Als sie an seiner Treu zweifelte

[55] Mein Kind, was zweifelstu an meiner Redligkeit,

Die ihres gleichen doch in deiner Brust verspüret?

Wo meiner Adern Blut nur einen Tropfen führet,

Der sich nicht tausendmahl vor dich zu sterben freut,


So wüntsch ich ihm den Fluch, den Ebals Felsen dräut

Und Cains Fuß erfährt; der Stern, so mich regieret,

Und deßen Trieb in mir die reine Glut gebiehret,

Folgt nicht wie ein Planet dem Wechsel dieser Zeit.


Mein Sinnbild ist ein Ring, der Denckspruch: Sonder Ende;

Denn wer nicht ewig liebt, der liebet nimmermehr.

Mein Engel, giebstu nun dem Argwohn kein Gehör,

So lege mir dein Herz in die getreuen Hände.


Ich sichre, diesen Schaz wird deinem Saladin

Kein Räuber, kein Verlust, auch nicht der Tod entziehn.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Leipzig 1930, S. 55-56.
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