Flieht nur, ihr verwaisten Küße,

Zu der Schönsten Lippen hin,

Sagt ihr, daß ich fast nicht wiße,

Was ich mache, wo ich bin;

Seit ich ihren Mund entbehre,

Mangelt mir des Lebens Lust,

Und des Abschieds lezte Zähre

Würckt noch Seufzer aus der Brust.


Ach, mein Engel, wenn ich dencke,

Daß du mir dein Herz verliehn,

O so läst mir dies Geschencke

Endlich neue Rosen blühn.

Ich verachte Neid und Tücke

Derer, die mich schon verschmähn,

In der Hofnung, einst mein Glücke

Blos auf deiner Schoos zu sehn.


Dein Verstand und artig Wesen

Und die feuerreiche Brust,

Die ich mir zur Ruh erlesen,

Macht mir alles Creuz zur Lust.

Glaube, Kind, ich geh auf Erden

Schon durch dich in Himmel ein,

Und du solt auch in Beschwerden

Meines Lebens Stärckung seyn.


Las die Misgunst immer höhnen,

Denn der Seegen aus der Höh

Wird uns ihr zu Troze crönen,

Daß ihr Fluch zu Schanden geh.

Bleib beständig und verschwiegen

Und verbanne Gram und Leid;

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Leipzig 1930, S. 237,239.
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