein?

In allem, was du thust, muß Grund und Weißheit seyn

Und Lieb und Billigkeit die Vorsichtsschlüße zeigen,

Aus welchen Glück und Fall und alle Dinge steigen.

Man sieht, wie schröcklich auch dein Eifer niederfährt,

Wenn unsrer Boßheit Dampf den Bliz gebiehrt und nährt.

Und dadurch hastu dich so herrlich hoch erhoben,

Daß alle Gläubigen dein Reich mit Ehrfurcht loben:

Du hast dein Volck erlöst, du hast dein Volck geführt

Und aus Barmherzigkeit mit Sieg und Lust geziert.

Herr, fahre weiter fort, Herr, werde doch nicht müde

Und schaf uns mit Gewalt auch vor dem Lezten Friede!

Du hast uns dir erwehlt und auf ein Land gespart,

In dem die Sicherheit dein Licht und Recht bewahrt.

Ach, bring uns bald hinein und gönne Jacobs Saamen

Das Erbtheil, das er hoft. Dort wird man deinem Nahmen

In Zions Heiligthum mit Freuden opfern gehn;

Dein ewig Königreich soll hier im Bilde stehn

Und alle Völcker ziehn, im Tempel anzubethen,

Bis daß des Weibes Frucht der Schlangen Kopf zertreten.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Leipzig 1931, S. 21-23.
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