CXXXVI
VERDAMMTE FRAUEN

[160] Wie rinder sinnend auf den uferkieseln

So blicken sie zum fernen himmelsrand ·

Mit sanftem sehnen und mit fieberrieseln

Verschlingt sich fuss mit fuss und hand mit hand.


Die einen beichten ihrer herzen triebe

Im dunklen busch und an des baches saum ·

Sie reden von der bangen kindheitliebe

Und ritzen schrift in einen jungen baum.[161]


Und jene ziehn wie schwestern durch die wüste

Wo manche wunderbare tat geschah ·

Wo Sankt Anton die nackten purpurbrüste

In der versuchung sich erheben sah.


Ein andrer teil der bei des peches dünsten

Im stummen schlund von zauberhöhlen weilt

Ruft dich herab in ungestillten brünsten ·

O Bacchus! der die alte reue heilt.


Noch andre schmücken sich mit skapulieren

Und bergen geisseln in der kleider bausch ·

Sie mischen nachts in einsamen revieren

Der folter tränen mit der freude rausch.


Ihr mädchen weiber · dulder oder sünder ·

Beherzte spötter ihr der wirklichkeit ·

Des unbegrenzten eifrige ergründer

Die ihr in wildem wechsel weint und schreit:


In mitleid folgt ich euch in eure hölle ·

Euch armen schwestern bin ich zugewandt

Ob eurer qual ob eurer gierden völle

Ob eurer herzen gross und liebentbrannt.

Quelle:
George, Stefan: Baudelaire. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 13/14, Berlin 1930, S. 160-162.
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