Der Leichtsinn

[207] Der Leichtsinn, wie die Fabel sagt,

Die Fabel aus den goldnen Jahren,[207]

Ward von den Menschen einst verjagt,

Weil alle seiner müde waren.

Er floh zum Zeus und bat um Aufenthalt.

Kaum sah Merkur die lustige Gestalt,

So fühlt' er schon die Pflicht, dem Flüchtling beizuspringen.

»So will dich alle Welt verdringen?

Du dauerst mich. Komm' hüpf auf meine Schwingen!

Ich hoffe dich gut anzubringen.

Komm', Paphos sei dein Aufenthalt!«

Schnell bracht' er ihn zur Venus kleinem Knaben.

»Hier, Gott Cupido«, fing er an,

»Schickt Ihnen Zeus den angenehmsten Mann,

Der schärfer als Sie sehen kann;

Sie sollen ihn zu Ihrem Führer haben.«

Der Leichtsinn trat sein Amt mit Eifer an,

Das Amt, der Liebe vorzutraben,

Und soll, wie die gedachte Fabel spricht,

Von dieser Zeit an seine Pflicht

Sehr selten unterlassen haben.

Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 207-208.
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