An Gott um Weiszheit und Liebe des Freundes

[135] Zwey Herzen, deren Bund Verstand und Liebe schliest

Und die einander blos zu Freunden auserkiest,

Damit, o großer Gott, dein Nahmen auf der Erde

Durch ihre Redligkeit der Welt zum Wunder werde,

Zween Brüder knien hier vor deiner Majestät

Mit Buße, Zuversicht, Ernst, Hofnung und Gebeth,

Von deiner Gnadenhand das Siegel zu empfangen,

Wodurch sie ihre Treu genau verknüpft verlangen.

Die Tugend ist ihr Zweck, die Redligkeit ihr Grund,

Und wie dort Salomo vor deinem Antliz stund,

So flehn sie ebenfalls als ehrliche Gemüther

Mit Vorsaz und Begier um nichts als Weißheitsgüter.

Wir wißen, großer Gott, daß unser Sünden Macht

Uns leider nach Verdienst um Glück und Heil gebracht

Und daß auch, wenn dein Arm gerecht verfahren wollte,

Die Rache, so jezt brennt, von uns nicht laßen sollte;

Wir wißen aber auch, daß Beßerung und Reu

Durch deines Sohnes Blut uns statt der Unschuld sey;

Drum fällt dir unsre Noth mit Sehnsucht in die Armen,

Du must dich, großer Gott, und wirst dich auch erbarmen.

Bedencke doch dein Kind, in deßen Nahm und Wort

Wir zween versammlet sind; wir glauben diesem Hort,

Er heist uns fest vertraun. Ach, schone doch der Jugend

Und führe sie doch nur gelinder zu der Tugend.

Du weist, der Weg dazu ist an sich selber schwer,

Und wer ihn wandeln soll, geht stets mit Furcht einher,

Wir, daß uns noch dabey besondre Wetter krachen

Und Armuth, Last und Schmach die Schenckel taumelnd machen.

Ach, rette mit Gedult und warthe, bis die Zeit

Und Übung und Vernunft uns größre Kraft verleiht,

Die Proben auszustehn, die bey des Pöbels Höhnen

Die Großmuth und den Geist der weisen Märtrer crönen.

Gieb Nothdurft, freyen Muth, gesunden Wiz und Leib,

Denn alles andre Creuz ist guter Zeitvertreib.[136]

Wir werden uns bemühn, durch Wohlthun und Studiren

Als Wercke deiner Hand des Schöpfers Ruhm zu zieren.

Wir gehn auf gutes Glück und wißen nicht wohin;

Doch du bist überall und wirst den frommen Sinn,

Der unsre Neigung paart, mit reichen Seegensblicken

Auch durch Gefahr und Sturm in rechten Hafen rücken.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Leipzig 1931, S. 135-137.
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