Wie König Sigurd Hochzeit hielt

[392] Bei der Sigurdsflotte nicht weit vom Feld der Schlacht

Lag ein Schiff gerüstet mit wundersamer Pracht,

Die Masten und die Stangen gebaut aus edlem Holz,

Dran sah man Wimpel prangen und Flaggen reich und stolz.


Von schneeweißem Linnen das Segel war zur Fahrt,

Man hatte an den Tauen der Seide nicht gespart,

Silbern schien der Anker, es war des Steuers Griff

Aus blankem Erz getrieben. Das war das Hochzeitsschiff.


Am Ufer bei dem Schiffe König Sigurd stand;

Fröhlich war sein Herze, und purpurn sein Gewand.[392]

Voll heißer Inbrunst harrt' er der holdsel'gen Maid,

Daß Ragnar sie brächte. Doch oft wird Lust verkehrt in Leid.


Es kam des Wegs vom Schlosse daher der junge Held;

So hanget wohl ein Wetter düster überm Feld,

Eh' es tobend ausbricht in Blitz und Donnerschlag,

Wie auf der Stirn des Knaben des Grames Wolke lag.


Ihm folgten sieben Degen in Helm und Panzerring,

Sie trugen eine Bahre, darob ein Teppich hing.

Langsam schritten alle, mit Blicken trauervoll

Grüßten sie den König, daß bangend ihm die Seele schwoll.


Da sprach Ragnar der Junge: »Ich habe schlechten Gruß,

Eitel Rabenbotschaft ist, was ich künden muß.

Wohl bring' ich dir Alfsonnen, wie dein Spruch gebot;

Doch wirst du nie sie minnen, geminnt hat sie der bleiche Tod.«


Er winkte den Genossen, daß sie aus der Hand

Die Bürde setzen möchten. Dann schlug er das Gewand

Zurück von der Bahre, die faltig es bedeckt:

Da lag die schöne Jungfrau tot dahingestreckt.


Sie lag in Mohn und Lilien als wie ein schlafend Bild,

Zugedrückt die Augen, verfärbt die Wangen mild,

Im weißen Linnenkleide, jeden Schmuckes bar,

Ihr einzig Goldgeschmeide das sonnig leuchtende Haar.


Da sie der König sahe, die schneeblasse Maid,

Ihm war's, als führe plötzlich durch all sein Eingeweid'

Ein zweischneidig Eisen. Zum Himmel auf er schrie.

Er hatte nimmer Minne getragen heiß wie die.


Keine Träne weint' er; starr blieb er stehn

Mit vorgesunknem Antlitz. Wer ihn da gesehn:

Er hätt' ihn wohl gehalten für ein Bild von Stein.

Da ward ein tiefes Schweigen durch aller Kämpen Reihn.


Lange sonder Regung gebeugt stand Sigurd Ring;

Dann warf empor das Haupt er, von seinen Augen ging[393]

Ein freudevolles Funkeln, es zuckten seine Braun

In kühnem Heldentrutze; gewaltig war er anzuschaun.


Er sprach: »Es schuf die Norne mir ungefügen Gram,

Da sie mir im Zorne den Preis des Kampfes nahm;

Daß sie mich selbst verschonte, weiß ich ihr nicht Dank.

Was frommt es mir, zu leben, wenn meine Sonne sank!


Siebenzig Jahre trug ich mein Schwert bei Fest und Krieg;

Hundert Schlachten schlug ich, und mein war der Sieg.

Nun mag ich nicht verkümmern sonder Klang und Strahl,

Ein elender Greise daheim im öden Saal.


Auch hab' ich mich verschworen mit einem teuren Eid,

Nimmer heimzukehren denn mit der holden Maid.

Ich müßte Schmach erwerben, bräch' ich's ohne Not;

Nein, besser ist's zu sterben einen königlichen Tod.


Auf, schaffet von der Walstatt die Erschlagnen all

Und türmt sie aufeinander zu einem Leichenwall

Auf dem Deck des Schiffes! Mir deucht, es sind genug,

Daß ich gen Walhall fahre mit reisigem Heereszug.


Doch ans Steuerruder bei des Lotsen Stand

Sollt ihr Alfsonnen legen und einen Fichtenbrand

Hoch daneben pflanzen in hellem Flammenschein.

Das soll bei meiner Feier die Hochzeitfackel sein.


Fahr wohl, Ragnar, mein Knabe, dir geb' ich Kron' und Reich;

Ihr auserlesnen Degen, ich grüß' euch allzugleich;

Fahrt wohl und lasset wallen die Banner hoch im Wind!

Laßt die Pauken schallen! das Brautfest beginnt.«


Das Schiff war gerüstet, hinein der König trat;

Niemand durft' ihm folgen auf dem schmalen Pfad.

Das Ankertau zerhieb er, dann löst' er ruhevoll

Die Seile an den Linnen, daß frisch im Wind das Segel schwoll.


Unter Skaldenliedern das Schiff zog die Bahn

Hinaus zur blauen Weite. Es glitt als wie ein Schwan[394]

Der Abendsonn' entgegen. Am Steuer Sigurd stand,

Es schwang der alte Degen den sprühenden Fichtenbrand.


Da lief empor am Segel ein glutroter Schein,

Geschleudert war die Fackel ins dürre Holz hinein;

Rauchgewölke zogen. Dann brach ein Flammenkranz

Empor um Mast und Stangen, es stand das Schiff in Feuer ganz.


Die Lohen schlugen mächtig und spiegelten im Meer,

Vom Ufer zog prächtig des Liedes Schall daher,

Bis in der feuchten Tiefe Schiff und Glut verging.

Da war der Held bestattet. Das ist das Lied von Sigurd Ring.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 392-395.
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