Der entlarvte Crispinus von Schweidniz aus Schlesien oder die von den Musen gestriegelte Tadelsucht

[105] – – Nil moror. Ecce

Crispinus minimo me provocat.

Horat. L.I. Satyra IV. vers. 13.


Bescheidner Leser!


Verdienestu den Tittel mit Recht, so müßen dir freylich nachfolgende Blätter einige vor mich nicht gar zu vortheilhaftige Gedancken in den Kopf sezen. Aber urtheile nicht vor der Zeit von einer Feder, welcher man die angebrachte Schärfe mit Gewalt abgezwungen. Ich bin niemahls von derjenigen Art Leute gewesen, die die Mängel ihres Nechsten mit einem bittren Haße mehr aufzumuzen als zu verbeßern gewohnet sind. Denn das Tibi quod non vis fieri etc. ist so gar vor ein unverbrüchliches Geseze von mir gehalten worden, daß ich auch mit einer unnöthigen Gutwilligkeit gegen andere mir oftermahls selber nachtheilig gewesen. Daß ich jezo die Regeln und Schrancken einer christlichen Gelaßenheit überschreite, billiget die anhaltende Schmähsucht einer Zunge, welche durch ihre grobe Sprache einen arcadischen Müller-Choralisten verrathen und sich durch ihre Lästerung des Rechts, mit den menschlichen Übereilungen Gedult zu haben, vorlängst verlustig gemacht. Zeit und Papier sind kostbarer, als daß ich sie mit weitläuftigten Erzehlungen der von dem thörichten Crispinus angefangenen Händel verschwenden sollte. So viel sage nur zu meiner Rechtfertigung, ich habe mit einem Menschen zu thun, der die Ehre der Besten schändet[106] und die Ruhe des Nechsten auf alle Art und Weise zu kräncken suchet. Sein aufgeblasener Hochmuth bedeckt sich mit den Feigenblättern fremder Blöße, seine Wißenschaft bestehet in zusammengeschmierten Weiberhistörchen, seine Klugheit in einer einfältigen Tadelsucht und seine Aufführung in einem vorwizigen Müßiggange. Ich wurde noch als ein Schüler von seiner academischen Einbildung angegrifen, und als ich ihm endlich nach oftmahliger Ausfoderung mit einer spizigen Feder unter die Nase rückte, äußerte sich vor weniger Zeit seine boßhaftige Grobheit in solchen Ausbrüchen, die ich hier zu wiederholen vor unnöthig erachte. Er hat dieselbigen in einer mit Angst und Müh zusammengeraspelten ungereimten Glückwüntschungsschrift auf die Geßner- und Crusische Hochzeit in Schweidniz ausgeschüttet und über dieses darinnen etliche ansehnliche und gelehrte Männer so baurenmäßig herumgenommen, daß ich mich nur wundern muß, wie die Gedult so wackerer Leute einem solchen verwegenen Stümper in die Länge nachsehen kan. Federkriege bringen sonst einen schlechten Triumph, und wer von seinem Bekehrungsamte die Beßerung der Gemüther hofen will, der darf vorwahr keinen Satyr zum Apostel machen. Aber da an diesem unverschämten Tadler bereits Hopfen und Malz verloren ist und keine Änderung oder Wiederruf seiner giftigen Feder zu erwarthen stehet, so ist man gehalten, dem Narren, damit er sich nicht klug düncke, auf seine Narrheit zu antworten. Ich sehe es zum Voraus, daß viel Misgünstige seine Parthey schüzen und über diese abgezwungene Rache Zeter und Mordio schreyen werden, da ich ohnedem darzu versehen bin, daß ich in ihren Rath kommen und in ihren Mäulern ein Mährchen werden müßen. Ich gestehe hier so öfentlich als aufrichtig, daß bisher eine meinem Alter nicht ungemeine Nachläßigkeit und einige der so genannten Aufführung anhängende Schwachheiten dazu Gelegenheit gegeben und mein eignes Glücke, das mir die zum Studiren gehörigen Mittel vorher von Geburth versaget, um ein ziemliches aufgehalten, bin mir aber nicht bewust, mit was vor Boßheit oder Lastern ich verdienet, daß ihm so viel neidische Hände noch mehr Verhinderungssteine[107] in den Weg werfen und meinen Nahmen überall zu verkleinern suchen, ungeachtet das heimlich bellende Gewißen manche Person solches Gelichters bey diesen Worten überführen muß, daß ihr Beyspiel das abscheulichste Gelächter machen würde, wenn ich entweder mit dem Grifel des römischen Petronius ihren Abriß schildern oder dem Aristophanes die Geißel abborgen und damit ihre nackte Schande auf dem Schauplaze der ehrbaren Welt herumtummeln wollte. So geht es: quanto perditior quisque est, tanto acrius urget, und der eigne Balcken verhindert die wenigsten, den Splitter ihres Nebenchristen zu übersehen. Jedoch da der Abend aller Tage noch nicht vor der Thüre stehet und noch ein Allmächtiger lebet, der dergleichen Spöttern die Herrschaft der Welt wohl nicht anvertrauen dürfte, so fürchte ich mich so wenig vor ihnen als vor dem Überfalle der africanischen Seeräuber. Meinen bisherigen Fehlern bin ich unterdeßen nicht schlechtern Danck schuldig als meinen Verfolgern, sintemahl ich die ersten vor meine getreuesten Lehrmeister erkenne, die andern aber versichern kan, daß alle Donnerwetter ihrer verleumderischen Zungen nichts mehr ausrichten, als daß sie mein Gemüthe von der allgemeinen Schlafsucht der Unwißenheit aufwecken. Sie feuren durch den Bliz ihrer Drohungen meinen Fleiß um desto stärcker an, die Übung der Kräfte des Verstandes eifriger fortzusezen, da mein Vorsaz, Gott und dem Nechsten dermahleins zu dienen, die Erkäntnüß der Warheit und den Gebrauch einer vortheilhaftigen Klugheit vor diejenigen Mittel hält, dadurch wir Sterblichen die uns so kärglich zugezehlten Lebensjahre mit einer vollkommenen Glückseeligkeit verlängern. Es giebt noch hin und wieder unter der Menge so vieler Thoren rechtschafene und verständige Leute, die in Beurtheilung der Sachen die Vernunft zu Rathe ziehen und gar leicht einen Unterscheid machen werden, wenn und unter was vor Umständen es zugelaßen sey, dergleichen einfältige Klüglinge, als sich der Crispinus bishero aufgeführet, mit einer papiernen Maulschelle abzuweisen. Der bescheidne Leser entschuldige die noch etwas harte Sprache meiner in der Wiege liegenden Poesie und besinne sich, daß[108] Rom nicht auf einen Tag gebauet worden. Erhält meine Muse dies, was ich jezo hofe, so dürfte sie bey heranwachsendem Alter sich unterstehen, die Thaten des allerglorwürdigsten österreichischen Heldenhauses mit unterthänigsten Lippen anzustimmen und wohl endlich mit der Gnade des Allerhöchsten gar versuchen, ob es denn eine ausgemachte Unmögligkeit sey, die Geseze der Natur, Bewegung des Himmels und die Ordnung der Zeit denen Römern und Griechen auf einer deutschen Leyer nachzuspielen.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 4, Leipzig 1935, S. 105-109.
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