Als er 1719. D. 25. September wieder nach Schweidniz kam

[187] Du ehmahls liebster Ort der treuen Leonore,

Wie zärtlich rührt mich nicht der Anblick deiner Thore,

Wodurch ich damahls oft an ihrer Hand spaziert!

Dort merck ich schon den Raum, worauf wir uns versprochen,

Dort blickt der Altan vor, auf dem wir sechzig Wochen

Die Wächter hinters Licht geführt.


Seyd tausendmahl gegrüßt, ihr Felder, Sträuch und Bäume;

Ihr kennt wohl diesen noch, von dem ihr so viel Reime,

So manches Lied gehört, so manchen Kuß gesehn;

Besinnt euch auf die Lust der heitern Sommernächte!

Was meint ihr, wenn mein Wuntsch nur eine wiederbrächte?

Das wird wohl nimmermehr geschehn.


Wo find ich aber nun mein Allerliebstes wieder?

Verräth mir gar kein Graß das Lager ihrer Glieder?

Ich spüre keinen Schritt, die Sommerstub ist leer.

Wie traurig scheinstu mir, du nicht mehr schöner Garthen!

Du hast ja zween gehabt, was soll ich einsam warthen?

Ach, stell auch beyde wieder her!


Du schickst mich in die Stadt; die tref ich desto schlimmer:

Der Wirth, das Volck ist neu, ein Gast entweiht das Zimmer,

Worein sonst nichts als wir und unsre Liebe kam.

Mein Gott, wie ändert sich so viel in wenig Jahren!

Was wird nicht noch geschehn? O sollt ich dies erfahren!

Wie war mir, daß ich Abschied nahm!


Ich geh den Tempel aus, ich suche durch die Gaßen,

Ich such auch, wo sie sich wohl niemahls finden laßen,

Ich ruf ihr um den Wall, der Wall hat schlecht Gehör.

Steig, Schweidniz, steig und sey ein Phoenix in den Flammen,

Bau Marmor, Erz und Gold und Schloß und Thurm zusammen,

Mir bistu doch nicht Schweidniz mehr.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Leipzig 1930, S. 187-188.
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