[Wie wird es dir nunmehr, gelehrter Freund, ergehn?]

[297] [297] An einen guten Freund, als er nach geendigten Studiis nach Hause kam


Wie wird es dir nunmehr, gelehrter Freund, ergehn?

Wie mancher Urtheiltisch wird voll und fertig stehn,

Dein jezt in fremder Luft geendigtes Studiren

Theils rühmlich, theils aus Haß durch Ohr und Mund zu führen?

Es ist, als hört ichs schon, es murmeln Dorf und Stadt,

Worinnen dich Geburth und Schul erzogen hat:

Ihr Leut, ist dies nicht der, der ehmahls weit gezogen

Und den ein falsch Geschrey erbermlich todt gelogen?

Hör alles mit Gedult und las es leicht geschehn,

Daß Neid und Unverstand mit scheelen Augen sehn.

Die Warheit schwärzt kein Schimpf, den Mond erschröckt kein Bellen;

Es kan dir dein Verdienst den Geist zufrieden stellen

Und Schuz und Trost verleihn. Dies ist der stärckste Schild,

Wenn Pfeil und Zunge rast und grobe Misgunst brüllt.

Mein Beyspiel lehrt dich längst, was Neid und Thorheit können,

Wenn Strahlen fremdes Ruhms ihr faules Leder brennen.

Ein Weichling, deßen Amt viel grobe Laster deckt

Und deßen Wiz und Geld in theuren Bänden steckt,

Collin, der Waysen drückt und Wittwengut verschlinget

Und mit Gewalt und List viel Gärthen an sich bringet,

Wie auch Canidia, die Alt und Jung verführt,

Verbothne Nestel knüpft, mit Satans Grif curirt,

Mit Bley und Sadelbaum manch Jungfernkind verhütet,

So Kind als Vieh beschreyt und um Walpurgis wütet,

Und denn der blinde Thrax, der von der Mutter Geld

Die Buhler seiner Frau mit Bethen unterhält

Und der im Pleiß-Athen nichts gründlicher studiret,

Als wie man Todos macht und Queue und Masse führet,

Die alle dürfen noch so gar verwegen seyn

Und wieder mich so oft ein höhnisch Zeter schreyn,

Wenn etwan mein Versehn, jedoch ohn andrer Schaden,[298]

Der Jugend, die leicht fehlt, ein Unglück aufgeladen.

Das Best ist, daß mein Herz sich endlich fest gesezt

Und bey der Wißenschaft dergleichen Vieh nicht schäzt,

In Hofnung, durch den Fleiß nach Übung kurzer Plagen

Das Lob der klugen Welt dennoch davonzutragen.

Deswegen folge mir, du längst geprüfter Freund,

Und klage nimmermehr, der Pöbel sey dein Feind.

Sein Loben ehrt dich nicht, nein, sondern dein Gewißen;

Der Zeuge wird dich jezt und allzeit schüzen müßen.

Denn was dir die Natur von Zunder zugedacht,

Das hat dein eigner Fleiß in volle Glut gebracht,

In voll- und reine Glut, womit die Weißheit strahlet

Und selbst Eusebie ihr güldnes Brustschild mahlet.

Dein Wachsthum muß bereits den unverdroßnen Hein

Sowie den klugen Stieff mit Ruhm und Trost erfreun,

Wenn anders Lehrer sich wie Gärtner recht ergözen,

Wenn Pflanzen ihrer Hand so reiche Blüthe sezen.

Die Vorsicht, welche stets die Redlichsten bewahrt,

Hat warlich deiner Brust was Großes vorgespart,

Denn obgleich Joabs Stahl dir fast den Rest gegeben,

Erhielt dich doch ihr Arm so wunderlich beym Leben.

Komm, zeuch mit Ehren heim, der Schulstaub ist vorbey,

Komm, zeige, daß dein Werth der Reime würdig sey,

Und las der Eltern Herz, die Gott und Tugend ehren,

Den Auferziehungslohn an dir so sehn als hören.

Dein oft geübter Mund, der rein und gründlich spricht,

Zeigt unserm Zion schon ein neues Kirchenlicht,

Um welches Mott und Neid sich selbst zum Schaden fliegen

Und deßen Strahlen einst des Grabes Nacht besiegen.

Ich schäze deine Treu und seh auf ihr Bemühn

Schon um ein großes Theil mein Glücke stärcker blühn

Und weis kein Wiedergelt, als daß ich mit dem Triebe

Ergebner Redligkeit die kluge Freundschaft liebe.

Gedenck einmahl der Zeit, in der die Lindenstadt

Bey Unruh und Verdruß uns oft vergnüget hat,

Und glaube, wärst auch du zum Misgunstsziel erkohren,

Mit edler Großmuth noch: Betriegt euch nur, ihr Thoren!

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 4, Leipzig 1935, S. 297-299.
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