An einen guten Freund

[84] Bedeute doch nur dein Gemüthe

Und räum es der Vergnügung ein.

Vom Himmel kommt ja nichts als Güte,

Sein Zorn muß unser Nuzen seyn.

Die Ruthen thun dem Fleische bange,

Sie schmerzen – aber ach, wie lange?

Als unser Wahn nicht weiter denckt.

Sobald wir mit Vernunft und Gründen

Den guten Zweck der Strafe finden,

Sobald ist unsre Lust in Creuzkelch eingeschenckt.


Was schadet uns der Menschen Richten?

Auf Gottes Urtheil kommt es an:

Wer mag wohl dem von uns was dichten,

Der Herz und Nieren prüfen kan?

Bemüh dich um ein rein Gewißen;

Es wird uns doch gelingen müßen,

So starck auch der Verfolger scheint.

Wir haben unsern Schaz in Händen;

Wer will wohl dem das Glück entwenden,

Der in sich selber fühlt, er hab es gut gemeint?


Gesezt, wir sollen unsre Jahre,

Die jezo unter Dornen blühn,

Von nun an bis zur Todtenbaare

In eußerlicher Noth vollziehn,

Was würden wir bey viel Beschwerden

Durch Groll und Gram gebeßert werden?

Wir machten erst die Noth zur Noth.

Ich schweige von den Weißheitsschäzen,

Die allen Mangel reich ersezen

Und starcke Wafen sind, wenn Feind und Unglück droht.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Leipzig 1931, S. 84-85.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Gesammelte Gedichte
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)
Gedichte Von Johann Christian Günther (German Edition)