Am Kommuniontage

[268] Ich komme, Herr, und suche dich,

Mühselig und beladen.

Gott, mein Erbarmer, würdge mich

Des Wunders deiner Gnaden.

Ich liege hier vor deinem Thron,

Sohn Gottes und des Menschen Sohn,

Mich deiner zu getrösten.

Ich fühle meiner Sünden Müh;

Ich suche Ruh, und finde sie

Im Glauben der Erlösten.


Dich bet ich zuversichtlich an,

Du bist das Heil der Sünder.

Du hast die Handschrift abgetan,

Und wir sind Gottes Kinder.

Ich denk an deines Leidens Macht,

Und an dein Wort: Es ist vollbracht!

Du hast mein Heil verdienet.

Du hast für mich dich dargestellt.

Gott war in dir, und hat die Welt

In dir mit sich versühnet.


So freue dich, mein Herz, in mir!

Er tilget deine Sünden,

Und läßt an seiner Tafel hier

Dich Gnad um Gnade finden.

Du rufst, und er erhört dich schon,

Spricht liebreich: »Sei getrost, mein Sohn!

Die Schuld ist dir vergeben.

Du bist in meinen Tod getauft,

Und du wirst dem, der dich erkauft,

Von ganzem Herzen leben.


Dein ist das Glück der Seligkeit;

Bewahr es hier im Glauben,

Und laß durch keine Sicherheit

Dir deine Krone rauben.

Sieh, ich vereine mich mit dir;[268]

Ich bin der Weinstock, bleib an mir:

So wirst du Früchte bringen.

Ich helfe dir, ich stärke dich;

Und durch die Liebe gegen mich

Wird dir der Sieg gelingen.«


Ja, Herr, mein Glück ist dein Gebot;

Ich will es treu erfüllen,

Und bitte dich, durch deinen Tod,

Um Kraft zu meinem Willen.

Laß mich von nun an würdig sein,

Mein ganzes Herz dir, Herr, zu weihn,

Und deinen Tod zu preisen.

Laß mich den Ernst der Heiligung

Durch eine wahre Besserung

Mir und der Welt beweisen!


Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 268-269.
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