Als er seine Liebe nicht sagen durfte

[18] Ich leugne nicht die starcken Triebe

Und seufze nach der Gegenliebe

Der Schönheit, die mich angesteckt.

Der Traum entzückt mir das Gemüthe,

So oft mir mein erregt Geblüte

Dein artig Bild auch blind entdeckt.


Allein die Ehrfurcht heist mich schweigen.

Ein Sclave darf die Ketten zeigen

Und in der Noth um Rettung schreyn,

Nur ich muß diesen Trost entbehren

Und darf den Jammer nicht erklären:

Das heist ja zweyfach elend seyn.


Indeßen, darf der Mund nicht klagen,

So wird dir doch mein Auge sagen,

Wie tief mein Herz verwundet sey.

Erwege nur Gestalt und Mienen,

Sie werden dir zum Zeugnüß dienen:

Ich kan und mag nicht wieder frey.


Mich deucht, du nimmst es wohl zu Herzen.

Erhalt ich das in meinen Schmerzen,

Daß dir mein Feuer wohlgefällt,

So will ich heimlich gerne brennen

Und dir sonst nichts als dies bekennen:

Du seyst die Schönheit dieser Welt.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Leipzig 1930, S. 18-19.
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