Um Ergebung in den göttlichen Willen

[302] O Herr, mein Gott! durch den ich bin und lebe,

Gib, daß ich mich in deinen Rat ergebe;

Laß ewig deinen Willen mein,

Und was du tust, mir teuer sein!


Du, du regierst, bist Weisheit, Lieb und Stärke.

Du, Herr, erbarmst dich aller deiner Werke.

Was zag ich einen Augenblick?

Du bist mein Gott, und willst mein Glück.


Von Ewigkeit hast du mein Los entschieden.

Was du bestimmt, das dient zu meinem Frieden.

Du wogst mein Glück, du wogst mein Leid,

Und was du schickst, ist Seligkeit.


Gefällt es dir: so müsse keine Plage

Sich zu mir nahn; gib mir zufriedne Tage.

Allein verwehrt's mein ewig Heil:

So bleibe nur dein Trost mein Teil.


Du gibst aus Huld uns dieser Erde Freuden;

Aus gleicher Huld verhängst du unsre Leiden.

Ist nur mein Weh nicht meine Schuld:

So zag ich nicht. Du gibst Geduld.


Soll ich ein Glück, das du mir gabst, verlieren,

Und willst du, Gott! mich rauhe Wege führen:

So wirst du, denn du hörst mein Flehn,

Mir dennoch eine Hülf ersehn.


Vielleicht muß ich nach wenig Tagen sterben.

Herr, wie du willst! Soll ich den Himmel erben,

Und dieser ist im Glauben mein,

Wie kann der Tod mir schrecklich sein?
[302]

Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 302-303.
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